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Benutzung der Personenstandsbücher gemäß § 61 Abs. 1 PStG

Benutzung der Personenstandsbücher gemäß § 61 Abs. 1 PStG

hier:

  1. Beschluss des OLG Brandenburg vom 22.6.1998, Az. 8 Wx 10/98, hinsichtlich des Einsichtsrechts eines Nachlaßgläubigers
  2. Benutzung der Bücher durch gewerbliche Erbenermittler

Anlagen

zu a)

Anliegend übersende ich Ihnen Kopien des obengenannten Beschlusses sowie der ihm zugrundeliegenden Beschlüsse des AG Cottbus vom 25.6.1996 und des LG Cottbus vom 18.11.1997 und der Begründung vom 13.02.1998 zu der hiesigen sofortigen weiteren Beschwerde und bitte um Kenntnisnahme, Unterrichtung der Standesbeamten in Ihrem Bereich und künftige Beachtung. Das Oberlandesgericht Brandenburg hat sich in dieser Entscheidung erstmals mit dem Recht auf Akteneinsicht in die Personenstandsbücher befaßt.

Ausgangspunkt des Verfahrens war der Antrag der Nachlaßgläubigerin eines in Dänemark verstorbenen Schuldners an das Standesamt Forst (Lausitz) vom 26.10.1995, ihr beglaubigte Abschriften von dessen Heiratsurkunde (Ehebuch-Nr. 83/1967) und der Geburtsurkunden seiner etwaigen Kinder zu erteilen. Sie teilte dabei mit, dass der Schuldner bei Abschluß des dem Schuldverhältnis zugrundeliegenden Darlehensvertrages 1991 geschieden gewesen sei und konnte im übrigen keine weiteren Angaben zu Ehefrau und Kindern machen.

Das Amtsgericht lehnte, der Argumentation der unteren Fachaufsichtsbehörde folgend, mit seinem Beschluss vom 25.6.1996 mit der Begründung ab, dass die unmittelbare Benutzung der Personenstandsbücher deswegen nicht in Betracht komme, weil die Erbenermittlung im Rahmen einer Nachlaßpflegschaft nach § 1961 BGB unter Berücksichtigung sämtlicher datenschutzrechtlicher Aspekte erfolgen könne und müsse. Es nahm dabei Bezug auf die ebenfalls in diesem Sinne ergangene Entscheidung des AG Siegen vom 17.10.1987 (StAZ 1989,12).

Der auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ergangene Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 18.11.1997 hob die Entscheidung des Amtsgerichts Cottbus auf und wies den Standesbeamten an, „Einsicht in das den Verstorbenen betreffende Personenstandsbuch zu gewähren, soweit dort Eintragungen zur Ehefrau des Verstorbenen und zu Abkömmlingen des Verstorbenen ... vorhanden sind.“

Diese sehr pauschal formulierte Anweisung warf hiesigen Erachtens mehr Fragen auf als sie beantwortete. Nicht zuletzt in der Absicht, eine höchstrichterliche Entscheidung zu grundsätzlichen Fragen der Auskunftspflicht zu erlangen, trat das Ministerium des Innern daher dem Verfahren bei und legte sofortige weitere Beschwerde ein. Es hielt dabei die Klärung folgender Punkte für wesentlich:

  • Ist der Standesbeamte verpflichtet, sämtliche Personenstandsregister, also evtl. auch das Geburtenbuch, in denen der Verstorbene als Vater seiner Kinder eingetragen sein könnte, nach etwaigen Eintragungen zu durchsuchen (der Wortlaut des LG-Beschlusses läßt dies vermuten) oder soll nur Einsicht in den genau benannten Ehebucheintrag Nr. 83/1967 gewährt werden?
  • Muss der Standesbeamte die Benutzung seiner Bücher zulassen, auch wenn andere, zudem teilweise einfachere Möglichkeiten zur Erbenermittlung bestehen?

