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Richtlinien für die Zusammenarbeit der Justizbehörden des Landes Brandenburg mit den Medien

Richtlinien für die Zusammenarbeit der Justizbehörden des Landes Brandenburg mit den Medien
vom 13. Juni 2006
(JMBl/06, [Nr. 7], S.82)

I.
Allgemeines

  1. Die freie Berichterstattung durch die Medien ist ein wesentliches Element des demokratischen Rechtsstaats. Die Arbeit der Medien sichert die öffentliche Kontrolle staatlichen Handelns. Dadurch wird zugleich das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Tätigkeit der Rechtspflege gefördert. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Justizbehörden und den Medien ist insbesondere für die rechtliche Aufklärung und Information der Bevölkerung, eine dadurch bedingte Akzeptanz von justiziellen Entscheidungen und etwa die Gewinnung ehrenamtlicher Mitarbeiter bei den Gerichten unverzichtbar. Weiterhin können die Medien Hilfe bei der Aufklärung von Straftaten leisten und mit ihrer Berichterstattung generalpräventiven Zwecken dienen. Diesen Aufgaben können die Medien nur gerecht werden, wenn Informationserteilungen durch die Justizbehörden in einer förderlichen Weise erfolgen.

    Die nachfolgenden Richtlinien gelten für alle Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsanstalten des Landes Brandenburg sowie die Polizeibehörden.
  2. Bei der Informationsvermittlung sind alle Medien gleich zu behandeln.
  3. Die Medien sollen möglichst umfassend und umgehend unterrichtet werden. Dabei sind die näheren Bestimmungen des Pressegesetzes des Landes Brandenburg vom 13. Mai 1993 (GVBl.I/93 S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. Juli 2002 (GVBl.I/02 S. 57), in der jeweils geltenden Fassung, hinsichtlich der Geltung und des Umfangs des Informationsanspruchs der Medien zu beachten. Ein Recht der Medien auf Akteneinsicht besteht grundsätzlich nicht.

    Bei der Auskunftserteilung sind die Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten zu wahren. In strafrechtlichen Verfahren ist namentlich der Unschuldsvermutung und dem Anspruch auf ein faires Verfahren Rechnung zu tragen.

    Werden Auskünfte zu statistischen Daten erbeten, so ist grundsätzlich auf veröffentlichte Statistiken zu verweisen. Im Übrigen können Zahlen zum Geschäftsanfall mitgeteilt werden; dabei soll darauf geachtet werden, dass nicht Zahlen von nur lokaler Bedeutung aus dem Zusammenhang gelöst vermittelt werden.

II.
Pressedezernenten

  1. Bei allen Justizbehörden bestellt der jeweilige Behördenleiter, soweit er die Pressearbeit nicht selbst übernimmt, einen Pressedezernenten und mindestens einen Vertreter; bei den Justizvollzugsanstalten soll der Leiter nach Möglichkeit die Aufgabe selbst wahrnehmen. Auskünfte an die Medien erteilen grundsätzlich nur der Behördenleiter oder die von ihm bestimmten Mitarbeiter. Über die Bestellung des Pressedezernenten und des Vertreters ist das Ministerium der Justiz auf dem Dienstweg zu unterrichten.
  2. Der Behördenleiter hat sicherzustellen, dass der Pressedezernent oder ein Vertreter über wichtige Verfahren unterrichtet ist und auf Anfragen von Medienvertretern werktags auch über die üblichen Dienstzeiten hinaus, jedenfalls bis zum regelmäßigen Redaktionsschluss der örtlichen Printmedien, erreichbar ist. Im Übrigen ist auch an Wochenenden die Beantwortung von Anfragen von Medienvertretern bei besonderen aktuellen Ereignissen durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten. Darüber hinaus kann der Behördenleiter andere Bedienstete zur Auskunftserteilung in Einzelfällen befugen.
  3. Ist nach dieser Allgemeinen Verfügung die Zuständigkeit von mehr als einer Justizbehörde gegeben, so entscheiden die Behördenleiter im gegenseitigen Einvernehmen.
  4. In Angelegenheiten von überörtlicher oder besonderer Bedeutung ist ungeachtet anderweitiger Berichtspflichten die Pressestelle der übergeordneten Behörde telefonisch oder in sonst geeigneter Form zu informieren; Auskünfte sind in solchen Fällen vorab mit dieser abzustimmen. Auskünfte und Erklärungen gegenüber den Medien, die unmittelbar die Belange des Ministeriums der Justiz berühren, sind in jedem Fall mit diesem zuvor abzustimmen.

III.
Staatsanwaltschaften, polizeiliche Pressearbeit

  1. Der Pressedezernent der Staatsanwaltschaft ist zuständig für die Erteilung von Auskünften an die Medien bis einschließlich der Unterrichtung über die Erhebung der öffentlichen Klage und nach Rechtskraft der abschließenden Entscheidung, soweit nicht Vollzugsangelegenheiten betroffen sind. Aus Zweckmäßigkeitsgründen können abweichende Vereinbarungen getroffen werden. Für die Zurückweisung persönlicher Angriffe gegen den Ermittlungsrichter sowie nach vorheriger Absprache mit der Staatsanwaltschaft veranlasste Pressearbeit bezüglich der ermittlungsrichterlichen Tätigkeit in Einzelfällen ist der Pressedezernent des Gerichts zuständig.
  2. In strafrechtlichen Ermittlungsverfahren werden Auskünfte gegenüber den Medien grundsätzlich nur durch die Staatsanwaltschaft erteilt.

