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Ausführungsbestimmungen zu § 3 Nr. 6, 8 bis 13 der Verordnung über die Zuständigkeiten im Ausländerrecht (Allgemeine Weisung im Ausländerrecht Nr. 2024.02 - AW-AuslR 2024.02)
Ausführungsbestimmungen zu § 3 Nr. 6, 8 bis 13 der Verordnung über die Zuständigkeiten im Ausländerrecht (Allgemeine Weisung im Ausländerrecht Nr. 2024.02 - AW-AuslR 2024.02)
vom 3. Mai 2024
geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 17. Juli 2024
1. Anlass für die Regelung
Mit § 3 Nr. 6, 8 bis 13 der Verordnung über die Zuständigkeiten im Ausländerrecht vom 6. Februar 2024 (AuslRZV) in Verbindung mit § 71 Abs. 1 S. 1, 2 AufenthG wurden zahlreiche ausländerrechtliche Zuständigkeiten auf die Zentrale Ausländerbehörde des Landes Brandenburg (ZABH) übertragen.
Demnach ist die ZABH zuständig für die Vorbereitung und Durchführung von Abschiebungen, für die Abwicklung der freiwilligen Ausreise, für ausländische Personen in Strafhaft, Abschiebungshaft, Ausreisegewahrsam oder in einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung, für Ausweisungen gemäß §§ 53 ff. AufenthG, für die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts gemäß § 6 Abs. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU sowie für sog. Aufgriffsfälle. Die ZABH ist zudem zuständig für die Stellung von gerichtlichen Anträgen, die der Vorbereitung oder Absicherung einer Aufenthaltsbeendigung dienen sowie für den Erlass von Ordnungsverfügungen zur Vorbereitung und Durchsetzung der Ausreisepflicht und die die Identitätsklärung fördern. In allen übrigen aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten bleiben die kommunalen Ausländerbehörden zuständig.
Diese Allgemeine Weisung legt Verfahrensschritte und Abläufe fest, welche notwendig sind, um die Durchführung der Aufgaben zu regeln und eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen der ZABH und den kommunalen Ausländerbehörden zu gewährleisten. Sie gibt darüber hinaus einen Überblick über den für die Aufgabenerledigung relevanten Rechtsrahmen.
2. Zuständigkeit der ZABH für Aufgriffsfälle
Die ZABH ist zuständig für sogenannte Aufgriffsfälle, d.h. für aufgegriffene Ausländer, bei denen die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörden gemäß § 2 Abs. 1 AuslRZV nicht besteht, kurzfristig nicht oder nicht eindeutig festgestellt werden kann oder bekannt ist, aber die zuständige Ausländerbehörde außerhalb der Geschäftszeiten nicht erreicht werden kann, § 3 Nr. 11 AuslRZV. Die Mitteilung eines Aufgriffsfalls ergeht telefonisch an den Bereitschaftsdienst der ZABH bzw. an das folgende Funktionspostfach:
ZABH.Aufgriff@zabh.brandenburg.de
Die Bundespolizei und die Brandenburgischen Hauptzollämter wurden gesondert über die Zuständigkeit der ZABH für Aufgriffsfälle informiert.
3. freiwillige Rückkehr
3.1 Vorrang der freiwilligen Rückkehr
Die freiwillige Rückkehr ausreisepflichtiger Personen, insbesondere von Familien mit minderjährigen Kindern, in ihre Herkunftsländer genießt grundsätzlich Vorrang vor der Abschiebung gemäß § 58 AufenthG. Dazu sind alle erforderlichen rechtlichen, angemessenen finanziellen und zumutbaren organisatorischen Möglichkeiten zu nutzen, um den Ausreisepflichtigen eine wirkungsvolle Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der freiwilligen Ausreise zukommen zu lassen.
Drittstaatsangehörige gelten als freiwillig ausgereist, wenn sie eigenständig und ohne staatliche Zwangsmaßnahmen Deutschland mit der Absicht verlassen, sich in einem anderen Drittstaat außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und anderer Schengen-Staaten dauerhaft niederzulassen. Eine Ausreisepflicht muss nicht vorliegen.
Die freiwillige Rückkehr ausreisepflichtiger Personen hat jedoch grundsätzlich keinen Vorrang, wenn
- die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist (§ 58 Abs. 1 S. 1 AufenthG) oder
- aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint (§ 58 Abs. 1 S. 1 AufenthG).
Die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise nach Ablauf der gesetzlichen Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß §§ 58 Abs. 1 S. 1, 59 AufenthG soll auch dann eingeräumt werden, wenn die ausländische Person glaubhaft macht, dass die freiwillige Ausreise ernsthaft und zeitnah beabsichtigt und auch tatsächlich möglich ist sowie eine bereits konkret geplante Abschiebungsmaßnahme damit nicht verhindert wird. Eine Abschiebungsmaßnahme ist spätestens dann konkret geplant, wenn ein Transportmittel gebucht worden ist.
3.2 Rückkehrberatung
Ausreisepflichtige Personen sind frühestmöglich, spätestens jedoch bei Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht über die Möglichkeiten der freiwilligen Ausreise und die bestehenden Förderprogramme zu informieren, sowie auf die Konsequenzen bei fehlender Ausreisebereitschaft hinzuweisen.
Die Rückkehrberatung wird in der Erstaufnahmeeinrichtung durch Mitarbeitende der ZABH und in den Landkreisen sowie kreisfreien Städten entweder durch die zuständige Ausländerbehörde oder auf deren Wunsch durch die mobile Ausreiseberatung der ZABH oder durch qualifizierte Dritte, wie z.B. Wohlfahrtsorganisationen, durchgeführt. In der Rückkehrberatung der kommunalen Ausländerbehörden steht die Informationsvermittlung über die Möglichkeiten einer geförderten freiwilligen Ausreise sowie die Konsequenzen eines weiteren Verbleibs in Deutschland im Vordergrund. Die Beratung in den Ausländerbehörden konzentriert sich darauf, die einschlägigen Förderprogramme in ihren Grundzügen vorzustellen.
Die Plattform returningfromgermany.de bietet einen umfassenden Überblick über die länderspezifischen Fördermöglichkeiten im Rahmen der Programme REAG/GARP 2.0 und EURP. Änderungen im Landesprogramm werden über Dialog Brandenburg kommuniziert.
Im Rahmen der Rückkehrberatung sollte auf die Leistungseinschränkungen gemäß § 1a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für vollziehbar Ausreisepflichtige hingewiesen werden. Nach Ablauf des festgesetzten Ausreisetermins erhalten sie nur noch die notwendigsten Leistungen, die außerdem nicht als Geldleistung, sondern als Sachleistungen erbracht werden sollen (§ 1a Abs. 1 S. 4 AsylbLG). Die Ausländerbehörden teilen den zuständigen Sozialämtern mit, sobald eine ausreisepflichtige Person den Ausreisetermin nicht wahrgenommen hat und die Ausreise aus Gründen, die die ausreisepflichtige Person zu vertreten hat, nicht stattfinden konnte (§ 90 Abs. 3 AufenthG). Die Mitteilung bezieht sich auf alle bekannten Umstände, welche erheblich sind, damit das Sozialamt eine eigene Einschätzung bezüglich der Leistungskürzung vornehmen kann.
Die ZABH führt Rückkehrberatungen auch in den Haftanstalten durch, um eine freiwillige Ausreise unmittelbar nach Haftende zu ermöglichen.
3.3 Meldung des Ausreiseinteresses
Sobald ein freiwilliges Ausreiseinteresse einer ausländischen Person bekannt wird, informiert die zuständige Ausländerbehörde oder die in ihrem Auftrag die Beratung durchführende Stelle umgehend die ZABH.
Die Mitteilung des Falls beinhaltet die Weiterleitung der AZR-Nummer, die Kontaktinformationen der ausreisewilligen Person und den Ergebnisvermerk zur Beratung (s. u. 2.4.2). Die Informationen sind an das folgende Funktionspostfach zu senden:
ZABH.FreiwilligeAusreise@zabh.brandenburg.de
Auf Anforderung der ZABH sind sämtliche persönlichen Dokumente wie Reisepässe, ID-Karten und Geburtsurkunden unverzüglich durch die Ausländerbehörde bereitzustellen, sofern diese darüber verfügt.
3.4 Abwicklung der freiwilligen Ausreise
Die ZABH übernimmt nach Mitteilung der freiwilligen Ausreisebereitschaft die Abwicklung des gesamten Prozesses der Ausreise. Sie prüft dabei die Voraussetzungen der anwendbaren Programme zur Förderung der freiwilligen Rückkehr, unterstützt die Ausreisewilligen auf deren Wunsch bei der Beantragung von Fördermitteln, stellt das Einvernehmen zur Ausreise mit der Staatsanwaltschaft bei anhängigen Ermittlungsverfahren her, kümmert sich um die Erlangung von gültigen Ausreisedokumenten, bucht die Transportmittel für die Ausreise, zahlt Fördermittel aus, kontrolliert, sofern erforderlich, den Vollzug der Ausreise und nimmt nach erfolgter Ausreise die entsprechende Dokumentation im Ausländerzentralregister (AZR) vor Die Einziehung von Dokumenten (Aufenthaltstitel, Duldung, Aufenthaltsgestattung) und die Erstellung und Ausgabe der Grenzübertrittsbescheinigung (GÜB) erfolgt bei allen freiwilligen Ausreisen durch die ZABH kurz vor der Ausreise. Die zuständige Ausländerbehörde erhält eine Kopie der GÜB und hinterlegt diese als Dokument im AZR. Die ZABH informiert die zuständige Ausländerbehörde über den Vollzug bzw. über das Scheitern der Ausreise. Sofern die freiwillige Ausreise scheitert und der Ausreisepflichtige untertaucht, schreibt die zuständige Ausländerbehörde den Ausreisepflichtigen im AZR zur Fahndung aus.
3.4.1 Personen aus sicheren Herkunftsstaaten
Die Notwendigkeit einer intensiven Rückkehrberatung gilt insbesondere für ausländische Personen, die aus dem Kreis der sicheren Herkunftsstaaten gemäß Anlage II zu § 29a AsylG stammen. Um den Rückkehrwillen dieses Personenkreises ohne flüchtlingsrechtlich relevanten Schutzbedarf zu fördern, soll bereits im Rahmen der Registrierung in der Erstaufnahme auf die Verschärfungen des AsylG, AsylbLG und AufenthG hingewiesen werden. Auf folgende Aspekte ist hierbei insbesondere hinzuweisen:
- Verbleib in der Erstaufnahmeeinrichtung – auch bei Folgeanträgen – bis zum Abschluss des Verfahrens bzw. bis zur Ausreise/Abschiebung (§§ 47 Abs. 1a und 59a AsylG), um eine raschere Beendigung des Aufenthalts aus der Erstaufnahmeeinrichtung heraus zu gewährleisten. Bei minderjährigen Kindern und ihren Eltern oder anderen Sorgeberechtigten sowie ihren volljährigen, ledigen Geschwistern ist § 47 Abs. 1a S. 2 AsylG zu beachten. In besonderen Ausnahmefällen kann es jedoch in Anwendung der §§ 48 bis 50 AsylG dazu kommen, dass die Asylsuchenden auf die Landkreise und kreisfreien Städte verteilt werden. In diesen Fällen soll eine erneute Rückkehrberatung nach Eintritt der Rechtskraft der Ablehnungsentscheidung durch die zuständige Ausländerbehörde erfolgen.
- Verbot der Ausübung einer Erwerbstätigkeit während des Asylverfahrens, wenn die Einreise nach dem 31.08.2015 erfolgte (§ 61 Abs. 2 S. 4 AsylG). Dies gilt auch für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gemäß § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG, wenn der nach dem 31.08.2015 gestellte Asylantrag abgelehnt wurde. Eine Beschäftigungserlaubnis ist gemäß § 60a Abs. 6 Nr. 3 AufenthG auch zu versagen, wenn der Asylantrag zurückgenommen oder nicht gestellt wurde. Eine Rücknahme, die auf Grund einer Beratung des BAMF erfolgte, führt nicht zu einem Beschäftigungsverbot. Bei unbegleiteten Minderjährigen sind Verzicht und Rücknahme des Asylantrages unschädlich, wenn diese im Interesse des Kindeswohls erfolgten.