    (Im konkreten Fall hätte die Gläubigerin durch eine jederzeit erhältliche, aber offenbar niemals angeforderte erweiterte Melderegisterauskunft des zuständigen Einwohnermeldeamts erfahren können, dass der Schuldner unmittelbar vor seinem Ableben als geschieden gemeldet war. Dadurch wäre klar gewesen, dass als gesetzliche Erbin keine Ehefrau und insbesondere nicht die 1967 im Heiratseintrag genannte Frau in Betracht kommen konnte. Unabhängig davon stellt sich nach wie vor die Frage, ob die Gläubigerin darauf verwiesen werden kann, eine Nachlaßpflegschaft zur Erbenermittlung einrichten zu lassen oder aber ein Erbscheinsverfahren nach § 792 ZPO einzuleiten, im Rahmen dessen dann die Beschaffung der notwendigen Personenstandsurkunden durch das Nachlaßgericht angeordnet worden wäre.)
  • Sind für den Fall, dass unterhalb des eigentlichen Heiratseintrags im Ehebuch Hinweise eingetragen sind, die nicht an der Beweiskraft des Eintrags selbst teilnehmen, diese Hinweise zu offenbaren? Welche Rechtsgrundlage wird bejahendenfalls herangezogen: § 61 Abs. 1 PStG oder § 16 Abs. 1 Buchstabe c BbgDSG?

Mit seinem Beschluss vom 22.06.1998 hat das Oberlandesgericht einen Teil dieser Fragen, bedauerlicherweise jedoch nicht alle beantwortet. Es hat folgendes klargestellt:

  • Ein Nachlaßgläubiger, der Ansprüche gegen gesetzliche Erben geltend machen will, hat (grundsätzlich) ein „rechtliches Interesse“ im Sinne von § 61 Abs. 1 Satz 3 PStG.
  • Dieses rechtliche Interesse an der Benutzung der Personenstandsbücher ist auch dann zu bejahen, wenn ein anderer, allerdings möglicherweise langwierigerer Weg zur Erbenermittlung führen würde. Es ist daher nicht zulässig, den Gläubiger darauf zu verweisen, eine Nachlaßpflegschaft oder ein Erbscheinsverfahren anzustrengen.

    Das Gericht hat sich jedoch ausdrücklich nicht zu der Frage geäußert, ob das rechtliche Interesse auch dann zu bejahen wäre, wenn ein anderer Weg einfacher zum Erfolg führen würde. Dieser einfachere Weg wäre die (bisher nicht erfolgte) Abforderung einer erweiterten Melderegisterauskunft gewesen. Dadurch hat sich das Gericht bedauerlicherweise mit dem Hauptanliegen des Ministeriums, nämlich zu klären, ob und ggf. weshalb die Daten der geschiedenenEhefrau zu offenbaren sind, nicht auseinandergesetzt, was letztendlich auch dazu führte, dass die Beschwerde des Ministeriums abgewiesen wurde. Angesichts der Tatsache, dass die Nachlaßgläubigerin von der Scheidung des Schuldners seit Jahren Kenntnis und ihr das Landgericht Cottbus trotzdem ein Einsichtsrecht in den gesamten Heiratseintrag mit allen schützenswerten Daten der (geschiedenen) Ehefrau zugebilligt hat, wäre hier eine Richtig- oder zumindest Klarstellung dringend angebracht gewesen.
  • Das Gericht hat die Ausführungen des Ministeriums zu der unterschiedlichen rechtlichen Qualität von Eintragungen in Personenstandsbüchern, nämlich dem nach § 60 Abs. 1 PStG beweiskräftigen Kerneintrag einerseits und den in diesem Sinne nicht beweiskräftigen Hinweisen andererseits anscheinend dahingehend mißverstanden, dass das Ministerium den Personenstandsbüchern der DDR eine andere Bedeutung beimesse als den Büchern der Bundesrepublik, was nicht der Fall ist. Seine Darstellung geht insofern leider ins Leere.

    Dennoch kann aus den Ausführungen geschlussfolgert werden, dass nach Auffassung des OLG Hinweise in Personenstandsbüchern im Rahmen der Auskunftspflicht generell wie die Beurkundungen selbst zu behandeln sind. Es ist also bei glaubhaft gemachtem rechtlichen Interesse auch in die Hinweise Einsicht zu gewähren. 

Zu Ihrer Information sei am Rande angemerkt, dass das Standesamt Forst (Lausitz) bei der Umsetzung des OLG-Beschlusses in dem konkreten streitigen Fall alle Daten, die die geschiedene Ehefrau betrafen, abgedeckt hat. Die Bekanntgabe von Hinweisen auf die Geburtsbeurkundungen von Kindern erübrigte sich auch, weil solche Hinweise dem Heiratseintrag nicht beigeschrieben waren.

zu b)

