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Richtlinie des Landesbergamtes Brandenburg für die Untersuchung der Standsicherheit von bleibenden Böschungen und Böschungssystemen im Braunkohlenbergbau

Richtlinie des Landesbergamtes Brandenburg für die Untersuchung der Standsicherheit von bleibenden Böschungen und Böschungssystemen im Braunkohlenbergbau
vom 2. November 2001

Anlagenverzeichnis

Anlage 1: Begriffsbestimmungen
Anlage 2: Parameter für Böschungen im Lockergestein des Braunkohlenbergbaus
Anlage 3: Grundsätzliche Anforderungen an Standsicherheitsuntersuchungen

1. Geltungsbereich

Diese Richtlinie gilt für bleibende Böschungen und Böschungssysteme (nachfolgend Böschungen genannt) der Tagebaue, der Restlöcher und der Außenkippen des Braunkohlenbergbaues.

2. Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie gelten die Begriffsbestimmungen gemäß Anlage 1.

3. Grundsätze der Standsicherheit

  1. Böschungen sind so anzulegen und zu unterhalten, dass die Sicherheit des Bergbaubetriebes, die persönliche Sicherheit und die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs durch Rutschungen nicht gefährdet und die beabsichtigte Nutzung während der vorgesehenen Standzeit nicht beeinträchtigt werden.

    Böschungsumbildungen dürfen Personen sowie zu schützende Objekte nicht gefährden.
  2. Die Standsicherheit von Böschungen ist gegeben, wenn die Parameter der Anlage 2 erfüllt sind.
  3. Die Standsicherheit von Böschungen ist durch Standsicherheitsuntersuchungen nachzuweisen
    1. bei Vorliegen rutschungsbegünstigender Verhältnisse,
    2. wenn die in der Anlage 2 vorgegebenen Parameter überschritten werden,
    3. bei Vorhandensein von zu schützenden Objekten,
    4. für setzungsfließgefährdete Kippen,
    5. auf Verlangen der Bergbehörde.

4. Standsicherheitsuntersuchungen

  1. Standsicherheitsuntersuchungen beruhen auf markscheiderischen, geologischen, hydrologischen und technologischen Unterlagen und sind nach dem Stand der Technik und des Wissens zu erarbeiten.
  2. Der Standsicherheitskoeffizient ist mit der Angabe der angewendeten Berechnungsverfahren und der geotechnischen Einflussparameter je nach Bedeutung der zu schützenden Objekte sowie unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten und des Lagerstättenschutzes festzulegen und zu begründen.
  3. Bei der Untersuchung und Beurteilung der Standsicherheit sind die vorgesehene Standzeit der Böschung, die räumliche Einspannung, die geplante Nutzung und die Maßnahmen zur Erhaltung oder Erhöhung der Standsicherheit zu berücksichtigen. Die daraus abzuleitenden Maßnahmen sind darzustellen.
  4. Bei der Erarbeitung von Standsicherheitsuntersuchungen sind die grundsätzlichen Anforderungen gemäß Anlage 3 zu beachten.
  5. Für setzungsfließgefährdete Kippen ist in der Standsicherheitsuntersuchung der Planungsphase die Art und Weise der Kontrolle des Stabilisierungserfolges (i. d. R. Verdichtung) festzulegen. In einer abschließenden Standsicherheitsuntersuchung ist dieser bezüglich Dauerstandsicherheit in Abhängigkeit von der geplanten Folgenutzung zu bewerten und zu bestätigen.
  6. Standsicherheitsuntersuchungen sind durch Sachverständige anzufertigen, die die entsprechende Fachkunde, Zuverlässigkeit und Erfahrungen besitzen und gemäß "Richtlinie des OLB zum Umgang mit Sachverständigen und zur Anerkennung von Sachverständigen (Sachverständigenrichtlinie vom 01. Oktober 1997)" vom Oberbergamt des Landes Brandenburg anerkannt sind.

