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Besteuerung des Arbeitslohns nach Doppelbesteuerungsabkommen, Anwendung der 183-Tage-Regel auf Berufskraftfahrer im internationalen Verkehr

Besteuerung des Arbeitslohns nach Doppelbesteuerungsabkommen, Anwendung der 183-Tage-Regel auf Berufskraftfahrer im internationalen Verkehr
vom 29. Mai 1997

Außer Kraft getreten

1. Allgemeines

Auch bei Berufskraftfahrern, zu denen auch Auslieferungsfahrer, nicht aber Reiseleiter zählen, richtet sich die eventuelle Steuerfreistellung des Arbeitslohnes, der auf Auslandstätigkeiten in DBA-Staaten entfällt, nach der sog. "183-Tage-Regel", die in allen von Deutschland abgeschlossenen DBA enthalten ist.

Einzelheiten hierzu, insbesondere zur Ermittlung der 183 Tage und der Höhe des ggf. freizustellenden anteiligen Arbeitslohns, ergeben sich aus dem o. g. BMF-Schreiben und aus dem "Leitfaden zur Besteuerung ausländischer Einkünfte bei unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen".

2. Besonderheiten bei der Ermittlung der 183 Tage

Zur Ermittlung der 183 Tage kommt es bei der Anwendung von DBA, die - wie es weitaus überwiegend der Fall ist - eine dem Art. 15 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) entsprechende Regelung enthalten, darauf an, in welchem Staat die nichtselbständige Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wird. Entscheidend ist die - durch die berufliche Tätigkeit veranlasste - körperliche Anwesenheit (Aufenthaltstage). Mehrere Aufenthalte im gleichen Tätigkeitsstaat innerhalb eines Steuerjahres sind für die Überprüfung der 183-Tage-Grenze zusammenzurechnen. Ganz und nicht nur zeitanteilig mitzuzählen sind dabei - in der Regel - auch Tage bloßer Teilanwesenheit, d. h. Tage, an denen der Berufskraftfahrer nur kurzfristig im Tätigkeitsstaat anwesend ist. Ohne Belang ist, wo der wirtschaftliche Erfolg der Tätigkeit eintritt. Bei Berufskraftfahrern werden aber Tage der Hin- und Rückreise dann nicht mitgezählt, wenn am gleichen Kalendertag die Hinreise in den Tätigkeitsstaat und die Rückreise in den Wohnsitzstaat erfolgt.

Hinsichtlich der Bestimmung des Tätigkeitsstaates sind bei Berufskraftfahrern folgende Besonderheiten zu beachten:

Ein Berufskraftfahrer hat seine (regelmäßige) Arbeitsstätte in seinem Fahrzeug. Der Ort der Arbeitsausübung liegt demzufolge zwangsläufig dort, wo er sich mit seinem Fahrzeug gerade aufhält bzw. fortbewegt. Ob es sich dabei um reine Transitstrecken handelt, weil der Endpunkt des Transportes in einen anderen Staat liegt, ist dabei ohne Bedeutung. Nach dem für die Auslegung von DBA geltenden Grundsätzen erfordert das "Arbeitsortprinzip" grundsätzlich keine Verwurzelung der Arbeitseinkünfte mit der Wirtschaft im Tätigkeits-/Quellenstaat (BFH, Urt. v. 28.09.1990 VI R 157/89, BStBl II 1991 86 (88)). Das bedeutet, dass bei Berufskraftfahrern die An- und Abreisetage bei Fahrten durch mehrere Staaten nicht allein dem jeweiligen Zielstaat gesondert zuzuordnen sind. So sind bei Fahrten von Deutschland nach Portugal für die Frage der Zuweisung des Besteuerungsrechtes neben dem DBA-Portugal die DBA der Staaten maßgeblich, durch die der Kraftfahrer fährt, um nach Portugal zu gelangen (z. B. Frankreich, Spanien).

Der 183-Tage-Zeitraum ist für jedes Steuerjahr gesondert zu prüfen. Bei vom Kalenderjahr abweichenden Steuerjahr im Tätigkeitsstaat (z. B. England: vom 06.04. - 05.04.) ist das Steuerjahr des Tätigkeitsstaates maßgeblich.

Das DBA-Türkei enthält in Art. 8 Abs. 1, 15 Abs. 3 eine Sonderregelung. Danach ist sowohl der Gewinn aus dem Betrieb von Straßenfahrzeugen im internationalen Verkehr als auch die dem Fahrer gezahlte Vergütung in dem Vertragsstaat zu besteuern, in dem sich der Sitz des Unternehmens befindet.

3. Der Sitz des Arbeitgebers als Kriterium der Zuweisung des Besteuerungsrechts

Unabhängig von der 183-Tage-Aufenthaltsdauer kann die Zuweisung des Besteuerungsrechts auch allein vom Sitz des Arbeitgebers abhängig sein.

