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Verwaltungsvorschriften für den Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen im Bereich der geistigen Entwicklung (VV-Gei-Entw)

Verwaltungsvorschriften für den Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen im Bereich der geistigen Entwicklung (VV-Gei-Entw)
vom 9. Mai 2003
(Abl. MBJS/03, [Nr. 6], S.154)

Außer Kraft getreten am 2. August 2007 durch Verwaltungsvorschrift vom 2. August 2007
(Abl. MBJS/07, [Nr. 7], S.223)

Auf Grund des § 146 des Brandenburgischen Schulgesetzes vom 12. April 1996 (GVBl. I S. 102) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. August 2002 (GVBl. I S.78) in Verbindung mit § 29 Abs. 4 Satz 2 der Sonderpädagogik-Verordnung vom 24. Juni 1997 (GVBl. II S. 504), zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. März 2002 (GVBl. II S. 194) bestimmt der Minister für Bildung, Jugend und Sport:

 1 - Geltungsbereich

Diese Verwaltungsvorschriften gelten für Schülerinnen und Schüler mit einer geistigen Behinderung und schweren Mehrfachbehinderung (Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung) und orientieren sich an den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zum Förderschwerpunkt geistige Entwicklung.

2 - Grundsätze

(1) Die Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung haben in ihrem Erscheinungsbild ein komplexes Beziehungsgefüge von individueller Schädigung sowie personalen und sozialen Faktoren, das in sich nicht statisch ist. Die Heterogenität dieser Gruppe äußert sich in einer Vielzahl von Erscheinungsbildern und den daraus resultierenden Schwerpunkten sonderpädagogischer Förderung. Neben den Beeinträchtigungen in der geistigen Entwicklung sind insbesondere Beeinträchtigungen der Motorik, der Wahrnehmung, der Sprache und im Bereich des Sozialverhaltens in unterschiedlicher Ausprägung und Kombination zu berücksichtigen. Die daraus abzuleitenden Maßnahmen zur lebensbegleitenden Förderung und die speziellen Lern- und Strukturierungs­hilfen für eine aktive Lebensbewältigung sind auf die Erweiterung der personalen, sozialen und sachbezogenen Kompetenz auszurichten, so dass eine weitest gehende Selbstverwirklichung und soziale Teilhabe für diese Schülerinnen und Schüler möglich wird.

(2) Besondere Anforderungen an eine individuelle Förderung stellen Schülerinnen und Schüler, die in mehreren Entwicklungsbereichen so erheblich beeinträchtigt sind, dass gleichzeitig verschiedene Förderschwerpunkte gemäß den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur sonderpädagogischen Förderung in den Schulen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne einer schweren Mehrfachbehinderung zur Anwendung kommen. Die Sicherstellung des basalen Lernens tritt in den Vordergrund der sonderpädagogischen Förderung.

(3) Der Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung richtet sich nach den entsprechenden Rahmenlehrplänen oder anderen geeigneten curricularen Materialien (curriculare Vorgaben). Die sonderpädagogische Förderung findet im gemeinsamem Unterricht mit nicht behinderten Schülerinnen und Schülern, in Förderklassen für geistig Behinderte, die in kooperativen Formen mit Klassen einer allgemeinen Schule zusammenarbeiten, und in der Förderschule für geistig Behinderte statt.

(4) Lehrkräfte im Unterricht für diese Schülerinnen und Schüler sind

  1. Personen, die über eine im Land Brandenburg anerkannte Lehrbefähigung in der Fachrichtung Geistigbehindertenpädagogik verfügen sollen und
  2. sonderpädagogische Fachkräfte, die über eine geeignete sonderpädagogische Ausbildung verfügen, jedoch mindestens über eine Ausbildung als Sonderpädagoge (FS)

Sonstiges pädagogisches Personal gemäß § 68 Abs.1 Satz 2 des Brandenburgischen Schulgesetzes unterstützt die Arbeit der Lehrkräfte.

(5) Das sonstige Personal gemäß § 68 Abs. 1 Satz 3 des Brandenburgischen Schulgesetzes leistet im Schulbetrieb unterstützende und insbesondere therapeutische Maßnahmen überwiegend außerhalb des Unterrichtes, die zur Absicherung des Unterrichtsablaufes und der pädagogisch gelenkten Betreuungsangebote erforderlich sind.

