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Rundschreiben 10/12 (RS 10/12)

Rundschreiben 10/12 (RS 10/12)
vom 19. Juli 2012
(Abl. MBJS/12, [Nr. 7], S.293)

Außer Kraft getreten am 31. Juli 2015 durch Zeitablauf vom 19. Juli 2012
(Abl. MBJS/12, [Nr. 7], S.293)

Umsetzung des Pilotprojektes “Inklusive Grundschule“ (PING)

1 Allgemeines und Geltungsbereich

1.1 Die Landesregierung hat in ihrem behindertenpolitischen Maßnahmenpaket für die sonderpädagogischen Förderschwerpunkte “Lernen“, “emotionale und soziale Entwicklung“ und “Sprache“ (LES) als Planungsziel vorgesehen, ab dem Schuljahr 2015/2016 die Inklusive Schule in der Primarstufe schrittweise, beginnend in der Jahrgangsstufe 1, einzuführen. Auf dem Weg zur Einführung der sonderpädagogischen Grundversorgung als Regelform hat das Pilotprojekt “Inklusive Grundschule“ (PING) eine Brückenfunktion.

1.2 Das Pilotprojekt “Inklusive Grundschule“ wird grundsätzlich im Rahmen der geltenden Bestimmungen, insbesondere des Brandenburgischen Schulgesetzes (BbgSchulG), der Grundschulverordnung (GV) und der Sonderpädagogik-Verordnung (SopV) durchgeführt. Dazu werden unter Nummer 2 die wesentlichen, zu beachtenden Regelungen dargestellt. Soweit für Pilotschulen von geltenden Bestimmungen abweichende Regelungen gelten, werden diese unter Nummer 3 dargestellt.

1.3 Dieses Rundschreiben gilt für die durch das für Schule zuständige Ministerium benannten Schulen und Netzwerke “Grund- und Förderschulen", die am Pilotprojekt “Inklusive Grundschule“ teilnehmen. Für assoziierte Schulen in freier Trägerschaft ist das Rundschreiben nach Maßgabe von Nr. 5 anzuwenden.

2 Wesentliche zu beachtende Regelungen

2.1 Pädagogische Konzeption

2.1.1 Jede Schule arbeitet auf der Grundlage einer pädagogischen Konzeption. Dabei ist die Erarbeitung und Fortschreibung als Prozess zu betrachten.

2.1.2 Die pädagogische Konzeption umfasst insbesondere Aussagen zu

  1. dem Aufnahmeverfahren in die Grundschule,
  2. einer Förderkonzeption,
  3. dem Einsatz des sonderpädagogischen Personals,
  4. den Grundsätzen der Leistungsbewertung,
  5. dem Umgang mit sonderpädagogischen Feststellungsverfahren,
  6. ganztagsschulischen Angeboten und deren Verknüpfung zum Regelunterricht,
  7. jahrgangsübergreifendem Unterricht (FLEX) und
  8. dem Raumkonzept im Rahmen der vorhandenen Bausubstanz.

Soweit die pädagogische Konzeption Aufgaben von kooperierenden Kinderbetreuungseinrichtungen berührt, wird sie mit diesen abgestimmt.

2.1.3 Die Förderkonzeption berücksichtigt die Heterogenität der Schülerschaft der Schule und trifft insbesondere Aussagen zur

  1. Gestaltung der didaktisch-methodischen Unterrichtskonzeptionen,
  2. Planung individueller Lernwege und -pläne sowie Fördermaßnahmen,
  3. Dokumentation der Lernentwicklung,
  4. Stärkung der Schüler- und Elternverantwortung,
  5. Einbeziehung außerschulischer Bereiche als Kooperationspartner und
  6. förderdiagnostischen Lernbeobachtung und begleitenden Lernstandsfeststellung.

2.2 Aufnahme in die Grundschule

2.2.1 Alle Kinder eines Schulbezirkes, unabhängig davon, ob sie Schwierigkeiten im Lernen, in der emotionalen-sozialen Entwicklung oder der Sprache haben, werden an der örtlich zuständigen Schule aufgenommen. Bei deckungsgleichen Schulbezirken gilt § 4 Absatz 2 GV.

