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Richtlinien für den psychologischen Dienst in den Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg
Richtlinien für den psychologischen Dienst in den Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg
vom 1. Oktober 1993
(JMBl/93, [Nr. 11], S.166)
1.
Bei den Justizvollzugsanstalten werden Diplom-Psychologinnen oder Diplom-Psychologen eingestellt.
Zur Unterstützung des psychologischen Dienstes kann auf die Mitarbeit geeigneter Kräfte, namentlich aus dem mittleren Dienst, zurückgegriffen werden. Diese Bediensteten werden vom psychologischen Dienst angeleitet und in fachlicher Hinsicht gefördert.
2.
Der psychologische Dienst wirkt an der Erfüllung der Aufgaben des Vollzuges (§ 2 StVollzG) mit. Er betreut auch Personen, die sich zum Vollzug der Untersuchungshaft oder anderer Freiheitsentziehung in einer Justizvollzugsanstalt befinden.
2.1
Die Tätigkeit des psychologischen Dienstes vollzieht sich innerhalb der geltenden Vorschriften und institutionellen Regelungen. Der psychologische Dienst bringt die Erkenntnisse und Methoden der Psychologie im Vollzug ein.
2.2
Die Angehörigen des psychologischen Dienstes bedienen sich der Methode, die ihnen im Rahmen ihrer Ausbildung und in berufsbegleitender Fortbildung vermittelt worden sind. Sie sind zur Fortbildung verpflichtet.
2.3
Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben arbeitet der psychologische Dienst mit den anderen Bediensteten zusammen (§ 154 Abs. 1 StVollzG; Nr. 101 Abs. 1 VVJug). Maßnahmen, die den Arbeitsbereich anderer Bediensteter berühren, stimmt der psychologische Dienst mit diesen ab.
3.
Der psychologische Dienst hat namentlich folgende Aufgaben:
3.1
Mitwirkung bei der Behandlungsuntersuchung (§ 6 StVollzG; Nr. 2 VVJug);
3.2
Mitwirkung bei der Aufstellung, Durchführung und Weiterentwicklung des Vollzugsplanes (§ 7 StVollzG; Nr. 3 VVJug);
3.3
Psychologische Untersuchung von Gefangenen für Justizvollzugsbehörden des Landes Brandenburg und Abgabe von gutachterlichen Stellungnahmen zur Frage der
- Verlegung in den offenen Vollzug (§ 10 StVollzG, Nr. 5 VVJug),
- Lockerungen des Vollzuges (§ 11 StVollzG, Nr. 6 VVJug),
- Beurlaubung aus der Haft (§§ 13, 15, 35 StVollzG, Nrn. 8, 10, 30 VVJug);
3.4
Abgabe von gutachterlichen Stellungnahmen zur Frage der vorzeitigen Entlassung in Einzelfällen (§ 454 StPO, §§ 57, 57 a StGB, §§ 88, 89 JGG, GnO);
3.5
Psychologische Intervention bei Verhaltungsauffälligkeiten, insbesondere bei der Gefahr von Selbstverletzung und Selbstmordversuchen von Gefangenen;
3.6
Psychologische Beratung und psychotherapeutische Behandlung von Gefangenen, einzeln oder in Gruppen;
3.7
Mitwirkung bei der Eignungsfeststellung von Bewerbern für den Justizvollzugsdienst;
3.8
Beratung der Anstaltsleitung in organisations- und betriebspsychologischen Fragen;
3.9
Mitwirkung bei der Aus- und Fortbildung von Bediensteten der Vollzugsanstalten;
3.10
Anleitung und Begleitung psychologischer Praktika;
3.11
Mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde: Durchführung von und Mitwirkung bei begleitender Forschung.
4.
Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter können in fachlichen Angelegenheiten des psychologischen Dienstes, die sich ihrer Beurteilung entziehen, Auskunft verlangen und Anregungen geben (VV Nr. 2 Abs. 2 zu § 156 StVollzG; Nr. 103 Abs. 5 VVJug).
Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter und Angehörigen des psychologischen Dienstes bei spezifisch psychologischen Tätigkeiten entscheidet die Aufsichtbehörde, wenn eine Aussprache zwischen den Beteiligten nicht zu einer Einigung führt. Bis zur Entscheidung der Aufsichtsbehörde kann die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter die Durchführung von Maßnahmen aussetzen, die - ohne Aussetzung - die Sicherheit der Anstalt oder die Gesamtbehandlung des Gefangenen nach ihrer Überzeugung gefährden würden (VV Nr. 2 Abs. 3 zu § 156 StVollzG; Nr. 103 Abs. 6 VVJug).
