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Steuerliche Behandlung der Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege und ihrer Mitgliedsorganisationen
Prüfung durch den Bundesrechnungshof
Steuerliche Behandlung der Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege und ihrer Mitgliedsorganisationen
Prüfung durch den Bundesrechnungshof
vom 5. Januar 1993
Außer Kraft getreten
Prüfungen durch den BRH geben Anlass, bei der steuerlichen Behandlung der Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege und ihrer Mitgliederorganisationen auf folgende Punkte hinzuweisen:
1. Allgemeines
Träger des privaten Wohlfahrtswesens sind die in der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege e. V. zusammengeschlossenen Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, die in der Rechtsform privatrechtlicher Vereine (e. V.) organisiert sind:
Arbeiterwohlfahrt; Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland; Deutscher Caritasverband; Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband; Deutsches Rotes Kreuz; Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland und ihre zahlreichen Mitgliedsorganisationen.
Zentraler Punkt bei der steuerlichen Behandlung der Einrichtungen freier Wohlfahrtspflege i. S. d. §§ 66, 53 AO ist die Beurteilung der Gemeinnützigkeit, insbesondere die Abgrenzung des ideellen Bereichs von den Bereichen der Vermögensverwaltung/Zweckbetrieb/wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb.
Zudem spielt die steuerliche Spendenpraxis eine wesentliche Rolle.
Die Förderung des Wohlfahrtswesens gehört zu den klassischen gemeinnützigen Zwecken i. S. d. AO (§ 52 Abs. 2 Nr. 2 AO). Während diese Vorschrift die Förderung des „Wohlfahrtswesens“ insgesamt - also auch die öffentliche Fürsorge - umfasst, definiert § 66 Abs. 2 AO die „Wohlfahrtspflege“ als die „planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte Sorge für notleidende oder gefährdete Mitmenschen. Die Sorge kann sich auf das gesundheitliche, sittliche, erzieherische oder wirtschaftliche Wohl erstrecken und Vorbeugung oder Abhilfe bezwecken.“
Unterhalten steuerbegünstige Körperschaften wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, verlieren sie den Status der Gemeinnützigkeit nicht gänzlich; sie unterliegen nur insoweit der Steuerpflicht. Dies dient der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung, denn gemeinnützige Körperschaften können gegenüber voll steuerpflichtigen Unternehmen der Privatwirtschaft steuerlich nicht besser gestellt werden, wenn sie mit diesen konkurrieren.
Mit den Steuervergünstigungen für die Wohlfahrtsverbände selbst ist die Berücksichtigung von Spenden bei der ESt, der KSt und ab 1991 auch bei der GewSt verbunden. Für die als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke (vgl. Anlage 7 EStR) der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege einschl. ihrer Mitgliedsorganisationen sind diese befugt, unmittelbar Spenden entgegenzunehmen und hierfür Spendenbescheinigungen auszustellen.
2. Zuständigkeit
Die Prüfung der Voraussetzungen für die Steuervergünstigungen der Wohlfahrtsverbände obliegt den örtlich zuständigen FÄ.
3. Prüfungsumfang der Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen
Um eine sachgerechte Überprüfung der Steuererklärungen von Wohlfahrtsverbänden und anderer gemeinnütziger Körperschaften zu ermöglichen, ist es notwendig, dass die FÄ den zutreffenden Sachverhalt ermitteln (§ 88 AO). Hierzu gehört sowohl die Vorlage von detaillierten Gewinnermittlungen mit erläuternden Prüfungsberichten, als auch die Anforderung von Tätigkeits- oder Jahresberichten. In einer Vielzahl von Fällen werden den FÄ lediglich verkürzte oder verdichtete Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen vorgelegt, die eine sachgerechte Überprüfung nicht zulassen.
Aus den Jahresberichten ergeben sich häufig Anhaltspunkte für wirtschaftliche Aktivitäten der Verbände, die aus den Gewinnermittlungen nicht ersichtlich waren; hieraus sind in der Regel auch wichtige Hinweise ersichtlich über die tatsächliche Geschäftsführung der Verbände, deren Nachprüfbarkeit sich für den Innendienst der FÄ üblicherweise besonders schwierig gestaltet. Die Pflicht zur Abgabe derartiger Berichte ergibt sich aus § 60 EStDV, der auch im Körperschaftsteuerrecht gilt.
Diese Unterlagen werden von den FÄ regelmäßig mit Vordruck Gem 1 (Erklärung) angefordert. Auf den Eingang und die Auswertung dieser Unterlagen ist zu achten.
4. Ausgewählte materielle Einzelvoraussetzungen für die Gewährung von Steuervergünstigungen
4.1. Selbstlosigkeit § 55 AO
Zu den Anforderungen an die Selbstlosigkeit einer gemeinnützigen Körperschaft gehört u. a., dass sie ihre Mittel nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwenden dürfen (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 AO). Dementsprechend ist die Gemeinnützigkeit zu versagen, wenn die Mittel nicht für derartige Zwecke eingesetzt werden. In nachstehenden Fällen liegt z. B. schädliche Mittelverwendung vor:
4.1.1 Vergabe von Darlehen
Zur finanziellen Unterstützung ihrer Mitgliedsorganisationen gewähren Wohlfahrtsverbände diesen vielfach größere Darlehen. Zu diesem Zweck werden eigens hierfür vorgesehene „Kreditfonds/Solidarfonds“ eingerichtet. Diese Darlehen werden in der Regel zinslos oder unter dem üblichen Kapitalmarktzins vergeben.