- Keine vorherige Androhung und Fristsetzung der Abschiebung (§ 34a Abs. 1 S. 3 AsylG).
Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten sind außerdem darauf hinzuweisen, dass das BAMF nach den Bestimmungen des § 11 Abs. 7 Nr. 1 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für längere Zeit anordnen kann, wenn ihr Asylantrag u.a. nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Bei einer Rücknahme des Asylantrags, verbunden mit einer freiwilligen Ausreise, bleibt ihnen hingegen die Möglichkeit erhalten, aus ihrem Heimatland einen Aufenthaltstitel zu Arbeitszwecken zu beantragen.
3.4.2 Dokumentationspflicht
Jede erfolgte Rückkehrberatung ist in der Ausländerakte zu dokumentieren. In einem Ergebnisvermerk werden Gesprächstermin und Art und Weise des Termins (gesprächsweise oder schriftlich), Teilnehmer sowie das Ergebnis (Ausreiseinteresse ja/nein, ggf. angestrebter Ausreisetermin bzw. unentschuldigtes Fernbleiben) festgehalten.
3.4.3 Frist zur freiwilligen Ausreise - Ermessenausübung
Ergibt die Rückkehrberatung, dass tatsächlich eine freiwillige Ausreise beabsichtigt ist, die jedoch aus nachvollziehbaren Gründen (bspw. besondere Dauer des Aufenthalts, Vorhandensein schulpflichtiger Kinder oder das Bestehen anderer sozialer, familiärer Bindungen) innerhalb der Ausreisepflicht nicht erfolgen kann, soll die freiwillige Ausreise weiterhin ermöglicht werden, wenn hierdurch nicht eine bereits in Gang gesetzte Abschiebungsmaßnahme abgebrochen werden muss. Die Ausreisefrist kann in diesen Fällen angemessen verlängert werden (§ 59 Abs. 1 S. 4 AufenthG). Auf die Information Nr. 13/2017 vom 28.02.2017 wird hingewiesen.
Im Fall der Rücknahme des Asylantrags, der Klage oder des Verzichts auf die Durchführung des Asylverfahrens nach § 14a Abs. 3 AsylG kann der ausländischen Person eine Ausreisefrist bis zu drei Monaten eingeräumt werden, wenn sie oder er sich zur freiwilligen Ausreise bereit erklärt (§ 38 Abs. 3 AsylG).
4. Übergang der Zuständigkeit auf die ZABH für die Vorbereitung und Durchführung der Abschiebung
Die ZABH ist zuständig für die Vorbereitung und Durchführung der Abschiebung mit Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht, § 3 Abs. Nr. 6 AuslRZV. Außerhalb der Geschäftszeiten der ZABH stellt sie eine Rufbereitschaft sicher.
4.1 Prüfung der vollziehbaren Ausreisepflicht
Eine Person ist vollziehbar ausreisepflichtig, wenn einer der Tatbestände des § 58 Abs. 2 AufenthG erfüllt ist. Voraussetzung der Vollziehbarkeit ist bei allen Tatbeständen des § 58 AufenthG, dass eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder eine solche bereits abgelaufen ist.
In den Fällen des § 58 Abs. 1 S. 1 AufenthG tritt die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht unmittelbar kraft Gesetzes ein, im Übrigen wird die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den die ausländische Person gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist, § 58 Abs. 2 S. 2 AufenthG.
4.2 Mitteilungspflichten der Ausländerbehörden nach dem Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht
Soweit ein Asylverfahren durchgeführt oder wegen Unzulässigkeit des Asylantrages vom BAMF abgelehnt wurde, erhält die ZABH eine Kopie der Vollziehbarkeitsmitteilung bzw. der sogenannten Abschlussmitteilung durch das BAMF. Wenn kein Asylverfahren anhängig war, ist, soweit nicht die sofortige Vollziehung angeordnet wurde, die Bestands- oder Rechtskraft der ausländerbehördlichen Rückkehrentscheidung abzuwarten und der Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht von der Ausländerbehörde der ZABH mitzuteilen, sofern die ZABH nicht selbst im Rahmen eines Ausweisungsverfahrens an der Herbeiführung der Ausreisepflicht beteiligt war.
Auf Anforderung der ZABH sind sämtliche persönlichen Dokumente wie Reisepässe, ID-Karten und Geburtsurkunden unverzüglich durch die Ausländerbehörde bereitzustellen, sofern diese darüber verfügt.
4.2.1 Bestandsfälle
Für alle vollziehbar Ausreisepflichtigen, die sich am 8. Mai.2024 bereits in der Zuständigkeit einer kommunalen Ausländerbehörde befunden haben, erfolgt eine Sammelmitteilung an die ZABH zum 8. Mai 2024, s.u. Nummer 14.2.
Die ZABH sichtet den Bestand nach Prioritätsgesichtspunkten und identifiziert diejenigen Herkunftsländer, in die eine Rückführung grundsätzlich möglich ist oder wegen bestehender, der ZABH bekannter Delinquenz, prioritär möglich gemacht werden soll.
Auf Anforderung der ZABH sind für diesen Personenkreis sämtliche persönliche Dokumente wie Reisepässe, ID-Karten und Geburtsurkunden unverzüglich durch die Ausländerbehörde bereitzustellen, sofern diese darüber verfügt.
4.2.2 Übersendung der Ausländerakte
Eine Kopie der vollständigen Ausländerakte wird von der Ausländerbehörde nach Aufforderung durch die ZABH über X-Ausländer übermittelt.
Die Ausländerbehörde leitet der ZABH, sobald sie von der ZABH die Mitteilung erhält, dass ein Rückführungsverfahren konkret eingeleitet worden ist, fortlaufend und unverzüglich alle neuen Bestandteile der Ausländerakte sowie, soweit und sofern verfügbar, alle nicht aktenkundigen Informationen, z.B. mögliche Vollzugs- oder Abschiebungshindernisse wie Krankheit des Betroffenen oder eines Familienangehörigen, fortgeschrittene Schwangerschaft, Geburt eines Kindes, tatsächlicher Aufenthaltsort, etwaige Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisse, Verhaltensauffälligkeiten, aus denen auf etwaige Fremd- oder Eigengefährdung des Abzuschiebenden geschlossen werden könnte, etc. weiter.
5. Übergang der Zuständigkeit auf die ZABH für die Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts und für die Ausweisung einer ausländischen Person
Die ZABH ist zuständig für die Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts gemäß § 6 Abs. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU, § 3 Nr. 10 AuslRZV und der Ausweisung von Drittstaatsangehörigen nach §§ 53 bis 55 AufenthG, § 3 Nr. 9 AuslRZV.
Für vor dem 8. Mai 2024 bereits eingeleitete Ausweisungsverfahren bzw. Verfahren zum Entzug der Freizügigkeit bleibt bis zur Bestands- oder Rechtskraft der Ausweisungs- bzw. Entziehungsentscheidung oder deren Rücknahme die zuständige Ausländerbehörde verantwortlich. Dies schließt die Verantwortlichkeit für die Verfahrens- und Gerichtskosten mit ein. Bis zur Verfahrensbeendigung unterstützt die ZABH die verantwortliche Ausländerbehörde auf deren Anforderung und im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
Sofern für eine ausländische Person Gründe für den Verlust des Freizügigkeitsrechts (Art. 27 ff. EG-Freizügigkeits-RL i.V.m. § 6 FreizügG-EU) oder für eine Ausweisung (§ 54 AufenthG) vorliegen, die bis zum 8. Mai 2024 noch nicht zu einer Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung der Freizügigkeit bzw. zur Ausweisung geführt haben, übermittelt die zuständige Ausländerbehörde der ZABH sämtliche bekannte Tatsachen, die den Verlust des Freizügigkeitsrechts bzw. Ausweisungsinteresse begründen könnten, einschließlich der AZR-Nr. und der Personalien der Person sowie, falls offensichtlich vorhanden, Umstände für ein etwaiges Bleibeinteresse (§ 55 AufenthG) an das Funktionspostfach:
ZABH.AkteneingangLandkreise@zabh.brandenburg.de
Nach Eingang der Mitteilung werden im Rahmen einer Vorprüfung die Voraussetzungen für eine Ausweisungsverfügung durch die ZABH auf der Basis der ihr vorliegenden und über das AZR verfügbaren Informationen unverzüglich geprüft. Die ZABH teilt der Ausländerbehörde das Ergebnis ihrer Vorprüfung und die maßgeblichen Gründe für die Entscheidung mit und fordert gegebenenfalls eine Kopie der Ausländerakte gemäß Nummer 4.2.2 an.
Führt das von der ZABH eingeleitete Ausweisungs- bzw. Feststellungsverfahren nicht zum Überwiegen eines Ausweisungsinteresses bzw. zum Entzug der Freizügigkeit, erfolgt eine Abschlussmitteilung an die zuständige kommunale Ausländerbehörde. Anderenfalls wird durch die ZABH eine Verfügung (Ausweisung/Entzug der Freizügigkeit) erlassen und der jeweiligen Person zugestellt. Die ZABH ist auch für ein sich eventuell anschließendes Rechtsmittelverfahren zuständig und trägt die Kosten für das Rechtsmittelverfahren. Die zuständige Ausländerbehörde erhält eine Kopie des Ausweisungs- bzw. Feststellungsbescheides und eine Benachrichtigung über die Anhängigkeit eines Rechtsmittelverfahrens.
6. Übergang der Zuständigkeit bei Haftangelegenheiten
Die ZABH ist mit rechtskräftiger richterlicher Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßnahme vollständig ausländerrechtlich zuständig für ausländische Personen, für die ansonsten eine Ausländerbehörde des Landes Brandenburg zuständig wäre und die sich in Haft zur Verbüßung einer gerichtlich angeordneten Freiheitsstrafe, in Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam gemäß §§ 62 und 62 b AufenthG oder in einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gemäß § 61 StGB befinden. Sie ist zudem zuständig für ausländische Personen, die sich in einer Einrichtung des Landes Brandenburg in Haft oder Gewahrsam befinden und für die bislang noch keine Ausländerbehörde zuständig geworden ist.
Mit Beendigung der Freiheitsentziehung geht die allgemeine ausländerrechtliche Zuständigkeit wieder auf die kommunale Ausländerbehörde über, welche vor der gerichtlichen Anordnung der Freiheitsentziehung für die ausländische Person zuständig war. Die ZABH informiert die zuständige Ausländerbehörde über die Beendigung der Freiheitsentziehung. Bei Vorliegen der Voraussetzungen bleibt die ZABH zuständig für die Durchführung und Vollziehung der Abschiebung, Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts oder für eine Ausweisung.
6.1 Mitteilung an die ZABH
Die Ausländerbehörde meldet Personen, die rechtskräftig zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe oder zur Unterbringung im Maßregelvollzug verurteilt worden sind, an das folgende Funktionspostfach:
ZABH.Task-Force@zabh.brandenburg.de
Daraufhin übernimmt die ZABH die Zuständigkeit im AZR für die Person. Die Übersendung des Personen- und Vollstreckungsblattes erfolgt bei Haftantritt in der Regel durch die Justizvollzugsanstalt direkt an die ZABH. Die vollständige Ausländerakte wird nach Erhalt des Personen- und Vollstreckungsblattes, d.h. erst mit Haftantritt, durch die ZABH von der zuständigen Ausländerbehörde angefordert und per X-Ausländer an die ZABH übersandt. Die ZABH führt die Ausländerakte weiter, bis die in Haft befindliche Person ausgereist ist oder ohne auszureisen nach Haftende wieder an ihren ursprünglichen Wohnsitz zurückkehrt. Spätestens dann übernimmt die für den Wohnsitz zuständige Ausländerbehörde die Aktenführung und macht sich im AZR wieder zuständig.
