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Gesetzliche Unfallversicherung der Gefangenen (Arbeitsunfälle im Sinne des SGB VII)

Gesetzliche Unfallversicherung der Gefangenen (Arbeitsunfälle im Sinne des SGB VII)
vom 19. November 2013
(JMBl/13, [Nr. 12], S.112)

Außer Kraft getreten am 16. Februar 2017 durch Allgemeine Verfügung vom 10. Januar 2017
(JMBl/17, [Nr. 2], S.10)

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1.1 Gefangene, die einer unfreien Arbeit nachgehen oder an einer Qualifizierungsmaßnahme nach den §§ 27 bis 29 des Brandenburgischen Justizvollzugsgesetzes (BbgJVollzG) teilnehmen, sind gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 SGB VII gegen Arbeitsunfälle versichert, wenn die Maßnahme im Vollzugs- und Eingliederungsplan enthalten ist und eine Vergütung nach § 66 Absatz 1 Nummer 1 oder 2 BbgJVollzG gezahlt wird.

1.2 Untergebrachte, die einer unfreien Arbeit nachgehen oder an einer Qualifizierungsmaßnahme nach den §§ 20 bis 22 des Brandenburgischen Sicherungsvollzugsverwahrungsgesetzes (BbgSVVollzG) teilnehmen, sind gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 SGB VII gegen Arbeitsunfälle versichert, wenn die Maßnahme im Vollzugs- und Eingliederungsplan enthalten ist und eine Vergütung nach § 60 Absatz 1 Nummer 2 oder3 BbgSVVollzG gezahlt wird.

1.3 Arrestanten, die nach § 11 der Jugendarrestvollzugsordnung (JAVollzO) einer unfreien Arbeit nachgehen oder am Unterricht teilnehmen, sind gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 SGB VII gegen Arbeitsunfälle versichert.

1.4 Zuständig sind nach § 114 Absatz 1 Nummer 6 beziehungsweise Nummer 9 in Verbindung mit § 128 Absatz 1 Nummer 8 SGB VII die Unfallkassen der Länder. Die Aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung werden im Land Brandenburg von der Unfallkasse Brandenburg, Müllroser Chaussee 75, 15236 Frankfurt (Oder) wahrgenommen.

1.5 Ein Gefangener, Untergebrachter oder Arrestant, der einem freien Beschäftigungsverhältnis nachgeht (§ 31 Absatz 1 BbgJVollzG, § 24 Absatz 1 BbgSVVollzG oder § 11 Absatz3 JAVollzO), ist wie ein freier Arbeitnehmer gegen Arbeitsunfälle versichert (§ 2 Absatz 1 Nummer 1 SGB VII). Für die Entschädigung ist der jeweils für das Beschäftigungsverhältnis zuständige Unfallversicherungsträger – in der Regel eine gewerbliche Berufsgenossenschaft – eintrittspflichtig.

1.6 Arbeitsunfälle müssen von dem Beschäftigungsbetrieb dem zuständigen Versicherungsträger angezeigt werden.

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2.1 Jeder Arbeitsunfall eines Gefangenen, Untergebrachten oder Arrestanten ist binnen drei Tagen dem Unfallversicherungsträger anzuzeigen. Die Unfallanzeige ist unter Verwendung der hierfür vorgesehenen, bei den Unfallversicherungsträgern erhältlichen Vordrucke zu fertigen, davon sind zwei Ausfertigungen dem Unfallversicherungsträger zuzuleiten, eine Ausfertigung ist zur Personalakte und zur Arbeitsakte des Gefangenen, Untergebrachten oder Arrestanten zu nehmen. Die in der Unfallanzeige vorgesehene Unterzeichnung durch den Personalrat entfällt, dafür ist an dieser Stelle der voraussichtliche Entlassungszeitpunkt des Verletzten beziehungsweise das Stichwort „Untersuchungshaft“ zu vermerken. Neben der Unfallanzeige ist zusätzlich eine Verhandlung über den Unfall des Gefangenen, Untergebrachten oder Arrestanten nach Vordruck aufzunehmen und dem Bericht an den Unfallversicherungsträger beizufügen.

2.2 Unfälle, bei denen mehr als drei Personen verletzt werden, oder Unfälle mit Todesfolge sind dem Unfallversicherungsträger sofort fernmündlich oder per Telefax mitzuteilen. Das gilt auch dann, wenn behauptet oder vermutet wird, dass der später eingetretene Tod Unfallfolge sei. Unfälle mit Todesfolge sind darüber hinaus der zuständigen örtlichen Ordnungsbehörde anzuzeigen.

2.3 Der Aufsichtsbehörde ist eine weitere Ausfertigung der Unfallanzeige vorzulegen, wenn zu vermuten ist, dass wegen der Schwere des Unfalls oder der Umstände, die zu ihm geführt haben, Forderungen gegen das Land Brandenburg geltend gemacht werden könnten. Dem Bericht ist dann auch eine Ausfertigung der Verhandlung sowie das Ergebnis der Untersuchung nach Nummer 7 beizufügen.

