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Rundschreiben 31/01 (RS 31/01)
Rundschreiben 31/01 (RS 31/01)
vom 2. November 2001
(Abl. MBJS/01, [Nr. 15], S.534)
Außer Kraft getreten am 1. August 2008 durch Rundschreiben vom 23. Juni 2008
(Abl. MBJS/08, [Nr. 7], S.248)
Grundsätze zur Vermeidung, Feststellung und Behandlung von Schulverweigerung
1. Geltungsbereich
Die Maßgaben dieses Rundschreibens beziehen sich auf langfristiges unentschuldigtes Fernbleiben von der Schule sowie auf schwerwiegende Fälle nur passiver oder störender Teilnahme am Unterricht. Sie sind als Grundsätze zur Vermeidung, Feststellung und Behandlung schulverweigernden Verhaltens schulpflichtiger Schülerinnen und Schüler zu beachten. Davon ausgehend hat jede Schule über die im Einzelfall angemessenen Maßnahmen zu entscheiden, um aktiv, konzeptionell und im Einzelfall möglichst frühzeitig präventiv und nachdrücklich die Schülerinnen und Schüler vor einem Ausstieg aus der Schule zu bewahren oder in die Schule zurückzuführen.
Vorrangig zielt dieses Rundschreiben auf das Phänomen der Schulverweigerung im Rahmen der Vollzeitschulpflicht in der Sekundarstufe I, da in diesem Bereich das Problem bei einzelnen Schülerinnen und Schülern verstärkt auftritt. Zur handlungsleitenden Feststellung, differenzierten Analyse sowie zu definitorischen Hinweisen und möglichen besonderen Angeboten im Zusammenhang mit Schulverweigerung ist die Anlage 1 dieses Rundschreibens besonders zu beachten.
2. Handlungsrahmen der Schule
Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule beinhaltet die rechtliche Verpflichtung, durch pädagogisches und verfahrensmäßiges Handeln unentschuldigtes Fernbleiben von der Schule zu verhindern, im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern Probleme, die zum Fernbleiben beitragen, zu erkennen und auf Lösungen hinzuwirken sowie im Einzelfall mit informellen, erzieherischen oder ordnungsrechtlichen Maßnahmen zu reagieren. Entsprechendes gilt für die Durchsetzung der gemäß § 44 Abs. 3 BbgSchulG bestehenden Pflicht der Schülerinnen und Schüler zur aktiven und nicht störenden Teilnahme am Unterricht. Dies gehört zum Auftrag jeder Schule, sichert die Voraussetzungen zur Erziehung und Bildung und ist Teil der Schutz- und Fürsorgepflichten gegenüber jeder Schülerin und jedem Schüler gemäß § 4 Abs. 3 BbgSchulG.
Die Bestimmungen der VV-Schulbetrieb zum Fernbleiben vom Unterricht sowie der Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen Verordnung hinsichtlich der Voraussetzungen von Ordnungsmaßnahmen im Zusammenhang mit unentschuldigtem Fehlen sind zu beachten.
Die Möglichkeiten im Rahmen der Partnerschaft zwischen Schule und Jugendhilfe durch Sozialarbeit an Schulen insbesondere im Bereich der schulbegleitenden Funktion hinsichtlich der Arbeit mit schulverweigernden Jugendlichen gemäß Nummer 3.3 der Empfehlungen zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung der Sozialarbeit an Schulen im Land Brandenburg (RS 22/98 vom 2. April 1998; ABl. MBJS S. 315) sind zu nutzen.
Danach hat Schule zunächst die Schulpflichterfüllung zu überwachen sowie alle geeigneten und rechtlich möglichen Mittel zu ergreifen, um
- präventiv der Schulverweigerung entgegenzuwirken,
- auf unentschuldigtes Fehlen oder nur passive oder dauerhaft erheblich störende Teilnahme im Unterricht nachdrücklich und im Einzelfall angemessen zu reagieren,
- auf Grund abgestimmter Kriterien festzustellen, ob Auffälligkeiten, Gefährdungen oder Fälle von Schulverweigerung bestehen,
- von Schule oder vom Unterricht nicht mehr erreichbare Schülerinnen und Schüler wieder in das Regelangebot der Schule zurückzuführen.
Hierzu soll sich jede Schule möglichst in Zusammenarbeit mit der schulpsychologischen Beratung auf ein pädagogisches Konzept verständigen, das strukturierte Absprachen und ein gemeinsames Handeln und Vorgehen der Lehrkräfte ermöglicht. Das Konzept ist gegenüber den Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern darzulegen und in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.
2.1 Differenzierende Maßstäbe
Hinsichtlich unentschuldigter Fehlzeiten sollen Schülerinnen und Schüler für die Durchführung geeigneter Maßnahmen grundsätzlich nach folgenden Kriterien unterschieden werden:
- auffällige Schülerinnen und Schüler (z. B. bei gelegentlichem unerlaubtem Fernbleiben),
- gefährdete Schülerinnen und Schüler (z. B. regelmäßiges unerlaubtes Fernbleiben),
- schulverweigernde Schülerinnen und Schüler (z. B. massives Fernbleiben vom Unterricht; Unerreichbarkeit).
