Erlass des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz zur Bekanntmachung der Erhaltungsziele nach § 26b Absatz 3 des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes und zur Bewirtschaftung des Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung "Berlinchener See, Berlinchener Luch"
vom 11. April 2006
(ABl./06, [Nr. 27], S.478)
geändert durch Bekanntmachung des MLUV vom 30. November 2007
(ABl./08, [Nr. 3], S.115)
Dieser Erlass regelt auf der Grundlage des § 26b Abs. 3 des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes (BbgNatSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Mai 2004 (GVBl. I S. 350) die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung von Artikel 6 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (ABl. EG Nr. L 206 S. 7), zuletzt geändert durch die Richtlinie 97/62/EG vom 27. Oktober 1997 (ABl. EG Nr. L 305 S. 42), - Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie). Er legt die unter Nummer 3 genannten Erhaltungsziele fest sowie die erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen und deren Umsetzungsinstrumente in Anlage 2. Die Umsetzung ist durch die zuständigen Behörden zu gewährleisten.
1 Bewirtschaftungsgegenstand
Die in Anlage 1 (Übersichtsskizze) näher bezeichnete Fläche im Landkreis Ostprignitz-Ruppin wurde als FFH-Gebiet mit der Bezeichnung “Berlinchener See, Berlinchener Luch“ und der Gebietsnummer DE 2741-301 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung der Europäischen Kommission aufgenommen. Das Gebiet hat eine Größe von rund 364 Hektar und umfasst Flächen in folgenden Fluren:
Gemeinde: | Gemarkung: | Flur: |
---|---|---|
Wittstock/Dosse | Wittstock | 21, 22, 23, 24; |
Berlinchen | 5, 7; | |
Groß Haßlow | 2. |
Die Grenze des Geltungsbereiches dieses Erlasses ist in der Übersichtsskizze (Anlage 1) und im Maßstab 1 : 10 000 in der Biotoptypenkarte, der Karte der FFH-Lebensraumtypen (LRT) und der Zielkarte sowie in Liegenschaftskarten (Blätter 1 bis 20) eingezeichnet. Als Grenze gilt der innere Rand dieser Linie. Maßgeblich ist die Einzeichnung in den Liegenschaftskarten. Diese Karten sind mit einer Flurstücksliste beim Landesumweltamt in Potsdam, beim Landkreis Ostprignitz-Ruppin in Neuruppin als untere Naturschutzbehörde, beim Amt für Forstwirtschaft Kyritz und bei der Stadtverwaltung Wittstock/Dosse von jedermann während der Dienstzeiten einsehbar.
2 Beschreibung des Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung
Das FFH-Gebiet “Berlinchener See, Berlinchener Luch“ liegt unmittelbar nördlich und west- bis südwestlich angrenzend an die Ortslage Berlinchen und lässt sich dem Naturraum Mecklenburg-Brandenburgisches Platten- und Hügelland zuordnen. Das Gebiet zeichnet sich durch einen hohen Anteil an Mooren beziehungsweise Moor- und Bruchwäldern aus und stellt ein wichtiges Verbindungsglied im regionalen Biotopverbund zwischen der Dosseniederung und der Dranser Seenkette und damit auch zur Mecklenburger Seenkette dar. Dieser Korridor ist für den Individuenaustausch zwischen regionalen Populationen verschiedener Arten der feuchtgebietsgebundenen Faunen- und Florenelemente von hoher Bedeutung.
3 Erhaltungsziele
Ziel ist die Erhaltung der Birken-Moorwälder, der Population des Fischotters (Lutra lutra), der Population der Schmalen Windelschnecke (Vertigo angustior) sowie die Entwicklung und Wiederherstellung des Flusses der planaren Stufe mit Vegetation des Ranunculion fluitantis, des Hainsimsen-Buchenwaldes und der alten bodensauren Eichenwälder auf Sandebenen mit Quercus robur (Stieleiche).
4 Beschreibung, Bewertung und ökologische Erfordernisse der Lebensraumtypen (LRT) nach Anhang I und der Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie
Birken-Moorwald, prioritärer LRT Nummer 91D1, Größe: rund 96,2 Hektar, Erhaltungszustand B
Moorbirkenwald kommt in charakteristischer Ausprägung großflächig im mittleren Teil des Gebiets im Bereich der bereits verlandeten Flächen des Berlinchener Sees und des Großen Sees vor. Für den Erhalt des tiefgründigen Moorkörpers und der typischen Vegetation sind hohe Grundwasserstände sowie witterungs- und niederschlagsabhängig schwankende Nässegrade und Wasserstände notwendig, die zu zyklischem Aufwachsen und Absterben der Gehölze führen und den hohen Totholzanteil bedingen. Eine Nutzung der Flächen soll unterbleiben. Die Nährstoffarmut muss gewährleistet werden, daher sind Nährstoffeinträge durch angrenzende Nutzungen zu unterbinden.