Mit Ausnahme der in § 3 Nr. 8 AuslRZV geregelten Fälle (z.B. Untersuchungshaft, Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe) verbleibt die ausländerrechtliche Zuständigkeit bei den kommunalen Ausländerbehörden (vgl. § 2 Abs. 3 AuslRZV). In diesen Fällen ist die ZABH jedoch unverzüglich von der Anordnung der freiheitsentziehenden Maßnahme zu unterrichten, um gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen zur Rückführung oder deren Sicherung zeitnah, d.h. noch während der Dauer der freiheitsentziehenden Maßnahme, einleiten zu können. Die Mitteilung ist durch die zuständige Ausländerbehörde unverzüglich nach Kenntnisnahme der Anordnung ebenfalls an das folgende Funktionspostfach zu übersenden:
ZABH.Task-Force@zabh.brandenburg.de
Sofern die Justizvollzugsanstalt mangels Kenntnis der zuständigen Ausländerbehörde die ZABH über eine aufgenommene Person informiert, teilt die ZABH dies der von ihr ermittelten zuständigen Ausländerbehörde unverzüglich mit.
Sofern die ZABH in Fällen von Untersuchungshaft oder der Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe kurzfristige Sicherungsmaßnahmen im Hinblick auf eine zeitnahe Rückführung ergreifen will, wird sie dabei von der zuständigen Ausländerbehörde auf Anforderung der ZABH, etwa durch sofortige Zusendung von Reisedokumenten oder Aktenauszügen unterstützt.
7. Prüfung der Voraussetzungen der Abschiebung
Es wird unverzüglich durch die ZABH geprüft, ob Anhaltspunkte für das Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten, nicht nur vorübergehenden innerstaatlichen Abschiebungshindernissen oder konkreten Bleiberechtsperspektiven einer Abschiebung entgegenstehen sowie ob die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise bei der vollziehbar ausreisepflichtigen Person vorliegt.
Insbesondere ist durch die ZABH zu prüfen, ob es sich bei den Betroffenen um schutzbedürftige Personen handelt im Sinne des Art. 3 Nr. 9 der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie). Das Ergebnis der Prüfung der Schutzbedürftigkeit ist bei Vorliegen von Anhaltspunkten schriftlich festzuhalten.
Stellt die ZABH konkrete Anhaltspunkte fest, die für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes oder eines nicht nur vorübergehenden Abschiebungshindernisses oder für die Gewährung eines Bleiberechtes sprechen, verweist sie den Vorgang unter Hinweis auf den jeweils zu prüfenden Tatbestand an die zuständige Ausländerbehörde und lässt etwaige Rückführungsmaßnahmen ruhen, bis die zuständige Ausländerbehörde in der Angelegenheit kurzfristig eine Entscheidung getroffen hat. Gleiches gilt, wenn sie von der zuständigen Ausländerbehörde die schriftliche Mitteilung erhält, dass diese bereits das Vorliegen eines Bleiberechtes prüft.
7.1 Bleiberechte
Bei der Prüfung von Bleiberechten kommen insbesondere die nachfolgend genannten Regelungen in Betracht:
- § 25a AufenthG (Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden, siehe dazu Allgemeine Weisung Nr. 08/2020 zu § 25a AufenthG)
- § 104c AufenthG (Chancen-Aufenthaltsrecht)
- § 25b AufenthG (Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration)
Siehe dazu Informationen Nr. 19/2016 vom 31.5.2016 und Nr. 39/2020 vom 11.05.2020 (Anwendungshinweise des BMI zu §§ 60c und 60d AufenthG, S. 27)
- § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG (Aufenthaltsgewährung wegen des Vorliegens außergewöhnlicher Härte)
Siehe dazu Ziff. 25.4.2.1 – 25.4.2.8 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 des Bundesministeriums des Innern (AVV BMI)
- § 25 Abs. 5 AufenthG (Aufenthaltserlaubnis für langfristig Geduldete)
- § 23a AufenthG (Härtefallverfahren)
Siehe dazu Verordnung über die Einrichtung einer Härtefallkommission nach § 23a des Aufenthaltsgesetzes (Härtefallkommissionsverordnung - HFKV)
Die dargestellten Bleiberechtsregelungen können regelmäßig nicht im laufenden Verfahren zur Überstellung nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 (Dublin-III-VO) Anwendung finden. Für diese Fälle besteht keine eigene Zuständigkeit der kommunalen Ausländerbehörden oder der ZABH, da die Überstellung in Amtshilfe für den Bund vollzogen wird. Die Überstellung in den anderen Mitgliedstaat genießt hier regelmäßig Vorrang. Personen, bei denen das BAMF nach deren Verteilung gemäß § 50 AsylG eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 S. 1 AsylG oder eine Abschiebungsandrohung nach § 34a Abs. 1 S. 4 AsylG erlassen hat, werden der ZABH durch die Ausländerbehörden nach Ablauf der Rechtsmittelfrist des § 34a Abs. 2 S. 1 AsylG gemeldet, sofern kein Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt wurde und im Übrigen nach rechtskräftiger Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Eilantrag.
7.2 Abschiebungsverbote und Abschiebungshindernisse
Innerstaatliche Abschiebungshindernisse gemäß §§ 60a ff. AufenthG bzw. zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote gemäß § 60 AufenthG werden im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeit geprüft. Die Ausländerbehörden und die ZABH sind im Asylverfahren an die Entscheidung des BAMF zu zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG gebunden.
Bei der Prüfung von Abschiebungshindernissen kommen insbesondere die nachfolgenden Regelungen in Betracht:
- § 60c AufenthG (Ausbildungsduldung)
Siehe dazu Information Nr. 39/2020 vom 11.05.2020 (Anwendungshinweise des BMI zu §§ 60c und 60d AufenthG)
- § 16g AufenthG (Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung für ausreisepflichtige Ausländer)
- § 60d AufenthG (Beschäftigungsduldung)
Siehe dazu Information Nr. 39/2020 vom 11.05.2020 (Anwendungshinweise des BMI zu §§ 60c und 60d AufenthG)
- § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG (Ermessensduldung)
Siehe dazu Allgemeine Weisung zur Duldungserteilung, insbesondere, soweit eine ausländische Person glaubhaft geltend macht, Opfer rechtsmotivierter Gewalt geworden zu sein, besteht die Möglichkeit, ihr ein Bleiberecht zu gewähren. Die Erlasse Nr. 8/2016 vom 21.12.2016 und Nr. 3/2017 vom 12.05.2017 sind zu beachten.
- § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG (Duldung aus gesundheitlichen Gründen)
Siehe dazu Allgemeine Weisung zur Duldungserteilung. - § 60b AufenthG (Duldung für Personen mit ungeklärter Identität)
Siehe dazu Information Nr. 39/2020 vom 11.05.2020 (Anwendungshinweise des BMI zu § 60b AufenthG).
- § 43 Abs. 3 AsylG (Duldung zur Ermöglichung der gemeinsamen Ausreise einer Familie
- Befindet sich ein Familienangehöriger der ausreisepflichtigen Person noch im laufenden Asylverfahren kann – wenn nicht bereits wegen des Vorliegens eines rechtlichen Abschiebungshindernisses eine Duldungserteilung geboten ist – ebenfalls eine Ermessensduldung erteilt werden.
7.3 Zuständigkeit für die Erteilung von Duldungen
Die Zuständigkeit für Duldungserteilungen, Duldungsverlängerungen bzw. deren Widerruf bleibt trotz Zuständigkeit der ZABH zum Vollzug der Abschiebung bei der weiterhin für alle übrigen aufenthaltsrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Ausländerbehörde.
Ab dem 8. Mai 2024 werden erstmalig erteilte Duldungen grundsätzlich auf einen Zeitraum von vier Wochen befristet. Sofern die ZABH innerhalb der Laufzeit der ersten Duldung der Ausländerbehörde keine Mitteilung über die Einleitung von konkreten Rückführungsmaßnahmen macht, sind alle weiteren Duldungen in der Regel für den Zeitraum von drei Monaten auszustellen. Auch bei der Verlängerung von am 8. Mai 2024 bereits bestehenden Duldungsverhältnissen beträgt der Regelzeitraum drei Monate. Die Befristung der Duldungsentscheidung kann auch mit einer auflösenden Bedingung versehen werden, soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Sollte die ZABH im Einzelfall aufgrund anstehender Rückführungs- oder Sicherungsmaßnahmen einen anderen Duldungszeitraum oder eine konkrete Nebenbestimmung befürworten, setzt sie sich hierzu mit der zuständigen Ausländerbehörde in Verbindung und stimmt das weitere Vorgehen mit dieser ab.
Die ZABH ist unbeschadet der Befugnisse der zuständigen Ausländerbehörde ab Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht zuständig für die Erteilung von Meldeauflagen (§§ 56 Abs. 1, 61 Abs. 1e S. 2 AufenthG), Wohnsitzauflagen sowie deren Änderung (§§ 46 Abs. 1 56 Abs. 3, 61 Abs. 1d AufenthG), Maßnahmen zur Identitätsfeststellung (§§ 48 Abs. 3 S. 2, 48a und 49 AufenthG), die Überwachung von Gefährdern (§ 56a AufenthG), räumliche Beschränkungen (§§ 56 Abs. 2 und 61 Abs. 1c AufenthG) und sonstige Bedingungen und Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 4, 61 Abs. 1e und 1f AufenthG). Wird im Zuge der Vorbereitung von Rückführungen erforderlich, dass zur Durchsetzung der Ausreisepflicht der Erlass von Ordnungsverfügungen, Auflagen oder die Beantragung von Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam erfolgen sollen, werden diese Maßnahmen in eigener Zuständigkeit von der ZABH durchgesetzt. Verfügungen seitens der ZABH gegenüber der betroffenen Person sind durch die ZABH bekanntzugeben. Die kommunalen Ausländerbehörden sind hierüber unverzüglich zu informieren und bleiben aktenführende Stelle undnehmen die erforderlichen Eintragungen im AZR und in den entsprechenden Dokumenten vor.
7.3.1 landesinternes Umzugsbegehren vollziehbar ausreisepflichtiger Personen, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist
Begehrt eine vollziehbar ausreisepflichtige Person, deren Zuweisung noch Wirksamkeit entfaltet und deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist, die Änderung ihres Wohnorts innerhalb des Landes Brandenburg, hat hierüber die gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 LAufnG zuständige kommunale Ausländerbehörde im Einvernehmen mit der gemäß § 3 Nr. 13 AuslRZV i.V.m. § 61 Abs. 1d S. 3 AufenthG zuständigen ZABH zu entscheiden. Sofern die zuständige kommunale Ausländerbehörde beabsichtigt, dem Umverteilungsbegehren stattzugeben, holt sie das Einvernehmen der ZABH im Hinblick auf die Änderung der Wohnsitzauflage gemäß § 61 Abs. 1d AufenthG ein. Anschließend soll der Antrag zum Umzugsbegehren einheitlich durch die kommunale Ausländerbehörde beschieden werden. Die Verpflichtung zur Einbindung der Ausländerbehörde, zu der die Umverteilung erfolgen soll, bleibt unberührt. Etwaige Entscheidungen in Rechtsbehelfsverfahren gegen einen ablehnenden Bescheid der Ausländerbehörde binden auch die ZABH im Rahmen ihrer Entscheidung über die Änderung der Wohnsitzauflage gemäß § 61 Abs. 1d AufenthG.
