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Allgemeine Weisung im Aufenthaltsrecht Nr. 2020.08, Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende und an deren Familienangehörige nach § 25a AufenthG (AW-AuslR Nr. 2020.08)

Allgemeine Weisung im Aufenthaltsrecht Nr. 2020.08, Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende und an deren Familienangehörige nach § 25a AufenthG (AW-AuslR Nr. 2020.08)
vom 7. Dezember 2020

Allgemeine Weisung Nr. 08/2020

Aufenthaltsrecht;
Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende und an deren Familienangehörige nach § 25a AufenthG

Allgemeine Weisung Nr. 08/2019 vom 13.09.2019; Az.: 21-802-20

Die Überarbeitung der Allgemeinen Weisung Nr. 08/2019 vom 13.09.2019 zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende und an deren Familienangehörige nach § 25a AufenthG ist erforderlich geworden, da nunmehr die vom BVerwG im Urteil vom 18.12.2019 (1 C 34.18) vertretenen und von der bisherigen Rechtsprechung abweichenden Auffassungen zu beachten sind. Gleichzeitig wurden zwischenzeitlich aufgetretene praktische Probleme in die Anwendungshinweise mit einbezogen.

§ 25a AufenthG sieht die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an langjährig geduldete und gut integrierte ausländische Jugendliche und Heranwachsende vor. Damit wird ihnen bei erbrachten eigenen Integrationsleistungen, insbesondere bei erfolgreichem Schulbesuch oder einem anerkannten Schul- oder Berufsabschluss, und bei einer positiven Integrationsprognose (in wirtschaftlicher, sozialer und rechtlicher Hinsicht) eine von den Eltern unabhängige eigene gesicherte Aufenthaltsperspektive eröffnet und ihnen so die weitere Integration in Deutschland ermöglicht.

Die Eltern eines begünstigten minderjährigen Jugendlichen können ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht erhalten, wenn sie durch eigenständige Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt der Familie sichern können. Den mit den Eltern in einer familiären Lebensgemeinschaft lebenden minderjährigen Geschwistern der Jugendlichen/Heranwachsenden kann ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Den Ehegatten, Lebenspartnern und minderjährigen Kindern, die in familiärer Lebensgemeinschaft mit dem nach § 25a Abs. 1 AufenthG Begünstigten leben, soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.

Damit der integrationspolitischen Zielstellung des § 25a AufenthG beim Vollzug möglichst weitgehend Rechnung getragen wird, gebe ich hiermit die folgenden Hinweise zur Anwendung der Vorschrift:

1. Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende

1.1 Nach § 25a Abs. 1 AufenthG soll (Regelfall) geduldeten ausländischen Jugendlichen (ab 14 Jahren) und Heranwachsenden (ab 18, aber noch nicht 21 Jahren), die einen Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres stellen, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Minderjährige müssen bei der Antragstellung von den Eltern bzw. dem Personensorgeberechtigten oder gesetzlichen Vertreter vertreten werden.

Anträge von gut integrierten Kindern unter 14 Jahren können nicht nach § 25a Abs. 1 AufenthG berücksichtigt werden. Sie teilen grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Eltern, denen in der Regel auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht (Hailbronner Kommentar, § 25a AufenthG, Rd-Nr. 6, BVerwG vom 26.10.2010, 1 C 18.09).

1.2 Wenn alle Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 AufenthG vorliegen, kommt eine Versagung der Titelerteilung nur im Ausnahmefall bei atypischen Sachverhalten in Betracht. Ein Ausnahmefall, bei dem das nach § 25a Abs. 1 AufenthG eröffnete Ermessen zu Lasten des Ausländers auszuüben wäre, liegt z. B. vor, solange er minderjährig ist und ein Ausweisungsinteresse nach § 54 AufenthG bei beiden Eltern oder einem allein personensorgeberechtigten Elternteil der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder einer Duldung nach § 60a Abs. 2b AufenthG an beide Eltern oder den allein sorgeberechtigten Elternteil entgegenstehen. Sollte in einem solchen Einzelfall die Personensorge übertragen worden sein, ist eine Titelerteilung nach § 25a AufenthG zu prüfen.

1.3 Ausländische Personen, die bei der Antragstellung bereits das 21. Lebensjahr vollendet haben (§ 187 Abs. 2 S. 2 BGB), können keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG erhalten (auch wenn alle übrigen Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 AufenthG erfüllt sein sollten). Bei diesen Personen kann jedoch bei besonderen Umständen im Einzelfall nach Art. 2 Abs. 1 GG, ggf. auch Art. 6 Abs. 1 GG, bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK wegen des Schutzes des Privatlebens, ggf. auch des Familienlebens, und eingetretener Verwurzelung in Deutschland ein rechtliches Ausreisehindernis bestehen und eine (weitere) Duldung nach § 60a AufenthG oder eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 oder § 25b AufenthG in Betracht kommen (vgl. insbes. VGH BW vom 13.12.2010 – 11 S 2359/10; Brem. OVG vom 22.11.2010 – 1 A 383/09).

1.4 Noch nicht abschließend beschiedene Anträge auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach anderen Vorschriften des Kapitels 2 Abschnitt 5 des AufenthG (aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen) sind, wenn sie dafür in Betracht kommen, auch ohne neuen Antrag als Anträge nach § 25a AufenthG zu werten (BVerwG vom 14.05.2013 – 1 C 17.12). Die Ausländerbehörden haben bei potenziell begünstigten Personen auf eine sachdienliche Antragstellung nach § 25a AufenthG hinzuwirken (§ 82 Abs. 3 AufenthG) und dies aktenkundig zu machen.

1.5 Im Zeitpunkt der Beantragung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG oder spätestens im Zeitpunkt der Entscheidung über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (BVerwG vom 18.12.2019 - 1 C 34.18) muss der Aufenthalt des Ausländers nach § 60a AufenthG geduldet sein oder ein Rechtsanspruch auf eine Duldung vorliegen (siehe auch allgemeine Anwendungshinweise des BMI zur Duldungserteilung nach § 60a AufenthG in der aktuellen Fassung).

1.5.1 Ein Rechtsanspruch auf Duldung liegt vor, wenn die Abschiebung im Sinne von § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Da die Behörde bei Vorliegen dieser Voraussetzungen verpflichtet ist, dem Ausländer eine Duldung von Amts wegen zu erteilen, kann es diesem nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie dieser Pflicht im Einzelfall trotz Vorliegens der Voraussetzungen nicht nachkommt und den Aufenthalt lediglich faktisch duldet (BVerwG vom 18.12.2019 – 1 C 34.18).

