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Bedeutung von EG-Richtlinien und Anwendungsvorrang, von Vorabentscheidungsersuchen der Gerichte und von Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) für das deutsche Umsatzsteuerrecht

Bedeutung von EG-Richtlinien und Anwendungsvorrang, von Vorabentscheidungsersuchen der Gerichte und von Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) für das deutsche Umsatzsteuerrecht
vom 29. Oktober 2004

Es ist gefragt worden, wie in Fällen zu verfahren ist, wenn Vorschriften der 6. EG-Richtlinie bzw. Entscheidungen des EuGH im Widerspruch zum nationalen Umsatzsteuergesetz stehen.

1. EG-Richtlinien und Berufungsrecht des Unternehmers

Die Regelungen der EG-Richtlinien (insbesondere die 6. EG Richtlinie) zur Umsatzsteuer sind ein Mittel, um das Umsatzsteuerrecht der Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Eine EG-Richtlinie ist nicht unmittelbar geltendes deutsches Recht, sondern muss vom Gesetzgeber in deutsches Recht umgesetzt werden. Ist dies geschehen, ist das Umsatzsteuergesetz richtlinienkonform auszulegen.

Hat der Gesetzgeber die Bestimmungen einer EG-Richtlinie jedoch nicht fristgerecht oder korrekt in das Umsatzsteuergesetz umgesetzt, kann sich ein Unternehmer gegenüber einer für ihn nachteiligen Bestimmung des Umsatzsteuergesetzes unmittelbar auf eine für ihn günstigere Bestimmung einer EG-Richtlinie berufen (EuGH-Urteil vom 19.01.1982, 8/81, UR 1982, Seite 70 und vom 29.06.1989, 50/88, UR 1989, 373). Voraussetzung für das Berufungsrecht ist, dass die Richtliniennorm eine begünstigende Wirkung hat, dass sie hinreichend klar und genau ist, inhaltlich von keiner Bedingung abhängt und damit in ihrem Wesen geeignet ist, unmittelbare Wirkung zu erzeugen. Aus dem Berufungsrecht folgt ein Anwendungsvorrang der jeweiligen Richtliniennorm vor der entgegenstehenden Bestimmung des Umsatzsteuergesetzes (BFH-Urteil vom 18.05.1993, V R 5/91, BFH/NV 1994, S. 586).

Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang ein Anwendungsvorrang zu beachten ist, trifft das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in der Regel durch BMF-Schreiben. Über Fälle, in denen ein Unternehmer einen Anwendungsvorrang geltend macht, zu dem noch kein BMF-Schreiben vorliegt, wird gebeten zu berichten.

Der Verwaltung steht demgegenüber kein Berufungsrecht zu. Folglich kann eine für einen Unternehmer gegenüber dem Umsatzsteuergesetz nachteilige Bestimmung einer EG-Richtlinie nicht durch die Verwaltung angewendet werden.

2. Vorabentscheidungsersuchen der Gerichte

Hat ein Finanzgericht Zweifel, wie eine EG-Richtlinie und damit das darauf beruhende Umsatzsteuergesetz auszulegen ist, kann es durch Beschluss ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH richten. Hat der Bundesfinanzhof (BFH) solche Zweifel, muss er die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen.

Vorabentscheidungsersuchen des BFH werden künftig im BStBl Teil II veröffentlicht. Sie binden die Verwaltung jedoch nicht. In vergleichbaren Fällen ist weiterhin die Verwaltungsauffassung zu vertreten. Die Vollziehung angefochtener Umsatzsteuerbescheide ist grundsätzlich nicht auszusetzen, es sei denn, sie wird von mir befürwortet. Einspruchsverfahren ruhen gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.

Die Verwaltung ist nicht berechtigt, Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten.

3. Vorabentscheidungen des EuGH

Über ein Vorabentscheidungsersuchen entscheidet der EuGH im Rahmen der Vorabentscheidung durch Urteil. Ein EuGH-Urteil ist für die Verwaltung nur bindend,

  • wenn und soweit ein BMF-Schreiben dazu Regelungen enthält,
  • wenn das EuGH-Urteil im BStBl Teil II veröffentlicht wird oder
  • wenn das dem EuGH-Urteil folgende BFH-Urteil im BStBl Teil II veröffentlicht wird.

Bis dahin ist weiterhin die Verwaltungsauffassung zu vertreten. Aussetzung der Vollziehung kann jedoch gewährt werden. Einspruchsverfahren ruhen gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.

Lag der Vorabentscheidung ein Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates zu Grunde, ist das EuGH-Urteil für die Verwaltung nur bindend, wenn die Voraussetzungen der ersten beiden Spiegelstriche erfüllt sind. Anderenfalls ist die Verwaltungsauffassung zu vertreten. Es kommen weder Aussetzung der Vollziehung noch ein Ruhen des Einspruchsverfahrens in Betracht.

Ich bitte, die Grundsätze zu beachten.