Folgende Grundfallgestaltungen sind zu unterscheiden:

Der Arbeitgeber hat seinen Sitz im Wohnsitzstaat des Berufskraftfahrers

Bei dieser Gestaltung hängt die Zuweisung des Besteuerungsrechts i. d. R. allein davon ab, ob sich der Kraftfahrer länger als 183 Tage im Steuerjahr des Tätigkeitsstaates dort aufgehalten hat.

Der Arbeitgeber hat seinen Sitz im Tätigkeitsstaat der Berufskraftfahrers

Bei dieser Fallgestaltung bleibt der 183-Tage-Zeitraum ohne Bedeutung. Soweit der Kraftfahrer seine Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat des Arbeitgebers ausübt steht diesem Staat ohne weitere Voraussetzung das Besteuerungsrecht für den auf diesen Zeitraum entfallenden Arbeitslohn zu (Art. 15 Abs. 2 OECD-MA); soweit die Tätigkeit im Wohnsitzstaat des Kraftfahrers ausgeübt wird, hat dieser das Besteuerungsrecht (Art. 15 Abs. 1 OECD-MA).

Der Arbeitgeber hat seinen Sitz in einem Drittstaat.

Soweit der Kraftfahrer seine Tätigkeit weder in seinen Wohnsitzstaat noch im Ansässigkeitsstaat des Arbeitgebers ausübt, greift im Verhältnis dieser beiden Staaten die Regelung des Art. 21 OECD-MA. Danach werden Einkünfte, die durch Tätigkeit in keinem der beiden Vertragsstaaten erzielt werden, allein dem Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers zur Besteuerung zugewiesen. Davon unabhängig gelten die Bestimmungen eines ggf. mit dem jeweiligen Tätigkeitsstaat abgeschlossenen DBA.

Es ist zu beachten, dass einige DBA (Österreich, Ägypten, Indien, Norwegen, Pakistan) von der Regelung des Art. 15 Abs. 2b OECD-MA abweichen. Diese besagt, dass der Arbeitgeber - soll das Besteuerungsrecht bei einem Auslandsaufenthalt von weniger als 183 Tagen beim Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers verbleiben - nicht im Tätigkeitsstaat ansässig sein darf; ob er im Wohnsitzstaat oder einem Drittstaat ansässig ist, hat keine Bedeutung. Bei den oben angesprochen DBA ist das Besteuerungsrecht für den Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers nur dann gegeben, wenn der Arbeitgeber auch im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers ansässig ist.

4. Zahlung des Arbeitslohns zu Lasten einer Betriebsstätte des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat

Auch in diesem Fall, der in Bezug auf Berufskraftfahrer nur selten anzutreffen ist, hat der Tätigkeitsstaat des Besteuerungsrecht, ohne dass es auf den 183-Tage-Zeitraum ankommt.

5. Anwendung von Rückfallklausel in DBA; Auskunftsverkehr mit anderen EU-Staaten

Die Steuerfreistellung nach einem DBA gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der ausländische Staat von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch macht oder nicht (Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung). In einigen neueren DBA ist allerdings geregelt, dass die Freistellung in Deutschland als dem Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers nur dann greift, wenn die Einkünfte im Ausland tatsächlich besteuert werden (Rückfallklausel). Einzelheiten zu Rückfallklauseln sind der Verfügung vom 12.03.1996 S 1300 - 29 - St 112 zu entnehmen.

Zum Auskunftsverkehr mit anderen EU-Staaten wird auf die Verfügung vom
18.09.1996 S 1320 - 2 - St 112/S 2533 - 11 - St 112 verwiesen.

6. Progressionsvorbehalt, Abzug von Werbungskosten und Sonderausgaben

Bei Freistellung von Arbeitslohn nach einem DBA sind die freigestellten Einkünfte im Wohnsitzstaat/Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers ausnahmslos bei der Anwendung des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen (§ 32 b Abs. 1 Nr. 2 bis 1995, § 32 b Abs. 1 Nr. 3 ab 1996).

Werbungskosten, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem freigestellten Arbeitslohn stehen, sind bei der Ermittlung der in Deutschland steuerpflichtigen Einkünfte nicht abzugsfähig (§ 3 c EStG). Sie mindern jedoch die dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfenden Einkünfte. H 185 EStH ist zu beachten.

Auch der Abzug der mit dem steuerfreien Arbeitslohn in Zusammenhang stehenden Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben ist ausgeschlossen (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG, H 87a Nr. 1 EStH). Hinsichtlich des Vorwegabzuges nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG hat die (teilweise) Steuerfreistellung des Arbeitslohnes keine Auswirkung auf den pauschalen Kürzungsbetrag.