(6) Personal gemäß § 68 Abs. 2 Satz 3 des Brandenburgischen Schulgesetzes, das durch den örtlichen Träger der Sozialhilfe oder den Trägern der Jugendhilfe finanziert wird, erbringt einzelfallbezogene Hilfen für Schülerinnen und Schüler, für die ein behinderungsbedingter ausschließlich individueller Betreuungsbedarf innerhalb und außerhalb der Schule festgestellt wurde. Das kann unter anderem die durchgängige Unterstützung beim Gebrauch von behinderungsspezifischen Hilfsmitteln, die für eine Teilnahme am Unterricht unerlässlich sind, betreffen oder sich auf eine durchgängige Betreuung bei Vorliegen massiver psychischer Störungen beziehen, die sowohl während des Unterrichtes, der Pausen, als auch für die Begleitung auf dem Schulweg auftreten. Für die organisatorische und fachliche Einordnung dieses Personals im Rahmen ihrer Tätigkeit an der Schule trifft die Schulleitung mit dem jeweiligen Träger eine Vereinbarung. Im Rahmen dieser Vereinbarung ist insbesondere festzulegen, welche Weisungsbefugnisse auf die Schulleiterin oder den Schulleiter übertragen werden.

(7) Gruppenbezogene pflegerische und therapeutische Leistungen des sonstigen Personals des Schulträgers und einzelfallbezogene Leistungen anderer Träger sind im Zusammenwirken mit den Lehrkräften und dem sonstigen pädagogischen Personal in den Schulalltag so zu integrieren, dass die Ansprüche jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers an die schulische Förderung gemäß den Festlegungen im individuellen Förderplan angemessen Berücksichtigung finden und sich in das pädagogische Gesamtkonzept der Schule einordnen.

(8) Für jede Schülerin und jeden Schüler ist in interdisziplinärer Zusammenarbeit nach Aufnahme in den gemeinsamen Unterricht, in eine Förderklasse oder in die Förderschule für geistig Behinderte ein individueller Förderplan zu erstellen. Die Eltern sind an der Erstellung des Förderplanes angemessen zu beteiligen und sind angehalten die schulische Förderung ihrer Kinder zu begleiten und zu unterstützen. Der Förderplan beinhaltet, ausgehend von den Feststellungen und Empfehlungen des Förderausschusses Aussagen zu Lernfeldern gemäß § 29 Abs. 4 der Sonderpädagogik-Verordnung, Ableitungen für die individuellen Entwicklungsziele sowie die Festlegung entsprechender Maßnahmen im Rahmen des Unterrichtes. Für Schülerinnen und Schüler, die nicht oder kaum über Fähigkeiten zum Gebrauch der Lautsprache verfügen, sind aufbauend auf einer gezielten Diagnostik in den individuellen Förderplänen ausdrücklich Maßnahmen zur Förderung der Kommunikation im nicht lautsprachlichen Bereich festzulegen. Der individuelle Förderplan ist gemeinsam mit den in der Klasse tätigen Lehrkräften und dem sonstigen pädagogischen Personal regelmäßig, mindestens zum Ende jedes Schuljahres oder nach einem Schulwechsel, auf seine Gültigkeit zu überprüfen und zu aktualisieren.

3 - Gemeinsamer Unterricht

(1) Ausgehend von den Bestimmungen des § 20 Abs. 1 der Sonderpädagogik-Verordnung soll neben der Lehrkraft der allgemeinen Schule eine Lehrkraft gemäß Nummer 2 Abs. 4 Satz 1 als zusätzliche Lehrkraft unter Berücksichtigung der Empfehlung des Förderausschusses und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel eingesetzt werden. Soll eine Lehrkraft, die nicht über entsprechende Qualifikationen verfügt, als zusätzliche Lehrkraft eingesetzt werden, ist dies durch das staatliche Schulamt mit einer entsprechenden fachlichen Begründung vorab dem für Schule zuständigen Ministerium zur Kenntnis zu geben.

(2) Lehrkräfte gemäß Nummer 2 Abs. 4 Satz 1 sind gemeinsam mit der Klassenlehrkraft der allgemeinen Schule für die Planung und Erteilung des gemeinsamen Unterrichts sowie die Erstellung der individuellen Förderpläne verantwortlich. Darüber hinaus beraten sie alle in der Klasse tätigen Lehrkräfte der allgemeinen Schule und das Personal in der Kindertagesstätte zu sonderpädagogisch relevanten Schwerpunkten und individuellen Besonderheiten der jeweiligen Schülerin oder des jeweiligen Schülers mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Sie leiten das sonstige pädagogische Personal zur Wahrnehmung ihrer speziellen Aufgabenstellungen im gemeinsamen Unterricht an.