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Ist es zweifelhaft, ob es sich um einen Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII oder um einen sonstigen Unfall handelt, ist vor der Zahlung von Verletztengeld oder einer Billigkeitsentschädigung zur Klärung die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers einzuholen.

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4.1 Ein durch einen Arbeitsunfall verletzter Gefangener, Untergebrachter oder Arrestant wird soweit als möglich in der Justizvollzugsanstalt beziehungsweise Jugendarrestanstalt ärztlich behandelt und versorgt. Die Anstaltsärzte sind verpflichtet, dem Unfallversicherungsträger Auskunft über die Behandlung und den Zustand des Verletzten zu erteilen. In besonderen Fällen sind weiterhin die Anordnungen, die der Unfallversicherungsträger zur Heilbehandlung gibt, durchzuführen. Erfordern die bei einem Unfall erlittenen Verletzungen nach den Feststellungen des Anstaltsarztes eine fachärztliche oder unfallmedizinische Versorgung, die im Justizvollzug nicht leistbar ist, ist der Gefangene, Untergebrachte oder Arrestant in der erforderlichen Einrichtung vorzustellen oder dorthin zu verlegen. Führt der Arbeitsunfall eines Gefangenen, eines Untergebrachten oder eines Arrestanten zu einer Arbeitsunfähigkeit oder beträgt die Behandlungsdauer voraussichtlich mehr als eine Woche, ist der Verletzte einem Durchgangsarzt vorzustellen.

4.2 Kosten einer Heilbehandlung, die an Dritte zu zahlen sind (zum Beispiel für eine fachärztliche Untersuchung und Behandlung, für die Unterbringung in einem öffentlichen Krankenhaus, für besondere Arzneimittel, die in der Anstalt nicht vorrätig gehalten werden, für Krankentransporte, die nicht mit justizeigenen Fahrzeugen durchgeführt werden, für die Vorstellung bei einem Durchgangsarzt), werden nicht aus Haushaltsmitteln der Justizvollzugsanstalt oder Jugendarrestanstalt bezahlt. Rechnungen hierüber sind mit einem Vermerk über den Arbeitsunfall zu versehen und zur Begleichung an den Unfallversicherungsträger weiterzuleiten. In diesen Fällen ist stets eine Unfallanzeige aufzunehmen, und zwar auch wenn keine Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist. Alle sonstigen Kosten werden von der Justizverwaltung getragen.

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Die Justizvollzugs- und Jugendarrestanstalten teilen dem Unfallversicherungsträger in den Fällen, in denen als Folge zunächst Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit auf Verlangen die Dauer der Arbeitsunfähigkeit mit.

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6.1 Dem durch Arbeitsunfall verletzten Gefangenen oder Untergebrachten steht von dem Tage an, an dem der Arzt die Arbeitsunfähigkeit feststellt, ein Anspruch auf Verletztengeld zu (§ 45 Absatz 1 SGB VII). Das Verletztengeld wird von der Justizvollzugsanstalt nach Maßgabe des § 47 Absatz 6 SGB VII festgesetzt. Das Verletztengeld beträgt 80 Prozent des Regelentgelts und wird für jeden Kalendertag der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit gezahlt; ist für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen (§ 47 Absatz 1 SGB VII in Verbindung mit § 47 Absatz 1, 2 und 5 SGB V). Für die Berechnung des Regelentgelts (§ 47 SGB V) sind die Bezüge maßgebend, die der Gefangene oder Untergebrachte im letzten abgerechneten Lohnzahlungszeitraum nach § 66 Absatz 1 Nummer 1 oder2 BbgJVollzG beziehungsweise § 60 Absatz 1 Nummer 2 oder 3 BbgSVVollzG erhalten hat. Liegt ein voller Lohnzahlungszeitraum nicht vor, so sind der Berechnung die zu erwartenden Stunden beziehungsweise Beträge zugrunde zu legen, die erreicht worden wären, wenn der Arbeitsunfall nicht eingetreten wäre.

6.2 Nach ärztlicher Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bewilligt die Justizvollzugsanstalt das Verletztengeld vorbehaltlich der Anerkennung des Arbeitsunfalls durch den Unfallversicherungsträger.

6.3 Besteht nach der Entlassung noch Anspruch auf Verletztengeld oder auf sonstige Leistungen der Unfallkasse, ist dies unter Angabe des Aktenzeichens des Unfallversicherungsträgers mit der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit oder Erwerbsminderung auf dem Entlassungsschein zu vermerken. Ist über den Antrag noch nicht entschieden, ist im Entlassungsschein kurz auf den Sachstand hinzuweisen. Darüber hinaus ist dem Unfallversicherungsträger in den Fällen, in denen eine Zahlung des Verletztengeldes über den Entlassungszeitpunkt hinaus erforderlich wird, rechtzeitig, möglichst vier Wochen vor der Entlassung, Folgendes mitzuteilen:

Name, Anschrift und Bankverbindung des Berechtigten, die Höhe des zu zahlenden Verletztengeldes und der Zeitraum der Bewilligung.