2.2.2 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Förderschwerpunkten “körperliche und motorische Entwicklung“, “Sehen“, “Hören“, “geistige Entwicklung“ oder “Autismus“ (KSHGA) werden auf der Grundlage der Entscheidung des staatlichen Schulamtes gemäß Abschnitt 3 SopV im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts an der örtlich zuständigen Schule auf Elternwunsch aufgenommen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 29 Absatz 2 BbgSchulG gegeben sind.

2.2.3 Die Entscheidung über die Zurückstellung eines Kindes erfolgt entsprechend den Regelungen gemäß § 51 Absatz 1 und 2 BbgSchulG. Durch Beratung der Eltern soll erreicht werden, dass eine Zurückstellung nur dann erfolgt, wenn hierfür ein dringendes Erfordernis vorliegt.

2.3 Förderausschussverfahren/Überweisung an Förderschulen oder Förderklassen/Gemeinsamer Unterricht

2.3.1 Festgestellter sonderpädagogischer Förderbedarf wird wie bisher gemäß § 6 SopV auf Fortführung, Änderung oder Beendigung überprüft.

2.3.2 Wurde ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt und wünschen die Eltern ausdrücklich nicht die Teilnahme des Kindes am gemeinsamen Unterricht, so wird das Kind an einer Förderschule oder Förderklasse aufgenommen.

2.4 Versetzung/Aufrücken/Wiederholen einer Jahrgangsstufe

2.4.1 In den Jahrgangsstufen 1 und 2 rücken Schülerinnen und Schüler gemäß § 59 Absatz 4 Satz 1 BbgSchulG jeweils mit Beginn eines Schuljahres in die nächsthöhere Jahrgangsstufe auf.

2.4.2 Sofern eine Wiederholung der Jahrgangsstufe 1 oder 2 aus pädagogischer Sicht unumgänglich ist, erfolgt dies ohne Anrechnung auf die Höchstverweildauer gemäß § 1 Absatz 3 der Sekundarstufe I-Verordnung (Sek I-V). Dies gilt gemäß § 9 Absatz 2 GV entsprechend bei drei Schulbesuchsjahren in der flexiblen Eingangsphase.

2.4.3 In den Jahrgangsstufen 3 und 4 kann gemäß § 59 Absatz 4 Satz 3 BbgSchulG jeweils mit Beginn eines Schuljahres das Aufrücken in die nächsthöhere Jahrgangsstufe an die Stelle der Versetzung treten, wenn die Mehrheit der Mitglieder der Klassenkonferenz und der Elternversammlung dies jeweils mit Beginn eines Schuljahres beschlossen hat.

2.4.4 Für die Jahrgangsstufen 5 und 6 gelten die Regelungen gemäß § 12 Absatz 1 GV.

2.5 Curriculare Vorgaben

2.5.1 Gemäß § 10 BbgSchulG wird der Unterricht auf Grundlage der Rahmenlehrpläne für die Grundschule erteilt, er wird durch den Einsatz von Kompetenzrastern und ergänzenden curricularen Materialien unterstützt. Dabei bietet die Anwendung der Kompetenzraster die Chance, einen individuellen Überblick über den Lernprozess einer Schülerin oder eines Schülers zu erhalten, um somit die Lernentwicklung einzuschätzen.

2.5.2 Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf “Lernen“ werden auf der Grundlage des Rahmenlehrplans "Lernen" unterrichtet.

2.6 Leistungsdokumentation/Leistungsbeobachtung

2.6.1 Gemäß § 5 Absatz 4 GV erfolgt in den Jahrgangsstufen 1, 3 und 5 in den ersten sechs Unterrichtswochen für jede Schülerin und jeden Schüler eine individuelle Lernstandsanalyse auf der Basis der durch das Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg erarbeiteten Materialien (ILeA).

2.6.2 Die Ergebnisse der individuellen Lernstandsanalyse, einschließlich der Anwendung der Kompetenzraster und weiterer curricularer Materialien fließen in einen individuellen Lernplan ein. Der individuelle Lernplan ist halbjährlich fortzuschreiben, er ist ein wesentlicher Bestandteil der Lernentwicklungsdokumentation gemäß § 5 Absatz 4 GV.

2.7 Leistungsbewertung

2.7.1 In der Jahrgangsstufe 1 der Grundschule erfolgt die Leistungsbewertung gemäß § 57 Absatz 1 Satz 2 BbgSchulG in Form einer schriftlichen Information zur Lernentwicklung.