Sofern die Zuweisungsentscheidung einer vollziehbar ausreisepflichtigen Person, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann, gegenstandslos geworden ist, richten sich etwaige Aufenthalts- und Wohnsitzbeschränkungen ausschließlich nach dem AufenthG. Über das Umzugsbegehren hat daher in diesen Fällen gemäß § 61 Abs. 1d S. 3 AufenthG grundsätzlich die ZABH zu entscheiden. Im Interesse des Antragsstellers an einer zügigen und sachgerechten Entscheidung soll die kommunale Ausländerbehörde die Anträge auf Änderung der Wohnsitzauflage annehmen und der ZABH auf deren Ersuchen hin Amtshilfe hinsichtlich der Entscheidung bzw. Bescheidung über das Umzugsbegehren leisten und die gegebenenfalls erforderlichen Abänderungen in den Duldungsdokumenten vornehmen, sobald die ZABH ihr ihre Entscheidung über die begehrte Änderung der Wohnsitzauflage mitteilt. Siehe dazu auch die Information 46/2024 vom 16.07.2024.
7.4 Einreise- und Aufenthaltsverbot
Die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist im Falle der Ausweisung, der Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG oder der Zurückweisung durch die ZABH gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung, der Abschiebungsanordnung nach § 58a oder der Zurückweisungsentscheidung zu erlassen (§ 11 Abs. 2 S. 1 AufenthG). In sonstigen Fällen soll sie regelmäßig zusammen mit der Abschiebungsandrohung erlassen werden, mit der aufschiebenden Bedingung der Abschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung.
Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist zu befristen. Über die Länge der Frist wird nach eigenem Ermessen entschieden, die Länge darf – außer beim Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 5 - 5b AufenthG – fünf Jahre nicht überschreiten und beginnt mit der Ausreise oder der Zurückweisung.
Gemäß § 11 Abs. 4 S. 4 AufenthG kann ein bereits bestehendes Einreise- und Aufenthaltsverbot aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden.
Die Ermessensentscheidung erfolgt in zwei Schritten:
In einem ersten Schritt ist eine Prognoseentscheidung über den voraussichtlichen Zeitpunkt der Zweckerreichung der zugrundeliegenden Maßnahme zu treffen. Zweck eines Einreise- und Aufenthaltsverbots bei aufenthaltsrechtlichen Verstößen ist die Sanktionierung der Nichtbeachtung der Ausreisepflicht durch Fernhaltung vom Bundesgebiet und die generalpräventive Zielrichtung, andere ausländische Personen zur Einhaltung der Ausreisepflicht anzuhalten. Trägt die ausländische Person keine Anhaltspunkte vor, die für diese Prognoseentscheidung erheblich sein können und liegt der Behörde als entscheidungserheblicher Anhaltspunkt lediglich die Missachtung der Ausreiseverpflichtung vor, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von 30 Monaten angemessen sein (vgl. OVG Münster Beschluss vom 01.06.2017 – 4 A 1252/17; VG Cottbus Urteil vom 12.5.2020 – 5 K 2635/17). Ebenfalls herangezogen werden kann die Tatsache, dass die Person bereits mehrmals ausgewiesen oder abgeschoben wurde oder gegen ihre Mitwirkungspflichten aus § 48 oder § 60b AufenthG verstoßen hat.
Bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung können weitere Erwägungen eine Rolle spielen. Erfasst sind beispielsweise auch Belange des Arbeitsmarkts wie die Verhinderung von Lohndumping oder die Verringerung der finanziellen Belastung durch steuerfinanzierte Sozialleistungen. Bei schweren Straftaten kann die Ausländerbehörde eine Gefahrenprognose zur weiteren Straffälligkeit vornehmen, sie muss hierbei jedoch die Persönlichkeit der betroffenen Person insgesamt in den Blick nehmen. Bei der Ausweisung wegen strafrechtlicher Verurteilungen oder wenn von der Person eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, soll die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes zehn Jahre nicht überschreiten (§ 11 Abs. 5 AufenthG). § 11 Abs. 5a AufenthG zählt Fallkonstellationen auf, in denen das Einreise- und Aufenthaltsverbot 20 Jahre betragen soll. In diesen Fällen ist eine Verkürzung der Frist oder eine Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes grundsätzlich ausgeschlossen. Ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot kann nur in den Fällen des § 11 Abs. 5b AufenthG erlassen werden.
Für eine kürzere Befristungsentscheidung kann beispielsweise die konkrete Möglichkeit einer Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland und die damit einhergehende legale Migration sprechen, wenn die Zurückschiebungs- oder Abschiebungskosten beglichen wurden.
In einem zweiten Schritt ist das Ergebnis der Prognoseentscheidung an höherrangigem Recht zu messen und die Fristbemessung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ggf. zu relativieren. Insbesondere Art. 2 und 6 GG und Art. 8 EMRK spielen hier eine Rolle. Familiäre Bindungen finden regelmäßig nur Berücksichtigung, wenn es sich um die Belange von Eltern und minderjährigen Kindern handelt oder in anderen Fällen, wenn die verwandtschaftlichen Beziehungen von gegenseitiger Verantwortung geprägt sind (Beistandsgemeinschaft) (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2016 – 21 K 7126/15.A).
Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 6 AufenthG kann auch für freiwillig ausgereiste Personen ein Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Laut Gesetzesbegründung ist bei einer Ausreisefrist von 30 Tagen eine Fristüberschreitung von zehn Tagen als erheblich im Sinne des § 11 Abs. 6 S. 1 AufenthG anzusehen.
Bei straffälligen Asylbewerbern besteht die Möglichkeit der priorisierten Bearbeitung des Asylverfahrens durch das BAMF im sog. „PRIO-Verfahren“. eine Verfahrensbeschleunigung kann mittels eines durch das BAMF zur Verfügung gestellten standardisierten Meldeformulars eingeleitet werden. Die Verfahrensvorgaben des BAMF sind zu beachten.
8. Priorisierte Bearbeitung ausländischer Straftäter (Task Force)
Oberste Zielsetzung ist die konsequente Rückführung ausländischer Straftäterinnen und Straftäter, welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung nachhaltig gefährden, im Land Brandenburg zu forcieren und die Herbeiführung der vollziehbaren Ausreisepflicht dieser Personen herzustellen sowie sie konsequent und zügig in ihre Herkunftsländer bzw. aufnahmebereite Drittstaaten zurückzuführen.
Ausländische Personen, die im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität stehen, sind unverzüglich an die Geschäftsstelle der Landesarbeitsgruppe SAGA zu melden (SAGA@mik.brandenburg.de).
8.1 Organisation
Die Gesamtleitung der Task Force sowie die Fachaufsicht über die ZABH und die Sonderaufsicht über die kommunalen Ausländerbehörden obliegen dem Fachreferat für Ausländerrecht im Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg (MIK). Operative Aufgaben werden durch das Sachgebiet 3 bei der ZABH wahrgenommen.
Anfragen sind an die jeweiligen Funktionspostfächer zu senden:
MIK: taskforce@mik.brandenburg.de (für Grundsatzfragen)
ZABH: ZABH.Task-Force@zabh.brandenburg.de (für Haftfälle)
ZABH: ZABH.AkteneingangLandkreise@zabh.brandenburg.de
(für Ausweisung oder den Entzug der Freizügigkeit)
8.2 Priorisierung
Voraussetzung für die priorisierte Behandlung eines Falles ist das Vorliegen einer nachhaltigen Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Priorisiert werden die Aufenthaltsbeendigung und Rückführung folgender Personengruppen:
- ausländische Personen, die sich in Strafhaft oder in einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befinden (Haftfälle)
Hierbei soll sichergestellt werden, dass bei Vorliegen der Rückführungsvoraussetzungen die Rückführung direkt aus der Hafteinrichtung erfolgen kann. - ausländische Mehrfach- und Intensivtäter (aMIT) auf freiem Fuß
Diese Priorisierung betrifft ausländische Personen, bei denen eine Gefährdung der sozialen Integration durch eine sich verfestigende kriminelle Entwicklung besteht oder sich dies durch besonders schwere Straftaten wie Gewalt- oder erhebliche Eigentumsdelikte verwirklicht.
Um die erforderliche Priorisierung zu ermöglichen, erfolgt ein Monitoring der eingebrachten Fälle durch die ZABH.
8.3 Meldeverfahren
Um die prioritäre Rückführung sicherheitsrelevanter Personen zu gewährleisten, ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der kommunalen Ausländerbehörden mit der ZABH erforderlich.
Haftfälle werden in der eigenen ausländerrechtlichen Zuständigkeit der ZABH bearbeitet. Hierbei werden nach Erhalt der jeweils die Zuständigkeit begründenden Mitteilung die Voraussetzungen für eine freiwillige Ausreise oder eine Abschiebung geschaffen und gegebenenfalls die vollziehbare Ausreisepflicht herbeigeführt. Die Haftzeit und wichtige damit einhergehende Termine werden überwacht. Bei Erforderlichkeit werden Stellungnahmen zu den Vollzugs- und Eingliederungsplänen der Justizvollzugsanstalten erstellt und die Teilnahme an Vollzugsplankonferenzen sichergestellt. Die Mitteilung dieser Fälle erfolgt gemäß Nummer 6.1.
Wird der kommunalen Ausländerbehörde eine Person bekannt, welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne der priorisierten Personengruppen nachhaltig gefährdet, teilt sie dies unverzüglich der ZABH mit:
ZABH.Task-Force@zabh.brandenburg.de
Dabei sind neben AZR-Nummer, Wohnsitz und Personalien auch aktuelle LKA- und BZR-Auszüge und sonstige relevante Informationen, die eine Einstufung als aMIT belegen, zu übermitteln, soweit dies nicht bereits wegen der Mitteilung gemäß Nummer 5 vorliegt.
Anhand der übermittelten Erkenntnisse prüft die ZABH, ob der Fall grundsätzlich die Kriterien für eine priorisierte Bearbeitung erfüllt. Anschließend teilt sie der Ausländerbehörde und dem MIK die Entscheidung über die Aufnahme oder Ablehnung eines aMIT-Falls schriftlich mit. Die Einstufung als aMIT-Fall erfolgt stets unter Berücksichtigung der Gesamtumstände im Einzelfall.
Sofern die ZABH konkrete Schritte im Hinblick auf eine Ausweisung bzw. Entziehung der Freizügigkeit oder eine Rückführung plant, fordert sie von der Ausländerbehörde eine Kopie der Ausländerakte an, die ihr per X-Ausländer übermittelt wird.
Anschließend prüft die ZABH, ob die Voraussetzungen für eine Ausweisung bzw. einen Entzug der Freizügigkeit oder andere geeignete Maßnahmen zur beschleunigten Herbeiführung der vollziehbaren Ausreisepflicht vorliegen und welche Maßnahmen zur Sicherung der ordnungsgemäßen Rückkehr ergriffen werden müssen. In Eilfällen kann von diesem Verfahren abgewichen werden.
Die kommunale Ausländerbehörde bleibt auch bei Aufnahme eines aMIT-Falls in die priorisierte Bearbeitung bis zum Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht aufenthaltsrechtlich zuständig. Sobald sich der Aufenthaltsstatus eines aufgenommenen Falles ändert, informiert sie unverzüglich die ZABH, um dieser die erforderliche Koordinierung zu ermöglichen.
Die Ausländerbehörde leitet der ZABH nach Übermittlung der Ausländerakte fortlaufend und unverzüglich alle neuen Bestandteile der Ausländerakte sowie alle nicht aktenkundigen Informationen zu dem aMIT-Fall weiter.
Sofern das MIK selbst Kenntnis eines Sachverhaltes erhält, der eine priorisierte Bearbeitung nahelegt, informiert es die zuständige Ausländerbehörde hierüber und fordert die Übermittlung der dort vorliegenden Erkenntnisse zur Person oder zum Sachverhalt an und übermittelt diese bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Bearbeitung an die ZABH.
8.4 Besonderheiten bei der Bearbeitung von aMIT-Fällen
Die kommunale Ausländerbehörde bleibt, außer bei Haftfällen, zuständig für die aufenthaltsrechtlichen Belange in aMIT-Fällen. Die ZABH unterstützt im Rahmen ihrer Zuständigkeit. Die Bearbeitung von aMIT-Fällen erfolgt prioritär.