Der Gefangene, Untergebrachte oder Arrestant ist anzuhalten, sich am Entlassungsort unverzüglich dem dort ansässigen oder nächsterreichbaren Durchgangsarzt vorzustellen.

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7.1 Jeder Unfall ist von der Justizvollzugs- oder Jugendarrestanstalt unverzüglich zu untersuchen. Die Untersuchung hat sich insbesondere darauf zu erstrecken, ob

  1. Tatsachen erkennbar sind, dass der Gefangene, der Untergebrachte oder der Arrestant den Unfall schuldhaft herbeigeführt oder durch eigenes Verschulden mitverursacht hat,
  2. Anhaltspunkte für Fremdverschulden vorliegen,
  3. der Gefangene, der Untergebrachte oder der Arrestant gegen Krankheit versichert ist,
  4. der Gefangene, der Untergebrachte oder der Arrestant zur Zeit des Unfalls bereits erwerbsgemindert war und in welchem Grade,
  5. der Gefangene, der Untergebrachte oder der Arrestant infolge des Unfalls erwerbsgemindert ist, gegebenenfalls in welchem Grade und voraussichtlich für welchen Zeitraum.

7.2 Bei einem Unfall, der bewirkt, dass der Gefangene, der Untergebrachte oder der Arrestant nach der Entlassung voraussichtlich erwerbsgemindert sein wird, soll neben den in Nummer 7.1 angeführten Punkten festgestellt werden, ob dieser infolge des Unfalls erwerbsgemindert ist und gegebenenfalls in welchem Grade.

7.3 Bei einem Unfall mit Todesfolge ist neben den in Nummer 7.1 angeführten Punkten festzustellen, ob Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Gefangene, der Untergebrachte oder der Arrestant zum Unterhalt seiner Angehörigen nicht beigetragen hätte, wenn er auf freiem Fuß geblieben wäre. Die Feststellungen haben sich auch darauf zu erstrecken, ob der Ehegatte des Gefangenen, des Untergebrachten oder Arrestanten sich vor dessen Inhaftierung seit mindestens einem Jahr von der häuslichen Gemeinschaft ferngehalten oder ohne Beihilfe des Gefangenen oder Arrestanten seinen Lebensunterhalt gefunden hat.

7.4 Die Untersuchung soll den tatsächlichen Hergang und die Ursache des Unfalls möglichst genau aufklären. Der verletzte Gefangene, Untergebrachte oder Arrestant und weitere Personen, die über den Unfall und seine Ursachen Aufschluss geben können, sind zu vernehmen. Über die in der Untersuchung getroffenen Feststellungen ist ein schriftliches Protokoll (Unfallverhandlung) zu fertigen, in das insbesondere die eingeholten Zeugenaussagen und der ärztliche Befund aufzunehmen sind.

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Sofern der Gefangene, der Untergebrachte oder der Arrestant durch den Unfall getötet wird, an den Folgen des Unfalls stirbt oder der Unfall so schwere Folgen hat, dass eine stationäre Behandlung erforderlich wird, ist das Untersuchungsergebnis einschließlich der Vernehmungsprotokolle des Verletzten und der Zeugen dem Unfallversicherungsträger sogleich nach Abschluss der Ermittlungen zu übersenden. In allen übrigen Fällen ist das Untersuchungsergebnis dem Unfallversicherungsträger auf Verlangen mitzuteilen.

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Gefangene, Untergebrachte oder Arrestanten, die in ihrer Freizeit unentgeltlich Arbeiten für gemeinnützige Einrichtungen verrichten, werden im Allgemeinen wie Versicherte gemäß § 2 Absatz 1 Nummer 10a oder Absatz 2 SGB VII in den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz einbezogen. Gleichwohl empfiehlt es sich, gegebenenfalls durch Rückfrage bei der Unfallkasse im Einzelfall zu klären, ob die vorbezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Ist dies nicht der Fall, dürfen unentgeltliche Arbeiten für gemeinnützige Einrichtungen nur ausgeführt werden, wenn der Auftraggeber die Gefangenen, Untergebrachten oder Arrestanten ausreichend gegen Unfall versichert. In jedem Fall ist mit dem Auftraggeber zu vereinbaren, dass dieser die Gefangenen, Untergebrachten oder Arrestanten und die Justizverwaltung von der Haftung für Schäden freistellt.

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Diese Rundverfügung tritt mit Wirkung vom 1. November 2013 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Rundverfügung des Ministers der Justiz vom 30. Dezember 2009 (JMBl. 2010 S. 3), die durch die Rundverfügung vom 3. Februar 2011 (JMBl. S. 18) geändert worden ist, außer Kraft.

Potsdam, den 19. November 2013

Der Minister der Justiz

Dr. Volkmar Schöneburg