5. Standsicherheitsuntersuchungen und Betriebsplan

  1. Das Anlegen und Umgestalten von Böschungen ist betriebsplanpflichtig. In der Regel sind Sonderbetriebspläne vorzulegen.
  2. Im Sonderbetriebsplan sind alle aus Standsicherheitsuntersuchungen für Böschungen zur Gewährleistung der erforderlichen Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern, Beschäftigter und Dritter im Betrieb abzuleitenden Maßnahmen darzustellen.
  3. Der Sonderbetriebsplan soll insbesondere beinhalten:
    • markscheiderisch beurkundeten Darstellung der Planung auf einer nachgetragenen Ausfertigung des Risswerks nach § 63 BBergG
    • geologische Schnitte
    • Angaben und Unterlagen über die geometrischen, geologischen und hydrologischen Verhältnisse
    • geomechanische Untersuchungen und deren Ergebnisse
    • Ergebnisse der Standsicherheitsberechnungen
    • Beurteilung der Standsicherheit und
    • geplante Kontroll-, Überwachungs- und Sicherungsmaßnahmen.

6. Prüfung und Bewertung der Standsicherheitsuntersuchungen

  1. Die Prüfung und Bewertung von Standsicherheitsuntersuchungen obliegt auf Verlangen der Bergbehörde, dem Landesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe Brandenburg (LGRB).
  2. Auf Empfehlung des LGRB können von der Bergbehörde weitergehende Untersuchungen verlangt werden.

Cottbus, den 02.11.2001

Dr. Liersch

Anlage 1

Begriffsbestimmungen

Böschung
geneigte Fläche, die bei der Gewinnung oder Verkippung zwischen zwei Trennebenen entsteht.

Böschungssystem
ein aus zwei oder mehreren übereinanderliegenden Böschungen gebildetes System mit den dazugehörigen Trennebenen.

Böschungsumbildungen
begrenzte Böschungsbewegungen (kleinere Böschungsausbrüche, Bodenbewegungen, Erosionen)

Rutschung
vertikale und horizontale tiefgreifende geometrische Lageveränderung einer Böschung oder eines Böschungssystems infolge Schwerkrafteinwirkung und/oder Zusatzkräfte.

Rutschungsbegünstigende Verhältnisse
Parameter, die die Standsicherheit von Böschungen negativ beeinflussen. Rutschungsbegünstigende Verhältnisse liegen vor, wenn

  1. Schichten mit geringer Scherfestigkeit sowie andere geologisch vorgegebene Schwächezonen auftreten oder tagebauseitig einfallen,
  2. Böschungen ganz oder teilweise im Wasser stehen bzw. eine hohe Wassersättigung aufweisen,
  3. Strömungskräfte des Wassers im Böschungsbereich auftreten,
  4. Grubenbaue im Böschungsbereich verbleiben,
  5. Anzeichen für Rutschungen erkannt oder andere Umstände wahrgenommen werden, die Standsicherheit der Böschungen beeinträchtigen.

Setzungsfließgefährdete Kippen
Eine Kippe ist setzungsfließgefährdet, wenn die Kornverteilung, die Lagerungsdichte und die Wasserstände in bzw. vor der Kippe kritische Kriterien nach dem Stand der Technik erfüllen.

Standsicherheit/Standsicherheitskoeffizient
Standsicherheit von Böschungen ist das Verhältnis von Kräften, Momenten oder Spannungen, die im Böschungskörper einer Rutschung entgegenwirken, zu Kräften, Momenten oder Spannungen infolge Eigengewicht und Zusatzlasten, die eine Rutschung hervorrufen. Ihre numerische Größe wird durch den "Standsicherheitskoeffizienten" ausgedrückt.

Zu schützende Objekte
Zu schützende Objekte bzw. Gegenstände sind zum Beispiel:

  • Gebäude und Anlagen, die für den ständigen oder zeitweiligen Aufenthalt von Personen bestimmt sind
  • öffentliche und betriebliche Verkehrsanlagen, wie Straßen und Bahnlinien
  • Hauptversorgungsleitungen
  • Hauptentsorgungsleitungen (Kanalisation)
  • Hauptvorfluter und andere Gewässer
  • Dichtwände
  • Industrieanlagen

Anlage 2

Parameter für Böschungen im Lockergestein des Braunkohlenbergbaus
(ohne Einfluss rutschungsbegünstigender Verhältnisse)