5.
Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter verteilen nach Beratung mit der Konferenz des psychologischen Dienstes (Nr. 8.1) oder dem psychologischen Dienst dessen Dienstgeschäfte.
Die Dienststundenregelung der Angehörigen des psychologischen Dienstes ist nach den Besonderheiten ihrer Aufgaben und den Bedürfnissen der Anstalt festzulegen.
6.
Die Auswahl der Untersuchungsmethoden richtet sich nach der diagnostischen Fragestellung, wobei die Angehörigen des psychologischen Dienstes den jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Empfehlungen der Aufsichtsbehörde und Absprachen zur Vereinheitlichung von Untersuchungen berücksichtigen.
Die erste psychologische Untersuchung stützt sich in der Regel auf:
- Aktenstudium
- Anamnese
- Exploration
- Verhaltensbeobachtung
- psychodiagnostische Testverfahren.
7.
Das Ergebnis einer psychologischen Untersuchung wird in Form einer gutachterlichen Stellungnahme oder eines Gutachtens, der zeitliche Ablauf und die Methoden einer psychologischen Beratung oder einer psychotherapeutischen Behandlung in Form eines Vermerks zu den Gefangenenpersonalakten niederlegt. Aus der gutachterlichen Stellungnahme oder dem Gutachten soll hervorgehen, auf welchen Erkenntnismitteln und Einzelbefunden die Diagnose beruht.
Das bei psychologischen Untersuchungen entstandene übrige Schriftgut wird vom psychologischen Dienst der Justizvollzugsanstalt, bei der es entstanden ist, in einer besonderen Akte verwahrt.
Zu dieser Akte sind zu nehmen:
- Ein Zweitstück des Personalblattes (A) - VG 3 -,
- psychologische Untersuchungsunterlagen,
- Zweitstücke der gutachterlichen Stellungnahme oder der Gutachten und der Vermerke, die zu den Gefangenenpersonalakten genommen worden sind,
- sonstiger Schriftwechsel, soweit er sich ausschließlich auf psychologische Begutachtungen und Behandlungen bezieht.
8.
Der psychologische Dienst in einer Justizvollzugsanstalt koordiniert seine psychologische Tätigkeit.
8.1
Zur Erreichung dieses Zieles wird in einer Justizvollzugsanstalt mit mindestens drei Angehörigen des psychologischen Dienstes eine Konferenz des psychologischen Dienstes gebildet.
8.2
Die Konferenz befaßt sich namentlich mit folgenden Angelegenheiten:
- Verteilung der Geschäfte für die Angehörigen des psychologischen Dienstes (Nr. 5),
- Anwendung diagnostischer Verfahren (Nr. 6)
- Abstimmung der Behandlungsmaßnahmen,
- Stellungnahme zu grundsätzlichen psychologischen Fragen bei der Ausgestaltung des Vollzuges,
- diagnostische und therapeutische Intervision.
8.3
Die Konferenz tritt bei Bedarf, mindestens jedoch in Abständen von drei Monaten zusammen.
8.4
Die Konferenz wählt jeweils für ein Jahr ein Mitglied des psychologischen Dienstes als Sprecherin oder Sprecher mit den Aufgabenbereichen
- Einberufung und Leitung der Konferenz des psychologischen Dienstes,
- Unterrichtung der Anstaltsleitung über Tagesordnung und Ergebnisse der Konferenz.
8.5
Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter bzw. eine Vertretungsperson können an der Konferenz teilnehmen.
8.6
Über die Ergebnisse der Konferenz wird ein Protokoll erstellt, das der Anstaltsleitung zuzuleiten ist.
9.
Die Angehörigen des psychologischen Dienstes in den Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg treffen sich nach Bedarf, jedoch mindestens jeweils zweimal jährlich, zu gemeinsamen Fachkonferenzen und Dienstbesprechungen. Über Fachkonferenzen ist das Ministerium der Justiz vorab zu unterrichten. Die Dienstbesprechungen auf Landesebene finden unter Beteiligung des Ministeriums der Justiz statt.
10.
Die Allgemeine Verfügung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.
Der Minister der Justiz
Dr. Bräutigam