Suche

Suche innerhalb der Norm
Link zur Hilfe-Seite

Zuständigkeit der Zentralen Staatsschutz-Kontakt- und Koordinierungsstelle für das Land Brandenburg

Zuständigkeit der Zentralen Staatsschutz-Kontakt- und Koordinierungsstelle für das Land Brandenburg
vom 2. April 2024
(JMBl/24, [Nr. 7], S.58)

I.
Allgemeines

1.
Mit Beschluss vom 23. Mai 2017 haben sich die Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälte der Länder sowie der Generalbundesanwalt zum Zwecke einer konsequenten Verfolgung islamistischer Gefährder darauf verständigt, in den Ländern auf der Ebene der Generalstaatsanwaltschaften, die gemäß §§ 120, 142a Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) für Staatsschutzstrafsachen zuständig sind, sogenannte Staatsschutz-Kompetenzzentren zu etablieren. Sie dienen den beteiligten Stellen als zentraler Ansprechpartner und Koordinator.

2.
Mit Beschluss vom 12. November 2019 haben sich die Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälte der Länder sowie der Generalbundesanwalt, um der von Gefährdern im rechten Spektrum, insbesondere mit Blick auf die Zunahme der Gewaltdelikte durch Täter mit rechtsextremistischer Gesinnung, ausgehenden Gefahr durch eine konsequente Strafverfolgung zu begegnen und strafrechtliche Ermittlungen gegen Personen, die als Gefährder eingestuft werden, möglichst koordiniert zu führen, wofür Voraussetzung eine Kooperation der Staatsanwaltschaften untereinander ist, auf folgende Maßnahmen verständigt:

Verstärkte Kooperation zwischen Generalbundesanwalt und Staatsschutzzentren / Generalstaatsanwaltschaften

Der Generalbundesanwalt wirkt in Zusammenarbeit mit den Staatsschutzzentren / Generalstaatsanwaltschaften auf die Zusammenführung strafrechtlicher Ermittlungsmaßnahmen hin. Im Vordergrund stehen die Bündelung der Ermittlungen in den Ländern, etwa durch Anstoßen von Sammelverfahren, sowie die Ausgestaltung von Vollstreckungsverfahren gegen Gefährder.

Verstärkte Führung von Sammelverfahren

Soweit möglich sollen Ermittlungsverfahren gegen Gefährder in einer Hand bearbeitet werden. Sind mehrere Ermittlungsverfahren bei verschiedenen Staatsanwaltschaften anhängig, ist die Prüfung der Einleitung eines Sammelverfahrens vor dem Hintergrund der Gefahrenprognose geboten. Dies gilt insbesondere auch für Ermittlungsverfahren, die Delikte der Allgemeinkriminalität zum Gegenstand haben.

3.
Gemäß dem Staatsvertrag über die Übertragung der Zuständigkeit in Staatsschutz-Strafsachen vom 8. November 2010 (GVBl. 2011 I Nr. 1) hat das Land Brandenburg für sein Gebiet die in § 120 Absatz 1 bis 4 GVG dem Oberlandesgericht zugewiesenen Aufgaben dem Kammergericht übertragen, sodass entsprechende Ermittlungsverfahren, sofern keine Zuständigkeit des Generalbundesanwalts besteht, von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin geführt werden.

Sofern nach den geltenden Bestimmungen keine vorrangige Bearbeitungszuständigkeit des Generalbundesanwalts oder der Generalstaatsanwältin in Berlin besteht, ist zur Umsetzung der Beschlüsse vom 23. Mai 2017 und 12. November 2019 zur konsequenten Verfolgung islamistischer und rechter Gefährder im Geschäftsbereich der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg die Zentrale Staatsschutz-Kontakt- und Koordinierungsstelle zuständig.

Sie dient den beteiligten Stellen innerhalb und außerhalb des Landes Brandenburg nach Maßgabe der nachfolgenden Regelungen als zentraler Ansprechpartner für grundsätzliche, verfahrensunabhängige Fragestellungen aus den Bereichen der Terrorismus- und Extremismusbekämpfung und übernimmt insoweit notwendige Koordinierungsaufgaben bei Verfahren gegen Gefährder/Relevante Personen (G/RP) aus dem islamistischen und rechten Spektrum.

