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Richtlinien über die internationale Fahndung nach Personen, insbesondere im Schengener Informationssystem (SIS)1 und auf Grund eines Europäischen Haftbefehls
Richtlinien über die internationale Fahndung nach Personen, insbesondere im Schengener Informationssystem (SIS)1 und auf Grund eines Europäischen Haftbefehls
vom 5. Januar 2009
(JMBl/09, [Nr. 2], S.12)
geändert durch Nr. 6 der Allgemeinen Verfügung vom 17. November 2021
(JMBl/21, [Nr. 12], S.110, 111)
I. Allgemeines
Nr. 1
Die internationale Fahndung nach Personen kann im SIS, durch INTERPOL und durch gezielte Mitfahndungsersuchen an andere Staaten veranlasst werden. Die Regelungen für die Fahndung zur Strafverfolgung gelten für die Strafvollstreckung entsprechend. Voraussetzung der internationalen Fahndung ist die nationale Fahndung im Informationssystem der Polizei (INPOL).
Nr. 2
International sind Ausschreibungen zur
- Festnahme zwecks Auslieferung, insbesondere auf Grund eines Europäischen Haftbefehls (vgl. unter II.)
- Aufenthaltsermittlung von Zeugen und Beschuldigten (vgl. unter III.)
- verdeckten Kontrolle bzw. polizeilichen Beobachtung (vgl. unter IV.)
möglich.
Nr. 3
Das SIS ist ein computergestütztes Fahndungssystem, das als Ausgleichsmaßnahme zum Abbau der Personenkontrollen an den Binnengrenzen der Schengen-Staaten errichtet wurde. Durch einen einheitlichen, grenzüberschreitenden Fahndungsraum soll ein mögliches Sicherheitsdefizit durch den Grenzabbau so gering wie möglich gehalten werden. Eine Beschränkung der Fahndung auf einen oder mehrere Staaten ist im SIS technisch nicht möglich (vgl. aber II. B. Nr. 11 Abs. 2).
Nr. 4
Soweit eine Fahndung nicht im gesamten Schengenraum oder über diesen hinaus erfolgen soll, wird international durch INTERPOL gefahndet. Die Fahndung kann auf Staaten oder Fahndungsräume (vgl. Vordruck Nr. 40a RiVASt) beschränkt werden. Bei der Entscheidung über die Fahndung sowie bei der Festlegung der INTERPOL-Zone, in der gefahndet werden soll, sind der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Nr. 13 RiVASt zu beachten.
Nr. 5
Staaten, die INTERPOL nicht angehören (vgl. Länderteil RiVASt), werden vom Bundeskriminalamt um Mitfahndung ersucht, wenn die betreibende Behörde dies ausdrücklich verlangt und Anhaltspunkte vorliegen, dass sich die gesuchte Person in diesem Staat aufhält.
II. Fahndungsausschreibung zur Festnahme zwecks Auslieferung
A. Einleitung der internationalen Fahndung
Nr. 6
Um internationale Fahndung ist unter Verwendung des Vordrucks Nr. 40a RiVASt und des Vordrucks für den Europäischen Haftbefehl (Vordruck Nr. 40 RiVASt) in deutscher Sprache sowie, falls in dem betreffenden Bundesland erforderlich, des Vordrucks KP 21/24 zu ersuchen. Das Ersuchen ist auf dem jeweils vorgesehenen Geschäftsweg über das Landeskriminalamt bzw. in Fällen, in denen Zollbehörden oder die Bundespolizei die nationale Fahndung veranlassen, über das Zollkriminalamt oder die jeweilige Bundespolizeidirektion an das Bundeskriminalamt zu richten. In Verfahren, die das Bundeskriminalamt selbst führt, ist das Ersuchen unmittelbar an das Bundeskriminalamt zu richten. Der Europäische Haftbefehl soll in elektronischer Form übermittelt werden, die es dem Nutzer ermöglicht, den Text elektronisch zu durchsuchen und einzelne Datenfelder zu selektieren und zu kopieren. Eine beglaubigte Mehrfertigung des nationalen Haft- oder Unterbringungsbefehls sowie Identifizierungsunterlagen, soweit erforderlich und nicht im Europäischen Haftbefehl enthalten, sind beizufügen (vgl. Nr. 41 Absatz 1 RiStBV). Identifizierungsmaterial ist grundsätzlich in INPOL bereitzustellen.