Sofern die ZABH aufgrund eigener Zuständigkeit eine Verfügung (Ausweisungsbescheid/Entzug der Freizügigkeit/Ordnungsverfügung) erlässt, ist die Ausländerbehörde für deren Eintragung im AZR verantwortlich.
Stellen Betroffene während der priorisierten Bearbeitung einen Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung gemäß § 60c AufenthG, einer Beschäftigungsduldung gemäß § 60d AufenthG, oder einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, setzt sich die zuständige Ausländerbehörde mit der ZABH in Verbindung und erfragt, ob diese bereits konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet hat. Ist dies der Fall, wird an der Abschiebung festgehalten. Andernfalls werden aufenthaltsbeendende Maßnahmen durch die ZABH bis zum Abschluss der Prüfung der Anträge ausgesetzt. Über die vorübergehende Aussetzung ergeht eine schriftliche Mitteilung der ZABH an die Ausländerbehörde und das MIK.
Soweit nach Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht das Einvernehmen der Strafverfolgungsbehörden gemäß § 72 Abs. 4 S. 1 AufenthG zum Vollzug der Ausreisepflicht erforderlich ist, holt dies die ZABH bei der die strafrechtlichen Ermittlungen leitenden Staatsanwaltschaft ein.
Stellt die ZABH Umstände rechtlicher oder tatsächlicher Art fest, die im Ergebnis dem Vollzug der Abschiebung entgegenstehen, stellt sie die priorisierte Bearbeitung des Vorgangs vorerst zurück. Wird darüber hinaus festgestellt, dass die Voraussetzungen für die priorisierte Bearbeitung in der Task Force nicht mehr vorliegen, wird der Vorgang ausgestuft. In beiden Fällen teilt die ZABH ihre Entscheidung dem MIK und der Ausländerbehörde unter Benennung der entgegenstehenden Gründe schriftlich mit.
9. Vorbereitung der Abschiebung
9.1 Maßnahmen zur Aufenthaltsermittlung/Ausschreibung zur Festnahme
Die ZABH veranlasst erforderlichenfalls Maßnahmen zur Aufenthaltsermittlung des Betroffenen.
Gemäß § 50 Abs. 6 AufenthG kann eine ausländische Person zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfen der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn ihr Aufenthalt unbekannt ist. Dies ist auch zum Zweck der Identitätsklärung möglich, soweit dies zur Feststellung der Identität erforderlich ist. Eine ausländische Person, gegen die ein Einreise- und Aufenthaltsverbot besteht, soll zum Zweck der Einreiseverweigerung, zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden.
Die kommunalen Ausländerbehörden melden im Rahmen ihrer möglichen Kenntnis die vollziehbar ausreisepflichtigen Personen, die sich seit mindestens zehn Tagen nicht mehr an der Ihnen zugewiesenen Adresse aufhalten, unverzüglich an das folgende Funktionspostfach:
ZABH.AkteneingangLandkreise@zabh.brandenburg.de.
Die ZABH veranlasst dann im eigenen Ermessen eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung. Das gilt auch für Personen, die während eines laufenden Ausweisungsverfahrens untergetaucht sind.
9.2 Passersatzpapierbeschaffung
Die ZABH veranlasst nach Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht die Beschaffung neuer oder die Verlängerung bereits vorhandener Pass- oder Passersatzpapiere. Sie fertigt den entsprechenden Antrag. Soweit Botschaftsvorführungen im Rahmen der Identitätsklärung notwendig werden, organisiert und vollzieht diese die ZABH.
Passersatzpapiere sind in jedem Verfahrensstadium ausschließlich über die ZABH zu beschaffen.
Für das Land Brandenburg hat das BAMF gemäß § 75 Nr. 13 AufenthG die Passersatzpapierbeschaffung im Wege der Amtshilfe übernommen. Die ZABH ist zentraler Ansprechpartner für das BAMF, andere Bundesbehörden und ausländische Vertretungen.
9.3 Buchung von Transportmitteln
Die ZABH unternimmt die notwendigen Schritte, um den Transport ins Heimatland zu organisieren. Sie ist zuständig für die Buchung von Flugtickets oder sonstigen Beförderungsmitteln und die Buchung von durch die Bundespolizei und/oder die Landespolizei begleiteten Rückführungen. Auch Rückführungen mit einem Charter werden ausschließlich durch die ZABH vorbereitet. Grundsätzlich sollten Flugbuchungen über Frontex Application of Return (FAR) erfolgen.
9.4 Einsatzplanungsbesprechung
Sind alle Vorbereitungen für die Durchführung der Abschiebung getroffen, kann eine Einsatzplanungsbesprechung zwischen der ZABH und der zuständigen Ausländerbehörde stattfinden, sofern es die ZABH für den weiteren Vollzug für erforderlich hält. Wird keine Einsatzplanungsbesprechung durchgeführt, hat die ZABH gleichwohl sicherzustellen, dass die Ausländerbehörde über die im Zuständigkeitsbereich der Ausländerbehörde von der ZABH getroffenen Maßnahmen spätestens unmittelbar nach deren Durchführung informiert wird.
9.5 Keine Ankündigung des Abschiebungstermins
Steht der Rückführungstermin fest, teilt die ZABH diesen der Ausländerbehörde mit. Der abzuschiebenden Person darf nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise der Abschiebungstermin nicht angekündigt werden, § 59 Abs. 1 S. 8 AufenthG. Die Ausreisepflichtigen sind mit der Abschiebungsandrohung eindeutig über die Rechtsfolge einer nicht rechtzeitig erfolgten freiwilligen Ausreise informiert worden. Gleiches gilt für einen erneuten Abschiebungsversuch nach einer gescheiterten Rückführungsmaßnahme.
Bei der Aussetzung der Abschiebung einer ausländischen Person mit Kindern im Alter von unter zwölf Jahren um mehr als ein Jahr, ist die nach dem Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat im Voraus anzukündigen, § 60 Abs. 5a AufenthG. Dies gilt nicht, wenn die Person die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
In den Fällen, in welchen eine Ausreisepflicht nach der Dublin-III-VO besteht, findet § 59 Abs. 1 S. 8 AufenthG keine zwingende Anwendung und es erfolgt in der Regel eine erste Ladung zum Überstellungstermin.
9.6 Abstimmungen mit der Bundespolizei
Die ZABH kündigt der Bundespolizei eine vorgesehene Abschiebung rechtzeitig vorher an und klärt die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen (z.B. Flugbegleitung durch Bundespolizeibedienstete) mit dieser ab.
10. Vollzug der Rückführungsmaßnahme
Die Abschiebung ist eine spezialgesetzlich geregelte Form des unmittelbaren Zwanges und daher nur als letzte Maßnahme zur Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht zulässig. Die Maßnahmen sind so zu gestalten, dass die Belastungen für die abzuschiebenden Personen so gering wie möglich gehalten werden. Es ist bei der Vorbereitung der Abschiebung sicherzustellen, dass die Interessen der Betroffenen umfassend berücksichtigt werden, insbesondere wenn es sich um schutzbedürftige Personengruppen wie Familien oder alleinerziehende Elternteile mit schulpflichtigen oder minderjährigen Kindern, Schwangere, lebensältere, behinderte oder erkrankte Personen handelt. Unbegleitete Minderjährige sind nur abzuschieben, soweit ihre Betreuung dadurch sichergestellt ist, dass sie im Rückkehrstaat einem Mitglied ihrer Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben werden (§ 58 Abs. 1a AufenthG).
Gemäß § 58 Abs. 4 AufenthG ist das Rückführungspersonal der ZABH befugt, die abzuschiebende Person zum Zweck der Abschiebung kurzfristig festzuhalten, um sie zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen. Darüber hinaus ist ein kurzzeitiges Festhalten im Sinne der Vorschrift beispielsweise dann notwendig, wenn bis zum Abflug Wartezeit zu überbrücken ist oder Wartezeiten entstehen, weil Beförderungen gebündelt erfolgen sollen. Es wird klargestellt, dass, soweit die Maßnahme nur kurzzeitig und auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß beschränkt ist, lediglich eine – keine richterliche Anordnung erfordernde – Freiheitsbeschränkung vorliegen kann, wobei immer die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Soweit die Abschiebung einer Familie vollzogen wird, sind die unter Nummer 10.3 „Verhältnismäßigkeitsprüfung und Abschiebungen von Familien“ niedergelegten Regelungen zu beachten. Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sind zu wahren.
Soweit eine Erreichbarkeit der Ausländerbehörde auch an den Wochenenden und Feiertagen im Ausnahmefall zwingend erforderlich ist, ist dies im Vorfeld der Maßnahme durch die ZABH abzustimmen.
10.1 Überstellungen nach der Dublin-III-VO
Reist eine ausländische Person aus einem sicheren Drittstaat ein, kann sie sich grundsätzlich nicht auf Artikel 16a Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes berufen (§ 26a AsylG). Sie wird nicht als asylberechtigt anerkannt. In diesem Fall ordnet das BAMF gemäß § 34a AsylG die Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat, in einen anderen sicheren Drittstaat gemäß Anlage I zu § 26a AsylG oder in einen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung dorthin durchgeführt werden kann.
Das BAMF prüft im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG – anders als sonst im Asylverfahren – nicht nur alle zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote, sondern auch innerstaatliche Abschiebungshindernisse, die sowohl bis zur Erstellung des Bescheides als auch nachträglich auftreten. Daneben besteht keine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde oder der ZABH. Sie sind an die Entscheidung des BAMF gebunden. Das BAMF hebt die Abschiebungsanordnung gegebenenfalls auf oder weist die ZABH an, die Vollziehung auszusetzen.
Werden Reiseunfähigkeit oder sonstige medizinische Belange (z.B. Suizid-Gefahr) als Abschiebungshindernisse begründet und schlüssig vorgetragen, ist eine erforderliche ärztliche Untersuchung durch die ZABH in Amtshilfe für das BAMF zu veranlassen. Die Kosten für die Beauftragung von ärztlichem Personal zur Feststellung der Reisefähigkeit oder Prüfung sonstiger gesundheitlicher Fragestellungen, die Abschiebungshindernisse betreffen, trägt das BAMF.
Bei Überstellungen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26.6.2013 (Dublin-III-VO) sind gemäß Art. 30 Abs. 1 und 3 der Verordnung keine Sicherheitsleistungen zu erheben.
Einzelheiten zum Verfahren sind der Information Nr. 16/2015 vom 08.5.2015 zu entnehmen. Darüber hinaus ist der Dublin-Leitfaden des BAMF (Information Nr. 58/2019 vom 19.8.2019) zu beachten.
10.2 Betreten und Durchsuchung von Räumlichkeiten während des Abschiebungsvollzuges
Zur Gewährleistung der Durchführung der Abschiebung kann das Betreten oder die Durchsuchung von Räumlichkeiten, in denen sich die abzuschiebende Person aufhält, durch Vollzugskräfte der Polizei und der ZABH erforderlich sein. Die Ausländerbehörden haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf einen jederzeitigen Zugang für die Vollzugskräfte der Polizei und die ZABH hinzuwirken, wenn notwendig unter Einbeziehung des Trägers der Einrichtung.
Während für die Durchsuchung der Wohnung der ausreisepflichtigen Person immer ein richterlicher Beschluss notwendig ist (Ausnahme Gefahr im Verzug s. § 58 Abs. 8 AufenthG), ist das Betreten der Wohnung der ausreisepflichtigen Person, gemeinschaftlich genutzter Räumlichkeiten einer Gemeinschaftsunterkunft oder der Wohnung einer anderen Person ohne richterlichen Beschluss möglich.
Der Begriff der Wohnung umfasst alle zu privaten Wohnzwecken gewidmeten Räumlichkeiten. Im Rahmen des § 58 Abs. 5 AufenthG dürfen in Formen gemeinschaftlicher Unterbringung auch die Wohnung anderer Personen sowie gemeinschaftlich genutzte Räumlichkeiten betreten werden, um eine Abschiebung vornehmen zu können.