4.
Den Begriffen „Gefährder“ und „Relevante Personen“ liegen folgende bundeseinheitlich abgestimmte polizeifachliche Definitionen zugrunde:

a. Gefährder:

Gefährder ist eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung (StPO), begehen wird.

b. Relevante Person:

Eine Person ist als relevant anzusehen, wenn sie innerhalb des extremistischen/terroristischen Spektrums die Rolle

aa) einer Führungsperson,
bb) eines Unterstützers/Logistikers,
cc) eines Akteurs

einnimmt und objektive Hinweise vorliegen, die die Prognose zulassen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a StPO, fördert, unterstützt, begeht oder sich daran beteiligt,

oder

dd) es sich um eine Kontakt- oder Begleitperson eines Gefährders, eines Beschuldigten oder eines Verdächtigen einer politisch motivierten Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere einer solchen im Sinne des § 100a StPO, handelt.

II.
Bearbeitungszuständigkeiten/Verfahrensbehandlung bei den Staatsanwaltschaften des Landes

1.
Entsprechend der Rundverfügung des Generalstaatsanwalts des Landes Brandenburg vom 25. Januar 2024 (JMBl. S. 38 – 421-32) zur Zuständigkeitskonzentration von Staatsschutzstrafverfahren ist die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren mit dem Tatvorwurf des § 89a des Strafgesetzbuches – unabhängig vom Alter der Tatverdächtigen – ausschließlich der bei der Generalstaatsanwaltschaft ansässigen Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Land Brandenburg zugewiesen.

Darüber hinaus besteht in Fällen von besonderer Bedeutung oder besonderen Umfangs die Möglichkeit, dass die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Land Brandenburg die Ermittlungsverfahren übernimmt und führt (§ 145 Absatz 1 GVG in Verbindung mit Ziff. V.1. der Rundverfügung des Generalstaatsanwalts vom 17. November 2022 [JMBl. 2023 S. 38 – 420-49]).

2.
Gemäß § 74a Absatz 1 in Verbindung mit § 143 Absatz 1 Satz 1 GVG und unter Berücksichtigung der Rundverfügung des Generalstaatsanwalts des Landes Brandenburg vom 25. Januar 2024 (JMBl. S. 38 – 421-32) zur Zuständigkeitskonzentration von Staatsschutzstrafverfahren besteht im hiesigen Geschäftsbereich eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft Potsdam für Ermittlungsverfahren, die Staatsschutzdelikte aus dem Katalog des § 74a GVG zum Gegenstand haben – unabhängig vom Alter des Tatverdächtigen.

Ist bei der Staatsanwaltschaft Potsdam ein Ermittlungsverfahren gegen G/RP wegen eines Staatsschutzdelikts anhängig, sind bei Personenidentität sämtliche im Geschäftsbereich geführten Ermittlungsverfahren, namentlich auch solche, die kein Staatsschutzdelikt zum Gegenstand haben, der Staatsanwaltschaft Potsdam zur Prüfung der Übernahme vorzulegen.

3.
Besteht keine vorrangig zu beachtende Staatsschutzzuständigkeit (Ziff. 1 und 2), werden Ermittlungsverfahren gegen G/RP grundsätzlich in der politischen Abteilung der jeweils örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft konzentriert. Dies gilt für alle Ermittlungsverfahren, auch solche, die Delikte der allgemeinen Kriminalität zum Gegenstand haben.

4.
a)
Werden gegen eine/n G/RP mehrere Ermittlungsverfahren (ohne Staatsschutzbezug) bei verschiedenen Staatsanwaltschaften des Landes geführt, ist die Konzentration an einem Standort unter den Aspekten Verfahrensschwerpunkt, Wohnort, Fortschritt der Ermittlungen etc. zu prüfen. Die Abstimmung erfolgt unmittelbar zwischen den beteiligten Staatsanwaltschaften. Im Streitfall entscheidet der Generalstaatsanwalt.

b)
Ist ein Ermittlungsverfahren gegen eine/n G/RP anhängig, gegen den/die auch in anderen Bundesländern Ermittlungen geführt werden, ist Ziff. 5 des Beschlusses vom 23. Mai 2017 zu beachten. Etwa erforderliche Koordinierungsaufgaben obliegen dem Generalstaatsanwalt.

