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Verwendung gebietseigener Gehölze bei der Pflanzung in der freien Natur

Verwendung gebietseigener Gehölze bei der Pflanzung in der freien Natur
vom 2. Dezember 2019
(ABl./20, [Nr. 9], S.203)

1 Anlass

Auf der Konferenz von Rio de Janeiro 1992 hat sich Deutschland zur Erhaltung der biologischen Vielfalt verpflichtet und 1993 der Biodiversitätskonvention1 zugestimmt. Gemäß Artikel 2 dieser Konvention umfasst die biologische Vielfalt auch die innerartliche Vielfalt. Dies schließt eine Erhaltung der regionalen, gebietsheimischen Pflanzenausstattung in ihrer genetischen Vielfalt ein.

Durch das Verwenden gebietsfremder Pflanzenherkünfte besteht die Gefahr, dass die ursprüngliche Anpassungsfähigkeit der bodenständigen, gebietseigenen Gehölze gefährdet und die im Verlauf der Evolution über Jahrhunderte entstandene genetische Diversität verändert wird. Im Ergebnis dieser Florenverfälschung können regionale Gehölze und Gehölzgesellschaften gänzlich verschwinden und die noch vorhandene innerartliche biologische Vielfalt in erheblichem Umfang eingeschränkt werden.

Die Nationale Strategie des Bundes zur biologischen Vielfalt (2007)2 und das Bundesnaturschutzgesetz3 tragen zur Vermeidung derartiger Risiken bei. Gemäß § 40 Absatz 1 BNatSchG bedarf das Ausbringen von Pflanzen gebietsfremder Arten in der freien Natur ab dem 2. März 2020 der Genehmigung der zuständigen Behörde. Das Ausbringen von gebietseigenen Pflanzen ist genehmigungsfrei.

Mit dem bisherigen „Erlass zur Sicherung gebietsheimischer Herkünfte bei der Pflanzung von Gehölzen in der freien Natur“4  hat Brandenburg frühzeitig Regelungen getroffen, um der Ausbringung gebietsfremder Arten entgegenzuwirken. Diese Regelungen haben dazu beigetragen, dass in den vergangenen Jahren gebietseigenes Vermehrungsgut unter kontrollierten Bedingungen erzeugt wurde und bereitgestellt werden kann.

Unter Beachtung der aktuellen bundesrechtlichen Regelung und der naturschutzfachlichen Rahmensetzungen (wie beispielsweise dem „Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze“5, den „Mindestanforderungen zur Zertifizierung gebietseigener Gehölze“6 sowie dem Fachmodul „Gebietseigene Gehölze“7) sind weiterhin landesspezifische Regelungen notwendig, um den bereits bestehenden Qualitätsstandard für die Anzucht und Kontrolle gebietseigener Gehölze in Brandenburg fortführen zu können. Der Erlass regelt unter anderem die Beibehaltung der Unterteilung der Vorkommensgebiete 1 und 2, um den in Brandenburg herrschenden kontinental geprägten Standortsbedingungen zu entsprechen. Er orientiert auf die Verwendung gebietseigener Gehölze für Maßnahmen, die durch Fördermittel oder im Rahmen der Kompensation finanziert und die als sonstige landschaftspflegerische Maßnahmen im Straßenbau8 realisiert werden. Für die gleichzeitig dem Forstvermehrungsgutgesetz9 unterliegenden Arten wird die Beibehaltung der Herkunftskennzeichnung auch für die Verwendung in der freien Natur festgelegt. Der Erlass schafft die Voraussetzung, ergänzend zur Liste des bundesweiten Leitfadens, weitere gebietseigene Gehölzarten genehmigungsfrei für Pflanzungen in der freien Natur vorzusehen. Damit trägt er zum Erhalt der bestmöglichen Vielfalt bei.

2 Begriffe/Geltungsbereich

Als gebietseigen werden Gehölze beziehungsweise Gehölzsippen bezeichnet, die aus Populationen einheimischer Sippen stammen, welche sich in einem bestimmten Naturraum über einen langen Zeitraum in vielfacher Generationenfolge vermehrt haben und bei denen eine genetische Differenzierung gegenüber Populationen der gleichen Art in anderen Naturräumen anzunehmen ist.

