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Gemeinsamer Erlass des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz und des Ministeriums der Justiz zur Tätigkeit von Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft im Forstdienst

Gemeinsamer Erlass des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz und des Ministeriums der Justiz zur Tätigkeit von Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft im Forstdienst
vom 29. Juli 2009
(JMBl/09, [Nr. 9], S.99)

Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft
(§ 152 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG)

Nach § 152 der Strafprozessordnung (StPO) ist die Staatsanwaltschaft zum Einschreiten (Aufnahme der Ermittlungen) verpflichtet, sobald sie vom Verdacht einer Straftat Kenntnis hat (sogenanntes Legalitätsprinzip). Bei der Erfüllung ihrer strafrechtlichen Aufgaben wird sie durch sogenannte Ermittlungspersonen unterstützt. Ermittlungspersonen (früher: Hilfsbeamte) der Staatsanwaltschaft sind als „verlängerter Arm der Staatsanwaltschaft“ solche Amtsträger, die - teilweise in Personalunion mit einer anderen beruflichen (Haupt-)Aufgabe - die Befugnis zu Anordnung und Durchführung von besonderen Maßnahmen in der Strafverfolgung haben, insbesondere auch bei Gefahr im Verzuge.

Verordnung des Landes Brandenburg

In der Verordnung über die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft vom 28. Dezember 1995 (GVBl. II S. 62), geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Januar 2005 (GVBl. II S. 44), werden folgende Personen als Ermittlungspersonen benannt, sofern sie im forstlichen Außendienst tätig sind:

  • Oberforsträte, Forsträte
  • Forstoberamtsräte, Forstamtsräte, Forstamtmänner
  • Forstoberinspektoren, Forstinspektoren, Forstamtsinspektoren
  • Forsthauptsekretäre, Forstobersekretäre
  • Forstsekretäre und Forstassistenten, sofern sie mindestens vier Jahre in dem der Beamtengruppe entsprechenden Dienst des Landes tätig sind und das 21. Lebensjahr vollendet haben.

Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind danach auch Angestellte, denen die Funktion eines Beamten übertragen worden ist. Die oben genannten Funktionsbezeichnungen gelten für Frauen und Männer. Rechtsgrundlage für die Ernennung der Ermittlungspersonen ist § 152 Abs. 2 GVG.

Ausgangslagen für die Tätigkeit

Ermittlungspersonen im Forstdienst werden tätig entweder

  • auf Weisung der Staatsanwaltschaft

oder

  • aufgrund eigener Initiative.

Tätigkeiten auf Weisung der Staatanwaltschaft

Nach § 152 Abs. 1 GVG sind Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft im Forstdienst verpflichtet, den Anordnungen der Staatsanwaltschaft (sogenannte „Herrin des Ermittlungsverfahrens“) Folge zu leisten. Danach haben die Beschäftigten der unteren Forstbehörde, soweit sie Ermittlungspersonen sind, die Aufgabe, in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Aufträgen der Staatsanwaltschaft zur Durchführung bestimmter Ermittlungshandlungen (zum Beispiel Vernehmung von Beschuldigten oder Zeugen) Folge zu leisten. Dabei ist es - im Gegensatz zur Tätigkeit aufgrund eigener Initiative - ohne Belang, um welches Delikt es sich handelt.

Tätigkeiten aufgrund eigener Initiative (von Amts wegen)

Die Verfolgung und Ahndung bestimmter forstnaher Straftaten ist ein unmittelbares Anliegen des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz. Die vorliegende Verordnung verpflichtet deshalb alle Beschäftigten der unteren Forstbehörde, soweit sie Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft im Forstdienst sind, über die oben genannte Weisungslage hinaus, von Amts wegen bei einem (Anfangs-)Verdacht bestimmter Straftaten (vergleiche hierzu den nachstehenden Deliktskatalog) tätig zu werden. Zuwiderhandlungen können disziplinar- und strafrechtlich (Strafvereitelung im Amt) geahndet werden. Die Pflicht zur Ermittlung bezieht sich gegebenenfalls auch auf Sachverhalte, in denen Beschäftigte der Forstbehörde als Tatverdächtige in Betracht kommen. In diesen Fällen ist der Leiter der unteren Forstbehörde frühzeitig über den Sachverhalt zu informieren.

Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 2 StPO)

Die Verpflichtung zum Einschreiten (Vorlage einer Strafanzeige/Aufnahme der Ermittlungen) wird durch einen sogenannten strafrechtlichen Anfangsverdacht ausgelöst. Dabei handelt es sich um die zusammenfassende Bewertung von - auch im Einzelnen noch unbestätigten - Informationen und Fakten, die nach der Lebenserfahrung den Verdacht einer Straftat nahe legen. Überzogene Anforderungen sind an einen Anfangsverdacht nicht zu stellen. Voraussichtliche Schwierigkeiten bei der Nachweisbarkeit der Straftat entbinden den Beschäftigten der unteren Forstbehörde nicht von seiner Verpflichtung zum Tätigwerden. In Zweifelsfällen ist die zuständige Staatsanwaltschaft zu kontaktieren.

