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Einkommensteuerliche Beurteilung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen der Bodenordnung (Umlegung), insbesondere Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem Grundstückshandel
Einkommensteuerliche Beurteilung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen der Bodenordnung (Umlegung), insbesondere Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem Grundstückshandel
vom 22. Februar 2000
Es ist gefragt worden, ob bei öffentlich-rechtlichen Maßnahmen der Bodenordnung (Umlegung) ein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen ist.
Die Thematik ist sowohl aus Sicht der in ein Umlegungsverfahren einbringenden Grundstückseigentümer als auch aus Sicht der Gemeinde zu beurteilen, die im Zuteilungswege über diese Grundstücke verfügt.
In Bezug auf die steuerliche Behandlung von Grundstücksgeschäften der Gemeinden verweise ich auf die Verfügung vom 22.02.2000 (OFD Cottbus, Verfügung vom 22.02.2000, S 2706 - 34 - St 224).
Zu der steuerlichen Behandlung bei dem einbringenden Grundstückseigentümer bitte ich, auch unter Beachtung des § 23 EStG, folgende Auffassung zu vertreten:
1. Vermögensverwaltung oder gewerblicher Grundstückshandel?
1.1. Grundsätze
Nach § 15 Abs. 2 EStG setzt das Vorliegen eines Gewerbebetriebs eine selbständige nachhaltige Betätigung voraus, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt.
Die Betätigung darf weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen sein. Sie muss über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgehen (BFH, Beschluss vom 25.06.1984, GrS 4/82, BStBl II 1984, S. 751).
Zu der Frage, welche Folgen sich aus diesen allgemeinen Grundsätzen für die Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem Grundstückshandel ergeben, wird auf das Schreiben des BMF vom 20.12.1990 (Anhang 17 zum Einkommensteuer-Handbuch) verwiesen.
1.2. Beurteilung des Umlegungsverfahrens
Die Grundstückszuteilungen im Umlegungsverfahren führen nicht zur Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels.
Einkommensteuerrechtlich sind die in ein Umlegungsverfahren eingebrachten und die daraus im Zuteilungswege erlangten Grundstücke grundsätzlich als wirtschaftlich identisch zu beurteilen, soweit bei Baulandumlegungen oder Flurbereinigungen die hingegebene Fläche der erhaltenen Fläche wertmäßig entspricht (vgl. auch BFH, Urteil vom 13.03.1986, BStBl II 1986, S. 711). Aus dem Prinzip der Surrogation folgt, dass der bloße ”Austausch” von Grundstücken im Rahmen eines Umlegungsverfahrens bei der Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem Grundstückshandel unberücksichtigt bleibt, insbesondere auch nicht in die sog. ”Drei-Objekt-Grenze” einzubeziehen ist.
Ausgleichszahlungen, die der Grundstückseigentümer erhält, führen für sich genommen ebenfalls nicht zu einem gewerblichen Grundstückshandel. Dies gilt auch, wenn Ausgleichszahlungen den Sollanspruch um mehr als 10 % übersteigen, weil beim gewerblichen Grundstückshandel die Absicht im Vordergrund stehe, durch kurzfristigen Umschlag wertvollen Grundvermögens erhebliche Substanzwertsteigerungen zu realisieren. Diese Absicht spielt - wenn nicht besondere Aspekte, wie die aktive und intensive Beteiligung und Einflußnahme des Grundstückseigentümers auf konkrete Umlegungsvorhaben, hinzukommen - bei der (klassischen) Baulandumlegung keine Rolle.
Erst bei Verfügungen der Grundeigentümer über die zugeteilten Grundstücke nach Abschluss der Bodenordnungsmaßnahmen ist unter Beachtung des o. a. BMF-Schreibens vom 20.12.1990 zu prüfen, inwieweit ein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt.