In das Formular des Europäischen Haftbefehls ist eine verkürzte und auf das Wesentliche beschränkte Sachverhaltsdarstellung, welche jedoch jede Einzeltat unverwechselbar und rechtlich eindeutig subsumierbar beschreibt, aufzunehmen. Auf Anlagen soll nicht Bezug genommen werden.
Nr. 7
In dringenden Fällen übermittelt die verfahrensleitende Justizbehörde gleichzeitig mit der Einleitung der nationalen Fahndung das Ersuchen um internationale Fahndung unter begründeter Darlegung der besonderen Dringlichkeit unmittelbar dem Bundeskriminalamt und zugleich dem zuständigen Landeskriminalamt bzw. dem Zollkriminalamt oder der zuständigen Bundespolizeidirektion.
Nr. 8
Bei der Einleitung der Fahndung ist im Vordruck Nr. 40a RiVASt der Fahndungsraum zu bezeichnen. Unter der Voraussetzung der Nr. 41 Absatz 2 RiStBV ist zumindest im Fahndungsraum I zu fahnden. Eine darüber hinausgehende Fahndung, insbesondere in INTERPOL-Zone 2, ist zu prüfen. Bei der Bestimmung des Fahndungsraums ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
Nr. 9
Die Löschung der Fahndung soll erst nach der Übernahme der gesuchten Person durch die deutschen Behörden veranlasst werden.
Nr. 10
Wird bei bestehender Interpolfahndung die nationale Fahndung zurückgenommen oder endet die nationale Fahndung durch Fristablauf, ist das Bundeskriminalamt gemäß Nr. 6 RiVASt unverzüglich unter Angabe des Löschungsgrundes (z. B. Festnahme, Auslieferung, Verjährung, Aussetzen des Ersuchens etc.) zu unterrichten, damit von dort aus die bestehende internationale Fahndung widerrufen werden kann.
B. Besonderheiten der Fahndung in den EU-Staaten und den Schengen-assoziierten Staaten
Nr. 11
Bei den im Formular des Europäischen Haftbefehls (vgl. Vordruck Nr. 40 RiVASt) bezeichneten Deliktsgruppen ist die beiderseitige Strafbarkeit nicht zu prüfen. Im Übrigen kann von der beiderseitigen Strafbarkeit ausgegangen werden, wenn keine anderweitigen Erkenntnisse vorliegen. Fehlt die beiderseitige Strafbarkeit in einem oder mehreren Staaten oder beabsichtigt die ausschreibende Behörde, in einem oder mehreren Staaten im Falle der Festnahme die Auslieferung nicht zu betreiben, so hat sie hierauf in ihrem Anschreiben nach Vordruck Nr. 40a RiVASt ausdrücklich hinzuweisen.
Eine Ausschreibung im SIS ist auch bei fehlender beiderseitiger Strafbarkeit zulässig. In diesen Fällen werden die betroffenen Vertragsstaaten durch die SIRENE Deutschland parallel zur Einstellung ins SIS entsprechend unterrichtet, sodass diese Staaten von der Möglichkeit der Umwandlung in eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung Gebrauch machen können.