Flüsse der planaren Stufe mit Vegetation des Ranunculion fluitantis, LRT-Nummer 3260, Länge: rund 548 Meter, Erhaltungszustand C
Dem Lebensraumtyp entspricht nur der am südwestlichen Bereich des Berlinchener Sees austretende, in westliche Richtung verlaufende Fließgewässerabschnitt auf einer Länge von etwa 548 Metern, bis das Gewässer westlich der Ortslage Berlinchen als Kanal weiterfließt. Die natürlichen Gewässerstrukturen sollten an dem in weiten Teilen kaum beziehungsweise nicht zugänglichen Fließgewässerabschnitt erhalten werden. Die Gewässergüte sollte mindestens die Güteklasse 2 aufweisen.
Hainsimsen-Buchenwald (Luzulo-Fagetum), LRT-Nummer 9110, Größe: rund 0,3 Hektar, Erhaltungszustand C
Im Gebiet kommt der Lebensraumtyp im westlichen Bereich vor. Neben der dominierenden Buche (Fagus sylvatica) stehen auch hohe Fichten (Picea abies) und vereinzelt Stieleichen (Quercus robur), im südlichen Bereich zum Teil fremdländische Baumarten im Bestand. Ökologisch erforderlich sind ein hoher Anteil an stehendem und liegendem Totholz, Naturverjüngung des lebensraumtypischen Artenspektrums und ein geringer forstlicher Bewirtschaftungsgrad.
Alte bodensaure Eichenwälder auf Sandebenen mit Quercus robur (Stieleiche), LRT-Nummer 9190, Größe: rund 2,3 Hektar, Erhaltungszustand C
Der Lebensraumtyp kommt innerhalb des Gebietes auf zwei Teilflächen vor, die unterschiedliche Anteile an Kiefern (Pinus sylvestris), Sand- (Betula pendula) und Moorbirken (Betula pubescens) aufweisen. Der Bestand am südlichen Gebietsrand ist stark ruderalisiert. Ein hoher Anteil an stehendem und liegendem Totholz, die Förderung der Naturverjüngung des charakteristischen Baumartenspektrums und ein geringer forstlicher Bewirtschaftungsgrad werden angestrebt.
Fischotter (Lutra lutra), Erhaltungszustand B
Der Fischotter benötigt großflächig vernetzte semiaquatische Lebensräume. Die das Gebiet nutzende Population ist innerhalb des erweiterten Verbreitungsgebietes nicht isoliert. Zur Erhaltung des Habitates ist die derzeitige Gewässerdynamik im Gebiet beizubehalten und weiter zu fördern. Die Zerschneidung von Migrationskorridoren durch Trassen (Verkehrsstraßen) oder Ufer- und Sohlbefestigungen ist zu vermeiden. Die Uferbereiche sind in naturnahem und störungsarmem Zustand zu erhalten.
Schmale Windelschnecke (Vertigo angustior), Erhaltungszustand B
Die Schmale Windelschnecke bewohnt die feuchte Bodenstreu von Seggenrieden, Röhrichten, Bruchwäldern und See-Verlan-dungsmooren. Eine Zerstörung beziehungsweise Entwertung der Lebensräume und Habitatstrukturen vor allem durch Grundwasserabsenkung, Entwässerung zur Innutzungnahme und/oder Nutzungsintensivierung bislang extensiv genutzten Feuchtgrünlandes mit Ried- und Röhrichtanteilen sowie von Erlenbruchwäldern, durch lang anhaltendes oder dauerhaftes Überstauen sowie infolge einer Eutrophierung der Standorte durch Nährstoffeinträge ist zu verhindern.
Erhaltungszustand
A - hervorragender Erhaltungszustand
B - guter Erhaltungszustand
C - durchschnittlicher oder beschränkter Erhaltungszustand
5 Bestand und Bewertung der
-
nach § 32 BbgNatSchG geschützten Biotope
-
Biotope, die Einfluss auf die in Nummer 4 aufgeführten Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie und Arten nach Anhang II der FFH-Richtlinie haben
Gräben und Kanäle, teilweise § 32 BbgNatSchG
Gräben kommen im gesamten Gebiet vor und entwässern das Grünland in Richtung des Kanals, der das Gebiet von Ost nach West durchzieht und in die Dosse mündet. Teilabschnitte des Kanals unterliegen den Bestimmungen des § 32 BbgNatSchG. Der Kanal sollte langfristig in einen naturnahen Zustand überführt werden. Es ist zu prüfen, ob die Gräben abschnittsweise geschlossen werden können, um den Entwässerungsgrad des Gebietes zu reduzieren. Ziel ist es, eine moorerhaltende Stauhaltung im Gebiet zu erreichen, mit der die Wasserführung in die zentralen Gebiete gelenkt werden kann.