Böschungen im gewachsenen Lockergestein

BöschungshöheStanddauerNeigungsverhältnisBöschungswinkel

<,_ 20 m

<,_ 3 Jahre

> 3 Jahre

1 : 1,2

1 : 1,5

40°

34°

> 20 m

<,_ 3 Jahre

> 3 Jahre

1 : 1,7

1 : 2,5

30°

22°

Kippenböschung unabhängig von der Standdauer

BöschungshöheNeigungsverhältnisBöschungswinkel
<,_ 20 m

> 20 m ..... 30 m

> 30 m ..... 40 m
1 : 2,0

1 : 3,0

1 : 4,0
27°

18°

14°

Anlage 3

Grundsätzliche Anforderungen an Standsicherheitsuntersuchungen

1. Aufgabenstellung und Begründung

  • Angaben zum Vorhaben und Beschreibung des Untersuchungsgebietes,
  • Situationsdarstellung; Gründe, die eine Standsicherheitsuntersuchung erforderlich machen,
  • klare Definition der Bearbeitungsaufgabe, Auflistung der zu klärenden Fragestellungen,
  • Eingrenzung der räumlichen und zeitlichen Gültigkeit der zu treffenden Aussagen (Definition des Geltungsraumes und der Bedingungen),
  • Darstellung der Basis der Standsicherheitsuntersuchung und Auflistung der benutzten Unterlagen (Morphologie, geologische und hydrologische Situation, bergbauliche Gegebenheiten, zu schützende Objekte u. a.); technisch/technologische verfügbare Voraussetzungen und Möglichkeiten zur Problemlösung,
  • vorangegangene Standsicherheitsuntersuchungen und vorliegende Beobachtungsergebnisse,
  • Erörterung der Aufgabenstellung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.

2. Erarbeitungsgrundsätze

  • Wertung der Güte der Bearbeitungsunterlagen,
  • Beschränkung auf Daten und Fakten, die für die Bearbeitung relevant sind,
  • Aufzeigen von Fehlstellen, die den Aussagewert der Bearbeitung beeinflussen,
  • Untrennbarkeit bodenmechanischer und montanhydrologischer Betrachtungen und Berechnungen beachten,
  • Erarbeitung eines Untersuchungsprogrammes, Feld- und Laborversuche auf das Notwendige konzentrieren,
  • Berechnungskennwerte und -parameter festlegen und begründen; Verteilungsfunktion der Parameter bedenken,
  • Darstellung des Theoriegefüges, das den Berechnungen zugrunde liegt,
  • benutzte Berechnungsverfahren bzw. -gleichungen mit ihren Parametern angeben,
  • nur problemadäquate geotechnische Berechnungen durchführen,
  • Darstellung der untersuchten Modelle (bodenmechanisches Modell, hydrogeologisches Strukturmodell),
  • Angabe/Offenlegung der an der Standsicherheitsuntersuchung Mitwirkenden und der benutzten technischen Mittel.

3. Darstellung der Ergebnisse

  • klare und unmissverständliche Darstellung der Berechnungsergebnisse,
  • Interpretation der Ergebnisse, zu ziehende Schlussfolgerungen, abzuleitende Maßnahmen,
  • Aussagen und Maßnahmen eindeutig und klar formulieren, nur tatsächlich realisierbare Maßnahmen vorschlagen,
  • Aufstellung eines Katalogs einzuleitender Maßnahmen - auch für Abweichungen von der Berechnung/Prognose - als Handlungskonzept für den Unternehmer,
  • abhängig vom Sicherheitsniveau der Aussagen ist ein Monitoringsystem festzulegen und zu begründen (abgestimmtes Mess- und Beobachtungssystem),
  • Festlegung der Bedingungen für die Fortschreibung der Standsicherheitsuntersuchung,
  • Erörterung von Zwischenergebnissen und des Ergebnisses der Bearbeitung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber hinsichtlich der Vollständigkeit der Beantwortung gestellter Fragen, des richtigen Verstehens vorgeschlagener Maßnahmen und der Realisierbarkeit der Empfehlungen.