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Runderlass des Ministeriums des Innern in kommunalen Angelegenheiten Nr. 4/2004
Hinweise zur kommunalaufsichtlichen Handhabung des § 80 der Gemeindeordnung des Landes Brandenburg (GO) bei Kommunen ohne genehmigtes Haushaltssicherungskonzept
Runderlass des Ministeriums des Innern in kommunalen Angelegenheiten Nr. 4/2004
Hinweise zur kommunalaufsichtlichen Handhabung des § 80 der Gemeindeordnung des Landes Brandenburg (GO) bei Kommunen ohne genehmigtes Haushaltssicherungskonzept
vom 22. Juni 2004
Außer Kraft getreten am 24. Juli 2013 durch Runderlass Nr. 1/2013 vom 24. Juli 2013
1. Einleitung
1.1. Die nachstehenden Hinweise zu aktuellen Fragen der vorläufigen Haushaltsführung nach § 80 GO orientieren sich an der Notwendigkeit, den unabweisbar erforderlichen Konsolidierungskurs in Kommunen ohne ein genehmigtes Haushaltssicherungskonzept (HSK) nachhaltig zu fordern und zu fördern. Zugleich soll aber dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Kommunalaufsicht den Belangen der Städte und Gemeinden, die sich über einen längeren Zeitraum in der vorläufigen Haushaltsführung bewegen, nur durch eine differenzierte Einzelfallbetrachtung gerecht werden kann.
1.2. Vor diesem Hintergrund hat die Kommunalaufsicht die Möglichkeit, Handlungen von Kommunen ohne genehmigtes Haushaltssicherungskonzept, die sich innerhalb des durch diese Hinweise gesteckten Rahmens bewegen, nicht zu beanstanden. Zugleich bilden die Hinweise aber die äußerste Grenze des kommunalaufsichtlich Hinnehmbaren. Wird diese Grenze überschritten, sind geeignete kommunalaufsichtliche Maßnahmen (§§ 123 bis 128 GO) zu ergreifen.
1.3. Es ist darauf hinzuweisen, dass eine kommunalaufsichtliche Duldung innerhalb des nachfolgend aufgezeigten Rahmens die Kommunen nicht vor Sanktionen schützt, die von Dritten (z. B. von der Gerichtsbarkeit) ergriffen werden. Die Verantwortung für finanzwirksame Entscheidungen von Kommunen liegt allein bei den Entscheidungsträgern vor Ort.
1.4. Das Instrumentarium der vorläufigen Haushaltsführung ist seit langem rechtlich definiert. Die Vorschriften des § 80 GO regeln die vorläufige Haushaltsführung ohne rechtsgültige Haushaltssatzung. Die Regelung war ursprünglich nur für den (Ausnahme-)Fall gedacht, dass zwischen Beginn des Haushaltsjahres und Beschluss über die Hauhaltssatzung und den Haushaltsplan eine relativ kurze Zeitspanne zu überbrücken ist. Gleichwohl sind die Grundsätze des § 80 GO auch für längere Zeiträume eines nicht rechtsgültigen Haushalts verbindlich. Der im Entwurf aufgestellte Haushaltsplan der Kommune bleibt in der Zeit der vorläufigen Haushaltsführung die haushaltswirtschaftliche Leitlinie für Gemeindevertretung und Verwaltung und hat auch weiterhin eine unverzichtbare Funktion als buchungstechnische Basis. Grundlage der Haushaltswirtschaft sind aber die Vorschriften über die vorläufige Haushaltsführung (§ 77 Abs. 4 GO i. V. m. § 80 GO).
1.5. In der vorläufigen Haushaltsführung muss die gesamte Haushalts- und Finanzwirtschaft der Kommune mit dem Ziel geführt werden, baldmöglichst ein genehmigungsfähiges HSK aufstellen zu können, um den vom Gesetz vorgesehenen Zustand geordneter Finanzverhältnisse wieder herzustellen. Auch in der vorläufigen Haushaltswirtschaft gelten unverändert alle Haushaltsgrundsätze und Haushaltsziele der Gemeindeordnung. Diese Grundsätze einschließlich der Regeln nach § 80 GO sind bei allen finanzwirtschaftlichen Entscheidungen zu beachten.