Vorkommensgebiete gemäß § 40 Absatz 1 Nummer 4 BNatSchG knüpfen an bestehende naturräumliche Gliederungen an. Grundlage zur Abgrenzung bildet die „Abgrenzung von Herkunftsgebieten bei Baumschulgehölzen für die freie Landschaft“ nach Schmidt/Krause10.

Für gebietseigene Gehölze, die gleichzeitig dem Forstvermehrungsgutgesetz unterliegen, erfolgt die Abgrenzung als Herkunftsgebiet gemäß der Forstvermehrungsgut-Herkunftsgebietsverordnung11.

Der Geltungsbereich freie Natur des § 40 Absatz 1 BNatSchG wird in Anlehnung an den Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze wie folgt beschrieben.

Der Genehmigungsvorbehalt gilt für das Ausbringen gebietsfremder Arten in der freien Natur. Verkehrswege außerhalb innerörtlicher Bereiche sind der freien Natur zuzurechnen.

In den nicht zur freien Natur zählenden Bereichen ist die Verwendung von Pflanzgut aus gebietsfremden Herkünften ohne Genehmigung zulässig.

Dazu zählen

  • innerstädtische und innerörtliche Bereiche, Splittersiedlungen, Wochenendhausgebiete, Gebäude mit Gärten im Außenbereich (besiedelter Bereich) sowie Sportanlagen,
  • Ortsdurchfahrten klassifizierter Straßen sowie
  • Sonderstandorte (unmittelbarer Straßenseitenraum, Mittel- und Trennstreifen, Lärmschutzwände, Steilwälle, Stützbauwerke, Intensivbereiche von Parkplätzen sowie Tank- und Rastanlagen oder Ähnliches) an klassifizierten Straßen und Gemeindestraßen.

Generell von der Genehmigungspflicht befreit ist der Anbau in der Land- und Forstwirtschaft.

3 Regelungen

Bei allen Gehölzpflanzungen in der freien Natur mit gebietseigenem Pflanzgut entfällt der Genehmigungsvorbehalt nach § 40 Absatz 4 BNatSchG.

Bei der Pflanzung von Gehölzen in der freien Natur ist insbesondere zur Anlage von Waldrändern, Hecken, Feld- und Ufergehölzen gebietseigenes Pflanzgut zu verwenden.

Das gilt insbesondere für Maßnahmen

  • auf landeseigenen Flächen und vom Land gepachteten Flächen sowie auf Stiftungsflächen des Naturschutzfonds Brandenburg,
  • im Auftrag der Behörde und ihrer Einrichtungen und
  • die mit Fördermitteln finanziert werden.

Für Maßnahmen, die aus Mitteln der Ersatzzahlung nach § 15 Absatz 6 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), § 6 des Brandenburgischen Naturschutzausführungsgesetzes (BbgNatSchAG), der Walderhaltungsabgabe nach § 8 Absatz 4 des Waldgesetzes des Landes Brandenburg (LWaldG) oder der Jagdabgabe nach § 23 Absatz 1 des Jagdgesetzes für das Land Brandenburg (BbgJagdG) finanziert werden oder die im Rahmen von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 15 Absatz 2, § 30 Absatz 3, § 34 Absatz 5, § 44 Absatz 5, § 45 Absatz 7, § 61 Absatz 3 und § 67 Absatz 3 BNatSchG sowie nach § 8 Absatz 3 LWaldG angeordnet werden, sind gebietseigene Gehölze zu verwenden.

Gebietseigen ist Pflanzgut der in Anlage 1 aufgelisteten Gehölze, das aus dem Vorkommensgebiet (Anlage 2) des jeweiligen Pflanzortes stammt. Die Liste der gebietseigenen Gehölze in Brandenburg orientiert sich an den in der Kartierungsanleitung der Biotopkartierung Brandenburg12 ausgewiesenen heimischen Gehölzarten.

Zu verwenden ist Vermehrungsgut, das aus anerkannten Erntebeständen des Gehölzregisters13 beziehungsweise den zugelassenen Erntebeständen des Erntezulassungsregisters14 des Landes Brandenburg gewonnen wurde.

