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Anhörung der Beteiligten vor Erlass eines Verwaltungsaktes (§ 91 AO)
Anhörung der Beteiligten vor Erlass eines Verwaltungsaktes (§ 91 AO)
vom 15. September 1993
Außer Kraft getreten
Ergänzend zu den Regelungen im AO-Anwendungserlass zu § 91 AO bitte ich folgendes zu beachten:
Die Gewährung rechtlichen Gehörs vor einer wesentlichen Abweichung von dem in der Steuererklärung erklärten Sachverhalt zuungunsten des Steuerpflichtigen ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG). Sie dient darüber hinaus aber auch den Belangen der Behörde, indem hierdurch unnötige Rückfragen und Rechtsbehelfe vermieden werden können.
Ob eine "wesentliche Abweichung" im Sinne des Gesetzes vorliegt und damit rechtliches Gehör zu gewähren ist, muss jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalls entschieden werden. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass im Regelfall Abweichungen von 10 v. H. und mehr - bezogen auf die einzelne Angabe - als wesentlich anzusehen sind. Bei Sachverhalten, die auch in die Zukunft wirken (sog. Dauersachverhalte) sind Abweichungen grundsätzlich als wesentlich i. S. d. § 91 Abs. 1 Satz 2 AO anzusehen. In Zweifelsfälle bitte ich die Entscheidung für die Gewährung des rechtlichen Gehörs zu treffen.
In welcher Form (mündlich, fernmündlich oder schriftlich) rechtliches Gehör gewährt wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts. Soweit ein Bevollmächtigter mitwirkt, ist zunächst mit diesem Kontakt aufzunehmen. Bei mündlicher oder fernmündlicher Anhörung ist eine Aktennotiz über den Gesprächsinhalt zu fertigen. Für schriftliche Stellungnahmen sollte dem Steuerpflichtigen bzw. seinem Berater eine angemessene Frist (je nach Umfang etwa 2 - 4 Wochen) eingeräumt werden.
Ist die Anhörung unterblieben, so ist die Abweichung im Steuerbescheid zu erläutern (§ 121 Abs. 1 AO). Dies gilt auch für Abweichungen, die nach den vorstehenden Grundsätzen als unwesentlich zu werten sind. Für die Erläuterungen sind soweit möglich die standardisierten Erläuterungstexte, die in der Arbeitsanleitung für die Steuerfestsetzungsverfahren (AL-Fest) enthalten sind, zu verwenden.
Eine unterbliebene Anhörung allein macht einen Steuerbescheid nicht nichtig; sie kann bis zum Abschluss eines sich ggf. anschließenden außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens nachgeholt werden (§ 126 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 3 AO).
Hat die Anhörung stattgefunden, soll unter Anwendung der entsprechenden standardisierten Erläuterungstexte im Bescheid auf die Besprechung hingewiesen werden. Darüber hinaus sollte auch in diesen Fällen von der Möglichkeit der zusätzlichen inhaltlichen Erläuterung im Bescheid Gebrauch gemacht werden, soweit diese für das Verständnis erforderlich ist.