2. Umgang mit der vorläufiger Haushaltswirtschaft
2.1. Grundsatz
Die vorläufige Haushaltsführung als Folge der Nicht-Genehmigung des HSK erfordert von den betroffenen Kommunen deutlich höhere Anstrengungen zur Konsolidierung der kommunalen Haushaltswirtschaft als die Bewirtschaftung eines Haushalts mit genehmigtem HSK (vgl. hierzu Runderlass Nr. 5/2000 - Aufstellung, Ausgestaltung und Genehmigung von Haushaltssicherungskonzepten - des Ministeriums des Innern vom 23. Februar 2000). Dies hat sowohl Konsequenzen für die Finanzwirtschaft in den betroffenen Kommunen selbst als auch für das Verhalten der Kommunalaufsicht gegenüber diesen Kommunen. Der Umgang mit der vorläufigen Haushaltswirtschaft muss auf allen kommunalen Ebenen und bei allen Verantwortungsträgern von der Einsicht geprägt sein, dass es zur Wiedergewinnung finanzwirtschaftlichen Handlungsspielraums keine Alternative zur schnellstmöglichen Aufstellung eines genehmigungsfähigen HSK gibt. Bis dieses Ziel erreicht ist, ist der finanzwirtschaftliche Spielraum der betroffenen Kommunen gegenüber denen mit einem genehmigten HSK deutlich eingeschränkt. An diesem Grundsatz orientieren sich die nachfolgenden Leitlinien für den Umgang mit Einzelthemen, die für die Konsolidierung der durch nicht genehmigungsfähige HSK und andauernde vorläufige Haushaltführung in Schieflage geratenen Kommunalhaushalte von besonderer Bedeutung sind.
2.2. Begriff der rechtlichen Verpflichtungen im Sinne von § 80 GO
2.2.1. Hierunter sind bestehende vertragliche und gesetzliche Verpflichtungen der Kommunen zu verstehen. Es dürfen nur solche neuen rechtliche Verpflichtungen eingegangen werden, die unmittelbar zur Haushaltskonsolidierung beitragen. Die Erneuerung von auslaufenden Verträgen darf nur im tatsächlich erforderlichen Umfang erfolgen. Beschlüsse der Gemeindevertretung selbst stellen keine gesetzliche Verpflichtung dar.
2.2.2. Mit dem Wegfall der Aufwandsentschädigungsverordnung beruht der Anspruch des Gemeindevertreters und des sachkundigen Einwohners auf § 37 Abs. 4 Satz 1 GO. Danach besteht für diese Personengruppe ein Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen und des Verdienstausfalls.
2.3. Aufnahme von Krediten
2.3.1. Kredite zur Fortsetzung von Bauten, Beschaffungen und sonstigen Leistungen des Vermögenshaushalts dürfen nach § 80 Abs. 2 GO mit Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde bis zur Höhe eines Viertels des Gesamtbetrages der in der Haushaltssatzung des Vorjahres festgesetzten Kredite aufgenommen werden. Hier ist die letzte rechtswirksam gewordene, also ordentlich bekannt gemachte Haushaltssatzung gemeint. Kreditgenehmigungen sind somit bei einer mehrjährigen Haushaltsführung ohne HSK nur im ersten Jahr ohne HSK zulässig.
2.3.2. Der Begriff ,,Fortsetzung von Maßnahmen“ ist eng auszulegen. Bei geplanten Baumaßnahmen beispielsweise stellen die eigentlichen Bauausführungen insoweit keine Fortsetzung der vorausgegangenen Planung und Baugrunduntersuchung, des Grunderwerbs oder des Herrichtens des Grundstücks dar. Die Bauausführung selbst ist vielmehr als eigenständige neue Maßnahme zu sehen, die in diesem Falle nur unter den in Nr. 2.4.1 genannten Voraussetzungen als zulässig anzusehen ist.
2.3.3. Eine Kreditgenehmigung nach § 80 Abs. 2 GO muss zwingend vor Beginn der lnvestitionsmaßnahme oder der Investitionsförderungsmaßnahme vorliegen.
