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Europarechtskonforme Anwendung der Mehrarbeitsvergütungsverordnung bei teilzeitbeschäftigten Beamten

Europarechtskonforme Anwendung der Mehrarbeitsvergütungsverordnung bei teilzeitbeschäftigten Beamten
vom 17. Juli 2009

Gemäß § 3 Absatz 1 Nummer 2 Mehrarbeitsvergütungsverordnung (MVergV) wird eine Mehrarbeitsvergütung - bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen - nur gewährt, wenn der zeitliche Umfang der Mehrarbeit die jeweilige monatliche Arbeitszeit des Beamten um mehr als fünf Stunden im Kalendermonat übersteigt. Bei Mehrarbeit im Schuldienst gelten drei Unterrichtsstunden als fünf Stunden (§ 5 Absatz 2 Nummer 1 MVergV).

Nach § 4 MVergV wird die Mehrarbeitsvergütung in Höhe der dort bestimmten pauschalierten Stundensätze gezahlt.

I.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in zwei Verfahren zur Auslegung des EG-Vertrages mit diesen Vorschriften befasst. Anlass hierzu gaben teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte aus Berlin und aus Nordrhein-Westfalen, die eine Verletzung des Diskriminierungsverbots gemäß Artikel 141 EG durch die Regelungen der MVergV geltend machten („Gleiches Entgelt für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit“).

Mit Urteil vom 27. Mai 2004 (C-285/02) entschied der EuGH, dass Artikel 141 EG einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der teilzeitbeschäftigten - ebenso wie vollzeitbeschäftigten - Lehrkräften eine Mehrarbeitsvergütung nur dann gewährt wird, wenn die Mehrarbeit drei Unterrichtsstunden im Kalendermonat übersteigt. Der EuGH sieht hier einen Verstoß gegen das Europarecht, wenn die benachteiligende Regelung mehr Frauen als Männer betrifft und nicht durch sachliche und diskriminierungsfreie Gründe gerechtfertigt ist.

Das vorlegende Verwaltungsgericht Minden hat daraufhin mit Urteil vom 16. Februar 2005 (4 K 123/01) einen Verstoß der Mehrarbeitsvorschriften - § 3 Absatz 1 Nummer 2, § 5 Absatz 2 MVergV - gegen das Diskriminierungsverbot des Artikel 141 EG festgestellt.

In einem weiteren Urteil vom 6. Dezember 2007 (C-300/06) hat der EuGH festgestellt, dass Artikel 141 EG der MVergV, nach der ein teilzeitbeschäftigter Beamter für die Arbeit, die er über seine individuelle Arbeitszeit hinaus bis zu der Stundenzahl leistet, die ein vollzeitbeschäftigter Beamter im Rahmen seiner Arbeitszeit erbringen muss, schlechter vergütet wird als ein vollzeitbeschäftigter Beamter, dann entgegen steht,

  • wenn von allen Beschäftigten, für die diese Regelung gilt, ein erheblich höherer Prozentsatz weiblicher als männlicher Beschäftigter betroffen ist und
  • die Ungleichbehandlung nicht durch Faktoren sachlich gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Anschluss an diese Rechtsprechung des EuGH mit Urteil vom 13. März 2008 (2 C 128.07) eine tatsächliche mittelbare Diskriminierung von Frauen durch die Mehrarbeitsvorschriften konstatiert und im Ergebnis wie folgt entschieden:

„Leisten teilzeitbeschäftigte Lehrerinnen vergütungspflichtige Mehrarbeit, so gebietet das Diskriminierungsverbot des Artikels 141 EG, jedenfalls diejenige Mehrarbeit wie reguläre Stunden zu vergüten, die die Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Lehrer nicht übersteigt.“

II.

In der Landesverwaltung Brandenburg sind in der Gruppe der teilzeitbeschäftigten Beamten erheblich mehr Frauen als Männer von den EU-rechtlich zu beanstandenden Vorschriften der MVergV betroffen. Rechtfertigende Faktoren für die Ungleichbehandlung sind nicht erkennbar. Diese Einschätzung wird auch vom Bund und der Mehrheit der Länder geteilt.