1.5.2. Nach den Ausführungen des BVerwG vom 18.12.2019 bedarf es im Falle einer ausdrücklich erteilten Duldung nicht zusätzlich eines materiellen Duldungsanspruchs. Eine ausdrücklich erteilte Duldung wäre auch im Falle der Rechtswidrigkeit zu beachten, solange sie weder nichtig, noch zurückgenommen oder nach § 60a Abs. 5 S. 2 AufenthG widerrufen wurde.

1.5.3 § 25a Abs. 1 AufenthG differenziert nicht nach dem Duldungsgrund. Daher genügt für die Eigenschaft als geduldeter Ausländer im Sinne des § 25a AufenthG (analog zu den Ausführungen des BVerwG vom 18.12.2019 zum geduldeten Aufenthalt im Sinne des § 25b AufenthG) auch der Besitz einer reinen Verfahrensduldung.

Zwar folgt entsprechend des OVG Lüneburg vom 22.08.2017 (13 ME 213/17) allein daraus, dass der Ausländer einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geltend macht und diesen im Bundesgebiet durchsetzen will, grundsätzlich kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, dem durch Aussetzung der Abschiebung für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens Rechnung zu tragen ist. Ein verfahrensbezogenes Bleiberecht in Form einer Erlaubnis-, Duldungs- oder Fortgeltungsfiktion hat der Bundesgesetzgeber vielmehr nur für die in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG genannten Fälle bestimmt. Dem in diesen Regelungen zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Anliegen und auch der Gesetzessystematik widerspräche es, wenn ein Ausländer für die Dauer eines jeden (anderen) Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens die Aussetzung der Abschiebung beanspruchen könnte. Eine Ausnahme kann zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG aber etwa dann geboten sein, wenn eine Aussetzung der Abschiebung notwendig ist, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens aufrecht zu erhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zu Gute kommen kann.

Unter Verweis auf diesen Beschluss des OVG Lüneburg vom 22.08.2017 hat das BVerwG zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG weiter ausgeführt, dass je besser insoweit die Erfolgsaussichten (auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b bzw. analog nach § 25a AufenthG) sind, desto eher werden die Voraussetzungen für eine Verfahrensduldung nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG (effektiver Rechtsschutz als rechtliches Abschiebungshindernis) oder zumindest nach § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG (Ermessensduldung) erfüllt sein (BverwG vom 18.12.2019 – 1 C 34.18, OVG Lüneburg vom 22.08.2017 – 13 ME 213/17).  

1.5.4 Jedoch ist es (eigentlich) nicht Zweck eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens, das dem Erlass bzw. der Überprüfung einer Entscheidung dient, die Voraussetzungen für eine positive Entscheidung erst herbeizuführen. Derartige Folgen können vermieden werden, indem eine Verfahrensduldung nur dann erteilt wird, wenn die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2 Satz 1, Satz 2 oder Satz 3 AufenthG vorliegen. Es genügt nicht, wenn ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG beantragt hat, die nach § 25a Abs. 1 AufenthG erforderlichen Voraussetzungen offensichtlich noch nicht erfüllt. In diesem Fall ist der Antrag zügig abzulehnen und es sind erforderlichenfalls aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten, ohne dass eine Verfahrensduldung erteilt wird (BVerwG vom 18.12.2019 – 1 C 34.18, VGH Mannheim vom 03.06.2020 – 11 S 427/20 zur Anwendbarkeit auf § 25a AufenthG).

1.5.5 Nach einer ablehnenden Entscheidung im Verwaltungsverfahren ist es im gerichtlichen Verfahren Sache des betroffenen Ausländers, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu stellen, wenn er die Voraussetzungen des § 25a AufenthG für gegeben hält. Eine Verfahrensduldung wird dann nur aufgrund gerichtlicher Anordnung erteilt.  

1.5.6 Eine Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG sowie eine Beschäftigungsduldung nach § 60d AufenthG sind Duldungen i. S. d. § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG und fallen unter den Duldungsbegriff im Sinne des § 25a Abs. 1 Nr. 1 AufenthG.

Der Inhaber einer Duldung mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ (§ 60b AufenthG) hat das Abschiebungshindernis selbst herbeigeführt und zumutbare Handlungen zur Erfüllung der Passbeschaffung unterlassen. Mangels geklärter Identität (siehe auch Ziffer 1.13 und 6.5) kann eine Duldung mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ in der Regel nicht zu einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 Nr. 1 AufenthG führen.

Eine Grenzübertrittsbescheinigung (GÜB) genügt nicht. Die GÜB steht einer Duldung nicht gleich, selbst wenn die GÜB im Einzelfall mehrfach erteilt wurde (OVG B-BB vom 11.06.2019 – OVG 11 S 37.19). Etwas anderes gilt nur, wenn neben der GÜB ein Duldungsanspruch vorliegt.

Ebenso wenig genügt für den Duldungsstatus die Festsetzung einer Ausreisefrist. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 S. 1 AufenthG und ist vor Abschiebungsandrohung zwingend gesetzlich erforderlich. Damit wird aber weder eine materiell-rechtliche Duldung noch eine Verfahrensduldung erteilt, sondern eine aufenthaltsbeendende Maßnahme eingeleitet (HTK-AuslR, § 25a Abs. 1 AufenthG, Rd-Nr. 53).

1.5.7 Personen mit einer aktuellen Aufenthaltsgestattung oder einer Aufenthaltserlaubnis sind vom Anwendungsbereich des § 25a AufenthG ausgeschlossen (BeckOK MigR, § 25a AufenthG, RdNr.6, OVG B-BB vom 15.03.2019 – OVG 11 M 4.19). Dies gilt ebenso für Personen mit einem rechtmäßigen Aufenthalt ohne Aufenthaltstitel, mit einer aktuellen Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG (OVG B-BB vom 15.03.2019 – OVG 11 M 4.19) oder in Fällen, in denen die Erlaubnisfiktion kraft Gesetzes vorgesehen ist (§ 25 Abs. 1 S. 3, § 25 Abs. 2 S. 2 AufenthG).

Während eines Aufenthalts zu Studienzwecken ist ein Wechsel des Aufenthaltszwecks hin zu einem humanitären Aufenthalt nach § 16b Abs. 4 S. 1 AufenthG grundsätzlich ausgeschlossen (OVG Lüneburg vom 27.05.2020 – 13 ME 151/20).