Die Einleitung einer Fahndung im SIS kann in dringenden Fällen auch ohne Vorliegen eines nationalen Haftbefehls oder Europäischen Haftbefehls erfolgen. Gleichzeitig müssen der nationale und der Europäische Haftbefehl beantragt werden. Nach deren Erlass wird der Europäische Haftbefehl dem Bundeskriminalamt zugeleitet. Erfolgt die Zuleitung nicht binnen neun Stunden (wobei die Stunden zwischen Mitternacht und neun Uhr nicht zählen) nach Einleitung der Fahndung, ist die Fahndung zurückzunehmen.
Nr. 12
Wenn der Fahndungserfolg durch eine gezielte, örtlich begrenzte Fahndung erzielt werden kann, bleibt es unbenommen, bilaterale Ersuchen um vorläufige Festnahme auf der Grundlage der im Auslieferungsrecht vorgesehenen Verfahrenswege ohne Ausschreibung im SIS zu stellen. Eine Ausschreibung im SIS kann gleichwohl in Betracht kommen, um möglichen unerwarteten Bewegungen der gesuchten Person zuvorzukommen oder eine Beschleunigung der Bearbeitung des Ersuchens zu erreichen.
Nr. 13
Die ausschreibende Behörde hat mindestens bei der alle drei Jahre erforderlichen Überprüfung, ob die nationale Fahndung zu verlängern ist, auch die SIS-Fahndung auf deren Aktualität zu überprüfen. Entsprechende Verfügungen um Verlängerung der bestehenden Ausschreibung sind noch vor Fristablauf an die für die Dateneingabe zuständige Stelle zu leiten; andernfalls erfolgt eine automatische Löschung. Besteht nur eine nationale Fahndung, so ist bei deren Überprüfung immer auch zu erwägen, ob zusätzlich eine SIS-Fahndung zu veranlassen ist. Zudem ist die Ausweitung auf die INTERPOL-Zone 2 (übriges Europa) zu prüfen.
III. Fahndungsausschreibung zur Aufenthaltsermittlung von Zeugen und Beschuldigten
A. Fahndung im SIS
Nr. 14
Das Ersuchen um Fahndung im SIS zur Aufenthaltsermittlung ist unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 an die für die Dateneingabe zuständige Stelle zu übersenden.
Nr. 15
Die ausschreibende Stelle unterrichtet bei Erledigung der Ausschreibung die für die Dateneingabe zuständige Stelle, andernfalls erfolgt die Löschung der Ausschreibung durch Fristablauf. Die ausschreibende Stelle ist angehalten, die bestehenden Fahndungen regelmäßig auf Aktualität zu prüfen. Bei festgestellter ladungsfähiger Anschrift ist die Fahndung in der Regel zurückzunehmen.
B. Fahndung durch INTERPOL
Nr. 16
Das Ersuchen um Fahndung zur Aufenthaltsermittlung in Staaten, die nicht am SIS angeschlossen sind, ist unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 sowie unter Benennung des Fahndungsraums und, soweit erforderlich, der Fahndungszonen und eines übermittlungsfähigen Sachverhalts über die für die Dateneingabe zuständige Stelle an das Bundeskriminalamt zu richten.
Nr. 17
Wird die nationale Fahndung zurückgenommen oder endet die nationale Fahndung durch Fristablauf, ist dem Bundeskriminalamt über die für die Dateneingabe zuständige Stelle gemäß Nr. 6 RiVASt unverzüglich unter Angabe des Löschungsgrundes (z. B. festgestellte ladungsfähige Anschrift, Verfahrensbeendigung) mitzuteilen, dass von dort aus die bestehende Fahndung zu widerrufen ist.
C. Fahndung im SIS und durch INTERPOL
Nr. 18
Soll sowohl in den Staaten, die am SIS angeschlossen sind, als auch darüber hinaus eine internationale Fahndung durchgeführt werden, so ist dieses Ersuchen unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 an die für die Dateneingabe zuständige Stelle zwecks Weiterleitung an das Bundeskriminalamt zu richten. Die Abschnitte A und B gelten entsprechend.