Sofern die Generalstaatsanwaltschaft Berlin in Folge der Regelung des Staatsvertrages zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg über die Übertragung der Zuständigkeit in Staatsschutz-Strafsachen vom 8. November 2010 (GVBl. 2011 I Nr. 1) Ermittlungen gegen G/RP führt, sind dieser alle weiteren im Land Brandenburg gegen dieselbe Person geführten Ermittlungsverfahren zur Prüfung der Übernahme vorzulegen. Die Aktenvorlage erfolgt über den Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg.

5.
Zur Sicherstellung einer etwa erforderlichen Verfahrenskoordinierung/-konzentration nach Maßgabe der vorstehenden Regelungen ist jedenfalls mit Erstvorlage und vor der verfahrensabschließenden Entscheidung von der jeweiligen Dezernentin oder dem Dezernenten Einsicht in das Zentrale Staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister zu nehmen.

III.
Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Brandenburg und Vorgangserfassung

1.
Anhand der vom Landeskriminalamt Brandenburg auf der Grundlage der oben genannten Definitionen erstellten und in jeweils aktueller Fassung an die Generalstaatsanwaltschaft übermittelten Listen werden die darin benannten G/RP als solche im MESTA-System gekennzeichnet, sofern diese dort bereits als Beschuldigte erfasst sind. Hiernach wird die Liste – bei Ersterfassung von G/RP mit dem Hinweis auf bereits anhängige Verfahren – an die Staatsanwaltschaften des Landes weitergeleitet. Durch die Markierung ist sichergestellt, dass bei Eintragung neuer Verfahren gegen bereits in MESTA erfasste G/RP ein Systemhinweis zur Vorlage in der politischen
Abteilung generiert wird.

2.
Im Zuge staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gewonnene Erkenntnisse, die für die polizeirechtliche Beobachtung des islamistischen und rechten Spektrums Bedeutung haben können, sind nach Maßgabe der strafprozessualen Ermittlungsvorschriften dem Ansprechpartner beim Landeskriminalamt Brandenburg – Leiter des zentralen Staatsschutzes o. V. i. A. – zeitnah unmittelbar zuzuleiten.

IV.
Berichtspflichten

Ungeachtet im Einzelfall bestehender Berichtspflichten nach der Anordnung über Berichtspflichten in Strafsachen fertigen die Leitenden Oberstaatsanwältinnen und Leitenden Oberstaatsanwälte zu den Stichtagen 1. März und 1. September eines Jahres an das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg auf dem Dienstweg zu erstattende Sammelberichte, die über den Fortgang sämtlicher in ihrem jeweiligen Geschäftsbereich anhängigen Ermittlungsverfahren gegen
G/RP Auskunft geben.

V.
Erreichbarkeit

Die Anschrift und Erreichbarkeit der Zentralen Staatsschutz-Kontakt- und Koordinierungsstelle lautet:

Der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg
Zentrale Staatsschutz-Kontakt- und Koordinierungsstelle
Steinstraße 61
14776 Brandenburg an der Havel
Telefonnummer: 03381/2082-0
Telefaxnummer: 03381/2082-190
E-Mail: Staatsschutzzentrum@gsta.brandenburg.de

VI.
Inkrafttreten

Diese Rundverfügung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig treten die Rundverfügung „Einrichtung einer zentralen Staatsschutz-Kontakt- und Koordinierungsstelle für das Land Brandenburg“ vom 9. April 2018 (JMBl. S. 42 – 402-30 SH 09), die durch die Rundverfügung vom 27. Oktober 2023 geändert worden ist, und die Rundverfügung „Erweiterung der Zuständigkeit der zentralen Staatsschutz-Kontakt- und Koordinierungsstelle für das Land Brandenburg“ vom 24. Juni 2020 (JMBl. S. 110 – 402-30 SH 14) außer Kraft.

Dr. Behm