(3) Neben den Lehrkräften gemäß Nummer 2 Abs. 4 Satz 1 kann das sonstige pädagogische Personal in einer Klasse mit eingesetzt werden. Sie führen ausgewählte sonderpädagogische Maßnahmen selbstständig nach Anleitung und in Verantwortung der zuständigen Lehrkraft gemäß Nummer 2 Abs. 4 Satz 1 durch.

(4) Werden Schülerinnen und Schüler, für die im Rahmen des gemeinsamen Unterrichtes kein schulisches Ganztagsangebot besteht, in einer Kindertagesstätte betreut, so können im Rahmen der Betreuung in der Kindertagesstätte zusätzliche sonderpädagogische Förderangebote durch das sonstige pädagogische Personal geleistet werden. Das sonstige pädagogische Personal wird durch die Lehrkräfte gemäß Nummer 2 Abs. 4 Satz 1 angeleitet. Voraussetzung ist eine zwischen dem Träger der Kindertagesstätte, dem Schulträger, dem gegebenenfalls betroffenen Sozialleistungsträger und der Schule getroffene Vereinbarung. Die Erarbeitung der Vereinbarung liegt in Verantwortung der Schulleitung.

4 - Unterrichtsorganisation in den Förderklassen und Förderschulen für geistig Behinderte

(1) Lehrkräfte gemäß Nummer 2 Abs. 4 Satz 1 und das sonstige pädagogische Personal arbeiten als pädagogisches Kernteam. Das sonstige pädagogische Personal wird nach Bedarf in der Regel in mehreren Klassen eingesetzt. Darüber hinaus kommt sonstiges Personal und Personal anderer Träger gemäß Nummer 2 Abs. 5 und 6 zum Einsatz.

(2) Das pädagogische Kernteam ist gemeinsam für die Gestaltung des Unterrichts und die Durchführung individueller sonderpädagogischer Maßnahmen in der Förderklasse und an der Förderschule für geistig Behinderte verantwortlich. Sie leisten neben ihren unterrichtlichen Aufgaben innerhalb des Unterrichts anteilig gruppenbezogene sonderpädagogische Hilfestellungen und pflegerische Maßnahmen. Die Erstellung der individuellen Förderpläne liegt in der Verantwortung der Lehrkraft gemäß Nummer 2 Abs. 4 Satz 1 in Abstimmung mit allen in der Klasse tätigen Lehrkräften und dem sonstigen pädagogischen Personal.

(3) In den Förderklassen oder Förderschulen für geistig Behinderte umfasst der ganztägige Schulbetrieb an vier Wochentagen sieben Zeitstunden, in der Regel von 8.00 bis 15.00 Uhr, und an einem Wochentag fünf und eine halbe Stunde, in der Regel von 8.00 bis 13.30 Uhr. Das Ganztagsangebot erfolgt auf der Grundlage der curricularen Vorgaben und gliedert sich in Unterricht und pädagogisch gelenkte Betreuungsangebote. Im Rahmen der schulischen Förderung sind alle pädagogisch geplanten und gestalteten Unterrichtseinheiten in individueller Form für die einzelnen Schülerinnen und Schüler im Tagesablauf im Wechsel mit pädagogisch gelenkten Betreuungsangeboten auf einander abzustimmen. Entsprechend den individuellen Anforderungen und den organisatorischen Voraussetzungen können innerhalb einer Klasse gleichzeitig Unterrichtseinheiten und Betreuungsangebote realisiert werden.

