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Informationsaustausch im Zusammenhang mit der Besteuerung insolventer Kapitalgesellschaften und ihrer Anteilseigner

Informationsaustausch im Zusammenhang mit der Besteuerung insolventer Kapitalgesellschaften und ihrer Anteilseigner
vom 8. August 2008

Die Besteuerung von insolventen Kapitalgesellschaften sowie von deren einkommensteuerpflichtigen Anteilseignern ist in der Praxis regelmäßig mit Problemen verbunden, da den Finanzämtern erfahrungsgemäß nur wenige Informationen über steuerlich relevante Sachverhalte vorliegen. Ursache dafür ist, dass die Vertreter der insolventen Kapitalgesellschaften Steuererklärungen und Jahresabschlüsse für die Jahre bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens meist nicht abgeben.

Für eine sachgerechte Schätzung der Besteuerungsgrundlagen der Kapitalgesellschaften sowie für die Ermittlung von verdeckten Gewinnausschüttungen und Auflösungsverlusten der Gesellschafter i. S. d. § 17 EStG sind die Gutachten und Sachstandsberichte der Insolvenzverwalter von erheblicher Bedeutung. Sie stellen für die Finanzämter eine der wenigen Informationsquellen dar, über die sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verfügen. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Übersendung der vom Insolvenzverwalter zu erstellenden Gutachten und Sachstandsberichte an die zuständigen Finanzämter besteht grundsätzlich nicht.

1. Prüfungsfeststellungen

Das Prüfungsamt des Bundes untersuchte in einer Schwerpunktprüfung in mehreren Bundesländern die ertragsteuerliche Behandlung insolventer Kapitalgesellschaften und deren Anteilseigner.

Dabei wurde festgestellt, dass die wenigen den Finanzämtern in einem Insolvenzverfahren vorliegenden Informationen oft nicht hinreichend genutzt, ausgewertet oder an alle zuständigen Stellen innerhalb der Finanzämter weitergeleitet worden sind. Der unzureichende Informationsaustausch hatte im Einzelnen folgende Konsequenzen:

1.1. Verdeckte Gewinnausschüttungen nicht berücksichtigt

Im Insolvenzgutachten enthaltene Angaben über Zahlungen, die ohne erkennbaren Grund an die Gesellschafter geleistet wurden, blieben bei der Besteuerung der Gesellschafter unberücksichtigt, weil die entsprechenden Kontrollmitteilungen durch den für die Kapitalgesellschaft zuständigen Veranlagungsbezirk (VbZ-K) nicht an die Veranlagungsbezirke der Anteilseigner im Wohnsitzfinanzamt (VbZ-N) übersandt wurden.

Erkenntnisse des Insolvenzverwalters, dass z. B. Wirtschaftsgüter zu einem unter dem Wert liegenden Verkaufspreis an nahe Angehörige veräußert wurden, blieben bei der Veranlagung der insolventen Kapitalgesellschaft aufgrund der fehlenden Information durch den zuständigen Erhebungsbezirk unberücksichtigt. In der Folge konnte auch die Besteuerung beim Anteilseigner nicht vorgenommen werden, da die Weiterleitung der Information an den VbZ-N nicht erfolgte.

Sachverhalte, die erst im Zusammenhang mit den Erkenntnissen aus den Steuerakten der Gesellschaft eindeutig als verdeckte Gewinnausschüttungen oder andere einkunftsmäßig zu erfassende Vorgänge erkennbar wurden, blieben sowohl bei der Besteuerung der insolventen Kapitalgesellschaft als auch bei der Besteuerung des Anteilseigners unberücksichtigt.

1.2. Unzutreffende Anerkennung eines Verlustes nach § 17 EStG

Viele Gesellschafter begehren mit ihrer Einkommensteuererklärung die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG bereits im Jahr der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Grundsätzlich ist die Berücksichtigung erst im Kalenderjahr des Abschlusses des Insolvenzverfahrens möglich. Eine frühere Berücksichtigung ist geboten, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist (vgl. H 17 Abs. 7 Auflösung und Kapitalherabsetzung EStH 2005). Erfolgte zwischen den betroffenen VbZ-N und VbZ-K kein Informationsaustausch, kam es zur Anerkennung der Verluste nach § 17 Abs. 4 EStG im falschen Veranlagungszeitraum.

2. Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität des Informationsaustausches innerhalb der Finanzverwaltung

2.1. Weitergabe und Auswertung der Informationen im VbZ-K

Die Insolvenzgutachten und Sachstandsberichte sind, sofern sie nicht vom Verwalter eingereicht werden, durch den zuständigen Erhebungsbezirk anzufordern und an den VbZ-K zur Auswertung weiterzuzuleiten und dort zur Vertragsakte zu nehmen. Gehen die Unterlagen zuerst im VbZ-K ein, sind diese zeitnah dem Erhebungsbezirk zur Verfügung zu stellen.

Werden im Rahmen der Auswertung der Unterlagen steuererhebliche Tatsachen festgestellt, sind mittels Kontrollmitteilung die entsprechenden Informationen über vorliegende verdeckte Gewinnausschüttungen bzw. Auflösungsverluste an den VbZ-N des Anteilseigners weiterzuleiten. Die Übersendung von Kopien kompletter Gutachten bzw. Sachstandsberichte wird nicht als sinnvoll erachtet.

2.2. Ermittlungen durch den VbZ-N des Anteilseigners

Macht der Anteilseigner in seiner Einkommensteuererklärung Verluste nach § 17 Abs. 4 EStG geltend, sind die Voraussetzungen in Zusammenarbeit mit dem VbZ-K zu prüfen. Dabei ist ein besonderes Augenmerk auf die Insolvenzgutachten und Sachstandsberichte zu legen, da diese „neutrale“ Informationen zum Verlustentstehungszeitpunkt und -umfang enthalten können. Nur wenn im VbZ-K keine Unterlagen vorliegen, die zum Nachweis des beantragten Verlustes geeignet sind, sind diese vom Anteilseigner anzufordern. Zudem wird auf Punkt 1.2.3. der Verfügung der OFD-Cottbus vom 12.10.2000, FIS-Index 1141340, hingewiesen.

Erlangt der VbZ-N in diesem Zusammenhang aus den eingereichten Unterlagen des Anteilseigners Kenntnisse über Vorgänge, die für die Besteuerung der insolventen Kapitalgesellschaft von Bedeutung (z. B. Vorlage von Bilanzen der insolventen Kapitalgesellschaft) sein können, sind diese Informationen, ggf. nach telefonischer Rücksprache, mittels Kontrollmitteilung an den VbZ-K weiterzuleiten. Sofern dort keine Steuererklärungen vorliegen, können die im VbZ des Anteilseigners vorgelegten Bilanzen der insolventen Kapitalgesellschaft eine Grundlage für eine sachgerechte Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bilden.

Es ist besonders darauf zu achten, dass der Informationsaustausch nach den Vorgaben unter Tz. 2. auch sichergestellt wird, wenn die Kapitalgesellschaft und der jeweilige Anteilseigner in verschiedenen Finanzämtern ertragsteuerlich geführt werden.