Deliktskatalog

Da die Aufgaben der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungspersonen sich regelmäßig an andere berufliche Aufgaben anlehnen, wird die Verpflichtung zum strafrechtlichen Einschreiten von Amts wegen nur bei solchen Straftaten ausgelöst, die mit den Aufgaben im Hauptamt in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Für Beschäftigte der unteren Forstbehörde ist ein solcher - die Einschreitenspflicht auslösender - Zusammenhang beim (Anfangs-)Verdacht insbesondere folgender Straftaten gegeben:

  • Diebstahl (§ 242 StGB) insofern die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache im forstlichen Zusammenhang zu sehen ist
  • Jagdwilderei und Fischwilderei (§ 292 und § 293 StGB)
  • Sachbeschädigung und gemeinschädliche Sachbeschädigung (§ 303 und § 304 StGB)
  • Brandstiftung (§ 306 StGB)
  • Herbeiführen einer Brandgefahr (§ 306f StGB)
  • Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (§§ 223 ff. StGB) insbesondere bezüglich Jagd- und Arbeitsunfällen
  • Straftaten gegen die Umwelt (zum Beispiel Gewässer-/Bodenverunreinigung gemäß § 324 StGB)
  • unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen (§ 326 StGB)
  • Schonzeitvergehen (§ 38 BJagdG)
  • Vergehen nach Tierschutzgesetz (§ 17 TierSchG)
  • Straftaten nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 66 BNatSchG)

Jede Ermittlungsperson im Forstdienst sollte schnellen Zugriff auf die vorgenannten Vorschriften haben. Die untere Forstbehörde hält darüber hinaus gängige Kommentare zum Strafgesetzbuch und zur Strafprozessordnung bereit. Regelmäßige Schulungsmaßnahmen durch das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz sind vorgesehen, die durch die Staatsanwaltschaften im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützt werden.

Strafprozessuale Befugnisse der Ermittlungspersonen im Forstdienst

Die Befugnis zur Anordnung strafprozessualer Eingriffe steht grundsätzlich dem Richter beziehungsweise der Staatsanwaltschaft zu. Bei Gefahr im Verzug gilt diese Befugnis bei bestimmten Maßnahmen als auf Ermittlungspersonen übertragen. Gefahr im Verzuge ist dann gegeben, wenn die Durchführung und Effektivität der jeweiligen Maßnahme im Falle der (verzögernden) Einholung einer richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Anordnung gefährdet wäre.

Der Ermittlungsperson im Forstdienst kommen in Eilfällen insbesondere folgende Anordnungsbefugnisse zu:

  • Anordnung der körperlichen Untersuchung des Beschuldigten (§ 81a StPO)
    (zum Beispiel die Untersuchung des Verdächtigen und seiner Kleidung auf Tatspuren, die Entnahme einer Blutprobe durch einen Arzt) 
  • Anordnung der Untersuchung anderer Personen als der Beschuldigten (§ 81c StPO)
  • Anordnung der Beschlagnahme (§ 98 StPO)
  • Anordnung und Ausführung von Durchsuchungen (§ 105 StPO).

Eine Kurzkommentierung zu den jeweiligen Bestimmungen aus der StPO ist als Anlage 1 beigefügt.

Ohne konkrete Gefahr im Verzug macht die forstliche Ermittlungsperson von strafprozessualen Befugnissen nur mit zuvor eingeholter richterlicher oder staatsanwaltschaftlicher Genehmigung Gebrauch. Ohnehin hält sie engen Kontakt zur Staatsanwaltschaft, mit der sie sich insbesondere in Zweifelsfällen zeitnah telefonisch ins Benehmen setzt.

Soweit die Realisierung strafprozessualer Maßnahmen auf technische Schwierigkeiten stößt (zum Beispiel bei der Sicherung von Spuren am Tatort, Entnahme einer Blutprobe, Gewässerproben), hierzu eine ganz besondere Sachkunde erforderlich ist (zum Beispiel bei der Verfolgung von Umweltstraftaten) oder bei Sicherheitsbedenken bedient sich die Ermittlungsperson der Amtshilfe durch die Polizei, ohne dieser die weitere Sachbearbeitung des Falles zu übertragen. Eine Abgabe des Falles an die Polizei oder eine sonstige Behörde kommt nur mit Einverständnis der zuständigen Staatsanwaltschaft in Betracht.

Örtliche Zuständigkeit des Beschäftigten der unteren Forstbehörde

Die strafrechtliche Tätigkeit der Ermittlungspersonen im Forstdienst ist, sofern sie nicht auf Weisung der Staatsanwaltschaft handeln, auf den Bereich der betroffenen Oberförsterei bzw. übergeordneten organisatorischen Einheit beschränkt. Den Bereich einer anderen Oberförsterei bzw. übergeordneten organisatorischen Einheit der unteren Forstbehörde tangierende Ermittlungshandlungen werden im gegenseitigen Einvernehmen erledigt.

Beachtung der Eigensicherung

Die Ermittlungsperson beachtet bei ihrer Tätigkeit, dass unter Umständen der Schutz des eigenen Lebens einem Eingreifen und weiterem Handeln entgegenstehen kann. Verteidigungshandlungen bis zum Gebrauch der Schusswaffe (Jagdwaffe) sind nur im Umfang der allgemeinen Notwehrrechte gerechtfertigt, nicht bei der Verfolgung von Tätern.

Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft

Ansprechpartner bei der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft sind

  • zu den Dienstzeiten der vom jeweiligen Leitenden Oberstaatsanwalt für einschlägige Verfahren bestellte (Sonder-)Dezernent oder, sofern dieser nicht erreichbar ist, der Tages-Bereitschaftsdienst der jeweiligen Staatsanwaltschaft (Cottbus, Frankfurt (Oder), Potsdam oder Neuruppin),
  • außerhalb der Dienstzeit der Besondere Bereitschaftsdienst der jeweiligen Staatsanwaltschaft.

Der Leitende Oberstaatsanwalt unterrichtet die Verantwortlichen der unteren Forstbehörde regelmäßig über die Erreichbarkeit der vorgenannten Dezernenten seiner Behörde (Bereitschaftsdienstplan).

Potsdam, den 29. Juli 2009

Ministerin der Justiz

 Beate Blechinger

Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz
In Vertretung

Dietmar Schulze

Anlagen