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Unfallversicherung für Gefangene und Untergebrachte bei Arbeitsunfällen

Unfallversicherung für Gefangene und Untergebrachte bei Arbeitsunfällen
vom 10. Januar 2017
(JMBl/17, [Nr. 2], S.10)

§ 1
Anwendungsbereich

(1) Gefangene, die einer Arbeit nach § 30 des Brandenburgischen Justizvollzugsgesetzes (BbgJVollzG) nachgehen oder an einer Qualifizierungsmaßnahme nach § 29 BbgJVollzG, einem Arbeitstraining nach § 28 BbgJVollzG oder einer arbeitstherapeutischen Maßnahme nach § 27 BbgJVollzG teilnehmen, sind gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) gegen Arbeitsunfälle versichert.

(2) Untergebrachte, die einer Arbeit nach § 23 des Brandenburgischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes (BbgSVVollzG) nachgehen oder an einer Qualifizierungsmaßnahme nach § 22 BbgSVVollzG, einem Arbeitstraining nach § 21 BbgSVVollzG oder einer arbeitstherapeutischen Maßnahme nach § 20 BbgSVVollzG teilnehmen, sind gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 SGB VII gegen Arbeitsunfälle versichert.

(3) Gefangene und Untergebrachte, die nach der Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit vom 19. Juni 2000 (GVBl. II S. 226) in der jeweils geltenden Fassung innerhalb oder außerhalb der Justizvollzugsanstalt beschäftigt sind, sind gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 SGB VII in den gesetzlichen Unfallschutz einbezogen.

(4) Die Unfallkasse Brandenburg nimmt nach § 128 Absatz 1 Nummer 8 SGB VII die Aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung wahr.

§ 2
Mitteilungspflichten der Justizvollzugsanstalten

(1) Jeder Arbeitsunfall von Gefangenen oder Untergebrachten ist binnen drei Tagen der Unfallkasse anzuzeigen. Die Unfallanzeige ist unter Verwendung der bei der Unfallkasse erhältlichen Vordrucke zu fertigen; davon sind zwei Ausfertigungen der Unfallkasse zuzuleiten, eine Ausfertigung ist zur Personalakte der Gefangenen oder Untergebrachten zu nehmen. Die in der Unfallanzeige vorgesehene Unterzeichnung durch den Personalrat entfällt, dafür ist an dieser Stelle der voraussichtliche Entlassungszeitpunkt der oder des Verletzten beziehungsweise das Stichwort „Untersuchungshaft“ zu vermerken. Neben der Unfallanzeige ist zusätzlich eine Verhandlung über den Unfall der Gefangenen oder Untergebrachten aufzunehmen und dem Bericht an die Unfallkasse beizufügen. Eine weitere Ausfertigung ist der für den Arbeitsschutz zuständigen Behörde zu übersenden.

(2) Unfälle, bei denen mehr als drei Personen verletzt werden, oder Unfälle mit Todesfolge sind der Unfallkasse sofort fernmündlich oder per Telefax mitzuteilen. Das gilt auch dann, wenn nur vermutet wird, dass der später eingetretene Tod eine Unfallfolge ist.

(3) Jeder Unfall ist von der Justizvollzugsanstalt unverzüglich zu untersuchen. Die Untersuchung hat sich insbesondere darauf zu erstrecken, ob

  1. Tatsachen erkennbar sind, dass die Gefangenen oder Untergebrachten den Unfall schuldhaft herbeigeführt oder durch eigenes Verschulden mitverursacht haben,
  2. Anhaltspunkte für Fremdverschulden vorliegen,
  3. die Gefangenen oder Untergebrachten gegen Krankheit versichert sind,
  4. die Gefangenen oder Untergebrachten zurzeit des Unfalls in welchem Grade erwerbsgemindert waren und
  5. die Gefangenen oder Untergebrachten infolge des Unfalls erwerbsgemindert sind, in welche Grade und voraussichtlich für welchen Zeitraum.

(4) Die Untersuchung soll den tatsächlichen Hergang und die Ursache des Unfalls möglichst genau aufklären. Die verletzten Gefangenen oder Untergebrachten und weitere Personen, die über den Unfall und seine Ursachen Aufschluss geben können, sind zu hören. Über das Ergebnis der Untersuchung ist ein schriftliches Protokoll (Unfallverhandlung) zu fertigen, in das insbesondere die Zeugenaussagen und der ärztliche Befund aufzunehmen sind.

(5) Wenn Gefangene oder Untergebrachte durch den Unfall getötet werden, an den Folgen des Unfalls sterben oder der Unfall so schwere Folgen hat, dass eine stationäre Behandlung erforderlich wird, ist die Unfallverhandlung einschließlich der Protokolle der Aussagen der oder des Verletzten und der Zeuginnen und Zeugen der Unfallkasse unverzüglich nach Abschluss der Ermittlungen zu übersenden. In allen übrigen Fällen sind die Protokolle der Unfallkasse auf Verlangen vorzulegen.

(6) Dem für Justiz zuständigen Mitglied der Landesregierung ist eine weitere Ausfertigung der Unfallanzeige vorzulegen, wenn zu erwarten ist, dass wegen der Schwere der Umstände oder des Unfalls, Forderungen gegen das Land Brandenburg geltend gemacht werden könnten. Dem Bericht ist eine Ausfertigung der Unfallverhandlung nach den Absätzen 3 und 4 beizufügen. Unfälle mit Todesfolge sind darüber hinaus der zuständigen örtlichen Ordnungsbehörde anzuzeigen.