1.5.8 Eine Zusicherung der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung zum Zwecke der Durchführung des Aufenthaltserlaubnisverfahrens nach § 25a AufenthG bei Rücknahme des Asylantrags bzw. der Asylklage wird nach Befassung im Rahmen der Ausländerreferentenbesprechung des Bundes und der Länder grundsätzlich abgelehnt, da § 25a AufenthG nach dem Willen des Gesetzgebers geschaffen wurde, um die Rechtsstellung derjenigen zu stärken, die auch ohne rechtmäßigen Aufenthalt anerkennenswerte Integrationsleistungen erbracht haben (auch wenn Zeiten der Aufenthaltsgestattung oder Aufenthaltserlaubnis angerechnet werden können). Dies gilt schon nach dem Wortlaut des Gesetzestextes (nur) für geduldete, also ausreisepflichtige Jugendliche/Heranwachsende, die das Abschiebungshindernis nicht zu vertreten haben und während der letzten vier Jahre nachhaltige Integrationsleistungen erbracht haben.

Eine so großzügige Öffnung des Anwendungsbereiches würde zu einer Umgehung des Asylverfahrens führen und könnte unerwünschte Anreize für die Zuwanderung setzen. Außerdem wäre bei einer solchen Fallkonstellation die Schutzberechtigung im Asylverfahren nicht gerichtlich festgestellt und die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25a AufenthG würden in zeitlicher Hinsicht nur durch Zeitablauf im Asyl(klage)verfahren geschaffen werden. Dies ist nicht im Sinne der Regelung des § 25a AufenthG.

Jedoch ist nicht jede Rücknahme des Asylantrags oder der -klage von vornherein als rechtsmissbräuchlich anzusehen und dementsprechend nicht grundsätzlich in negativer Hinsicht in die Ermessensentscheidung mit einzubeziehen. Sofern nach der Rücknahme des Asylantrags oder der -klage alle Voraussetzungen nach § 25a AufenthG (einschl. eines bereits bestehenden Duldungsgrundes bzw. Duldungsanspruchs und geklärter Identität/Passpflicht) erfüllt sind und kein atypischer Sachverhalt vorliegt, soll (ebenfalls) ein Aufenthaltstitel nach § 25a AufenthG erteilt werden.

In diesem Zusammenhang wird ausdrücklich auf die Ziffern 1.5.3 und 1.5.4 hingewiesen, wonach eine Verfahrensduldung nicht in jedem Fall zu erteilen ist.

1.5.9 Ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG, der während eines laufenden Asylverfahrens und während Zeiten einer Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 S. 1 AsylG gestellt wird, löst die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG nicht aus. Der Eintritt einer Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG wird durch die speziellen asylrechtlichen Bestimmungen von § 55 Abs. 2 und § 43 Abs. 2 S. 2 AsylG eingeschränkt bzw. verdrängt (VGH Mannheim vom 03.06.2020 – 11 S 427/20).

Eine entsprechende Anwendung der Regelung des § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (die nur im Falle eines vorherigen rechtmäßigen titelfreien Aufenthalts greift) scheidet für Fälle der verspäteten Antragstellung nach Ablauf oder Erlöschen eines Aufenthaltstitels aus, da die Antragstellung bei bereits bestehendem Aufenthaltstitel (nur) in § 81 Abs. 4 AufenthG geregelt ist. Ein erst nach Erlöschen des Aufenthaltstitels und damit verspätet gestellter Verlängerungsantrag löst grundsätzlich keine Fiktionswirkung aus (OVG Magdeburg vom 11.12.2019 – 2 M 130/19, BVerwG vom 22.06.2011 – 1 C 5.10).

Wird nach der ablehnenden Entscheidung der Ausländerbehörde über einen Verlängerungsantrag ein weiterer Antrag auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt, kann dieser weitere Antrag eine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG nicht auslösen (OVG Magdeburg vom 03.06.2020 – 2 M 35/20). 

1.6 Der Aufenthalt im Sinne von § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG ist als ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet anzusehen, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung durchgängig seit vier Jahren der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, einer Duldung (oder eines Duldungsanspruchs) oder einer Aufenthaltsgestattung nachgewiesen wird.

1.6.1 Anrechenbar sind alle ununterbrochenen Voraufenthaltszeiten, in denen sich der Jugendliche/Heranwachsende in asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Verfahren, d. h. geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Auf den nach § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG erforderlichen vierjährigen ununterbrochenen Aufenthalt sind Zeiten eines erlaubnisfreien Aufenthalts (§§ 15 ff. AufenthV) anrechenbar. Auch Zeiträume, in denen dem Ausländer eine Duldung zwar nicht förmlich erteilt wurde, er aber einen Anspruch auf Duldungserteilung hatte oder in denen er zwar keinen Aufenthaltstitel, aber einen Rechtsanspruch auf einen Aufenthaltstitel gehabt hatte, sind grundsätzlich anzurechnen. Dementsprechend kann auch dann, wenn eine Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen wurde, der von ihr umfasste Zeitraum jedenfalls insoweit rückwirkend als geduldet i. S. v. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 berücksichtigt werden, als während dieses Zeitraums ein Anspruch auf Duldung bestand (Bergmann/Dienelt/Wunderle/Röcker, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 25a Rn. 11).

Zeiten einer früheren Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BüMA) bzw. des Ankunftsnachweises (AKN) sind als Zeiten des gestatteten Aufenthalts i. S. d. § 55 AsylG anzurechnen, es sei denn, es wird in der Folge kein Asylantrag gestellt.

Bei einem vorherigen rechtmäßigen Aufenthalt sind Fiktionszeiten nach § 81 Abs. 3 und Abs. 4 AufenthG anrechenbar, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens (BverwG vom 18.12.2019 – 1 C 34.18).

Ferner sind Zeiten zu berücksichtigen, in denen der Jugendliche/Heran-wachsende (nach Beendigung der Fortgeltungsfiktion) beim Verwaltungsgericht um die Verlängerung einer zuvor innegehabten Aufenthaltserlaubnis streitet, soweit ihm vorläufiger Rechtschutz gewährt worden ist (BeckOK MigR, § 25a AufenthG, RdNr. 19).

1.6.2 Zeiten mit einer Grenzübertrittsbescheinigung (GÜB) sind nicht anrechenbar, denn mit der Ausstellung einer GÜB bringt die Ausländerbehörde zum Ausdruck, dass sie einen Ausländer für vollziehbar ausreisepflichtig hält und die Ausländerbehörde beabsichtigt, die Ausreisepflicht auch zu vollstrecken (OVG B-BB vom 04.03.2020 – 6 S 10/20 bzw. 6 M 14/20)   Dies gilt nicht, wenn in dieser Zeit ein anderweitiger Duldungsanspruch bestand.