Aus phytosanitären Gründen sind Gehölze der Gattung Crataegus (Weißdorn) sowie Prunus avium (Vogel-Kirsche) und Prunus spinosa (Schlehe) nur außerhalb der in Anlage 3 gekennzeichneten Obstanbaugebiete15 zu pflanzen. Die Bestimmungen der Verordnung zur Bekämpfung der Feuerbrandkrankheit (Feuerbrandverordnung)16 bleiben unberührt.

Bei der Pflanzung von Gehölzen der Arten Pyrus pyraster (Wild-Birne) und Malus sylvestris (Wild-Apfel) ist grundsätzlich Vermehrungsgut zu verwenden, das von virusfreien Erntebeständen gewonnen wurde.

4 Austausch- und Ausnahmeregelungen

Steht von einer zur Pflanzung vorgesehenen Gehölzart kein Pflanzmaterial aus dem entsprechenden Vorkommensgebiet zur Verfügung, kann für das Vorkommensgebiet 2.1 Ostdeutsches Tiefland auch auf Ausgangsmaterial des Vorkommensgebietes 2.2 Mitteldeutsches Tiefland zurückgegriffen werden.

Für die Gehölzart Corylus avellana (Strauchhasel) ist die Verwendung von niedersächsischem Ausgangsmaterial der Vorkommensgebiete 1 und 4 bis Ende 2025 zulässig.

Auf Grund natürlicher Gegebenheiten kann das Angebot einiger Gehölzarten zeitweise eingeschränkt sein. Vor einer Ausschreibung sollte daher die Marktverfügbarkeit geprüft werden.

Im Übrigen gelten die Regelungen des § 40 Absatz 1 BNatSchG.

5 Nachweisverfahren

In den jeweiligen Ausschreibungen ist das Vorkommensgebiet der Pflanzmaßnahme anzugeben und ein entsprechender Beleg einzufordern. Die regionale Herkunft gilt als nachgewiesen, wenn die Baumschule ein anerkanntes Herkunftszeugnis vorlegen kann, das eine durchgängige Herkunftssicherung, angefangen von der Ernte, über die Gehölzanzucht bis hin zum Vertrieb bestätigt.

6 Inkrafttreten und Außerkrafttreten

Dieser Erlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt für Brandenburg in Kraft. Mit dem Inkrafttreten dieses Erlasses tritt der Gemeinsame Erlass „Sicherung gebietsheimischer Herkünfte bei der Pflanzung von Gehölzen in der freien Natur“ vom 18. September 2013 (ABl. S. 2812) außer Kraft.


1 Gesetz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt vom 30. August 1993 (BGBl. II S. 1741)

2 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt vom Oktober 2007

3 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2559), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. September 2017 (BGBl. I S. 3434)

4 Gemeinsamer Erlass des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft und des Ministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 18. September 2013

5 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): Leitfaden zur Verwendung gebietseigener Gehölze vom Januar 2012

6 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV): Empfehlungen der AG gebietseigene Gehölze zu Mindeststandards der Zertifizierung gebietseigener Gehölze vom September 2013

7 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU): Fachmodul „Gebietseigene Gehölze“ vom Juni 2019

8 Hinweise zur Wirksamkeit landschaftspflegerischer Maßnahmen im Straßenbau → https://www.fgsv-verlag.de/h-lpm

9 Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG) vom 22. Mai 2002 (BGBl. I S. 1658)

10 Schmidt/Krause: Abgrenzung von Herkunftsgebieten bei Baumschulgehölzen für die freie Landschaft (NuL, 1997)

11 Forstvermehrungsgut-Herkunftsgebietsverordnung (FoVHgV) vom 7. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3578), zuletzt geändert durch Verordnung vom 15. Januar 2003 (BGBl. I S. 238)

12 Landesumweltamt Brandenburg: Biotopkartierung Brandenburg, Band 1 Kartieranleitung, 2004

13 Register Gebietseigener Gehölze in Brandenburg → https://forst.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/reggebietsheim.pdf

14 Erntezulassungsregister für Forstvermehrungsgut → http://forst.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/erntzulasreg.pdf

15 Link: Obstanbaugebiete im Land Brandenburg → http://www.mlul.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.213831.de

16 Feuerbrandverordnung vom 20. Dezember 1985 (BGBl. I S. 2551), zuletzt geändert durch Artikel 10 der Verordnung vom 10. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2113)

Anlagen