2.4. Investitionen und lnvestitionsförderungsmaßnahmen
2.4.1. Die Regelung des § 80 Abs. 1 Nr. 1 GO, wonach Ausgaben bei Zugrundeliegen einer rechtlichen Verpflichtung oder zur Weiterführung unaufschiebbar notwendiger Aufgaben geleistet werden können, gilt sowohl für Ausgaben des Verwaltungshaushalts als auch des Vermögenshaushalts. Insoweit sind unter Zugrundelegung eines strengen Maßstabes auch neue Investitions- und Investitionsförderungsmaßnahmen nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Maßnahme, sofern eine rechtliche Verpflichtung nicht gegeben ist, zeitnah und zumindest mittelbar zur Konsolidierung des Haushalts beiträgt und dass die Finanzierung gesichert ist.
2.5. Personalwirtschaftliche Maßnahmen / Beförderungen:
2.5.1. Nach § 80 Abs. 3 GO gilt der Stellenplan des Vorjahres weiter, bis die Haushaltssatzung für das neue Haushaltsjahr erlassen ist. Eine Änderung des Stellenplans auf Grundlage des § 77 Abs. 3 Satz 3 GO kann aber in begründeten Einzelfällen vorgenommen werden. Hier sind insbesondere personalwirtschaftliche Maßnahmen im Zusammenhang mit neuen pflichtigen Aufgaben oder auch solche der Haushaltskonsolidierung dienende in Betracht zu ziehen.
2.5.2. Generell muss für Kommunen in der vorläufiger Haushaltsführung ein restriktiver personalwirtschaftlicher Kurs vorausgesetzt werden, der sich unter anderem in einem angemessenen kurz- bis mittelfristigen, den Konsolidierungszeitraum verkürzenden Stellenabbau dokumentiert. Nach den Vorschriften des § 80 GO sind Höhergruppierungen und Beförderungen in der vorläufigen Haushaltswirtschaft ausgeschlossen, soweit kein Individualanspruch besteht.
2.6. Freiwillige Leistungen
2.6.1. Für freiwillige lnvestitionsmaßnahmen oder lnvestitionsförderungsmaßnahmen gelten die unter den Nummern 2.3 und 2.4 beschriebenen Grundsätze.
2.6.2. Zusätzliche freiwillige Leistungen kommen nicht in Betracht. Der bisherige Umfang freiwilliger Leistungen ist schrittweise auf ein Mindestmaß zu reduzieren; dabei ist die Kündigung bestehender rechtlicher Verpflichtungen einzubeziehen. Im Interesse einer gleichgewichtigen Vorgehensweise empfiehlt sich eine mittelfristig rückläufige Kontingentierung des Zuschussbedarfs bei freiwilligen Leistungen in vom Hundert der allgemeinen Deckungsmittel (Steuern netto plus Schlüsselzuweisungen).
2.6.3. Ergänzender Hinweis:
Vorrangig sollten wirksame Konsolidierungsmaßnahmen bei Pflichtaufgaben, vertraglich gebundenen Leistungen oder zum Beispiel beim Personalaufwand durchgesetzt werden als bei Zuschüssen an Vereine oder an Einrichtungen, die für die Kommunen Aufgaben kostengünstig erledigen. Deshalb wäre es nicht angemessen, die Lösung von Konsolidierungsproblemen in HSK allein bei den so genannten freiwilligen Leistungen zu suchen.
2.7. Bürgschaften, kreditähnliche Rechtsgeschäfte, Immobilienleasing
2.7.1. Die Übernahme neuer finanzieller Risiken zum Beispiel aus Bürgschaften, kreditähnlichen Rechtsgeschäften oder Immobilienleasing im Rahmen der kommunalen Aufgabenerfüllung ist in Abhängigkeit von der dauerhaften und langfristigen finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommune zu sehen. In der vorläufigen Haushaltsführung sind an neue Risikoübernahmen besonders hohe Prüfungsanforderungen zu stellen. Dabei bedarf es einer besonderen Abwägung einschätzbarer Risiken im Verhältnis zu den Schulden und zur Vermögenssubstanz.