Ausreisefristen i. S. d. § 59 Abs. 1 S. 1 AufenthG sind ebenfalls nicht anrechenbar.

1.6.3 Grundsätzlich erlischt eine Duldung gem. § 60a Abs. 5 S. 1 AufenthG mit der Ausreise. Jedoch können durch die Ausländerbehörde erlaubte kurzfristige Unterbrechungen des erforderlichen ununterbrochenen Aufenthalts im Ausland, die erkennbar nicht auf die Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts oder Lebensmittelpunktes im Bundesgebiet gerichtet sind, ausnahmsweise unschädlich sein (OVG Lüneburg vom 21.02.2018 – 13 ME 56/18).

1.6.4 Bei einer Abschiebung oder freiwilligen Ausreise in Erfüllung einer rechtmäßig begründeten Ausreisepflicht ist grundsätzlich von einer Aufgabe des Lebensmittelpunktes auszugehen (Beck OK MigR, § 25a AufenthG, RdNr. 15, OVG Lüneburg vom 21.02.2018 – 13 ME 56/18).

Minderjährige Kinder können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Ausreise sei durch ihre Eltern bestimmt und daher nicht von ihnen zu vertreten. Auf ein solches Vertretenmüssen kommt es nach § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG nicht an (HTK-AuslR, § 25a Abs. 1 AufenthG, Rd-Nr. 81).

1.6.5 Die nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/4097, S. 43) zu § 25b AufenthG unschädliche kurzfristige Unterbrechung der Mindestaufenthaltsdauer von bis zu drei Monaten (bei einem Auslandsaufenthalt) ist bereits angesichts der nicht vergleichbaren erforderlichen Mindestaufenthaltsdauer auf § 25a AufenthG nicht übertragbar.

1.6.6 Kurzzeitige Unterbrechungen von wenigen Tagen, die den Inlandsaufenthalt unberührt lassen, sind als lediglich minimale Unterbrechungen wegen ihres Bagatellcharakters als unschädlich anzusehen und begründen insoweit keine schädliche Unterbrechung (BVerwG vom 18.12.2019 - 1 C 34.18).

1.6.7 § 85 AufenthG findet auf Duldungsunterbrechungen keine Anwendung (analog zum BVerwG vom 18.12.2019 - 1 C 34.18).

Bei Unterbrechungen in Zeiten des Besitzes eines Aufenthaltstitels gilt dem Grunde nach § 85 AufenthG; jedoch ist bei § 25a AufenthG insbesondere die Ziffer 85.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des BMI zum AufenthG (AVV) zu beachten (entsprechend zum in Ziffer 85.1 AVV genannten § 104b AufenthG).

1.6.8 Ein durch Untertauchen bewirkter illegaler Aufenthalt stellt eine schädliche Unterbrechung dar.

Bei einer schädlichen Unterbrechung können die Voraufenthaltszeiten nicht mehr berücksichtigt werden, die Frist des vierjährigen ununterbrochenen Aufenthalts beginnt erneut.

1.6.9 Zeiten einer Duldung mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ (§ 60b i. V. m. § 60a AufenthG) werden nicht als Voraufenthaltszeiten angerechnet, selbst wenn die Verletzung der Mitwirkungspflicht gem. § 60b Abs. 4 AufenthG nachträglich geheilt wird.

Diese Duldungszeiten führen nicht zu einer Unterbrechung der Inhaberschaft einer Duldung, sondern nur zu einer Nichtzählung dieser Duldungszeit.

1.6.10 Bei unbegleitet minderjährigen Ausländern (UMA) gelten die Verfahrenshinweise der Information Nr. 56/2015 vom 01.12.2015. Gem. Ziffer 4 der Information gilt für UMA i. d. R. ein Abschiebungsverbot. Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist dem UMA bis zum Abschluss des Clearingverfahrens eine Duldung nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG (andernfalls nach Satz 2) zu erteilen. Ein solcher materiell-rechtlicher Anspruch auf eine Duldung ist bei der Vier-Jahres-Frist des § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG anzurechnen, auch wenn keine Duldungsbescheinigung i. S. v. § 60a Abs. 4 AufenthG ausgehändigt wurde.

1.7 Als anerkannte schulische oder berufliche Bildungsabschlüsse sind die Abschlüsse der allgemeinbildenden Schulen, der berufsbildenden Schulen, der Berufsfachschulen (einschließlich des Berufsgrundbildungsgangs - BFS-G-Plus) sowie sonstiger öffentlicher oder staatlich anerkannter Schulen sowie der Abschluss einer betrieblichen oder außerbetrieblichen Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf anzusehen.

Zweckgebundene Ausbildungsaufenthalte, wie z. B. der Besuch einer Sprach- oder Musikschule oder Volkshochschule zählen nicht dazu (HTK-AuslR, § 25a Abs. 1 AufenthG, Rd-Nr. 86).

1.8 Ein erfolgreicher Schulbesuch im Sinne von § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG liegt vor, wenn zu erwarten ist, dass der Schüler die Schule mindestens mit einem Hauptschulabschluss (Berufsbildungsreife) beenden wird. Maßgeblich für die Prognose sind die bisherigen schulischen Leistungen, die Regelmäßigkeit des Schulbesuchs, die Versetzung in die nächste Jahrgangsstufe sowie das Arbeits- und Sozialverhalten (vgl. OVG Magdeburg vom 17.10.2016 – 2 M 73/16, NdsOVG vom 19.03.2012 - 8 LB 5/11).

Im Rahmen der erforderlichen Prognose kann neben den Zeugnissen auch eine Beurteilung durch die Schule eingeholt oder deren Vorlage verlangt werden.

Bei Schülern einer Förderschule, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung die o.g. schulischen Voraussetzungen nicht erfüllen können, ist in entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG von diesen Voraussetzungen abzusehen. 

Das Regelerfordernis des vierjährigen (erfolgreichen) Schulbesuchs muss grundsätzlich erfüllt sein. Mit dem Zusatz „in der Regel“ kann jedoch Härtefällen oder atypischen Konstellationen, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, Rechnung getragen werden (HTK-AuslR, § 25a Abs. 1 AufenthG, Rd-Nr. 84).

Die einmalige Wiederholung einer Klassenstufe kann unschädlich sein, wenn dies im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles durch andere, positive Umstände im Einzelfall kompensiert werden kann und aktuell von einem erfolgreichen Schulabschluss auszugehen ist, wobei dann der zu betrachtende Zeitraum auf fünf Schuljahre auszuweiten ist (HTK-AuslR, § 25a Abs. 1 AufenthG, Rd-Nr. 90, VGH Mannheim vom 03.06.2020 – 11 S 427/20).

