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Erlass Nr. 02/2013
Ausländerrecht; Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen
Absehen von der Erfüllung der Passpflicht nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG
Erlass Nr. 02/2013
Ausländerrecht; Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen
Absehen von der Erfüllung der Passpflicht nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG
vom 4. März 2013
Nach hiesigen Erfahrungen, insbesondere in Härtefallverfahren, scheitert die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen unter Anderem auch in den Fällen einer sozialen und wirtschaftlichen Integration nach langjährigem Aufenthalt häufig an der fehlenden Erfüllung der Passpflicht.
Von der Erfüllung der Passpflicht kann in Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgesehen werden. Für das dadurch eröffnete Ermessen der Ausländerbehörde ist von entscheidender Bedeutung, ob der Ausländer einen Pass in zumutbarer Weise nicht erlangen kann (§ 48 Abs. 2 AufenthG).
Für die von den Ausländerbehörden insoweit zu treffenden Ermessensentscheidungen sind ergänzend zu den Nr. 3.3.1.2 bis 3.3.1.4 AVwV folgende Hinweise zu beachten:
- Der Ausländer ist frühzeitig und wiederholt auf seine Pflicht zur Mitwirkung bei der Passbeschaffung hinzuweisen. Die Bemühungen, die zur Erfüllung der Passpflicht gefordert werden, sind von den Ausländerbehörden im Einzelnen festzulegen und dem Ausländer schriftlich mitzuteilen. Bei der Festlegung sind die aktuell vorliegenden Erkenntnisse über die Möglichkeiten der Passbeschaffung für den jeweiligen Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
- Die Erfüllung der Passpflicht im Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist regelmäßig zumutbar. In folgenden Fällen kann sie jedoch im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar sein:
- Bei nachhaltiger Verweigerung des Zutritts zur Auslandsvertretung oder bei Verweigerung der Möglichkeit der Passantragstellung.
- Wenn der Ausländer oder im Herkunftsstaat lebende Familienangehörige durch die Übermittlung persönlicher Daten an die Auslandsvertretung konkret gefährdet werden können.
- Bei Verweigerung der Passausstellung oder der Ausstellung hierfür notwendiger Unterlagen und Dokumente durch den Herkunftsstaat.
- Wenn für die Passbeschaffung eine Reise in den Herkunftsstaat notwendig wäre und diese aufgrund besonderer Umstände nicht zumutbar ist.
- Wenn die Ausstellung oder Verlängerung von der Erfüllung der Wehrpflicht im Herkunftsstaat abhängig gemacht wird und dies aus zwingenden Gründen unzumutbar ist. Unzumutbar ist die Erfüllung der Wehrpflicht insbesondere,
- wenn der Ausländer aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe ablehnt und nach dem Recht seines Heimatstaates keine Möglichkeit besteht, außerhalb der Streitkräfte einen zivilen Ersatzdienst abzuleisten,
- wenn nach dem Recht des Heimatstaates keine Möglichkeit besteht, die durch eine staatliche Behörde erfolgte Ablehnung eines zivilen Ersatzdienstes durch ein unabhängiges Gericht überprüfen zu lassen,
- wenn der Ausländer die Sprache seines Heimatstaates nicht oder nicht ausreichend beherrscht und er deshalb bei Erfüllung der Wehrpflicht oder eines zivilen Ersatzdienstes in besonderer Weise mit Repressalien zu rechnen hat,
- wenn die Befreiung von der Wehrpflicht von der Zahlung einer in Ansehung der Einkommensverhältnisse des Ausländers unverhältnismäßigen Ablösesumme abhängig gemacht wird.
- Wenn der Ausländer in Deutschland derart verwurzelt und den Lebensverhältnissen seines Heimatstaates in einem Ausmaß entfremdet ist, dass seine Ausreise nach Maßgabe von Art. 8 EMRK rechtlich unmöglich ist. Bei der Prüfung der persönlichen, insbesondere der sozialen und wirtschaftlichen Integration des Ausländers sind z. B. die Dauer des (i. d. R. rechtmäßigen) Aufenthaltes in Deutschland, das schutzwürdige Vertrauen auf den Fortbestand dieses Aufenthaltes, bestehende familiäre Beziehungen, Deutsch- und Sprachkenntnisse (bezogen auf das Heimatland), soziale und gesellschaftliche Aktivitäten in Deutschland sowie die Auswirkung einer Ausreise auf eine Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen.
- Wenn bei Minderjährigen der Integrationsprozess in die hiesige Gesellschaft erschwert würde (z. B. Abbruch einer Ausbildung), weil für eine der Passbeschaffung vorausgehende notwendige Registrierung im Herkunftsstaat eine längere Rückkehr dorthin erforderlich wäre.
Der Ausländer ist im Hinblick auf eine Unzumutbarkeit der Passbeschaffung darlegungs- und beweispflichtig (§ 82 Abs. 1 AufenthG).
- Wird von der Erfüllung der Passpflicht wegen Unzumutbarkeit abgesehen, ist die Aufenthaltserlaubnis in Form eines Ausweisersatzes auszustellen (§ 55 AufenthV).
- Eine Aufenthaltserlaubnis in Form eines Ausweisersatzes ist auch auszustellen, wenn der Ausländer die erforderlichen und zumutbaren Schritte zur Erlangung eines Passes eingeleitet hat, die Passausstellung jedoch drei Monate nach Antragstellung noch nicht erfolgt ist und abzusehen ist, dass innerhalb der nächsten drei Monate nicht mit der Aushändigung des Passes zu rechnen ist.
- Der Ausländer ist schriftlich darauf hinzuweisen, dass die Verpflichtung zur Passbeschaffung nach § 48 Abs. 3 AufenthG, zur Antragstellung nach § 80 Abs. 4 AufenthG und die ausweisrechtlichen Pflichten nach § 56 AufenthV fortbestehen. Über die Bemühungen zur Passbeschaffung sind geeignete Nachweise beizubringen. In geeigneten Einzelfällen kann eine Botschaftsbegleitung durch die ZABH erfolgen. Kann eine Bestätigung der Auslandsvertretung bzw. des Herkunftsstaates nicht erlangt werden, ist der Nachweis auch anderweitig möglich (z. B. durch eidesstattliche Erklärungen Dritter). Die Festlegungen der Ausländerbehörde (siehe Nr. 1) sind bei der Beurteilung zu berücksichtigen. Sofern aufgrund der Vorgaben des Herkunftsstaates erforderlich, ist dem Ausländer eine Zusicherung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Vorlage bei der Auslandsvertretung zu erteilen.
- Der Ausländer ist darauf hinzuweisen, dass für Reisen zusätzlich ein Reiseausweis für Ausländer erforderlich sein kann.
Der Erlass tritt mit Veröffentlichung in Kraft.
Im Auftrag
gez. Keinath