2.8. Kassenkredite
2.8.1. Ein Überschreiten des zulässigen Höchstbetrages der Kassenkredite in der vorläufigen Haushaltsführung (§ 87 Abs. 1 Satz 2 GO) ist dann nicht zu beanstanden, wenn sich diese Überschreitung aus unabweisbaren Zahlungsverpflichtungen ergibt. Die Kommunalaufsicht weist in diesen Fällen auf den Gesetzesverstoß hin, kann aber - insbesondere dann, wenn von Kreditinstituten eine Genehmigung der Überschreitung verlangt wird - zum Ausdruck bringen, dass dieser Verstoß nicht beanstandet werden wird. Für eine Genehmigung der Überschreitung gibt es keine Rechtsgrundlage.
2.8.2. Überschreiten die Kassenkredite ein Sechstel der Bruttoeinnahmen des beschlossenen Planungsansatzes des Verwaltungshaushaltes, ist der Kommunalaufsicht eine Liquiditätsplanung vorzulegen, aus der sich Maßnahmen zum Abbau der Kassenkredite ergeben.
2.9. Ausgliederungen
2.9.1. Unter den laufenden Zuweisungen und Zuschüssen in den kommunalen Verwaltungshaushalten verbergen sich auch solche an ausgelagerte Organisationseinheiten (Eigenbetriebe, GmbH's, AG's). Diese müssen deutlich stärker als bisher in die notwendige Konsolidierung einbezogen werden. Im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung sind der Fortbestand rechtlicher Verpflichtungen und ein sofortiger Abbau zu prüfen und zu dokumentieren. Die Kommunalaufsicht kann die Unterlagen gegebenenfalls anfordern (§ 123 GO).
2.10. Bildung von Haushaltsresten
2.10.1. Während der vorläufigen Haushaltswirtschaft ist an die Bildung von Haushaltsresten ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Restebildungen sind von der Gemeindevertretung und der Verwaltung einer besonders strengen Prüfung unter den Gesichtspunkten eines Verzichts bzw. einer Bereinigung zugunsten einer späteren Neuveranschlagung zu unterziehen. Für noch nicht begonnene Investitionsmaßnahmen hat eine Restebildung zu unterbleiben.
2.10.2. Unabhängig davon gelten für die Bildung von Haushaltsresten in der vorläufigen Haushaltsführung die Aussagen zum Haushaltsplan.
3. Einhaltung der HSK-Fristen und Übergang von der vorläufigen Haushaltswirtschaft in ein genehmigtes HSK
3.1. Die Vorschrift des § 74 Abs. 4 GO trifft keine Regelung darüber, in welchem Zeitraum der Haushaltsausgleich im Rahmen des Haushaltssicherungskonzepts wieder herzustellen ist. Im Hinblick auf die grundsätzliche Verpflichtung nach § 74 Abs. 3 GO, wonach der Haushalt in jedem Jahr unter Berücksichtigung von Fehlbeträgen aus Vorjahren ausgeglichen sein muss, ist der frühestmögliche Zeitpunkt für den Haushaltsausgleich anzustreben. Soweit von der betroffenen Kommune ein überragender Konsolidierungswille nachgewiesen wird, kann in begründeten Fällen ein Konsolidierungszeitraum, der über den Finanzplanungszeitraum hinausgeht, in Betracht gezogen werden.
3.2. Gleichwohl macht es Sinn, für Kommunen, die sich - als Folge der Nichtgenehmigung ihres HSK - über einen längeren Zeitraum im Zustand der vorläufigen Haushaltsführung bewegen, Rahmenbedingungen zu formulieren, die eine Rückkehr in ein genehmigtes HSK möglich machen. Hierfür spricht nach den Erfahrungen der Kommunalaufsicht nicht zuletzt die Erwartung, dass die Chance auf einen Neubeginn in den betroffenen Kommunen Kräfte mobilisieren kann, die für das Erreichen des - nach wie vor mit höchster Priorität anzustrebenden - Ziels der Haushaltskonsolidierung wichtig sind. Die Chance auf einen Neubeginn darf allerdings nicht als Signal missverstanden werden, schmerzhafte Konsolidierungsentscheidungen zu verschieben.
Im Auftrag
gez. Hoffmann