2.7.2 Gemäß § 57 Absatz 1 Satz 3 BbgSchulG kann in den Jahrgangsstufen 2 bis 4 die schriftliche Information zur Lernentwicklung an die Stelle der Noten treten. Dabei ist es notwendig, dass die Elternversammlung und die Klassenkonferenz entsprechende Beschlüsse fassen. Sie werden vor ihrer Beschlussfassung über die Zielsetzung der individuellen Förderung und der individualisierten Aussage der schriftlichen Information zur Lernentwicklung in der Regel durch die Schulleitung informiert.

2.7.3 Bei der Bewertung der Leistungen anhand von Notenstufen gelten die Bewertungskriterien für die Grundschule gemäß VV-Leistungsbewertung. Neben der Erstellung eines Notenzeugnisses zum Schuljahresende wird angeregt, zusätzlich eine schriftliche Einschätzung der Fähigkeiten, Leistungen und Neigungen zu erstellen, die insbesondere die individuellen Stärken der Schülerin oder des Schülers beschreibt. Die schriftliche Einschätzung ist nicht Bestandteil des Zeugnisses. Entsprechend kann auch bei der Leistungsbewertung gemäß § 57 Absatz 1 Satz 4 BbgSchulG im laufenden Schuljahr verfahren werden.

2.7.4 Für Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf “Lernen“ wird gemäß der Regelungen zum gemeinsamen Unterricht, die Leistung auf Grundlage des Rahmenlehrplans "Lernen" bewertet.

2.8 Kooperationen

2.8.1 Gemäß § 2 Absatz 4 GV ist die Schule verpflichtet mit den Kindertagesstätten im Schulbezirk im Rahmen der Vorbereitung auf den Schulbesuch eng zusammen zu arbeiten. Dabei stellt die Schule ihre Teilnahme am Pilotprojekt “Inklusive Grundschule“ den Kindertagesstätten vor und beteiligt sich an Elternversammlungen in den Kindertagesstätten bereits mit dem Beginn des Schuljahres vor dem Einschulungsjahr.

2.8.2 Die an den Schulen zur Verfügung stehenden sozialpädagogischen Kompetenzen (Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, sozialpädagogische Kompetenzen durch Kooperation mit der Jugendhilfe) sollen im Rahmen kooperativer Zusammenarbeit geplant und eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang ist die Schule zur engen Kooperation mit dem Hort verpflichtet. Dabei sind der Träger des Hortes sowie die Hortleitung insbesondere in die im Zusammenhang mit der Umsetzung des Pilotprojektes “Inklusive Grundschule“ betreffenden Planungen mit einzubeziehen. Für Schulen mit Ganztagsangeboten gilt dies insbesondere für die Fortschreibung und Weiterentwicklung der Kooperationsvereinbarungen.

2.8.3 Sofern durch die Schule oder durch andere Behörden oder Einrichtungen in besonders gelagerten Einzelfällen massive emotionale und soziale Auffälligkeiten erkannt werden, die auch im Rahmen der zur Verfügung stehenden sonderpädagogischen Begleitung nicht aufgefangen werden können, soll die Schule mit der schulpsychologischen Beratung, dem zuständigen Jugendamt sowie ggf. mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie unter Einbeziehung der Eltern eng zusammenarbeiten.

3 Abweichende Bestimmungen

3.1 Ausstattungsmodalitäten

3.1.1 Die Ausstattung der Schulen richtet sich nach den Regelungen der VV-Unterrichtsorganisation in der jeweils geltenden Fassung, soweit nachfolgend keine abweichende Regelung getroffen wird.

3.1.2 Entsprechend des Schreibens der für Schule zuständigen Ministerin vom 10. November 2011 wird jede Schule mit 3,5 Lehrerwochenstunden (LWS) je Schülerin und Schüler bezogen auf fünf Prozent der Gesamtschülerschaft in den Jahrgangsstufen 1 bis 6 zusätzlich ausgestattet. Darin enthalten sind

  • die Ausstattung für die sonderpädagogische Förderung von Schülerinnen und Schülern mit einem festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf in den Schwerpunkten “Lernen“, “emotionale und soziale Entwicklung“ und “Sprache“, die im gemeinsamen Unterricht lernen,
  • die zusätzliche Ausstattung für die sonderpädagogische Begleitung in Klassen der flexiblen Eingangsstufe gem. Anlage 4 Nummer 1 der VV-Unterrichtsorganisation und
  • die Ausstattung für die Förderdiagnostische Lernbeobachtung.