Voraussetzung für das Betreten der Wohnung der abzuschiebenden Person ist das Vorliegen von Tatsachen, aus denen zu schließen ist, dass sich die Person dort befindet. Es muss sich dabei um konkrete Tatsachen handeln, der bloße nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reicht nicht aus. Derselbe Maßstab gilt auch für das Betreten von Gemeinschaftsräumen und Wohnungen anderer Personen oder der Durchsuchung der Wohnung Dritter in § 58 Abs. 6 S. 2 AufenthG.
Die Befugnis zum Betreten erfasst neben dem bloßen Eintreten in die Räume auch weitere Anschlusshandlungen, sofern diese nicht die Schwelle einer Durchsuchung überschreiten. Die beim Betreten einer Wohnung unvermeidliche Kenntnisnahme von Personen, Sachen und Zuständen, ggf. unter Entgegennahme freiwillig ausgehändigter Dokumente, führt noch nicht zum Vorliegen einer Durchsuchung (BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2023 - 1 C 10.22). Auch ein gewaltsames Öffnen der Wohnungstür ist von der Betretungsbefugnis mitumfasst.
Eine Durchsuchung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 9. Juni 2020 – 2 BvE 2/19) das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will. Es sind demnach Handlungen zur Suche nach etwas „Verborgenem“ gemeint.
Wohnungsdurchsuchungen dürfen nur durch das zuständige Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde (ZABH) angeordnet werden. Der Durchsuchungsbeschluss ist von der ZABH beim zuständigen Verwaltungsgericht zu beantragen. Zu beachten ist § 58 Abs. 8 S. 2 AufenthG, wonach die Annahme von Gefahr in Verzug nicht allein darauf gestützt werden kann, dass die abzuschiebende Person nicht in ihrer Wohnung angetroffen wurde. Ferner ist das Erfordernis einer Niederschrift über die Durchsuchung gemäß § 58 Abs. 9 S. 4 AufenthG zu beachten. Bei der Annahme von Gefahr in Verzug sind auch die annahmebegründenden Umstände schriftlich festzuhalten und auf Verlangen vorzuhalten.
§ 58 Abs. 9 AufenthG legt die Rechte der Inhaberin bzw. des Inhabers der zu durchsuchenden Wohnung und die Beiziehungspflichten sowie Niederschriftpflichten der Behörde fest.
Beim Betreten oder Durchsuchen zur Nachtzeit müssen gemäß § 58 Abs. 7 AufenthG zudem Tatsachen vorliegen, die befürchten lassen, dass die Abschiebung der betroffenen Person ohne diese Maßnahme ansonsten vereitelt werden würde. Allein die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache in diesem Sinne, es sei denn, es handelt sich um organisatorische Rahmenbedingungen, die durch die die Abschiebung durchführende Behörde nicht beeinflusst werden können (z.B. zielstaatenbezogene Abflugtermine). Unter Nachtzeit ist die Zeit zwischen 21 Uhr abends und 6 Uhr morgens zu verstehen.
10.3 Verhältnismäßigkeitsprüfung und Abschiebungen von Familien
Die Abschiebemaßnahme muss verhältnismäßig sein. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind besonders die Belastungen für Minderjährige, Familien mit Minderjährigen und weitere besonders schutzbedürftige Personengruppen, wie Opfer von Menschenhandel, Folter oder psychischer, physischer und sexueller Gewalt, Menschen mit schweren körperlichen und psychischen Erkrankungen, Schwangere, Menschen mit Behinderung, ältere Menschen oder Personen, die vor Verfolgung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität geflohen sind, zu berücksichtigen.
Bei der Abschiebung von Familien mit minderjährigen Kindern soll auf eine Begleitung durch die Polizei verzichtet werden, sofern diese nicht unbedingt notwendig ist.
Es wird in der Regel davon abgesehen, zum Vollzug einer Abschiebungsmaßnahme minderjährige Personen aus der Kindertagesstätte, der Schule oder der Jugendhilfeeinrichtung abzuholen. Auch wird grundsätzlich davon abgesehen, zum Vollzug einer Abschiebungsmaßnahme die betroffenen Personen aus dem Krankenhaus oder von der Arbeitsstelle abzuholen. Eine Abweichung von der Regelung kann verhältnismäßig sein, wenn die Abholung aus einer der o.g. Einrichtungen notwendig ist, z. B. um eine Person, die eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt oder die bereits mehrmals straffällig in Erscheinung getreten ist, abzuschieben.
Werden bei einer Abschiebung nicht alle Familienangehörige angetroffen und droht somit eine Trennung minderjähriger Kinder von ihren Familien, sind die eingeleiteten Maßnahmen auszusetzen und die eingeleitete Abschiebung abzubrechen, wenn nicht sichergestellt ist, dass minderjährige Kinder in der Obhut eines Elternteils verbleiben. Auch im Übrigen sind bei nicht nur vorübergehenden Familientrennungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Grundsätze des Art. 6 GG (besonderer Schutz der Familie) sowie aus Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu berücksichtigen. Bei einer beabsichtigten Familientrennung im Rahmen von Dublin-Überstellungen ist der Dublin-Leitfaden des BAMF (Information 58/2019 vom 19.8.2019) zu beachten, es muss eine Abstimmung mit dem Überstellungsreferat des BAMF stattfinden.
10.4 Abholungen zur Nachtzeit
Die Abholung der Betroffenen wird vorzugsweise für die Tageszeit geplant. Grundsätzlich gilt, dass die Vollstreckung der Ausreisepflicht in der Zeit zwischen 21 und 6 Uhr sowie an Sonntagen und staatlich anerkannten Feiertagen nur im Einzelfall erfolgen darf. Eine Vollstreckung in dem genannten Zeitraum bzw. an den genannten Tagen ist nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn dies im Hinblick auf den Abflugtermin aus Zeitgründen erforderlich ist. Auf die unter Nummer 10.2 am Ende gemachten Ausführungen hinsichtlich des Ausschlusstatbestandes des § 58 Abs. 7 S. 2 AufenthG (Organisation der Abschiebung) wird hingewiesen. Als erforderliche Vorlaufzeit ist insbesondere der Zeitraum einzurechnen, der notwendig ist, damit sich die abzuschiebende Person ohne unverhältnismäßige Eile reisefertig machen und das Begleitgepäck packen kann. Weiter sind die Zeiten für eine eventuelle Aufenthaltsermittlung und eine Zusammenführung von Familien, die Fahrtzeiten zum Flughafen inklusive etwaiger verkehrs- oder witterungsbedingter Verzögerungen sowie die Wartezeiten, die üblicherweise bei einer der Rückführung dienenden Flugreise zu beachten sind oder die aus der Sicht der Bundespolizei für die Durchführung der Formalitäten am Flughafen erforderlich sind, zu berücksichtigen. Für Sammelabschiebungen und Charter-Maßnahmen sind die Vorgaben der Bundespolizei hinsichtlich des Zeitpunktes der Übergabe zu beachten und ausreichend Zeit für die gesicherte Zuführung einzukalkulieren.
Wird ausnahmsweise eine Vollstreckung zur Nachtzeit erforderlich, trifft die ZABH als Vollstreckungsbehörde die Entscheidung.
10.5 Mitnahme von Gepäck
Der abzuschiebenden Person ist die Mitnahme solchen Gepäcks zu ermöglichen, das im Transportmittel ohne Erschwerung der Abschiebung befördert werden kann und durch dessen Mitnahme dem Land keine zusätzlichen Kosten entstehen. Die Mitnahme weiteren Gepäcks (z. B. Gepäck, das den von den Fluggesellschaften für einen kostenlosen Transport zugelassenen Gewichtsrahmen überschreitet) kommt nur dann in Betracht, wenn die abzuschiebende Person für die zusätzlichen Kosten aufkommt oder wenn ersichtlich ist, dass der Betrag aus einer etwaig einbehaltenen Sicherheitsleistung (vgl. Nummer 13.1) bestritten werden kann.
Gegenstände, die von der abzuschiebenden Person dazu genutzt werden könnten, den Zweck der Maßnahme zu vereiteln, können auf Verlangen des Rückführungspersonals der ZABH, für die Dauer des Transports zum Zielort der Abschiebungsmaßnahme, außer Reichweite dieser Person aufbewahrt werden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist zu beachten. Sie sind nach Abschluss der Maßnahme der Person wieder auszuhändigen.
Will oder muss die abzuschiebende Person bei einer Abschiebung oder Ausreise Eigentum zurücklassen, ist sie zur Abgabe einer schriftlichen Erklärung zu veranlassen, durch die sie
- entweder eine verfügungsberechtigte Person benennt, der sie die weitere Sorge für ihr Eigentum überträgt und die gegebenenfalls die Verwertung ihres Eigentums übernimmt, oder
- eine Nachsendeadresse mitteilt, wohin das zurückgebliebene Gepäck auf Kosten der abzuschiebenden Person verschickt werden kann, oder
- auf ihr Eigentum verzichtet.
Wird eine solche Erklärung nicht abgegeben, muss auf Grund der Umstände des Einzelfalls entschieden werden, ob die ausländische Person den Besitz der Sache in der Absicht aufgegeben hat, auf das Eigentum zu verzichten. Unter Umständen hat die Person eine Sache auch verloren. Sie unterliegt dann den fundrechtlichen Vorschriften. Die Verwertung des Eigentums im Rahmen der Vollstreckung bleibt unberührt.
Sachen, die am Flughafen zurückgelassen werden müssen, sind von der ZABH zurückzunehmen und bis zu ihrer Übergabe an den Verfügungsberechtigten oder bis zu ihrer Nachsendung oder Verwertung sachgemäß einzulagern.
Sind öffentlich-rechtliche Forderungen gegen die abzuschiebende Person offen, ist das Eigentum nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg durch die für die jeweilige Forderung zuständige Vollstreckungsbehörde zu verwerten. Hat die abzuschiebende Person nicht auf ihr Eigentum verzichtet, ist ihr der Erlös – soweit möglich – zu überlassen. Sofern dies nicht möglich sein sollte, ist der Erlös des verwerteten Eigentums zu hinterlegen.
10.6 Dolmetschende, Vertrauenspersonen und Bevollmächtigte
Wünscht die abzuschiebende Person, eine Dolmetscherin oder einen Dolmetscher hinzuzuziehen, ist dem durch die ZABH zu entsprechen, wenn dadurch die Abschiebung nicht verhindert oder verzögert wird und die Hinzuziehung ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist. Wenn möglich, sind Dolmetschende per Video einzusetzen. Der abzuschiebenden Person ist auf Wunsch Gelegenheit zu geben, ihren Rechtsanwalt, ihre Rechtsanwältin oder eine sonstige Vertrauensperson telefonisch zu informieren. Der Kontakt sollte spätestens bei oder nach Übergabe an die Bundespolizei ermöglicht werden.
10.7 Gesundheitliche Abschiebungshindernisse
Trägt die abzuschiebende Person gesundheitliche Abschiebungshindernisse vor, gelten die Regelungen der Allgemeinen Weisung im Ausländerrecht zur Erteilung von Duldungen nach § 60a und § 60b Aufenthaltsgesetz. Die Ausländerbehörde informiert die ZABH unverzüglich, wenn die abzuschiebende Person ein gesundheitliches Abschiebungshindernis im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG geltend macht. Es wird in diesem Fall von der ZABH grundsätzlich eine ärztliche Untersuchung veranlasst und gegebenenfalls zwangsweise durchgesetzt.