Stillgewässer
Bei den im Gebiet liegenden Stillgewässern handelt es sich um den Berlinchener See, der sich infolge starken Nährstoffeintrags von einem kalkhaltigen mesotrophen Gewässer zu einem eutrophen Gewässer entwickelt hat, und zwei kleinere Gewässer im Westen des FFH-Gebiets, bei denen es sich ebenfalls um eutrophe Gewässer handelt. Einer weiteren Eutrophierung der Gewässer - vor allem des Berlinchener Sees - sollte durch Verringerung der Nährstoffeinträge entgegengewirkt werden.
Bruchwälder, § 32 BbgNatSchG
Erlenbruchwälder kommen überwiegend in den nordöstlichen Randbereichen der Birkenmoorwälder in typischer Ausprägung vor. Im westlichen Bereich des Gebietes sind die Bruchwälder teilweise durch Austrocknung und Nährstoffeinträge degradiert. Auf den Standorten kann eine den Lebensraumtyp erhaltende und eingeschränkte Bewirtschaftung erfolgen.
Feuchtgrünland, überwiegend § 32 BbgNatSchG
Die zum Teil aufgelassenen Feuchtwiesen und -weiden, die überwiegend um die zentralen Bereiche des Großen Sees und des Berlinchener Sees verteilt vorkommen, sollen extensiv bewirtschaftet beziehungsweise gepflegt werden. Besonders bedeutsam ist der Erhalt von Seggenrieden als Lebensraum der Schmalen Windelschnecke.
Grünland frischer Standorte
Das Grünland auf frischen Standorten soll möglichst extensiv als Dauergrünland genutzt werden. Alle entwässerten Niedermoorbereiche sollen durch die in Anlage 2 aufgeführten Erhaltungsmaßnahmen in Abstimmung mit der unteren Wasserbehörde stärker vernässt werden, um die Torfmineralisation zu verringern.
Röhrichtgesellschaften und Grauweidengebüsche, § 32 BbgNatSchG
Neben dem den Berlinchener See umgebenden breiten Röhrichtgürtel kommen in enger Verzahnung weitere kleinere Schilfbereiche und Grauweidengebüsche am Rand der Moorwälder vor, die überwiegend eine typische Ausprägung aufweisen. Die Flächen sollen nicht landwirtschaftlich genutzt werden. Eine Pflege der Röhrichtbereiche und Grauweidengebüsche ist nicht notwendig. Die Flächen sollten der natürlichen Sukzession überlassen bleiben.
Magerrasen, § 32 BbgNatSchG
Die im Gebiet überwiegend am nördlichen und östlichen Moränenrand vorkommenden zum Teil ruderalisierten Magerrasen werden als gering gestört bis gestört eingestuft. Sie sollen durch Grünlandpflege in Form von Mahd oder Beweidung erhalten werden. Eine Düngung ist auszuschließen.
Forsten und Vorwaldstadien
Forsten befinden sich auf höher gelegenen Bereichen, die im nördlichen und nordwestlichen Teil des Gebietes an Flächen des Birkenmoorwaldes und Bruchwälder angrenzen. Bestandsbildend sind Kiefern oder Pappeln mit Aufwuchs von Später Traubenkirsche (Prunus serotina) und teilweise Stieleichen.
Bei Verjüngungsmaßnahmen ist auf das Einbringen von Baumarten der potentiell natürlichen Vegetation abzuzielen, die Bewirtschaftung soll möglichst extensiv erfolgen und für eine Erhöhung des Strukturreichtums ist Sorge zu tragen.
Vorwaldstadien finden sich in verschiedenen Bereichen des Gebietes; sie sollen weiterhin der natürlichen Sukzession unterliegen.
Feldgehölze, Baumreihen und Baumgruppen
Die Gehölze sind zu erhalten, bei Nachpflanzungen sind standorttypische Gehölze heimischer Herkunft zu verwenden und bei Beweidung sind die Bestände auszukoppeln.
6 Umsetzung
Geeignete Maßnahmen zur Umsetzung der unter Nummer 3 aufgeführten Erhaltungsziele sind in Anlage 2 aufgeführt. Unberührt bleiben Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen, die durch die zuständige Naturschutzbehörde angeordnet, zugelassen oder durchgeführt werden.
Für die Betreuung, Koordinierung und Kontrolle der Umsetzung des Bewirtschaftungserlasses ist die untere Naturschutzbehörde verantwortlich. Die Durchsetzung der einzelnen Erhaltungsmaßnahmen beziehungsweise deren Berücksichtigung im Vollzug obliegt der jeweilig zuständigen Fachbehörde, die hierüber die untere Naturschutzbehörde auf Anforderung informiert.
7 In-Kraft-Treten
Dieser Erlass tritt am Tage seiner Veröffentlichung im Amtsblatt für Brandenburg in Kraft.