1.9 Nach § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG muss der Antrag auf Ersterteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt müssen alle wesentlichen Erteilungsvoraussetzungen (insbesondere Nr. 1 und Nr. 2) vorliegen, selbst wenn eine behördliche Entscheidung erst später erfolgt.

1.10 Es muss im Sinne von § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG gewährleistet erscheinen, dass der ausländische Jugendliche oder Heranwachsende sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann.

Dafür muss eine dauerhafte vollständige Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse sowohl in wirtschaftlicher und sozialer als auch rechtlicher Hinsicht zu erwarten sein. Ob eine derartige positive Integrationsprognose gestellt werden kann, ist im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände des Einzelfalles festzustellen. Dabei sind insbesondere die Dauer des Aufenthalts, Kenntnisse der deutschen Sprache, enge persönliche Beziehungen zu dritten Personen außerhalb der eigenen Familie, Schul- und ggf. Berufsausbildungsabschlüsse und die Einstellung zur Rechtsordnung zu berücksichtigen.

1.10.1 Erheblich unentschuldigte Fehlzeiten beim Schulbesuch, während der Ausbildung oder Erwerbstätigkeit sprechen gegen eine positive Integrationsprognose, ebenso erfolglos abgebrochene Ausbildungen. Eine längere Zeit der Erwerbslosigkeit nach dem Schul- bzw. Berufsausbildungsabschluss, die über die übliche Zeit für die Suche eines Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatzes hinausgeht und für die es keine persönlichen Entschuldigungsgründe wie Krankheit o. ä. gibt, steht einer positiven Integrationsprognose regelmäßig entgegen.

1.10.2 Für eine positive Integrationsprognose kommt der beruflichen Ausbildung eine besondere Bedeutung zu (VGH München vom 26.04.2019 – 10 ZB 19.290).

Konnte eine Berufsausbildung oder eine Erwerbstätigkeit jedoch aus Rechtsgründen nachweislich nicht begonnen werden, darf dies dem Ausländer nicht entgegengehalten werden. Sollte im Einzelfall ein ausländischer Jugendlicher oder Heranwachsender nach dem Schulbesuch einen Integrationskurs oder einen Deutschkurs für Flüchtlinge (Landesprogramm) besuchen, ist dies unschädlich.

1.10.3 Insbesondere die in § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG genannte Integrationsfähigkeit betrifft den persönlichen Lebensbereich des Jugendlichen/Heranwachsenden und ist ohne seine Mitwirkung von Amts wegen nicht ermittelbar bzw. aufklärbar. Er hat daher alle Tatsachen vorzutragen und nachzuweisen, damit die Ausländerbehörde seine Integrationsfähigkeit beurteilen kann. Kommt er dieser Mitwirkungspflicht nach § 82 Abs. 1 S. 1 AufenthG nicht nach, sei es durch persönliche Vorsprache/persönliches Erscheinen und/oder Vorlage entsprechender Nachweise und Bestätigungen (z.B. Bescheinigung des Arbeitgebers über den Ausbildungsfortschritt und das Verhalten im Betrieb, Bestätigung des Sportvereins etc.), kann eine (positive) Aussage über seine Integrationsfähigkeit nicht getroffen werden und die Erteilungsvoraussetzung gilt als nicht erfüllt (VGH München vom 26.04.2019 – 10 ZB 19.290).

1.11 Straftaten des Jugendlichen oder Heranwachsenden, die mit der Verhängung von Jugendstrafe nach dem Jugendgerichtsgesetz oder Freiheitsstrafe nach Erwachsenenstrafrecht geahndet wurden, lassen - auch bei Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung - deutlich werden, dass er das deutsche Gesellschafts- und Rechtssystem nicht ausreichend anerkennt und stehen daher einer positiven Integrationsprognose entgegen. Bei Straftaten unterhalb dieser Schwelle ist zu bewerten, wie schwer sie wiegen, wie lange sie zurückliegen, ob eine Wiederholungsgefahr besteht und ob sich der Ausländer seitdem erfolgreich um seine Integration bemüht hat, so dass ihnen ggf. zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Aufenthaltserlaubnis weniger Gewicht beizumessen ist und gleichwohl bei einer Gesamtbetrachtung von einer positiven Integrationsprognose ausgegangen werden kann. Nach dem Bundeszentralregistergesetz getilgte strafrechtliche Verurteilungen bleiben außer Betracht.

Im Falle laufender Ermittlungs- bzw. Strafverfahren gilt § 79 Abs. 2 AufenthG.

1.12 Liegen gem. § 25a Abs. 1 S. 1 Nr. 5 AufenthG konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Jugendliche/Heranwachsende sich nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt, z. B. durch eine Mitgliedschaft oder Unterstützung einer verfassungsfeindlichen Organisation oder durch individuelle Handlungen oder Verhaltensweisen (Heilbronner Kommentar AuslR, RdNr. 20 zu § 25a AufenthG), ist die Aufenthaltserlaubnis zwingend zu versagen.

Ein (förmliches) Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung (wie in § 25b AufenthG vorgesehen) wird nicht verlangt.

1.13 Der Versagungsgrund des § 25a Abs. 1 S. 3 AufenthG gilt nur für das eigene Verhalten des Jugendlichen/Heranwachsenden. Wenn die Eltern der Jugendlichen/Heranwachsenden in der Vergangenheit über aufenthaltsrechtlich bedeutsame Umstände getäuscht und hierdurch die Aussetzung der Abschiebung erwirkt haben, ist dieses Verhalten dem Jugendlichen/Heranwachsenden nicht zuzurechnen. Wer jedoch nach Eintritt der Volljährigkeit selbst über aufenthaltsrechtliche Umstände täuscht oder die Täuschung aufrechterhält und dadurch die Abschiebung verzögert oder verhindert, kann keine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Heranwachsende, die es bisher unterlassen haben, ihre Identität zu offenbaren, müssen sich unverzüglich um die Beschaffung von Identitätsdokumenten und einen Pass bemühen und diese unverzüglich der Ausländerbehörde vorlegen. Die Ausländerbehörde hat die von § 25a AufenthG begünstigten Jugendlichen/Heranwachsenden auf ihre nach Eintritt der Volljährigkeit bestehenden ausländerrechtlichen Pflichten hinzuweisen und dies aktenkundig zu machen. Im Einzelfall kann eine Zusicherung der Aufenthaltserlaubnis bei Passvorlage ausgestellt werden, wenn dies die Passbeschaffung erleichtert. Auf Ziffer 6.5 wird verwiesen.

2. Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 S. 1 AufenthG für die Eltern oder einen personensorgeberechtigten Elternteil gut integrierter Jugendlicher

2.1 Den Eltern oder einem personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG besitzt, kann bei Vorlage gültiger Identitätspapiere eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt werden, wenn der Lebensunterhalt der Familie durch Erwerbstätigkeit eigenständig gesichert ist. Dies gilt nicht, wenn die Eltern weiterhin nicht an der Aufklärung ihrer Identität oder Staatsangehörigkeit mitwirken oder aufgrund falscher Angaben oder durch Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit ihre Abschiebung verhindern oder verzögern. In der Vergangenheit liegende Falschangaben oder Täuschungen, die nicht dazu führen, dass die Abschiebung zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung ausgesetzt ist (kein Kausalzusammenhang), sind unbeachtlich.

2.2 Der Jugendliche, von dem das Aufenthaltsrecht abgeleitet wird, muss zum Zeitpunkt der Antragstellung der Eltern noch minderjährig sein und mit den Eltern oder dem personensorgeberechtigten Elternteil in einer familiären Lebensgemeinschaft leben. Für das Erfordernis des Titelbesitzes des Jugendlichen nach § 25a Abs. 1 AufenthG ist eine gleichzeitige Erteilung an den Jugendlichen und die Eltern bzw. den personensorgeberechtigten Elternteil ausreichend.

Sollte eine ausländerrechtliche Entscheidung nicht vor Eintritt der Volljährigkeit des Jugendlichen in Betracht kommen, kann im Hinblick auf das allein schutzwürdige Wohl des Minderjährigen keine Aufenthaltserlaubnis an die Eltern erteilt werden (OVG Berlin-Brandenburg vom 07.05.2014 - 3 N 8.14).

2.3 Das Tatbestandsmerkmal Eltern setzt voraus, dass beide Elternteile im Bundesgebiet leben und ermöglicht es, auch dem nicht personensorgeberechtigten, aber umgangsberechtigten Elternteil, der sich bereits im Bundesgebiet aufhält, eine Aufenthaltserlaubnis zu gewähren, soweit dies im Hinblick auf Art. 6 GG unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8.12.2005 - 2 BvR 1001/04 - verfassungsrechtlich geboten ist. Die Darlegungs- und Beweislast liegt hierbei beim Antragsteller.

Lebt nur ein Elternteil im Bundesgebiet, muss dieser auch das Personensorgerecht haben. Es kommt jedoch in Anlehnung an § 32 Abs. 3 AufenthG nicht (mehr) auf das alleinige Personensorgerecht an (BT-Drs. 18/4097, S. 42).

2.4 Den Eltern oder dem personensorgeberechtigten Elternteil ist es zumutbar, bei der Aufklärung ihrer personenstandsbezogenen Angelegenheiten mitzuwirken und die erforderlichen Dokumente, ggf. unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts, im Heimatland zu besorgen. Die Mitwirkungspflicht kann auch durch ein Unterlassen, z.B. ein Unterlassen der Registrierung von Eheschließungen oder Geburten der Kinder, verletzt werden.

2.5 Der Lebensunterhalt ist eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert, wenn der Lebensunterhalt der in der Bedarfsgemeinschaft zusammenlebenden Kernfamilie ohne Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen sichergestellt ist (vgl. Nr. 2.3 AVwV- AufenthG). Bei der Berechnung ist der Jugendliche ausgenommen, der einen Aufenthaltstitel nach § 25a Abs. 1 AufenthG besitzt und bei dem die Ausnahmeregelung des § 25a Abs. 1 Satz 2 AufenthG angewendet wird. Eine Lebensunterhaltssicherung durch Dritte scheidet aus (Beck OK MigR, § 25a AufenthG, RdNr. 53).

2.6 Erfüllen die Eltern, davon ein Elternteil oder der personensorgeberechtigte Elternteil die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG nicht, soll deren Aufenthalt zur Ausübung der Personensorge bis zur Volljährigkeit des nach § 25a Abs. 1 AufenthG begünstigten Jugendlichen nach § 60a Abs. 2b AufenthG geduldet werden.

Das aufenthaltsrechtliche Fehlverhalten des einen Elternteils kann dem anderen Elternteil in Anwendung des in § 166 Abs. 2 BGB enthaltenen Rechtsgedanken jedoch zugerechnet werden, wenn es mit dessen Einverständnis erfolgt und auch bei ihm die Abschiebung verhindert bzw. verzögert (Beck OK MigR, § 25a AufenthG, RdNr. 55).

3. Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 S. 2 AufenthG für die minderjährigen Geschwister gut integrierter Jugendlicher

§ 25a Abs. 2 Satz 2 AufenthG erfasst alle minderjährigen Kinder, die mit den Eltern (oder dem personensorgeberechtigten Elternteil), die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 Satz 1 AufenthG besitzen, in familiärer Lebensgemeinschaft leben. Es sind also nicht nur die minderjährigen Geschwister des gut integrierten ausländischen Jugendlichen begünstigt, sondern auch weitere, in häuslicher Gemeinschaft lebende minderjährige Kinder der Eltern bzw. des sorgeberechtigten Elternteils.

Wird mangels Vorliegen der Voraussetzungen nach § 25a Abs. 2 AufenthG bei den Eltern eine Duldung nach § 60a Abs. 2b AufenthG geprüft, werden die in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden minderjährigen Kinder in diese Prüfung mit einbezogen.

4. Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 S. 3 und 5 AufenthG für Ehegatten, Lebenspartner und minderjährige Kinder gut integrierter Jugendlicher/Heranwachsender

Ehegatten, eingetragene Lebenspartner und minderjährige Kinder, die mit einem Begünstigten nach § 25a Abs. 1 AufenthG in einer familiären Lebensgemeinschaft leben, soll (Regelfall) gem. § 25a Abs. 2. S. 3 und 5 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.

Die Ausführungen unter 2. zur Aufenthaltserlaubnis an die Eltern oder einen personensorgeberechtigten Elternteil und unter 3. zur Aufenthaltserlaubnis an minderjährige Kinder gelten jeweils entsprechend. Insbesondere muss auch hier der Lebensunterhalt des Ehegatten/Lebenspartners bzw. der familiären Lebensgemeinschaft eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert sein und die Abschiebung darf nicht verhindert oder verzögert werden.

5. Ausschlussgründe nach § 25a Abs. 3 AufenthG

5.1 Ausländer (Eltern und minderjährige Geschwister des nach § 25a Abs. 1 AufenthG begünstigten Jugendlichen sowie Ehegatten, Lebenspartner und minderjährige Kinder gut integrierter Jugendlicher/Heranwachsender), die vorsätzliche Straftaten von erheblichem Gewicht begangen haben, sind von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG ausgeschlossen, wobei nach Absatz 3 Verurteilungen zu Geldstrafen von bis zu 50 Tagessätzen (kumulativ) außer Betracht bleiben. Auch Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz nur von Ausländern begangen werden können, führen nicht zum Ausschluss. Die Geldstrafen sind gesondert zu betrachten, so dass es möglich ist, dass je nach Art der Geldstrafen ggf. insgesamt 140 Tagessätze unbeachtlich sind. Die Tilgungsfristen und das Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 i. V. m. § 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BZRG sowie bei anhängigen Strafermittlungsverfahren oder Strafverfahren die Vorschrift des § 79 Abs. 2 AufenthG sind zu beachten.

5.2 Im Gegensatz zu § 104a Abs. 3 AufenthG sieht § 25a Abs. 2 AufenthG keine wechselseitige Haftung der in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienmitglieder vor, so dass es sein kann, dass ein Elternteil wegen Straftaten keine Aufenthaltserlaubnis erhält, während der nicht straffällig gewordene andere Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis bekommt.

6. Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

6.1 Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthG finden bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG grundsätzlich Anwendung, soweit nicht § 25a AufenthG davon Abweichendes festlegt.

6.2 Ein Abweichen von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG ist gem. § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG im Ermessenswege unter Würdigung der atypischen Umstände des Einzelfalles möglich. Hierbei sind alle für oder gegen eine Aufenthaltslegalisierung sprechenden Umstände umfassend zu würdigen. Die Aufenthaltserlaubnis soll abweichend von § 5 Abs. 2 AufenthG erteilt werden, es ist i. d. R. unschädlich, wenn der Ausländer ohne erforderliches Visum eingereist ist.

6.3 Solange sich der Jugendliche oder Heranwachsende in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung (einschließlich eines Studiums an einer Hochschule oder einer vergleichbaren Ausbildungseinrichtung) befindet, schließt die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht aus. Im Übrigen ist bei Bezug von Leistungen nach dem BAföG, dem Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsförderung (AFBG) und nach dem SGB III, Viertes Kapitel, Fünfter Abschnitt (Förderung der Berufsausbildung) der Lebensunterhalt gesichert.

Ein Integrationskurs ist keine schulische oder berufliche Ausbildung im Sinne des § 25a Abs. 1 S. 2 AufenthG ((HTK-AuslR, § 25a Abs. 1 AufenthG, Rd-Nr. 25).

Ist die Schul-/Berufs- oder Hochschulausbildung abgeschlossen, setzt dies auch die vollständige Lebensunterhaltssicherung nach den allgemeinen Maßstäben voraus, wobei ein Absehen von dieser Regelerteilungsvoraussetzung im Ermessenswege ausgeschlossen sein dürfte (OVG Berlin-Brandenburg vom 26.07.2018 - OVG 6 S 20.18, OVG 6 M 35.18).

6.4 Die Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil haben ebenfalls die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu erfüllen. Dies gilt neben der vollständigen Sicherung des Lebensunterhalts aus eigener Erwerbstätigkeit auch für die Klärung der Identität und die Erfüllung der Passpflicht nach § 3 AufenthG für sich selbst und weitere minderjährige Kinder.

6.5 Es besteht grundsätzlich ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Identifizierung eines Ausländers vor der Legalisierung seines Aufenthalts und an der Erfüllung diesbezüglicher Mitwirkungspflichten (BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 – 1 C 17.12). Daher müssen die Identität und die Staatsangehörigkeit grundsätzlich geklärt sein, damit eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erteilt werden kann. Dies gilt ebenfalls für minderjährige Jugendliche, auch wenn ihnen das Verhalten der Eltern nicht angelastet werden kann.

Auch die Passpflicht nach § 3 AufenthG muss bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG grundsätzlich erfüllt werden (BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 – 1 C 17.12). Dies hat in der Regel durch Vorlage eines anerkannten gültigen Nationalpasses zu erfolgen. In den Fällen, in denen die Identität durch Vorlage geeigneter Dokumente (wie z. B. Personenstandsurkunden, Registerauszüge, Staatsangehörigkeitsurkunden oder weitere Ausweisdokumente (z. B. Führerscheine oder ID-Karten), die vorzugsweise über ein Lichtbild verfügen und/oder mit denen eine Unterschriftsprobe abgeglichen werden kann), geklärt ist, aber es nicht möglich ist, in zumutbarer Weise einen Pass zu beschaffen, weil beispielsweise hierfür eine Ausbildung unterbrochen werden müsste, kann bis zum Wegfall dieser Hindernisse die Aufenthaltserlaubnis als Ausweisersatz nach § 48 Abs. 2 AufenthG erteilt werden. Der Ausländer ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Wegfall der Hindernisse die Passpflicht durch Vorlage eines Nationalpasses zu erfüllen ist. Der Hinweis ist aktenkundig zu machen. Wird die Passpflicht trotz vorheriger Belehrung nach dem Wegfall der Hindernisse nicht erfüllt, ist die weitere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG grundsätzlich zu versagen.

6.6 Im Unterschied zum zwingenden Versagungsgrund des § 25a Abs. 1 S. 3 bzw. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG (Ziffern 1.13 und 2.1) können in der Vergangenheit begangene, nicht fortwirkende eigene falsche oder unvollständige Angaben, Täuschungshandlungen oder Mitwirkungspflichtverletzungen unter Umständen ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse i. S. d. § 54 Abs. 2 Nr. 8 oder 9 AufenthG erfüllen, das im Rahmen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu prüfen ist. Möglicherweise können sie auch einen Ausnahmefall begründen, bei dem die regelmäßig vorgegebene Rechtsfolge („soll“) zu einer „kann“-Ermessenregelung herabgestuft ist (BVerwG vom 18.12.2019 - 1 C 34.18). Auf Ziffer 6.2 Satz 1 wird verwiesen.

Zurückliegende Identitätstäuschungen stehen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis dann entgegen, wenn die Täuschungshandlung nach ihrer Art oder Dauer so bedeutsam ist, dass sie das Gewicht der Integrationsleistungen für die hier maßgebliche Integration beseitigen.