Für Schülerinnen und Schüler, die am Unterricht regelmäßig teilnehmen, jedoch durch beständiges passives oder störendes Verhalten auffallen und daher vom Erziehungs- und Bildungsauftrag nicht oder nur teilweise erreicht werden, soll entsprechend differenziert werden.
2.2 Grundlagen der Prävention
Folgende Grundsätze leiten insbesondere die präventive Arbeit:
- Schule soll in regelmäßigen Abständen Schülerinnen und Schüler sowie die Eltern über die Bedeutung und rechtlichen Grundlagen der Schulpflicht unterrichten.
- Schule hat als eine wesentliche Sozialisationsinstanz und damit als Lern- und Lebensort für Kinder und Jugendliche deren Problemen und Konflikten in der pädagogischen Arbeit besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
- Risikofaktoren, die unentschuldigtes Fernbleiben begünstigen, sollen ermittelt und abgestellt werden. Für den schulischen Bereich bedeutet dies z. B., für ein möglichst angstfreies Schulklima zu sorgen. Die Grundsätze abgestimmter Konzepte sollten auch in der Hausordnung ausgewiesen werden.
Wesentlich ist es, unentschuldigtes Fernbleiben wahrzunehmen und in jedem Einzelfall, schnell und angemessen darauf einzugehen.
3. Verantwortung der Eltern
Hinsichtlich der Verantwortung der Eltern ist im Zusammenhang mit den §§ 41 und 42 des Brandenburgischen Schulgesetzes regelmäßig darauf hinzuweisen, dass unentschuldigtes Fehlen neben möglichen Zwangsgeldverfahren auch Bußgelder zur Folge haben kann, wenn unentschuldigtes Fehlen auf die Verantwortung der Eltern zurückzuführen ist. Darüber hinaus soll die Schule insbesondere darüber informieren, dass
- die Eltern gemäß ihrer Pflicht nach § 44 Abs. 5 BbgSchulG, die Erziehungs- und Bildungsarbeit der Schule unterstützen und als Ansprechpartner zur Verfügung stehen sollen,
- gemäß § 63 Abs. 3 BbgSchulG das Jugendamt benachrichtigt wird, wenn auf die Schülerinnen und Schüler kein Einfluss genommen werden kann oder die Eltern nicht in der Lage sind, die Fehlzeiten zu beenden,
- es aus Sicht der Schule grundsätzlich zweckmäßig ist, in vertrauensvollen Gesprächen die möglichen Ursachen für schulverweigerndes Verhalten herauszufinden, da langfristige Schulverweigerung auf psychische, soziale oder auch gesundheitliche Probleme hindeuten kann und Strafen zumeist nicht die gewünschte Verhaltensänderung bewirken,
- für den Fall, dass die Schülerinnen und Schüler die Verantwortung oder Mitverantwortung für das unentschuldigte Fehlen tragen, Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen in Betracht kommen,
- schwerwiegendes unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht nicht selten mit einem Abgleiten in kriminelle Zusammenhänge einhergeht.
Sind Eltern für ein Gespräch nicht zu erreichen, sind sie zu unentschuldigten Fehlzeiten oder zu einem anderen Verhalten in der Schule, das mit Schulverweigerung in Verbindung zu bringen ist, schriftlich zu informieren. Im Zusammenhang mit unentschuldigten Fehlzeiten sollen hierfür die Musterschreiben gemäß der Anlage 2 verwendet werden. Entsprechende Schreiben sind an die Eltern zu richten, wenn anhaltende Störungen des Unterrichts oder Passivität die Annahme eines schulverweigernden Verhaltens rechtfertigen.
4. Verantwortung der Schülerinnen und Schüler
Die Schülerinnen und Schüler sind regelmäßig auf ihre eigene Verantwortung zur regelmäßigen Teilnahme am Unterricht sowie darauf hinzuweisen, dass sie zur aktiven und nicht störenden Unterrichtsarbeit verpflichtet sind. Hierbei ist auch klar zu stellen, dass die Schulpflicht als wesentliches Rechtsgut ihren Anspruch auf Erziehung und Bildung sichert und als eine wesentliche Voraussetzung für einen möglichst selbstbestimmten Lebensweg in einer von Bildung und Wissen geprägten Gesellschaft zu gelten hat. Dies sollte auch im Unterricht und insbesondere anlässlich unentschuldigter Fehlzeiten oder nicht ordnungsgemäßer Mitarbeit einzelner Schülerinnen und Schüler angemessen thematisiert werden.