Literatur und Rechtsprechung (insbesondere Gutachten Michael Sachse, StAZ 1997, 61, Gutachten Prof. Werner Hoppe u. a., StAZ 1998, 65, OLG Bremen, StAZ 1998, 255) haben sich in den letzten Monaten erneut mit der Frage befaßt, ob professionellen Erbenermittlungsbüros Einsicht in Personenstandsbücher zu gewähren ist. Das Ministerium des Innern hat daher Anlaß, auf seinen im Rundschreiben vom 17.10.1995 vertretenen Standpunkt, dass Erbenermittlungsbüros gewöhnlich das rechtliche Interesse im Sinne von § 61 Abs. 1 Satz 3 PStG abzusprechen ist, hinzuweisen.
Die Aufgabe, Erben zu ermitteln, stellt sich in der Praxis zunächst Nachlaßpflegern und Personen, die nach § 11 b Vermögensgesetz zum gesetzlichen Vertreter von unbekannten Eigentümern bestellt wurden. Diese Personen erhalten sie gewünschte Einsicht oder Urkunde oder Auskunft immer dann, wenn sie ihr rechtliches Interesse dadurch glaubhaft machen, dass sie die erbrechtlich relevante Verbindung zwischen dem Erblasser und der in der Personenstandsurkunde genannten Person darstellen. Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass sie Teile ihrer Ermittlungsaufgaben an andere, beispielsweise Erbenermittlungsbüros delegieren, sofern sie nur Herr des Verfahrens bleiben. Voraussetzung dafür ist, dass sie einen Herausgabeanspruch gegen den Erbenermittler haben und wissen, mit welchen Honorarforderungen das für den Erben bzw. Eigentümer zu sichernde Vermögen belastet wird. Erfahrungsgemäß werden derartige Absprachen jedoch nicht getroffen. Vielmehr erteilen die Nachlaßpfleger den Erbenermittlern gewöhnlich eine Generalvollmacht und lassen ihnen bei der Ausgestaltung ihrer Tätigkeit völlig freie Hand. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, dass Erbenermittlungsbüros ihre Informationen nur dann herausgeben, wenn die ermittelten Erben ihnen Honorare von 25 % des Nachlaß- oder Vermögenswertes und sogar mehr zusichern.
Das umfassende Gutachten in StAZ 1998, 65, das im Sinne seiner Auftraggeber offensichtlich sehr darauf bedacht ist, alle den Erbenermittlungsbüros zum Vorteil gereichenden rechtlichen Aspekte des Fragenkomplexes darzustellen, geht auf diese zentrale Problematik wohlweislich nicht ein.
Das OLG Bremen nimmt in seinem Beschluss vom 02.04.1998 (StAZ, 1998, 255) zu der Frage, wie der Nachlaßpfleger sicherzustellen hat, dass er Herr des Verfahrens bleibt, nicht Stellung. Die übliche Generalvollmacht würde es jedoch anscheinend nicht gelten lassen. Da im zu entscheidenden Einzelfall eine solche gerade nicht vorlag, hat es das Einsichtsrecht des Erbenermittlers bejaht, wobei es den Standpunkt vertreten hat, dass Fragen des Entgelts von Erbenermittlern scharf zu trennen seien von ihrer Tätigkeit.

Dem Ministerium sind nur vereinzelte, sich widersprechende Entscheidungen Brandenburger Gerichte zu dieser Thematik bekannt. Eine alle Standesämter des Landes bindende Entscheidung durch das Oberlandesgericht Brandenburg wäre daher wünschenswert. Eine solche Entscheidung kann jedoch nur erreicht werden, wenn die Standesbeamten künftig Anträge von Erbenermittlungsbüros auf Benutzung der Personenstandsbücher ablehnen und dabei auf das gerichtliche Anweisungsverfahren nach § 45 Abs. 1 PStG hinweisen. Ergänzende Argumentationshilfe mag dabei die vom Land Hessen zur Verfügung gestellte, in Kopie beigefügte Begründung einer sofortigen Beschwerde des Lahn-Dill-Kreises vom 06.08.1997 sein. Sofern ein von einem Erbeneermittlungsbüro angerufenes Amtsgericht den Standesbeamten zur Einsichtsgewährung verpflichtet, müßte geklärt werden, ob die Aufsichtsbehörde sofortige weitere Beschwerde einlegt. Ich bitte Sie daher, die Standesbeamten zu unterrichten und sicherzustellen, dass sowohl Sie als auch das Ministerium umgehend per Telefax von entsprechenden Beschlüssen der Amtsgerichte Kenntnis erlangen.

Im übrigen wäre ich dankbar, wenn Sie mir bis zum 31.01.1999 alle in Ihrem Amtsbereich zu § 61 Abs. 1 PStG bereits ergangenen gerichtlichen Entscheidungen in Kopie überlassen oder entsprechende Fehlanzeige erstatten würden.

Im Auftrag

Dr. Acker