IV. Fahndungsausschreibung zur verdeckten Kontrolle bzw. polizeilichen Beobachtung
A. Fahndung im SIS
Nr. 19
Das Ersuchen um Fahndung im SIS zur verdeckten Kontrolle zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Strafvollstreckung ist unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 an die für die Dateneingabe zuständige Stelle zu übersenden. Die Entscheidung für die Einleitung einer Fahndung zur verdeckten Kontrolle obliegt der zuständigen Justizbehörde und fällt nicht in die Anordnungskompetenz von § 163e StPO.
Nr. 20
Die ausschreibende Stelle unterrichtet bei Erledigung der Ausschreibung die für die Dateneingabe zuständige Stelle, andernfalls erfolgt die Löschung der Ausschreibung durch Fristablauf.
B. Fahndung durch INTERPOL
Nr. 21
Das Ersuchen um internationale Fahndung zur polizeilichen Beobachtung in Staaten, die nicht am SIS angeschlossen sind, ist unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 sowie unter Benennung des Fahndungsraums und, soweit erforderlich, der Fahndungszonen und eines übermittlungsfähigen Sachverhalts über die für die Dateneingabe zuständige Stelle an das Bundeskriminalamt zu richten.
Nr. 22
Wird die nationale Fahndung zurückgenommen oder endet die nationale Fahndung durch Fristablauf, ist dem Bundeskriminalamt gemäß Nr. 6 RiVASt unverzüglich unter Angabe des Löschungsgrundes (z. B. Festnahme, Auslieferung, Verjährung, Aussetzen des Ersuchens etc.) mitzuteilen, dass von dort aus die bestehende internationale Fahndung zu widerrufen ist.
C. Fahndung im SIS und durch INTERPOL
Nr. 23
Soll sowohl in den Staaten, die am SIS angeschlossen sind, als auch darüber hinaus eine internationale Fahndung durchgeführt werden, so ist dieses Ersuchen unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 sowie unter Benennung des Fahndungsraums und, soweit erforderlich, der Fahndungszonen und eines übermittlungsfähigen Sachverhalts über die für die Dateneingabe zuständige Stelle an das Bundeskriminalamt zu richten. Die Abschnitte A und B gelten entsprechend.
V. Festnahme im Rahmen einer Nacheile
Nr. 24
Wird die verfolgte Person im Rahmen einer Nacheile aufgegriffen, muss der zuständigen ausländischen Behörde innerhalb von sechs Stunden (wobei die Stunden zwischen Mitternacht und neun Uhr nicht mitzählen) ein Ersuchen um vorläufige Festnahme zugehen (Artikel 41 Abs. 6 SDÜ).
VI. Inkrafttreten
Nr. 25
Die bundeseinheitlich geltenden neuen Fahndungsrichtlinien werden zum 1. Januar 2009 für das Land Brandenburg in Kraft gesetzt. Gleichzeitig wird der Gemeinsame Runderlass des Ministeriums der Justiz (9362-III.2) und des Ministeriums des Innern (IV/2-2701) vom 23. Dezember 1993 (JMBl. 1994 S. 8) aufgehoben.
Potsdam, den 5. Januar 2009
Die Ministerin der Justiz Der Minister des Innern
Beate Blechinger Jörg Schönbohm
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1 Rechtsgrundlagen der Fahndung im SIS sind der SIS II-Beschluss (Beschluss 2007/533/JI des Rates vom 12. Juni 2007 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation, ABl. L 205 vom 7.8.2007, S. 63) und ab einem von der EU Kommission bis zum 28. Dezember 2021 zu bestimmenden Termin die SIS-Verordnung (Verordnung (EU) 2018/1862 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. November 2018 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, zur Änderung und Aufhebung des Beschlusses 2007/533/JI des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1986/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und des Beschlusses 2010/261/EU der Kommission, ABl. L 312 vom 7.12.2018, S. 56).
zu den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV)