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Erlass Nr. 1/2005 im Personenstandswesen
Ausländerrechtliche Information Nr. 80/2005
Maßnahmen zur Verhinderung von Scheinehen

Erlass Nr. 1/2005 im Personenstandswesen
Ausländerrechtliche Information Nr. 80/2005
Maßnahmen zur Verhinderung von Scheinehen

1. Ausgangslage nach dem Aufenthaltsgesetz

Der Familiennachzug zu Deutschen, zu Unionsbürgern oder zu sonstigen Ausländern im gesicherten Aufenthalt ist für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten eine attraktive und häufig die einzige Möglichkeit, ein Aufenthaltsrecht für Deutschland zu erhalten. Deshalb stellt ein nur vorgetäuschter Familiennachzug eine Möglichkeit dar, die ansonsten restriktiven Einwanderungsregelungen nach Deutschland zu umgehen. Dies wird auch nach den Regelungen des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes (§§ 27 bis 36 AufenthG) so bleiben. Wie bisher führt der besondere Schutz des Staates, unter dem Ehe und Familie nach Art. 6 GG stehen, aufenthaltsrechtlich dazu, dass für die Herstellung und Wahrung einer familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Dabei ist zu beachten, dass sich hier auch eine gesellschaftliche Entwicklung vollzieht, der ein einseitiges Misstrauen nicht gerecht wird. Der Anteil der in Deutschland lebenden Ehepaare, bei denen mindestens ein Ehepartner eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, betrug im Jahr 2001 nach den Ergebnissen des Mikrozensus bereits 11 % aller Ehepaare. Es ist davon auszugehen, das nur ein Bruchteil dieser Paare eine umgangssprachlich als Scheinehe bezeichnete Ehe führt, mit der allein der Zweck verfolgt wird, einem der Ehepartner ein diesem sonst nicht zustehendes Aufenthaltsrecht in Deutschland zu verschaffen.

Aufgabe der Ausländerbehörden ist es, in Missbrauchsfällen die Erlangung eines Aufenthaltsrechtes zu verhindern. Dazu ist ein abgestimmtes Vorgehen der Standesämter und der Ausländerbehörden erforderlich.

Aus generalpräventiven Gründen sind in solchen Fällen auch in diesem Zusammenhang begangene Straftaten nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG zu verfolgen.

2. Verdachtskriterien für das Vorliegen einer Scheinehe

Im Vorfeld einer Eheschließung hat der Standesbeamte zu prüfen, ob die Eheschließungsvoraussetzungen vorliegen. Der Standesbeamte muss seine Mitwirkung an der Eheschließung gem. § 1310 Abs. 1 BGB verweigern, wenn „offenkundig ist, dass die Ehe nach § 1314 Abs. 2 aufhebbar wäre“. Nach § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB kann eine Ehe dann aufgehoben werden, wenn „beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gem. § 1353 Abs. 1 BGB begründen wollen“ (Scheinehe).

Folgende konkrete Umstände können den Verdacht einer beabsichtigten Scheinehe begründen, wobei die Aufzählung nicht abschließend ist:

  • Bestehende oder in absehbarer Zeit eintretende Ausreisepflicht des ausländischen künftigen Ehepartners (Inhaber einer Duldung oder eines Aufenthaltstitels mit einer Befristung von weniger als 1 Jahr),
  • der beabsichtigten Eheschließung unmittelbar vorangegangener Zuzug der künftigen Ehepartner aus einem anderen Standesamtsbezirk,
  • der nachziehende künftige Ehepartner hat sich erst kürzlich von einem ausländischen Ehepartner ohne gesicherten Aufenthaltstitel scheiden lassen,
  • beabsichtigte Annahme des deutschen Namens durch den künftigen ausländischen Ehepartner,
  • kurzer Zeitraum zwischen dem Kennenlernen und der Eheschließung der künftigen Ehepartner,
  • geringe Kenntnisse über die näheren Lebensumstände des jeweiligen künftigen Ehepartners (z. B. widersprüchliche Angaben über Personalien oder die Umstände des Kennenlernens),
  • die künftigen Ehepartner beabsichtigen keine gemeinsame Wohnung,
  • Fehlen einer von beiden Lebenspartnern gemeinsam beherrschten Sprache,
  • signifikanter Altersunterschied zwischen den künftigen Ehepartnern, häufig verbunden mit wirtschaftlicher Bedürftigkeit bei einem der künftigen Ehepartner,
  • bei einem der künftigen Ehepartner gab es bereits früher Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Scheinehe.

Im Regelfall kann allerdings keiner dieser Sachverhalte für sich genommen eine sogenannte Scheinehe nachweisen. Gleichwohl können sie, insbesondere wenn mehrere dieser Sachverhalte zusammentreffen, Anhaltspunkte für eine vertiefte Prüfung bieten.

3. Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung

Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz sind islamistische Terroristen oder ihrem Umfeld zuzurechnende Bezugspersonen in der Vergangenheit mit ihrer tatsächlichen Identität in Erscheinung getreten. Die in Deutschland ermittelten Tatverdächtigen oder ihre Bezugspersonen waren in der Regel in die deutsche Gesellschaft integriert. Die Sicherheitsbehörden gehen jedoch davon aus, dass islamistische Terroristen oder Bezugspersonen künftig versuchen könnten, ihre Identität durch die Annahme eines in Deutschland unverdächtigen Namens zu verschleiern. Als Mittel hierzu kann insbesondere das Eingehen von Scheinehen dienen, mit denen zugleich eine Verfestigung von Aufenthaltstiteln angestrebt wird. In Betracht kommen sowohl Scheinehen zwischen einem deutschen und einem ausländischen Staatsangehörigen als auch zwischen Ausländern.

Aufgrund dieser Ausgangslage sind die Sicherheitsbehörden des Landes Brandenburg bestrebt, den Informationsaustausch zwischen ihnen und sonstigen Behörden und Einrichtungen im Lande zu intensivieren und eine den Sicherheitsanforderungen gerecht werdende Datenerhebung und Datenübermittlung zu gewährleisten. Diese Bemühungen richten sich insbesondere auch auf Maßnahmen, um Scheinehen zu den angestrebten Zwecken zu verhindern oder zumindest zu erschweren.

Ein möglicher Zusammenhang zwischen terroristischen Aktivitäten und einer beabsichtigten Scheinehe kann insbesondere bei Vorliegen von mehreren der oben aufgeführten Verdachtskriterien bei Ausländern aus den folgenden Staaten und Herkunftsgebieten nicht ausgeschlossen werden:

Afghanistan, Ägypten, Albanien, Algerien, Aserbeidschan, Bahrein, Bangladesch, Bosnien und Herzegowina, Dschibuti, Eritrea, Indonesien, Iran, Irak, Jemen, Jordanien, Katar, Kolumbien, Kuwait, Libanon, Libyen, Malaysia, Marokko, Mauretanien, Mazedonien, Nordkorea, Oman, Pakistan, Palästina, Philippinen, Saudi-Arabien, Somalia, Sudan, Surinam, Syrien, Tadschikistan, Tschetschenien, Türkei, Tunesien, Turkmenistan, Usbekistan, Vereinigte Arabische Emirate.

Es ist aber darauf hinzuweisen, dass gegen Angehörige der aufgeführten Staaten und Herkunftsgebiete kein Generalverdacht besteht. Dem Merkmal der Staatsangehörigkeit kommt nur in Verbindung mit weiteren Verdachtskriterien eine Bedeutung zu.

4. Sachverhaltsermittlungen

Bestehen konkrete Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Scheinehe, haben die Standesämter den Sachverhalt aufzuklären, damit der Standesbeamte eine Entscheidung über seine Mitwirkung an der Eheschließung treffen kann (§ 5 Abs. 4 PStG). Dazu ist frühzeitig Kontakt zur zuständigen Ausländerbehörde aufzunehmen und durch abgestimmtes Vorgehen zu versuchen, den Verdacht auszuräumen oder zu bestätigen. Eine frühzeitige Abstimmung mit der Ausländerbehörde ist insbesondere bei dem Verdachtsmoment „bestehende oder in absehbarer Zeit eintretende Ausreisepflicht“ sinnvoll. Bei Zuzug der künftigen Ehepartner aus einem anderen Standesamtsbezirk ist Kontakt zu diesem aufzunehmen.