    Soweit Ermittlungsverfahren lediglich Straftaten betreffen, die kein Verbrechen zum Gegenstand haben und voraussichtlich kein besonderes oder überörtliches Medieninteresse erfahren werden, steht diese Befugnis auch den Polizeibehörden zu. Ein besonderes oder überörtliches Medieninteresse ist in Ermittlungsverfahren zu erwarten, bei denen wegen eines besonderen Tatvorwurfs, des Verfahrensumfangs, der Stellung bzw. Bekanntheit von betroffenen Personen, Behörden oder Unternehmen von einem nachhaltigen Informationsinteresse der Bevölkerung auszugehen ist.

    Darüber hinaus ist die Polizei nur im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft oder in Eilfällen befugt, den Medien Auskünfte über strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu erteilen, wobei die Auskunftserteilung in Eilfällen auf den reinen Sachverhalt zu beschränken ist. Ein Eilfall ist gegeben, wenn unmittelbar nach einer Tat Medienvertreter am Tatort erscheinen bzw. von der Tat Kenntnis erhalten haben und ein Staatsanwalt noch nicht anwesend oder erreichbar ist.

    Die Befugnis der Polizei zur Öffentlichkeitsfahndung bleibt unberührt.

    Die Polizei ist in Zweifelsfällen, namentlich bei fehlender Kenntnis über den aktuellen Stand eines Verfahrens, gehalten, vor der Erteilung einer Auskunft Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft herzustellen.

    Bei der Auskunftserteilung über Ermittlungsverfahren ist in jedem Fall zu beachten, dass der Ermittlungserfolg nicht gefährdet werden darf.

IV.
Gerichte und Medien

  1. Der Pressedezernent des Gerichts ist zuständig für die Auskunftserteilung in gerichtsanhängigen Strafverfahren sowie in anhängigen und abgeschlossenen anderen Verfahren unter entsprechender Beachtung der vorgenannten Grundsätze. Auskünfte über gerichtsanhängige Verfahren sind nicht zu erteilen, wenn deren sachgemäße und unvoreingenommene Durchführung gefährdet werden würde. Der Richter soll in der bei ihm in Bearbeitung befindlichen Sache - mit Ausnahme der Bekanntgabe von Terminen - keine Auskünfte erteilen.
  2. Die Pressedezernenten haben den Medien in ihnen geeignet erscheinender Weise regelmäßig Informationen über anstehende Verfahren, die für die Öffentlichkeit von Bedeutung sein können, sowie auf Anfrage allgemeine Informationen über die gerichtliche Tätigkeit zu geben.

V.
Vollzugsbehörden und Medien

  1. Über Anträge von Medienvertretern zum Besuch von Vollzugseinrichtungen entscheidet das Ministerium der Justiz.
  2. Über Besuche von Medienvertretern bei Strafgefangenen entscheidet der Anstalts-leiter nach Maßgabe der §§ 23 ff. des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) und der dazu erlassenen Verwaltungsvorschriften. Über entsprechende Besuche bei Jugendstrafgefangenen entscheidet er nach Maßgabe der Nummern 18 ff. der Bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug (VVJug). Die VVJug gilt auch, wenn durch die zu erwartende Berichterstattung die Eingliederung des Gefangenen behindert werden könnte.

    Die Erteilung einer Besuchserlaubnis kann mit Auflagen verbunden werden. Der Anstaltsleiter oder ein von ihm bestimmter Bediensteter soll an dem Besuch teilnehmen.

    Die vorstehenden Regelungen gelten für Gefangene in Zivilhaft und Strafarrest, ggf. in Abschiebungshaft nach Rücksprache mit der zuständigen Ausländerbehörde entsprechend.
  3. Über Besuche von Medienvertretern bei Untersuchungsgefangenen entscheidet der jeweils zuständige Richter nach Rücksprache mit dem Leiter der Justizvollzugsanstalt.

    Ist die Untersuchungshaft zum Zwecke der Strafvollstreckung unterbrochen oder ist in anderer Sache Untersuchungshaft angeordnet, so entscheidet der Anstaltsleiter; will er den Besuch zulassen, hat er zuvor die Zustimmung des zuständigen Richters einzuholen.

    Die vorstehenden Regelungen gelten für Gefangene in Auslieferungs- oder Durchlieferungshaft entsprechend.
  4. Foto- oder Filmaufnahmen von Gefangenen sind grundsätzlich nur zulässig, wenn sichergestellt ist, dass diese nicht identifizierbar sind.

    Über den Antrag, einen Gefangenen ausnahmsweise so zu fotografieren oder zu filmen, dass er identifiziert werden kann, entscheidet der Anstaltsleiter; will er dem Antrag zustimmen, so ist hierzu auch die schriftlich zu erteilende Zustimmung des Gefangenen, bei einem Jugendstrafgefangenen darüber hinaus ggf. das Einverständnis des Erziehungsberechtigten gemäß Nummer 20 Ziff. 3 VVJug und die Zustimmung der Aufsichtsbehörde erforderlich.

VI.
Schlussbestimmungen

Diese Allgemeine Verfügung, die im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern ergeht, tritt mit Wirkung vom 1. Juli 2006 in Kraft. Zum gleichen Zeitpunkt tritt die Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz vom 20. März 1992 (JMBl. S. 57), geändert durch Allgemeine Verfügung vom 15. September 1995 (JMBl. S. 183) “Richtlinien für die Zusammenarbeit der Justizbehörden des Landes Brandenburg mit den Medien“ (1274-III.1), außer Kraft.

Die Allgemeine Verfügung vom 16. Oktober 2005 (JMBl. S. 126 f.) betreffend die Anordnung über Berichtspflichten in Strafsachen (4107-III.1) bleibt von dieser Allgemeinen Verfügung unberührt.

Potsdam, den 13. Juni 2006

Die Ministerin der Justiz

Beate Blechinger