(4) Eine vollständige oder teilweise Befreiung vom Ganztagsangebot gemäß §18 Abs. 4 Satz 2 des Brandenburgischen Schulgesetzes kann durch die Eltern beantragt werden. Die Entscheidung über die Befreiung vom Ganztagsangebot trifft nach Beratung mit den Eltern und der Information des staatlichen Schulamtes die Schulleiterin oder der Schulleiter. Einem Antrag kann nur in pädagogisch besonders begründeten Fällen für einzelne Schülerinnen und Schüler mit erheblich eingeschränkter physischer oder psychischer Belastbarkeit entsprochen werden. Für die zeitliche Reduzierung des Umfanges der schulischen Förderung ist der individuelle Tagesablauf so zu gestalten, dass die notwendige individuelle Förderung mit der eingeschränkten Belastbarkeit in Einklang gebracht wird. Im Rahmen des individuellen Förderplanes ist durch eine jeweils individuelle Unterrichtsgestaltung sicherzustellen, dass die Anforderungen der curricularen Vorgaben angemessen berücksichtigt werden. Der individuelle Förderplan soll sich in der Regel an einem Umfang von mindestens 20 Unterrichtsstunden in der Woche orientieren. Dieser Umfang kann zeitlich reduziert werden, insbesondere wenn Schülerinnen und Schüler im Hausunterricht, ausgehend von ihrer Belastbarkeit, schrittweise an den Unterricht in der Schule heran geführt werden sollen. In der Regel zum Ende des Schulhalbjahres, spätestens zum Ende des jeweiligen Schuljahres erfolgt eine Überprüfung dieser Entscheidung. Die Eltern sind über das Ergebnis zu informieren.

5 - Zusammenarbeit mit allgemeinen Schulen

(1) Schülerinnen und Schülern, die nicht im gemeinsamen Unterricht an einer allgemeinen Schule lernen, soll die weitest gehende Selbstverwirklichung in sozialer Integration ermöglicht werden. Dafür sollen die Schulleitungen und Lehrkräfte der Schulen für geistig Behinderte Organisationsformen des gemeinsamen Lernens mit nicht behinderten Schülerinnen und Schülern in gemeinsamer Verantwortung mit den jeweiligen Schulleitungen und Lehrkräften allgemeiner Schulen gemäß § 23 der Sonderpädagogik-Verordnung entwickeln. Ausgehend von den individuellen Voraussetzungen sind schrittweise und in abgestufter Form die Möglichkeiten der Teilnahme aller Schülerinnen und Schüler an den gemeinsamen Projekten und Unterrichtseinheiten abzusichern. Individuell angepasst soll schrittweise und mit zunehmendem Umfang gemeinsamer Unterricht für möglichst alle Schülerinnen und Schüler der miteinander kooperierenden Klassen angeboten werden.

(2) Bei der Organisation einzelner Maßnahmen kann abhängig von der inhaltlich-pädagogischen Zielsetzung und der jeweiligen Klassengröße sowie der räumlichen Gegebenheiten für miteinander kooperierende Klassen oder Lerngruppen einer Klasse im Rahmen der Möglichkeiten der Schule eine Klassenteilung oder eine wechselnde Zuordnung von Lerngruppen der Klassen, die miteinander kooperieren, erfolgen.

(3) In die Planung gemeinsamer Veranstaltungen oder gemeinsamen Unterrichts sowie die kontinuierliche Weiterentwicklung integrativ-kooperativer Projekte sind die schulischen Gremien und die Eltern aller Schülerinnen und Schüler der beteiligten Schulen rechtzeitig einzubeziehen. Schriftliche Verabredungen über integrativ-kooperative Projekte sollen mit dem staatlichen Schulamt und dem Schulträger abgestimmt werden. Wenn sich der Ort des Unterrichts und die Unterrichtsorganisation für Schülerinnen und Schüler einer oder beider Schulen regelmäßig, zeitweilig oder dauerhaft gegenüber der jeweils zuständigen Schule verändert, ist dies in der Verabredung gesondert auszuweisen.

(4) Kooperativ-integrative Beziehungen zwischen öffentlichen Schulen und Schulen in freier Trägerschaft sind zwischen allen Trägern und dem staatlichen Schulamt auf der Grundlage eines gemeinsamen Konzeptes abzustimmen. Über das gemeinsame Konzept entscheiden die Schulkonferenzen der beteiligten Schulen gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Brandenburgischen Schulgesetzes. Das staatliche Schulamt und die Schulträger sichern den gegenseitigen Einsatz von Lehrkräften und sonstigem Schulpersonal sowie die Nutzung von Schulräumen ab. Hierzu kann eine Vereinbarung gemäß § 9 Abs. 1 des Brandenburgischen Schulgesetzes geschlossen werden.

6 - In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten

(1) Diese Verwaltungsvorschriften treten am 1. August 2003 in Kraft und am 31. Juli 2008 außer Kraft.

(2) Gleichzeitig treten die Verwaltungsvorschriften über die Aufgaben und die Organisation der Förderschule für geistig Behinderte vom 2. August 1993 (ABl. MBJS S. 300) außer Kraft.

Potsdam, den 9. Mai 2003

Der Minister für Bildung, Jugend und Sport

Steffen Reiche