Im Rahmen präventiver Hinweise sowie beim Auftreten auffälliger Fehlzeiten und anderem schulverweigerndem Verhalten sind die Schülerinnen und Schüler auch darüber zu informieren, dass sie sich mit individuellen Problemen auch an eine Lehrkraft, die schulpsychologische Beratung, an das Jugendamt oder an andere geeignete Einrichtungen in kommunaler oder freier Trägerschaft wenden können. Entsprechende Adressen und Rufnummern sind an der Infotafel der Schule ständig zugänglich zu machen.
5. Feststellung von Schulverweigerung
5.1 Voraussetzungen, Beschluss der Klassenkonferenz
Der Umfang von zehn unentschuldigten Fehltagen innerhalb eines Schulhalbjahres gilt grundsätzlich als Schulverweigerung gemäß Nummer 2.1. Die Klassenkonferenz hat zu prüfen, ob die bisherigen Maßnahmen der Schule einschließlich schulpsychologischer Beratungen eine Verhaltensänderung bewirkt haben und begründete Hinweise für den nunmehr ordnungsgemäßen Schulbesuch bestehen. Sie berät nach den Maßgaben der Anlage 1 und beschließt das weitere Vorgehen.
Dies gilt entsprechend für die Feststellung von Schulverweigerung wegen anhaltender nur passiver Teilnahme am Unterricht, wozu auch die ständige Nichtanfertigung von Arbeiten oder Hausaufgaben oder anhaltende Störungen des Unterrichts z. B. durch häufiges gewalttätiges Verhalten gehören.
Deuten Tatsachen darauf hin, dass Schülerinnen und Schüler gemäß Nummer 2.1 als gefährdet im Sinne der Schulverweigerung gelten, hat auch in diesen Fällen die Klassenkonferenz darüber sowie über die weiteren Schritte zu beschließen und diese zu einem von ihr festgelegten Zeitpunkt zu überprüfen.
Soweit Schülerinnen und Schüler gemäß Nummer 2.1 als auffällig einzuordnen sind, ist dazu ein feststellender Beschluss der Klassenkonferenz nicht erforderlich.
5.2 Weiteres Verfahren
Über die Feststellung einer Gefährdung einer Schulverweigerung gemäß Nummer 2.1 sind die Eltern schriftlich zu informieren. Auf die weiteren Verfahrensschritte sowie ein Beratungsangebot der Schule ist hinzuweisen.
Die Feststellung einer Schulverweigerung ist unverzüglich an das staatliche Schulamt zu melden, um das weitere Vorgehen im Einzelnen abzustimmen. Insbesondere ist mit dem staatlichen Schulamt einvernehmlich über besondere Unterrichtsangebote oder über Projektangebote z. B. auf der Grundlage von § 36 Abs. 4 BbgSchulG zu entscheiden.
Die danach mögliche Befreiung vom Besuch der Schule für die Teilnahme an einem besonderen Projekt außerhalb der Schule setzt den Antrag der Eltern voraus und sollte mit der Schülerin oder dem Schüler besprochen werden. Nimmt die Schülerin oder der Schüler an einer Förderung außerhalb der Schule teil, ist die Maßnahme einschließlich ihres zeitlichen Umfangs vom staatlichen Schulamt und der Schule zu dokumentieren, um zum gegebenen Zeitpunkt über die Wiedereingliederung in die Schule zu entscheiden.
Können schulverweigernde Schülerinnen und Schüler keiner besonderen Bildungsmaßnahme zugewiesen werden, ist die Schule weiterhin verpflichtet, durch mögliche individuelle Maßnahmen und Angebote für deren Schulpflichterfüllung zu sorgen und bei weiterem Fernbleiben von der Schule weiterhin den Kontakt mit den Eltern zu suchen und das Jugendamt über die Entwicklung zu informieren.
Hinsichtlich schulverweigernder Schulpflichtiger, deren Aufenthaltsort nicht bekannt ist, soll die Schule für eine mögliche Wiedereingliederung den Kontakt zu den Eltern und dem Jugendamt aufrecht erhalten und sich in regelmäßigen Abständen über den weiteren Verbleib informieren. Entsprechende Vermerke sind in die Schülerakte aufzunehmen. Auch in diesen Fällen, hat die Klassenkonferenz gemäß Nummer 2.1 die Feststellung einer Schulverweigerung zu treffen und das staatliche Schulamt zu informieren.
5.2.1 Datenschutzrechtliche Hinweise
Die im Zusammenhang mit dem dargelegten Verfahren anfallenden schriftlichen Unterlagen mit Personenbezug zu der Schülerin oder dem Schüler sind gemäß Nummer 1.11 (Schriftverkehr zu Schulpflichtverletzungen) der Anlage 1 der Datenschutzverordnung Schulwesen in die Schülerakte aufzunehmen. Hinzuzufügen ist ein schriftlicher Hinweis auf den feststellenden Beschluss der Klassenkonferenz, der gemäß Nummer 5.3 der Anlage 1 der genannten Verordnung in einer gesonderten Sachakte aufzubewahren ist.
6. In-Kraft-Treten
Dieses Rundschreiben tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport in Kraft.