Ein besonderes Problem stellt für die betroffenen Eigentümer in diesem Zusammenhang die Festlegung der Besitzzeit der zugeteilten Baugrundstücke dar. Hierbei ist nicht auf das ”älteste” eingebrachte Grundstück abzustellen; vielmehr setzen sich bei der Einbringung mehrerer Grundstücke die Anschaffungszeitpunkte der eingebrachten Grundstücke prinzipiell in den Surrogaten bzw. dem Surrogat fort. Im Zweifel kann nur eine einzelfallbezogene Entscheidung getroffen werden.
2. Private Veräußerungsgeschäfte, § 23 EStG
Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a EStG sind Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre (bei Veräußerungen ab Veranlagungszeitraum 1999) bzw. zwei Jahre (bei Veräußerungen bis Veranlagungszeitraum 1998) beträgt, private Veräußerungsgeschäfte, die nach § 22 Nr. 2 EStG der Besteuerung zu unterwerfen sind.
Die zwangsweise Ersatzbeschaffung im Zusammenhang mit einer Enteignung eines Grundstückes behandelt die Rechtsprechung (vgl. BFH vom 05.05.1961, BStBl III 1961, S. 385, und vom 16.01.1973, BStBl II 1973, S. 445) ausnahmsweise nicht als Veräußerung des hingegebenen und Neuanschaffung des erhaltenen Grundstückes i. S. v. § 23 EStG, wenn ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht. Zudem müssen die Grundstücke im wesentlichen dieselbe oder eine entsprechende Aufgabe erfüllen; die Auswechslung darf nicht zur bedeutsamen Besser- oder Schlechterstellung des Steuerpflichtigen führen (Art-, Wert- und Funktionsähnlichkeit).
Dieser für den Fall der Enteignung ausgesprochene Grundsatz gilt auch dann, wenn Land im Zuge eines Umlegungsverfahrens ausgetauscht wird. Ist danach im Hinblick auf § 23 EStG ein im Umlegungsverfahren zugeteiltes Grundstück als mit dem in das Umlegungsverfahren eingebrachten Grundstück identisch anzusehen, dann folgt daraus, dass im Falle der Veräußerung des Ersatzlandes für die Anwendung des § 23 EStG als Zeitpunkt des Erwerbs des veräußerten Grundstücks nicht der Tag der Zuteilung dieses Grundstücks zugrundegelegt werden kann, sondern der Zeitpunkt, in dem das in die Umlegung einbezogene Grundstück erworben wurde (BFH, Urteil vom 15.01.1974, VIII R 63/86, BStBl II 1974, S. 606).
Die Hingabe und der Erhalt eines Grundstücks im Umlegungsverfahren sind daher grundsätzlich weder eine Veräußerung noch eine Anschaffung, so dass kein privates Veräußerungsgeschäft (bis VZ 1998: Spekulationsgeschäft) im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a EStG vorliegt.
Wird einem Grundstückseigentümer im Rahmen des Umlegungsverfahrens jedoch ein Grundstück gegen Zuzahlung eines Geldbetrages zugeteilt, liegt ein Anschaffungsgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a EStG insoweit vor, als die Zuzahlung für eine den Sollanspruch (§ 56 Abs. 1 Satz 1 BauGB) wesentlich übersteigende Mehrzuteilung zu leisten ist (BFH vom 29.03.1995, X R 3/95, FR 1995, S. 618 - in diesem Streitfall hatten die Steuerpflichtigen ein Grundstück erhalten, das einen Wert von 170 v. H. der hingegebenen Grundstücke hatte -).
Erhält der Steuerpflichtige dagegen eine Zuzahlung neben dem Grundstück, ist keine auch nur teilweise Veräußerung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a EStG anzunehmen, da der Ausgleich in Geld immer dann erforderlich ist, wenn wertgleiche Grundstücke nicht zugeteilt werden können. Diese Zahlungen sind dann Bestandteil des Umlegungsverfahrens und ergänzen die Naturalzuteilung. Grundstück und Ausgleichszahlung bilden das Ersatzwirtschaftsgut, das der Eigentümer für seinen eingebrachten Grundbesitz erhält.