10.8 Reisegeld
Sofern keine Eigenmittel vorhanden sind, ist grundsätzlich einmalig bei Bedarf zur Deckung der Heimreisekosten im Heimatland ein Reisegeld in Höhe von maximal 50 Euro pro volljähriger Person und maximal 25 Euro pro minderjähriger Person zu zahlen. Bei Abschiebung eines Familienverbandes (Kernfamilie) sind maximal 150 Euro pro Familie zu zahlen. Es besteht jedoch kein Anspruch auf Reisegeld. Die Zahlung ist zu dokumentieren und als Nachweis der Abrechnung der Abschiebungskosten beizufügen. Wenn die Abschiebungsmaßnahme abgebrochen werden muss, ist das ausgehändigte Reisegeld umgehend durch die Ausreisepflichtigen zurückzuerstatten. Über die Rückerstattungspflicht bei Abbruch der Rückführungsmaßnahme sind die abzuschiebenden Personen vor Aushändigung des Reisegeldes in geeigneter Form zu belehren. Die Belehrung zur Rückerstattungspflicht sowie die Rückerstattung selbst sind schriftlich zu dokumentieren. Im Rahmen von Überstellungen nach der Dublin-III-Verordnung wird kein Reisegeld ausgezahlt.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Bundespolizei erwartet, dass den abzuschiebenden Personen Verpflegungspakete mitgegeben werden.
10.9 Asylfolgeantrag
Bringt die abzuschiebende Person während der Abschiebung unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie einen Asylfolgeantrag stellen will, klärt die ZABH unter Hinzuziehung des BAMF, ob die Abschiebung fortzuführen oder abzubrechen ist. Hat die ZABH Grund zu der Annahme, dass es kurz vor der Abschiebung noch zu einem Folgeantrag der betroffenen Person kommen wird, wird empfohlen, vor der Abschiebung das BAMF zu kontaktieren, um zu erörtern, ob die Anwesenheit von entscheidungsbefugtem Personal des BAMF am Flughafen möglich und notwendig ist.
10.10 Überstellung an die Bundespolizei
Nach Überstellung der abzuschiebenden Person an die Bundespolizei ist diese für die weitere Durchführung der Abschiebung verantwortlich. Für begleitende Landespolizei ist die Vollzugshilfe beendet, falls die Voraussetzungen für eine zwangsweise Rückverbringung oder eine anderweitige Anschlussmaßnahme nicht vorliegen. Soweit das Personal der ZABH die abzuschiebende Person zum Flughafen gebracht hat, bleibt dieses grundsätzlich bis zum Abflug des Flugzeuges am Flughafen.
Ergeben sich kurzfristig Hindernisse für die Abschiebung, stimmt die ZABH das weitere Vorgehen mit der Bundespolizei und der gegebenenfalls begleitenden oder durchführenden Landespolizei ab. Mit dem vor Ort zuständigen Personal der Bundespolizei wird ebenfalls abgestimmt, was im Falle des Abbruchs der Rückführung veranlasst werden soll. Haftfälle sind bei bestehendem Haftbefehl stets zurück in die entsprechenden Vollzugseinrichtungen zu verbringen. Im Rahmen der Abschiebungshaftanordnung bzw. der Ausreisegewahrsamsanordnung gilt dies nur, soweit die Voraussetzungen der Haft- bzw. Gewahrsamsanordnung unverändert fortbestehen. In den letztgenannten Fällen ist die ZABH unverzüglich zu kontaktieren. Wenn die ZABH zum Ergebnis kommt, dass die Haft- bzw. Gewahrsamsvoraussetzungen nach Abbruch der Maßnahme nicht mehr vorliegen, ist die Person unverzüglich auf freien Fuß zu setzen.
Soweit keine Abschiebung aus der Haft erfolgt, entscheidet die ZABH im Falle des Abbruchs der Maßnahme, ob Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam bis zu einem weiteren Abschiebungsversuch beantragt wird. Ist dies nicht der Fall und ist keine anderweitige Anschlussmaßnahme vorgesehen, ist die ausländische Person unverzüglich auf freien Fuß zu setzen. Unterliegt sie einer räumlichen Beschränkung, ist sie – gegebenenfalls zwangsweise und unter Einbeziehung der zuständigen Polizeidienststelle – an den ursprünglichen Aufenthaltsort zurückzubringen. Die ZABH informiert die Ausländerbehörde über den Abbruch der Maßnahme.
10.11 Nachbesprechung
Die ZABH informiert die Ausländerbehörde zeitnah über die Aufenthaltsbeendigung und übermittelt dieser sämtliche Informationen und Dokumente für die Komplettierung der Ausländerakte. Anlassbedingt finden zwischen der ZABH und den Ausländerbehörden Regionalkonferenzen statt, um die Verwaltungsabläufe abzustimmen.
11. Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam
Abschiebungen sind grundsätzlich aus der Freiheit heraus durchzuführen (Direktabschiebung). Die mit der Anordnung von Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam verbundene Freiheitsentziehung ist nur als letztes Mittel zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung zu betrachten. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen werden grundsätzlich nicht in Abschiebungshaft bzw. Ausreisegewahrsam genommen, § 62 Abs. 1 S. 3, § 62b Abs. 3 AufenthG. Ausnahmen sind nur beim Vorliegen außergewöhnlicher Umstände möglich, zum Beispiel bei minderjährigen Gefährderinnen und Gefährdern oder Jugendstraftäterinnen und -straftätern.
Eine ausländische Person darf nicht ohne richterliche Entscheidung in Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam genommen werden (vgl. Artikel 104 Abs. 2 S. 1 GG, § 62, § 62b AufenthG). Im Fall einer vorläufigen Ingewahrsamnahme gemäß § 62 Abs. 5 AufenthG ist die richterliche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen.
Die Anordnung und Fortdauer von Abschiebungshaft ist unabhängig von etwaigen Asylantragstellungen möglich. Die Stellung eines Asylantrags steht der Anordnung oder Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft nicht entgegen, wenn sich die ausländische Person in Haft oder sonstigem öffentlichem Gewahrsam befindet oder zum Zeitpunkt der Stellung des Asylantrags die Voraussetzungen der Abschiebungshaft vorlagen, § 14 Abs. 3 S. 1 AsylG.
11.1 Beantragung von Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam; Zuständigkeiten
Die Beantragung von Abschiebungshaft ist nach § 62 AufenthG sowohl zur Vorbereitung der Ausweisung (Abs. 2) als auch zur Sicherung der Abschiebung (Abs. 3), als auch zur Durchführung von Maßnahmen nach § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG (Mitwirkungshaft nach Abs. 6) möglich. In jedem Fall darf Abschiebungshaft nur beantragt werden, wenn die Abschiebung ohne die Inhaftierung wesentlich erschwert oder vereitelt würde.
Die Beantragung von Ausreisegewahrsam kann gemäß § 62b AufenthG anstelle der Sicherungshaft ebenfalls zur Sicherung der Durchführbarkeit der Abschiebung für einen Zeitraum von längstens 28 Tagen erfolgen.
Das Verfahren über die Anordnung der Abschiebungshaft und des Ausreisegewahrsams richtet sich gemäß § 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG nach Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Rechtlich zuständig für die Beantragung von Abschiebungshaft ist nach erfolgter kommunaler Verteilung gemäß § 417 Abs. 1 FamFG unbeschadet des § 71 Abs. 3 und 5 AufenthG die ZABH (§ 3 Nr. 12 AuslRZV).
Soweit Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam im Einzelfall erforderlich ist, sind zu allen Tatsachen des § 417 Abs. 2 Nr. 1 – 5 FamFG Angaben zu machen. Insbesondere ist die Erforderlichkeit der Abschiebungshaft bzw. des Ausreisegewahrsams darzulegen. Hierzu gehört auch, dass kein milderes und gleichgeeignetes Mittel zur Verfügung steht, um die Abschiebung zu sichern.
Als mildere Mittel kommen in Betracht:
- die Direktabschiebung,
- die Beschlagnahme von Pässen oder sonstigen Reisedokumenten,
- die räumliche Beschränkung des Aufenthaltes, verknüpft mit der Erteilung von Wohnsitz- und Meldeauflagen,
- die Nutzung eines Ausreisegewahrsams bei Haftanträgen,
- die Vereinbarung von Sicherheitsleistungen oder Garantien durch Vertrauenspersonen.
Mit dem Antrag zur Anordnung von Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam ist dem anordnenden Gericht die Ausländerakte der ausreisepflichtigen Person vorzulegen.
Für die Modalitäten der Einlieferung einer ausreisepflichtigen Person in eine Abschiebungshafteinrichtung oder Ausreisegewahrsamseinrichtung ist die für die Einrichtung geltende Gewahrsamsordnung maßgeblich.
Die ZABH hat die ausreisepflichtigen Personen während der Dauer der Haft aufenthaltsrechtlich, einschließlich der Gewährung von Asylbewerberleistungen nach dem AsylbLG, zu betreuen und sie – soweit rechtlich zulässig – rechtzeitig über den Zeitpunkt der Abschiebung zu informieren, vgl. § 59 Abs. 5 S. 2 AufenthG.
Die ZABH hat die abzuschiebende Person ferner über ihre Rechte nach Art. 36 Abs. 1b) des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen zu unterrichten, auch dann, wenn dies durch das über den Antrag entscheidende Gericht bereits erfolgt ist/erfolgen wird. Die Belehrung der abzuschiebenden Person, seine Reaktion hierauf und, sofern verlangt, die unverzügliche Unterrichtung der konsularischen Vertretung von der Inhaftierung sind aktenkundig zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 18.11.2010 – V ZB 165/10).
Im Falle der Ablehnung der Abschiebungshaft hat die beantragende Behörde auch bei Erledigung der Hauptsache ein Beschwerderecht, § 62 Abs. 3 FamFG.
11.2 Abschiebung aus der Haft
Eine abzuschiebende Person, die sich in Untersuchungs- oder Strafhaft oder im Maßregelvollzug befindet, ist, soweit möglich, direkt aus der Haft abzuschieben. Hierfür sind alle erforderlichen Maßnahmen so rechtzeitig vorzunehmen, dass die Abschiebung ohne Beantragung von Abschiebungshaft aus der Strafhaft durchgeführt werden kann (vgl. § 59 Abs. 5 AufenthG). Der Transport und die Übergabe bei Abschiebungen aus der Haft heraus wird ausschließlich von Mitarbeitenden der Landespolizei durchgeführt. Die dafür notwendigen Begleitdokumente werden der Landespolizei im Vorfeld überlassen. Auf das Verfahren zur Erlangung des ggf. erforderlichen Einvernehmens der Strafverfolgungsbehörden gemäß § 72 Abs. 4 AufenthG und die notwendige Beteiligung der Strafvollstreckungsbehörde gemäß § 456a StPO wird hingewiesen. Um Beachtung der Allgemeinen Verfügung zur Abschiebung ausländischer Straftäter nach Teilverbüßung des Ministers der Justiz vom 20. März 1997 (JMBl/97, [Nr. 4], S. 38), zuletzt geändert durch Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz vom 2. Februar 2011 (JMBl/11, [Nr. 3], S. 18) wird gebeten.
Für den Fall, dass die Entlassung kurzfristig erfolgt, teilt dies die Justizvollzugsanstalt – gegebenenfalls fernmündlich – mit. Sobald die Ausländerbehörde von der Entlassung Kenntnis erlangt, informiert sie unverzüglich die ZABH.
Sicherungshaft kann ausnahmsweise im Anschluss an die Strafhaft oder Untersuchungshaft nach Maßgabe des § 62 Abs. 3 S. 1 und 2 AufenthG angeordnet werden. Das Ende der Strafhaft muss jedoch feststehen, da die Sicherungshaft nicht auf Vorrat angeordnet werden darf. Voraussetzung ist allerdings, dass die Abschiebung aus von der ZABH nicht zu vertretenden Gründen (z.B. fehlende Flugverbindung u.a.) ausnahmsweise nicht bis zum Ende der Strafhaft durchgeführt werden kann. Die Anordnung von Sicherungshaft entspricht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit nur, wenn von der ZABH mit der in solchen Fällen gebotenen Beschleunigung zuvor vergeblich versucht wurde, die Abschiebung aus der Strafhaft heraus zu ermöglichen. Im Haftantrag sind entsprechende Angaben zu machen und zu belegen.
