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Erlass zum Umgang mit dem öffentlichen Zeigen von Reichs(kriegs)flaggen

Erlass zum Umgang mit dem öffentlichen Zeigen von Reichs(kriegs)flaggen
vom 29. Juni 2021
(ABl./21, [Nr. 29], S.622)

Zur Gewährleistung eines landeseinheitlichen Umgangs mit Reichskriegsflaggen ergeht für die Ordnungsbehörden und die Polizei folgender Erlass:

1. Reichs(kriegs)flaggen im Sinne dieses Erlasses sind:

  • die Kriegsflagge des Norddeutschen Bundes, später des Deutschen Reiches 1867 - 1921 (Anlage 1)
  • die Kriegsflagge des Deutschen Reiches 1922 - 1933 (Anlage 2)
  • die Kriegsflagge des Deutschen Reiches 1933 - 1935 (Anlage 3)
  • die Reichsflagge ab 1892/Flagge des „Dritten Reichs“ von 1933 - 1935 (Anlage 4).

2. Reichs(kriegs)flaggen werden immer wieder von rechts­extremistischen und ausländerfeindlichen Gruppierungen und Einzelpersonen wie Reichsbürgerinnen und Reichsbürgern und sogenannten Selbstverwalterinnen und Selbstverwaltern als Symbol für die Unterstützung von (neo)national­sozialistischen Anschauungen und die Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der verfassungsmäßig bestellten Organe verwendet. Ihre Verwendung in der Öffentlichkeit kann eine nachhaltige Beeinträchtigung der Voraussetzungen für ein geordnetes staatsbürgerliches und menschliches Zusammenleben und damit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen.

3. Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung liegt vor, wenn in der Gesamtschau provokative und aggressive Begleit­umstände hinzukommen, die geeignet sind, das geordnete staatsbürgerliche Zusammenleben der Einwohnerinnen und Einwohner zu beeinträchtigen und ein Klima der Gewalt­demonstration und potentieller Gewaltbereitschaft zu erzeugen. Das Vorliegen einer provokativen und einschüchternden Wirkung ist aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls zu bewerten. Zu betrachten sind dabei insbesondere das Motto und der Kontext, in dem die Flaggen gezeigt und verwendet werden. Dies gilt auch für das Zeigen oder Verwenden auf privatem Grund, wenn dadurch eine solche Wirkung für die Öffentlichkeit erkennbar entfaltet werden soll und wird.

Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung kann insbesondere vorliegen im Zusammenhang mit

  • einem demonstrativen Hissen oder Verwenden der Flagge an einem Ort oder Datum mit historischer Symbolkraft,
  • dem Skandieren von ausländerfeindlichen oder anderweitig einschüchternden Parolen oder fremdenfeindlichen Liedtexten,
  • dem Zeigen von Zeichen und Symbolen mit Bezug zum Nationalsozialismus,
  • dem Bestehen einer Einschüchterungswirkung aufgrund bedrohlichen Auftretens,
  • paramilitärisch anmutenden Versammlungen, beispielsweise durch Kombination mit Trommeln, Fackeln, Uniformen, Marschieren in Formation, oder
  • dem Bestehen des Anscheins einer Anlehnung an Fahnenaufmärsche der Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten.

4. Bei Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Ordnung nach den unter Nummer 3 genannten Kriterien sind die Ordnungs- und Polizeibehörden gehalten, im Rahmen der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens bezogen auf den jeweiligen Einzelfall das Zeigen oder Verwenden der Reichs(kriegs)flaggen in der Öffentlichkeit auf der Grund­lage des § 13 Absatz 1 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG) oder des § 10 Absatz 1 des Brandenburgischen Polizeigesetzes (BbgPolG) zu unterbinden und die Flaggen gemäß § 23 Nummer 1 Buchstabe g OBG in Verbindung mit § 25 Absatz 1 BbgPolG oder § 25 Absatz 1 BbgPolG sicherzu­stellen. Bei der Verwendung von Reichs(kriegs)flaggen im Zusammenhang mit Versammlungen ist als milderes Mittel eine Kontingentierung der Flaggen in Betracht zu ziehen.

5. In diesen Fällen ist zudem stets ein Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 118 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) einzuleiten; der Sachverhalt ist mittels Fotos und Videoaufzeichnung zu dokumentieren, soweit dies rechtlich zulässig ist.

6. Das Zeigen der Kriegsflagge des Deutschen Reiches von 1935 bis 1945 (Anlage 5) stellt wegen des verwendeten Hakenkreuzes eine Straftat gemäß § 86a Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches (StGB) dar. Werden diese Flaggen mit Hakenkreuz öffentlich oder in einer Versammlung verwendet, sind sie zur Beweissicherung gemäß § 94 der Strafprozessordnung (StPO) sicherzustellen oder zu beschlagnahmen. Derartige Flaggen unterliegen ferner als Tatobjekte der Einziehung (§§ 74, 92 StGB) und daher auch der Beschlagnahme nach § 111b StPO.

7. Abwandlungen der unter Nummer 1 genannten Reichs­(kriegs)flaggen, welche insbesondere mit veränderter oder hinzugefügter Symbolik, zum Beispiel Bundesadler, Reichsadler, Stahlhelm oder Eisernes Kreuz, öffentlich verwendet werden, können ebenfalls im konkreten Einzelfall unter Betrachtung der Gesamtumstände eine Belästigung der Allgemeinheit im Sinne des § 118 Absatz 1 OWiG darstellen. In diesen Fällen ist nach den Nummern 4 und 5 zu verfahren.

8. Dieser Erlass tritt am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt für Brandenburg in Kraft. Gleichzeitig treten der Erlass „Ordnungsbehördliches Vorgehen gegen öffentliches Zeigen der Reichskriegsflagge“ vom 10. Juni 2014 (ABl. S. 951) und der Erlass „Polizeiliches Vorgehen gegen öffentliches Zeigen der Reichskriegsflagge“ vom 15. April 2019 - 45.4-420-00 - (im Amtsblatt nicht veröffentlicht) außer Kraft.

Anlagen

Anlage 1 - Kriegsflagge des Norddeutschen Bundes, später des Deutschen Reiches 1867 - 1921

Anlage 2 - Kriegsflagge des Deutschen Reiches 1922 - 1933

Anlage 3 - Kriegsflagge des Deutschen Reiches 1933 - 1935

Anlage 4 - Reichsflagge ab 1892/Flagge des „Dritten Reichs“ von 1933 - 1935

Anlage 5 - Reichskriegsflagge 1935 - 1945

Anlagen