Die Rechtsprechung des EuGH und der Verwaltungsgerichte ist deshalb auch in Brandenburg bei der Besoldungsfestsetzung zu beachten. Eine Differenzierung nach Geschlechtern oder Verwaltungsbereichen kommt dabei nicht in Betracht.

Nach dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechtes dürfen die Behörden der Mitgliedsstaaten gemeinschaftsrechtswidrige nationale Vorschriften nicht anwenden; dabei kommt es weder auf die Art noch auf den Rang der gemeinschaftsrechtlichen Norm und des entgegenstehenden nationalen Rechts an. Die Vorschriften der MVergV können deshalb bis zu einer ausdrücklichen EU-rechtskonformen Novellierung durch den Gesetzgeber nur noch in der Weise angewendet werden, als eine gemeinschaftsrechtswidrige Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten bei der Gewährung der Mehrarbeitsvergütung ausgeschlossen wird.

Im Einzelnen ist dabei wie folgt zu verfahren:

1. Bis zum Erreichen der regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Beamten ist bei teilzeitbeschäftigten Beamten als Mehrarbeitsvergütung mindestens die auf eine Zeit- bzw. Unterrichtsstunde entfallende zeitanteilige Besoldung zu zahlen.

Zur Ermittlung des auf eine Zeit- bzw. Unterrichtsstunde entfallenden Besoldungsbetrages ist der Monatsbetrag der Besoldung eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Beamten durch das 4,348-fache seiner regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zu teilen. Dienstbezüge und sonstige Bezüge, die nicht der anteiligen Kürzung nach § 6 Absatz 1 Bundesbesoldungsgesetz unterliegen, bleiben dabei unberücksichtigt.

In dem Maß, in dem die regelmäßige monatliche Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Beamten durch Mehrarbeit überschritten wird, erfolgt die Vergütung der Mehrarbeit ausschließlich in Höhe der Vergütungssätze nach § 4 MVergV.

2. § 3 Absatz 1 Nummer 2 und § 5 Absatz 2 Nummer 1 MVergV sind bei teilzeitbeschäftigten Beamten mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Grenze von fünf bzw. drei Stunden entsprechend dem Verhältnis zwischen der ermäßigten Arbeitszeit und der regelmäßigen Arbeitszeit zu reduzieren ist.

Ich bitte die obersten Landesbehörden sowie die Zentrale Bezügestelle des Landes Brandenburg, bei der Prüfung von Ansprüchen auf eine Mehrarbeitsvergütung dem Grunde nach sowie bei der Festsetzung der Mehrarbeitsvergütung ab sofort nach diesen Grundsätzen zu verfahren.

Sofern von teilzeitbeschäftigten Beamten für die Vergangenheit Ansprüche auf Gewährung der Mehrarbeitsvergütung nach den o. g. Grundsätzen geltend gemacht worden sind oder zukünftig geltend gemacht werden, ist die Mehrarbeitsvergütung unter Berücksichtigung der Verjährungsvorschriften neu festzusetzen. Eventuelle Nachzahlungen sind unter Anrechnung bereits gewährter Mehrarbeitsvergütungsbeträge zu leisten.

Des Weiteren bitte ich die Zentrale Bezügestelle, mit einer Dienststelleninformation Hinweise zur verfahrensmäßigen Umsetzung dieses Rundschreibens sowie die zu verwendenden Änderungsdienstbelege bekanntzugeben.

Außerdem bitte ich die obersten Landesbehörden, die Beamten in ihren Geschäftsbereichen über den Inhalt dieses Rundschreibens zu unterrichten.

Zusatz für MASGF, MWFK und MI:

Ich bitte Sie, die Sozialversicherungsträger, die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg, die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg sowie die Kommunen zu unterrichten.