§ 3
Anerkennung als Arbeitsunfall

Die Entscheidung der Unfallkasse ist unverzüglich herbeizuführen. Bis zu deren Entscheidung gilt der gemeldete Unfall zunächst als Arbeitsunfall. Hat kein Arbeitsunfall vorgelegen, teilt die Unfallkasse dies innerhalb von zehn Tagen nach Eingang der Unfallmeldung der Justizvollzugsanstalt mit.

§ 4
Feststellung der Arbeitsunfähigkeit

(1) Grundsätzlich sind die Gefangenen und Untergebrachten noch am Unfalltag der zuständigen Durchgangsärztin oder dem zuständigen Durchgangsarzt zur Einleitung der erforderlichen Behandlung und zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vorzustellen.

(2) Lediglich bei einer voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit von nicht mehr als einer Woche genügt eine Vorstellung bei der oder dem für die hausärztliche Versorgung der Gefangenen und Untergebrachten zuständigen Ärztin oder Arzt. Ist eine solche Vorstellung noch am Unfalltag wegen Abwesenheit der Ärztin oder des Arztes nicht möglich, ist nach Absatz 1 zu verfahren.

§ 5
Kostentragung

(1) Die Kosten der notwendigen Heilbehandlung unfallverletzter Gefangener oder Untergebrachter werden grundsätzlich von der Unfallkasse getragen. Die Rechnungen sind der Unfallkasse zur Zahlung zuzuleiten. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte oder Zahnärztinnen und Zahnärzte sind bei Beginn der Behandlung darauf hinzuweisen, dass es sich möglicherweise um einen Arbeitsunfall handelt und die für Träger der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Bestimmungen Anwendung finden können. Die Erstattung der Kosten erfolgt direkt durch die Unfallkasse an die Ärztinnen, Ärzte, Zahnärztinnen sowie Zahnärzte.

(2) Nur Kosten, die den Verletzten nicht konkret zugeordnet werden können, trägt die Justizverwaltung. Nicht konkret zuzuordnen sind insbesondere die Kosten für

  1. die Behandlung durch hauptamtliche Ärztinnen und Ärzte,
  2. die Behandlung durch Honorarärztinnen und -ärzte, die pauschal vergütet werden, und
  3. standardmäßig vorrätig gehaltene Medikamente und Arzneien.

§ 6
Verletztengeld

(1) Die durch einen Arbeitsunfall verletzten Gefangenen und Untergebrachten haben nach den §§ 45, 46 und 47 Absatz 6 SGB VII von dem Tag an, an dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt worden ist, Anspruch auf Verletztengeld.

(2) Das Verletztengeld wird von der Justizvollzugsanstalt nach Maßgabe des § 47 Absatz 6 SGB VII vorbehaltlich der Anerkennung des Arbeitsunfalls durch die Unfallkasse gezahlt. Der Verletzte ist hiervon gegen Nachweis in Kenntnis zu setzen. Lehnt die Unfallkasse die Anerkennung ab, wird die Zahlung von Verletztengeld eingestellt.

(3) Das Verletztengeld beträgt 80 Prozent des Regelentgelts und wird für jeden Kalendertag der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit gezahlt; ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen (§ 47 Absatz 1 SGB VII in Verbindung mit § 47 Absatz 1, 2 und 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch [SGB V]). Für die Berechnung des Regelentgelts (§ 47 SGB V) ist die Vergütung zugrunde zu legen, die die Gefangenen oder Untergebrachten im letzten abgerechneten Zeitraum nach § 66 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 BbgJVollzG oder § 60 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 3 BbgSVVollzG erhalten haben. Liegt kein abgerechneter Zeitraum vor, so ist der Berechnung die zu erwartende Vergütung zugrunde zu legen, die erreicht worden wäre, wenn der Arbeitsunfall nicht eingetreten wäre.

(4) Von dem auszuzahlenden Verletztengeld ist der Beitragsanteil des Verletzten gemäß § 341 Absatz 2 in Verbindung mit § 346 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) einzubehalten, wenn das dem Verletztengeld zugrunde liegende Entgelt den in § 347 Nummer 5 Buchstabe c SGB III genannten Betrag übersteigt.

(5) Die Gefangenen und Untergebrachten können über das Verletztengeld wie über Arbeitsentgelt (§ 66 Absatz 1 Nummer 1 BbgJVollzG; § 60 Absatz 1 Nummer 3 BbgSVVollzG) oder Ausbildungsbeihilfe (§ 66 Absatz 1 Nummer 2 BbgJVollzG; § 60 Absatz 1 Nummer 2 BbgSVVollzG) verfügen.

(6) Bei der Entlassung sind Gefangene und Untergebrachte, die Verletztengeld erhalten, gegen Nachweis zu belehren, dass die Unfallkasse nach der Entlassung für die Gewährung von Verletztengeld zuständig ist. Der Sozialdienst unterstützt die Gefangenen und Untergebrachten im Rahmen der Vorbereitung der Eingliederung bei der Antragstellung.

§ 7
Abrechnung

(1) Die Justizvollzugsanstalten teilen der Unfallkasse zu Beginn des Kalenderjahres die im Vorjahr gewährten Verletztengelder mit.

(2) Die Unfallkasse überweist die Arbeitslosenversicherungsbeiträge an die Bundesagentur für Arbeit.

§ 8
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Allgemeine Verfügung tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Justizministerialblatt für das Land Brandenburg in Kraft. Gleichzeitig tritt die Rundverfügung des Ministers der Justiz vom 19. November 2013 (JMBl. S. 112) außer Kraft.

Potsdam, den 10. Januar 2017

Der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz

Stefan Ludwig