Neben den Ausleihungen an andere Körperschaften werden aber auch Darlehen an natürliche Personen, insbesondere an Arbeitnehmer der Verbände, gegeben.
Da die Mittel der steuerbegünstigten Körperschaft grundsätzlich zeitnah für die steuerbegünstigen Zwecke zu verwenden sind, führt die Darlehensvergabe zum Verlust der Steuervergünstigungen. Zudem ist die Hingabe derartiger Darlehen kein gemeinnütziger Zweck und darf daher nicht Satzungsbestimmung sein!
4.1.2 Ausgleich nachhaltiger Verluste aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben
Dauerverluste und deren Ausgleich durch Mittelzuwendungen aus dem ideellen Bereich sind dann gemeinnützigkeitsschädlich, wenn sie nicht durch eigens dafür bestimmte Umlagen, Zuschüsse usw. ausgeglichen werden und wenn die steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe insgesamt Verluste ausweisen.
4.2 Rücklagenbildung § 58 AO
Ausnahmen vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung sind lediglich im Rahmen von § 58 Nr. 6, Nr. 7 AO zulässig (vgl. AEAO zu § 58 AO). Zur Prüfung, ob die Wohlfahrtsverbände Rücklagen in gesetzlich zulässiger Höhe und damit gemeinnützigkeitsunschädlich gebildet haben, ist es erforderlich, jede einzelne Rücklage detailliert aufschlüsseln zu lassen. Die bloße Bezeichnung „satzungsgemäße/freie/zweckgebundene Rücklage“ reicht dazu allein nicht aus.
Ich bitte, im Rahmen der Veranlagung diese Rücklagenprüfung eingehend vorzunehmen.
4.3 Abgrenzung der Bereiche Vermögensverwaltung/Zweckbetrieb/steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb
Wegen der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung ist der Abgrenzung der Bereiche Vermögensverwaltung/Zweckbetrieb/wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb besondere Bedeutung beizumessen.
4.3.1 Beteiligung an Kapitalgesellschaften
Wohlfahrtsverbände halten teilweise in erheblichem Umfang Anteile an Kapitalgesellschaften. Es handelt sich hierbei i. d. R. um steuerfreie Vermögensverwaltung. Die Beteiligung stellt jedoch wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar, wenn mit ihr tatsächlich ein entscheidender Einfluss auf die laufende Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft ausgeübt wird.
Eine diesbezügliche Prüfung ist nur dann vorzunehmen, wenn die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft mehr als 25 v. H. beträgt.
4.3.2 Zentrale Gehaltsabrechnungsstellen
Die von den Wohlfahrtsverbänden eingerichteten zentralen Gehaltsabrechnungsstellen oder Buchstellen sind als steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe zu behandeln, da sie zu vergleichbaren Anbietern (Steuerberatern usw.) eindeutig in Wettbewerb treten (§ 65 Nr. 3 AO).
4.3.3 Pilgerreiseveranstaltungen
Einige Wohlfahrtsverbände veranstalten regelmäßig Pilgerreisen zu verschiedenen Wallfahrtsorten. Die Verbände treten dabei gegenüber den Reiseteilnehmern in eigenem Namen auf und nehmen Reisevorleistungen (Beförderung, Unterkunft, Verpflegung u. a.) in Anspruch. An- und Rückreise erfolgen ausschließlich mit der Bahn (sog. Pilgerbezüge). Die Pauschalreisen der Verbände umfassen neben Beförderung, Unterkunft und Verpflegung auch geistliche Pilgerleitung sowie diverse Veranstaltungen religiöser (Gottesdienste) und touristischer Art (Ausflüge, Besichtigungen, gesellige Treffen). Diese Einzelleistungen werden auch so in den für jede Reise herausgegebenen Prospekten angeboten. Hierbei ergeben sich i. d. R. nicht unerhebliche Überschüsse.
Vergleichbare Reisen werden auch von anderen Reiseveranstaltern (z. B. Busunternehmen) angeboten und durchgeführt.
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder bin ich der Auffassung, dass über die Zweckbetriebseigenschaft einer Pilgerreise nur im Einzelfall entschieden werden kann. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Wenn die Reise nicht nur unwesentlich auch den touristischen Interessen der Teilnehmer dient, kann kein Zweckbetrieb angenommen werden. Eine Abgrenzung nur anhand des Reiseziels ist nicht sachgerecht. Es ist auch nicht zulässig, eine Reise in einen Zweckbetrieb (religiöser Teil) und einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (touristischer Teil) aufzuteilen.
5. Ausstellung von Spendenbescheinigungen
Der Spendenabzugsrahmen für mildtätige Zwecke beträgt 10 v. H., für als besonders förderungswürdig anerkannte gemeinnützige Zwecke 5 v. H. des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 10 b EStG, § 48 EStDV).
Erhöht abzugsfähige Spenden zur Förderung mildtätiger Zwecke liegen nur vor, wenn die Empfängerkörperschaft nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung zumindest in einem abgegrenzten Teilbereich mildtätige Zwecke i. S. d. § 53 AO fördert und die Spenden tatsächlich dafür verwendet. Entsprechend müssen in der Spendenbescheinigung die Befreiung von der KSt wegen der Förderung mildtätiger Zwecke und die Verwendung der Spende für mildtätige Zwecke eindeutig bestätigt sein.
(bekannt gegeben mit Verfügung der OFD Cottbus vom 19.01.1993, S 0170 - 5 - St 122)