6.7 Sämtliche Aufenthaltserlaubnisse nach § 25a AufenthG können gem. § 25a Abs. 4 AufenthG abweichend von § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG (auch bei offensichtlich unbegründeten Asylanträgen) erteilt werden. Bei Erfüllung des Tatbestandes des § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG reduziert sich – bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen des § 25a AufenthG – das gebundene Ermessen („soll“) ebenfalls auf eine „kann”-Ermessensregelung.

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

6.8 Befindet sich der Antragsteller im Asylverfahren, gilt die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 1 AufenthG bis zum bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens, mit der Folge, dass der beantragte Aufenthaltstitel nach § 25a AufenthG mangels eines gesetzlichen Anspruchs (nur Soll-Vorschrift) nicht erteilt werden kann.

7. Ermessen

Liegen die Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 bzw. Abs. 2 S. 3 und 5 AufenthG vor, soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Dies stellt den Regelfall dar, so dass nur in Ausnahmefällen (z. B. wenn ein Ausweisungsinteresse nach § 54 AufenthG vorliegt oder wenn eine Verfahrensduldung im Rahmen eines HFK-Verfahrens über mehr als ein halbes Jahr erteilt wurde und erst so die erforderliche Mindestaufenthaltszeit erfüllt wird) von der Titelerteilung abzusehen ist.

Im Rahmen der Ermessensprüfung sind die bisherigen Integrationsleistungen des Jugendlichen/Heranwachsenden und alle weiteren für und gegen eine Aufenthaltslegalisierung sprechenden Umstände im Zusammenhang mit der erforderlichen Integrationsprognose zu berücksichtigen und zu gewichten. Dies gilt gleichermaßen für das der Ausländerbehörde nach § 25a Abs. 1 AufenthG selbst bei Vorliegen sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen verbleibende (Rest-)Ermessen (BVerwG vom 14.05.2013 – 1 C 17.12).

Bei Familienangehörigen nach Abs. 2 S. 1 und 2 AufenthG entscheidet die Ausländerbehörde über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Ermessen. Es bedarf somit einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände des Einzelfalles. Angesichts der Zielsetzung des Gesetzgebers soll das Erteilungsermessen bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25a Abs. 2 S. 1 und 2 AufenthG regelmäßig zugunsten der Antragsteller ausgeübt werden. Dies gilt vor allem im Hinblick auf den nach Abs. 1 begünstigten Minderjährigen.

8. Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse nach § 25a Abs. 1 und 2 AufenthG, Aufenthaltsverfestigung, Familiennachzug

8.1 Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG soll unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles regelmäßig für zwei bis drei Jahre erfolgen. Die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis für die Eltern und minderjährigen Geschwister sowie für die Ehegatten, Lebenspartner und minderjährigen Kinder richtet sich nach der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis des nach Abs. 1 begünstigten Jugendlichen/Heranwachsenden.

8.2 Die Aufenthaltserlaubnisse der gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden können, auch nach Eintritt der Volljährigkeit bzw. nach Vollendung des 21. Lebensjahres, nach § 25a Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 AufenthG verlängert werden, wenn sie sich weiterhin in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden, im Anschluss daran ein Hochschulstudium oder ein Studium an einer vergleichbaren Ausbildungseinrichtung aufgenommen haben bzw. aufnehmen oder eine lebensunterhaltssichernde Erwerbstätigkeit ausüben und die positive Integrationsprognose fortbesteht.

8.3 Die Aufenthaltserlaubnisse der Eltern und deren minderjährigen (anderen) Kinder sowie ggf. der Ehegatten, Lebenspartner und der minderjährigen Kinder der begünstigten Jugendlichen können auch verlängert werden, wenn der nach § 25a Abs. 1 AufenthG begünstigte Jugendliche volljährig geworden ist, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 25a AufenthG sowie die Regelerteilungsvoraussetzungen weiter vorliegen (BT-Drs. 17/5093, S. 16). Die Verlängerung erfolgt unter der Voraussetzung des § 8 Abs. 1 AufenthG. Dabei wird die für die erstmalige Erteilung erforderliche Tatbestandsvoraussetzung „Eltern (bzw. Geschwister) eines minderjährigen Ausländers“ für Verlängerungen gegenstandslos.

8.4 Eine Aufenthaltsverfestigung ist unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 AufenthG möglich. Für vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereiste oder in Deutschland geborene Jugendliche und Heranwachsende kann § 35 AufenthG entsprechend angewendet werden (§ 26 Abs. 4 Satz 4 AufenthG).

8.5 Der Familiennachzug zu Ausländern, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG besitzen, wird im Rahmen des § 29 Abs. 3 S. 1 AufenthG gewährt.

Dagegen ist der Familiennachzug zu Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG besitzen, nach § 29 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ausgeschlossen. Daher sollte bei einer anstehenden Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 2 AufenthG auch geprüft werden, ob auch die Erteilung einer (anderen) Aufenthaltserlaubnis in Betracht kommt, die die Möglichkeit des Familiennachzugs eröffnet.

8.6 § 25a AufenthG ist keine abschließende Sonderregelung für geduldete Jugendliche/Heranwachsende und deren nach Abs. 2 berechtigte Familienangehörige bezüglich des Zugangs zu anderen humanitären Aufenthaltstiteln. Der Zugang zu anderen humanitären Aufenthaltstiteln, die nicht allein auf die Integrationsperspektive abstellen (z. B. § 25 Abs. 5 AufenthG), ist nicht abgeschnitten (Heilbronner Kommentar AuslR, RdNr. 1a zu § 25a AufenthG).

Liegen die Voraussetzungen für eine aufenthaltsrechtsbegründende Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nach § 25a AufenthG nicht vor, ist es jedoch grundsätzlich ausgeschlossen, unter Rückgriff auf das in Art. 8 EMRK allgemein verbürgte Recht auf Achtung des Privatlebens bzw. als sogenannter faktischer Inländer gleichwohl ein Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu gewähren (OVG Lüneburg vom 08.02.2018 – 13 LB 43/17).

Ein Wechsel zu einem anderen Aufenthaltstitel (z.B. zur Erwerbstätigkeit) ist auf Antrag grundsätzlich möglich, wenn die dortigen Voraussetzungen vorliegen.

8.7 Zweifelsfälle sollen mit dem Ministerium des Innern und für Kommunales abgestimmt werden.

9. Inkraft- und Außerkrafttreten

Diese Allgemeine Weisung tritt mit Bekanntgabe in Kraft. Gleichzeitig tritt die Allgemeine Weisung Nr. 08/2019 vom 13.09.2019 außer Kraft.