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Mitwirkung des Vollzuges bei Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer (§§ 454, 463 Abs. 3 StPO)

Mitwirkung des Vollzuges bei Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer (§§ 454, 463 Abs. 3 StPO)
vom 28. Dezember 1993
(JMBl/94, [Nr. 2], S.14)

1. Verfahren bei einem Antrag nach §§ 57, 57 a StGB

1.1 Die Anstalt nimmt zu Anträgen von Gefangenen, die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe nach §§ 57, 57 a StGB zur Bewährung auszusetzen, Stellung. Dabei sind der Eindruck, der von der Persönlichkeit der Gefangenen gewonnen wurde, das Verhalten im Vollzuge, das Gebotensein weiterer Strafvollstreckung aus der Sicht des Vollzuges und, soweit möglich, die Lebensverhältnisse und die Wirkungen, die von der Aussetzung der Strafe zu erwarten sind, zu berücksichtigen. Die Stellungnahme soll sich weiterhin auf Verlauf und Ergebnis etwaiger Aus‑ und Fortbildungs‑ sowie Lockerungsmaßnahmen während des Vollzuges erstrecken.

1.2 Wird der Antrag befürwortet, so ist eine Aussage dazu zu treffen, ob und gegebenenfalls welche Auflagen und Weisungen im Falle einer Strafaussetzung erteilt werden sollten.

1.3 Die Anstalt teilt mit, ob und gegebenenfalls wo die Gefangenen nach der Entlassung Unterkunft und Arbeit finden werden, ob darüber hinaus eine Entlassungsvorbereitung erfolgt und welche Zeit sie voraussichtlich benötigen wird.

1.4 Eine Durchschrift der Stellungnahme wird den Gefangenen ausgehändigt. Ihnen ist Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern. Sofern eine Erklärung abgegeben wird, ist diese in einer Niederschrift festzuhalten.

1.5 Der Antrag auf Strafaussetzung, die Stellungnahme hierzu und die gegebenenfalls gefertigte Niederschrift sind der Vollstreckungsbehörde zu übersenden. Wird die Strafvollstreckung von einer ersuchten Staatsanwaltschaft betrieben, so werden die Unterlagen dieser Behörde übersandt.

1.6 Hat das Gericht nach § 57 Abs. 6, § 57 a Abs. 4 StGB eine Frist festgesetzt, vor deren Ablauf ein Antrag auf Strafaussetzung unzulässig ist, und beachten Gefangene diese Frist bei der Antragstellung nicht, so sieht die Anstalt bei der Weiterleitung des Antrags von einer Stellungnahme ab.

2. Verfahren bei Entscheidungen nach § 57 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 57 a Abs. 1 StGB ohne Antrag der Verurteilten

2.1 Wird ein Antrag auf Aussetzung des Strafrestes

  • bei einer zeitigen Freiheitsstrafe von über 2 Monaten (§ 57 Abs. 1 StGB),
  • im Falle der Erstverbüßung bei einer zeitigen Freiheitsstrafe von über 9 bis 24 Monaten (§ 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB) oder
  • bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe (§ 57 a Abs. 1 StGB)

nicht gestellt, so sind die in Betracht kommenden Gefangenen rechtzeitig (vgl. Nr. 2.4) zu fragen, ob sie in eine Strafaussetzung zur Bewährung einwilligen würden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Befragung nicht als Zusicherung einer Strafaussetzung missverstanden wird. Das Ergebnis ist in einer Niederschrift festzuhalten.

2.2 Wird die Einwilligung zur Strafaussetzung erteilt, so gilt für das weitere Verfahren die Regelung in Nrn. 1.1 bis 1.5 entsprechend.

2.3 Erfolgt keine Einwilligung in eine Strafaussetzung, so bedarf es einer Stellungnahme der Anstalt nicht. In diesem Falle ist der Vollstreckungsbehörde (ersuchten Staatsanwaltschaft) nur die Niederschrift über die Erklärung des Gefangenen zu übersenden.

2.4 Die nach Nrn. 2.2 und 2.3 zu übersendenden Unterlagen sollen bei der Vollstreckungsbehörde (ersuchten Staatsanwaltschaft) spätestens eingehen.

2.4.1 bei zeitigen Freiheitsstrafen

  • bis zu 9 Monaten
    drei Wochen,
  • von mehr als 9 Monaten bis zu zwei Jahren
    sechs Wochen,
  • von mehr als zwei Jahren bis zu fünf Jahren
    drei Monate,
  • von mehr als fünf Jahren
    sechs Monate

vor dem Zeitpunkt, in dem zwei Drittel der Strafe, mindestens jedoch zwei Monate oder - unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB ‑ die Hälfte der Strafe, mindestens jedoch 6 Monate, verbüßt sind,

2.4.2 bei lebenslangen Freiheitsstrafen 18 Monate vor dem Zeitpunkt, zu dem 15 Jahre der Strafe verbüßt sind.

2.5 Bei der einstweiligen Berechnung der Strafzeit nach Nr. 22 Abs.1 VGO errechnet die Vollzugsgeschäftsstelle zugleich den Zeitpunkt, zu dem die Vollstreckung eines Strafrestes unter den Voraussetzungen der § 57 Abs. 1, § 57 Abs. 2 Nr. 1 oder § 57 a Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann und vermerkt diesen in den beiden Stücken des Aufnahmeersuchens. Daneben ist wegen des in Nr. 2.1 genannten Zeitpunktes in den nach Nr. 69 Satz 2 VGO zu führenden allgemeinen Terminkalender eine entsprechende Frist vorzumerken.

2.6 Hat die Strafvollstreckungskammer eine Feststellung über die besondere Schwere der Schuld gemäß § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zu treffen, so regt die Anstalt in der Regel 2 Jahre vor Ablauf der Zehnjahresfrist nach § 13 Abs. 3 StVollzG bei der Vollstreckungsbehörde an, dass eine solche Entscheidung herbeigeführt wird. Die Anregung unterbleibt, wenn die betroffenen Gefangenen widersprechen.

3. Verfahren bei sonstigen Entscheidungen

3.1 Hat das Gericht darüber zu entscheiden,

3.1.1 ob nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe die Vollstreckung einer in demselben Verfahren angeordneten Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt werden kann (§ 67 c Abs. 1 StGB),

3.1.2 ob die weitere Vollstreckung einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung ausgesetzt werden kann (§ 67 d Abs. 2 StGB),

3.1.3 ob die gemäß § 68 f Abs. 1 StGB nach vollständiger Verbüßung einer mindestens zweijährigen Freiheitsstrafe eintretende Führungsaufsicht entfallen kann ( § 68 f Abs. 2 StGB),

3.1.4 ob nach Beendigung des Vollzuges von Sicherungsverwahrung eine in dem selben Verfahren angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen werden soll, ihre Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt oder ob die Maßregel für erledigt erklärt werden kann (§ 72 Abs. 3 StGB),

so nimmt die Anstalt zu entsprechenden Anträgen von Gefangenen, andernfalls auf Anforderung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts Stellung.

3.2 Die Regelung in Nrn. 1.1 bis 1.5 gilt entsprechend.

3.3 Nr. 1.6 ist entsprechend anzuwenden, wenn das Gericht nach § 67 e Abs. 3 StGB eine Frist gesetzt hat, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.

4. Inkrafttreten

Die Allgemeine Verfügung tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.

Potsdam, den 28. Dezember 1993

Der Minister der Justiz

Dr. Bräutigam