Die Ausländerbehörden sollen alle Möglichkeiten nutzen, um eine Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels auszusetzen, bis der Verdacht der beabsichtigten Scheinehe geklärt werden kann.

Bei der Sachverhaltsermittlung können insbesondere getrennte Befragungen der künftigen Ehepartner (auch mittels Fragebögen) sowie Feststellungen zum tatsächlichen Aufenthalt des Ausländers vorgenommen werden. Die Polizei steht im Rahmen der Amtshilfe für weitere Ermittlungen zur Verfügung.

Es wird empfohlen, von der Möglichkeit der Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung (§ 5 Abs. 4 PStG) Gebrauch zu machen.

Sofern der Nachweis einer beabsichtigten Scheinehe gelingt, hat der Standesbeamte seine Mitwirkung an der Eheschließung abzulehnen und die Heiratswilligen auf den Rechtsweg zu verweisen. Gleichzeitig ist die zuständige Ausländerbehörde zu informieren.

Die Ausländerbehörden prüfen, ob aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Ausländer zu ergreifen sind. Die ausländerrechtlichen Möglichkeiten der zeitlichen Beschränkung eines Aufenthaltstitels und der Ausweisung sind konsequent zu nutzen.

5. Informationspflichten

a) Datenübermittlung an das Ministerium des Innern

Das Ministerium des Innern ist die für die Anfechtung der Ehe zuständige Verwaltungsbehörde nach § 1316 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BGB (§ 18 des Brandenburgischen Ausführungsgesetzes zum BGB).

Bei bereits geschlossenen, nachweisbaren Scheinehen sind die Standesämter deshalb nach den §§ 14 Abs. 1 Satz 1; 13 Abs. 2 Satz 1 des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes verpflichtet, den Vorgang über die standesamtlichen Aufsichtsbehörden an das Ministerium des Innern, Referat III/5 mit einer ausführlichen Darlegung der Anfechtungsgründe zu übermitteln. Aus dem Vorgang müssen auch die folgenden personenbezogenen Daten der Ehepartner ersichtlich sein:

  • Name,
  • Vorname,
  • Geburtsdatum,
  • Wohnanschrift,
  • Staatsangehörigkeit.

Die Standesämter, die standesamtlichen Aufsichtsbehörden und die Ausländerbehörden werden um abgestimmtes Vorgehen gebeten.

b) Datenübermittlung an die Polizeipräsidien

Bei bereits geschlossenen, nachweisbaren Scheinehen und bei nachweisbar beabsichtigten Scheinehen hat das Standesamt zusätzlich das zuständige Polizeipräsidium zu informieren. Lässt sich im Einzelfall trotz konkreter Anhaltspunkte der Verdacht einer beabsichtigten Scheinehe mit den Mitteln des Standesamtes und der Ausländerbehörde nicht aufklären, ist das zuständige Polizeipräsidium auch über diese Verdachtsfälle zu informieren, damit dort entschieden werden kann, ob im Zusammenhang mit der möglichen Scheinehe ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat (§ 95 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes, je nach Fallkonstellation auch §§ 156; 271 StGB) eingeleitet wird. Daneben müssen auch mögliche Verbindungen zum islamistischen Terrorismus überprüft werden können.

Die Standesämter sind deshalb nach § 45 Abs. 1 des Brandenburgischen Polizeigesetzes verpflichtet, nachweisbare Scheinehen und Verdachtsfälle dem zuständigen Polizeipräsidium (Schutzbereich) mitzuteilen. Aus der Mitteilung müssen die folgenden personenbezogenen Daten der künftigen Ehepartner ersichtlich sein:

  • Name,
  • Vorname,
  • Geburtsdatum,
  • Wohnanschrift,
  • Staatsangehörigkeit.

6. In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten

Dieser Erlass tritt am 1. Mai 2005 in Kraft. Gleichzeitig tritt der Runderlass Nr. 06/00 vom 31. August 2000 außer Kraft.

Die standesamtlichen Aufsichtsbehörden werden gebeten, diesen Erlass an die Standesämter weiterzuleiten.

Im Auftrag

Chop-Sugden