Die zusätzlich zur Verfügung stehenden Stunden sind nach Möglichkeit durch Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen zu erteilen.

3.1.3 Die Ausstattung gilt für die Jahrgangsstufen 1 bis 6. Sie soll von der Schule individuell und den Erfordernissen entsprechend den Klassen und Jahrgangsstufen zugeordnet werden.

3.2 Klassenbildung

3.2.1 Die Klassenbildung richtet sich nach den Regelungen der VV-Unterrichtsorganisation in der jeweils geltenden Fassung, soweit nachfolgend keine abweichende Regelung getroffen wird.

3.2.2 Entsprechend des Schreibens der für Schule zuständigen Ministerin vom 10. November 2011 wird für die Neubildung von Klassen ein oberer Wert der Bandbreite von 25 Schülerinnen und Schülern festgelegt.

3.2.3 Bei deckungsgleichen Schulbezirken bestimmt sich das Verfahren bei Übernachfrage nach § 4 Absatz 1 und 2 GV. Das staatliche Schulamt unterstützt die Eltern durch Beratung über noch freie Kapazitäten.

3.2.4 Bestehende Klassen werden in der Regel nicht geteilt.

3.3 Feststellungsverfahren

Für die Förderschwerpunkte “Lernen“, “emotionale und soziale Entwicklung“ und “Sprache“ sollen keine Feststellungsverfahren nach § 3 SopV durchgeführt werden. Der Elternwunsch auf Durchführung eines Feststellungsverfahrens und Aufnahme in eine Förderschule gemäß § 30 Absatz 2 BbgSchulG und § 3 SopV bleibt unberührt.

4 Fortbildung und wissenschaftliche Begleitung

4.1 Fortbildung

4.1.1 Jede Schule wird durch ein für den Arbeitsschwerpunkt Inklusion speziell ausgebildetes Team von Beraterinnen und Beratern begleitet. Die Schulleitung arbeitet eng mit den Beraterinnen und Beratern zusammen.

4.1.2 Grundlage für die Fortbildung ist ein durch das für Schule zuständige Ministerium genehmigtes Fortbildungscurriculum für das Pilotprojekt “Inklusive Grundschule“, das aus

  1. Modul 1 für alle an der Schule beschäftigten Lehrkräfte, sonstiges pädagogisches Personal, sonstiges Personal und die kooperierenden Fachkräfte, insbesondere der Horte,
  2. Modul 2 für alle Lehrkräfte der Schule und
  3. Modul 3 für Lehrkräftegruppen

besteht.

4.1.3 Jede Schule soll bis zum 28.09.2012 auf der Grundlage des Fortbildungscurriculums eine schulbezogene Fortbildungsplanung erarbeiten.

4.1.4 Die Schulleiterinnen und Schulleiter der beteiligten Schulen nehmen an der im Rahmen des Pilotprojektes durch das Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg angebotenen Schulleitungsfortbildung teil.

4.2 Wissenschaftliche Begleitung

Das Pilotprojekt “Inklusive Grundschule“ wird wissenschaftlich begleitet. Die Schulen unterstützen die wissenschaftliche Begleitung durch die Bereitstellung der Dokumentation ihrer Arbeit. Soweit personenbezogene Daten verarbeitet werden, sind die datenschutzrechtlichen Regelungen, insbesondere § 66 Absatz 3 BbgSchulG zu beachten.

5 Schulen in freier Trägerschaft

Die vom für Schule zuständigen Ministerium benannten Schulen in freier Trägerschaft nehmen als assoziierte Schulen an dem Pilotprojekt “Inklusive Grundschule“ teil. Sie orientieren sich an den Nummern 2.4 - 2.7. Als assoziierte Schulen nehmen sie an der wissenschaftlichen Begleitung teil und haben die Möglichkeit, entgeltfrei Fortbildungen entsprechend Nummer 4.1 zu nutzen.

6 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieses Rundschreiben tritt am Tag nach seiner Veröffentlichung in Kraft und am 31. Juli 2015 außer Kraft.