11.3 Vorbereitungshaft
Die Anordnung von Vorbereitungshaft (§ 62 Abs. 2 AufenthG) ist nur dann zulässig, wenn nach dem Ergebnis der Sachverhaltsermittlung eine Ausweisung nach § 53 AufenthG oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG rechtlich möglich und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, über die erforderliche Ausweisung jedoch nicht sofort entschieden werden kann, z.B., weil die erforderlichen Nachweise zur Stützung eines begründeten Verdachts auf Ausweisungsgründe noch erbracht werden müssen. Diese Voraussetzungen liegen z. B. dann nicht vor, wenn mit einer Ausweisung grundsätzlich nicht zu rechnen ist, weil die Person bereits wegen unerlaubter Einreise nach § 58 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG kraft Gesetzes vollziehbar ausreisepflichtig ist.
Vorbereitungshaft ist insbesondere zulässig, wenn die Ausweisung innerhalb von sechs Wochen nach Antritt der Haft verfügt und die Abschiebung in dieser Zeit durchgeführt werden kann. Die Abschiebung, die auf Grund der beabsichtigten Ausweisung vollzogen werden soll, muss außerdem rechtlich und tatsächlich möglich und ohne die Vorbereitungshaft wesentlich erschwert oder gefährdet sein. Ob wesentliche Erschwerung, Gefährdung oder Vereitelung der Abschiebung angenommen werden können, ist anhand konkreter Verdachtsmomente festzustellen. Im Haftantrag sind die hierfür maßgebenden Umstände anzugeben.
Die unmittelbar bevorstehende Entlassung der abzuschiebenden Person aus der Untersuchungshaft kann Anlass für die Beantragung von Vorbereitungshaft geben (vgl. Nr. 62.1 AVV zum AufenthG des BMI).
Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten (§ 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG). Sie darf nur ausnahmsweise darüber hinaus verlängert werden, wenn sich der Erlass aus besonderen, nicht vorhersehbaren Gründen verzögert. Gemäß Nr. 62.1.3 der AVV zum AufenthG des BMI ist eine längere Dauer z. B. denkbar, wenn der Erlass der Ausweisungsverfügung durch Umstände hinausgezögert wird, die von der abzuschiebenden Person zu vertreten sind. Ist die Überschreitung der regulären Höchstdauer von vornherein absehbar, kommt Vorbereitungshaft i.d.R. von Anfang an nicht in Betracht. Es wäre unverhältnismäßig, die Freiheitsentziehung sofort auf eine längere Dauer festzulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 09.02.2012 – V ZB 305/10).
11.4 Sicherungshaft
Bei der Sicherungshaft handelt es sich um eine Maßnahme zur Sicherung der Abschiebung.
Die Sicherungshaft ist grundsätzlich erforderlich, wenn einer oder mehrere der in § 62 Abs. 3 AufenthG genannten Haftgründe vorliegen. Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nr. 2 AufenthG kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn die abzuschiebende Person glaubhaft macht, dass sie sich der Abschiebung nicht entziehen will (§ 62 Abs. 3 S. 2 AufenthG). Fluchtgefahr wird widerleglich vermutet, wenn ein Sachverhalt gemäß § 62 Abs. 3a AufenthG vorliegt. Die Einführung der widerleglichen Vermutung ändert jedoch nichts am Amtsermittlungsgrundsatz im behördlichen und gerichtlichen Verfahren. Im Abschiebungshaftantrag sind aus diesem Grund nach wie vor alle Umstände nachvollziehbar darzulegen, die im konkreten Einzelfall den Haftgrund der Fluchtgefahr begründen. Auf die Ausführungen in den Anwendungshinweisen des BMI zu § 62 AufenthG Ziffer 1 ff. wird ausdrücklich hingewiesen.
Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden und in Fällen, in denen die Abschiebung aus von der ausländischen Person zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden, z. B. wenn die abzuschiebende Person ihren Pass vernichtet hat oder sich weigert, an der Beschaffung eines Passes mitzuwirken, § 62 Abs. 4 S. 1 und 2 AufenthG. Sicherungshaft darf jedoch nicht beantragt werden, wenn von vornherein feststeht, dass die Abschiebung aus Gründen, die die abzuschiebende Person nicht zu vertreten hat, innerhalb der nächsten sechs Monate nicht durchgeführt werden kann (§ 62 Abs. 3 S. 3 AufenthG). Dies kann der Fall sein, wenn eine Reiseunfähigkeit wegen stationärer Krankenhausbehandlung vorliegt.
Diese Regelungen erfordern eine Prognose, dass die Abschiebung innerhalb von sechs Monaten durchgeführt werden kann. Hierzu sind der Haftrichterin oder dem Haftrichter konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und zu dem Zeitraum, in welchem die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können, vorzulegen. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind, welchen Zeitraum beispielsweise eine Pass- oder Passersatzbeschaffung, die organisatorische Abwicklung, die Flugbuchung oder die erforderliche Durchführung eines Rückübernahmeverfahrens voraussichtlich in Anspruch nimmt, von welchen Voraussetzungen dies abhängt und ob diese im konkreten Fall vorliegen. Diese konkreten Angaben sind erforderlich, damit das Gericht in die Lage versetzt wird, eine eigene Prognoseentscheidung zu treffen. Eine derartige Prognose hat auch dann zu erfolgen, wenn die abzuschiebende Person eine ihr obliegende Mitwirkung verweigert hat. Liegt eine schuldhafte Mitwirkungsverweigerung vor, ist in die Prognose einzustellen, wie das weitere Verfahren bei einer pflichtmäßigen Mitwirkung der Person üblicherweise abgelaufen wäre. Verbleibt dann im Ergebnis der Prognose eine Ungewissheit, geht diese bei der erstmaligen Anordnung der Haft zu Lasten der betroffenen Person (vgl. BGH – Beschluss vom 01.3.2012, V ZB 206/11).
Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
Um die Identitätsklärung oder die Feststellung der Reisefähigkeit durch eine ärztliche Untersuchung zu ermöglichen, kann die betroffene Person höchstens für die Dauer von 14 Tagen gemäß § 62 Abs. 6 AufenthG in Mitwirkungshaft genommen werden. Die Mitwirkungshaft ist als letztes Mittel nur zulässig, wenn Mitwirkungspflichten, auf die die betroffene Person bereits hingewiesen wurde, verletzt wurden. Die Mitwirkungshaft darf auch angeordnet werden, wenn im Rahmen der besonderen Mitwirkungspflicht nach § 82 Abs. 4 AufenthG eine Unterlassung von erforderlichen Angaben zur Klärung der Staatsangehörigkeit vorliegt, § 62 Abs. 6 S. 1 AufenthG. Es muss eine hinreichende Aussicht auf Abschiebung bestehen und der Zweck der Haft muss erreichbar sein. Dies ist in der Regel nur der Fall, wenn der konkrete Termin, beispielsweise zur Anhörung zwecks Identitätsklärung, bereits feststeht. Für den Haftvollzug gelten die Vorschriften des § 62a AufenthG entsprechend. Auf die Anwendungshinweise des BMI zu § 62 AufenthG, Ziffer 6 wird hingewiesen.
11.5 Vorläufiger Gewahrsam ohne vorherige richterliche Anordnung zur Sicherstellung der Sicherungshaft
§ 62 Abs. 5 S. 1 AufenthG sieht vor, dass die für den Haftantrag zuständige Behörde eine abzuschiebende Person ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen kann, wenn die Voraussetzungen der Sicherungshaft vorliegen, die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann (ggf. im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG) und der begründete Verdacht vorliegt, dass sich die ausländische Person der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will. Nach Satz 2 ist die abzuschiebende Person unverzüglich dem zuständigen Amtsgericht zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen. Damit sind konkret geplante Festnahmen allein zum Zweck der Gewahrsamsbegründung nicht ohne vorherige Einschaltung des zuständigen Amtsgerichts zulässig.
11.6 Ausreisegewahrsam
Der Ausreisegewahrsam gemäß § 62b AufenthG soll der Sicherstellung des Vollzugs der Abschiebungsmaßnahme, insbesondere bei Maßnahmen, die mit hohem organisatorischen Aufwand geplant werden, dienen. Darüber hinaus stellt er ein milderes Mittel gegenüber der Sicherungshaft dar und kann dazu dienen, Abholungen während der Nachtzeit oder in den frühen Morgenstunden zu vermeiden und so die Belastungen für die Betroffenen so gering wie möglich zu halten, ohne die Abschiebungsmaßnahme zu gefährden. Die Anordnung des Ausreisegewahrsams steht ebenfalls unter dem Richtervorbehalt. Im begründetem Einzelfall sieht § 62b Abs. 4 AufenthG jedoch vor, dass eine Ingewahrsamnahme ausnahmsweise auch ohne vorherige richterliche Anordnung zulässig ist. Die übrigen Ausführungen unter Nummer 11.7 gelten auch hier.
Der Ausreisegewahrsam kann für höchstens 28 Tage angeordnet werden und wird im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft, von der aus die Ausreise des Ausländers möglich ist, vollzogen.
Eine Ingewahrsamnahme nach § 62b AufenthG scheidet im Rahmen einer sogenannten Dublin-Überstellung aus. Die Haft im Dublin-Verfahren ist in Art. 28 der Verordnung Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) geregelt und setzt regelmäßig das Vorliegen von Fluchtgefahr voraus.
Hinsichtlich der übrigen Anordnungsvoraussetzungen wird auf die Anwendungshinweise des BMI zu § 62b AufenthG verwiesen.
11.7 Dauer und Verlängerung der Abschiebungshaft
Bei der Beantragung einer Verlängerung der Abschiebungshaft soll die Akte der ausländischen Person vorgelegt werden. Für die Zulässigkeit des Antrages gelten die Voraussetzungen für die erstmalige Anordnung nach § 425 Abs. 3, 417 Abs. 2 FamFG entsprechend. Es ist auszuführen, dass die maßgeblichen Gründe, die zur Anordnung der Haft geführt haben, weiterhin vorliegen und zusätzlich die Voraussetzungen für eine Verlängerung gegeben sind. Dieses setzt voraus, dass die Abschiebung aus Gründen, die die ausländische Person zu vertreten hat, nicht durchgeführt werden konnte. Im Verlängerungsantrag ist deshalb darzustellen,
- welche Maßnahmen bisher zur Vorbereitung der Abschiebung getroffen wurden (mit Datum und konkreter Bezeichnung),
- aus welchen Gründen die Abschiebung während der bisherigen Haftdauer nicht möglich war,
- wann mit der Abschiebung voraussichtlich zu rechnen ist und
- weshalb die Verlängerung der Haft noch verhältnismäßig ist.
Die ZABH prüft von Amts wegen in regelmäßigen Abständen, ob die rechtlichen Voraussetzungen der Abschiebungshaft noch vorliegen und vermerkt dies in den Akten. Der Vollzug der Abschiebungshaft ist von der ZABH unverzüglich bis zu einer Woche auszusetzen (§ 424 Abs. 1 S. 3 FamFG) und die Aufhebung der Freiheitsentziehung unverzüglich zu beantragen, wenn die für deren Anordnung maßgebenden Gründe entfallen sind (§ 426 Abs. 2 FamFG). Dazu zählt beispielsweise der nachträgliche Wegfall des Haftgrundes, der Wegfall der vollziehbaren Ausreisepflicht oder die längerfristige oder dauerhafte Unmöglichkeit der Abschiebung.
11.8 Fortbestehen der Haftanordnung bei Scheitern der Abschiebung
Nach § 62 Abs. 4a AufenthG bleibt die Anordnung der Sicherungshaft bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, wenn die Abschiebung gescheitert ist. Zu prüfen ist, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftanordnung weiter vorliegen.
11.9 Abschiebungshaftvollzug
Abschiebungshaft wird in Brandenburg grundsätzlich in der Abschiebungshafteinrichtung des Landes vollzogen, sofern eine solche in Betrieb ist. Ausreisegewahrsam wird ebenfalls in einer Landeseinrichtung vollzogen, sofern hierfür ausreichend landeseigene Plätze zur Verfügung stehen. Das Verfahren des Vollzuges regelt dann die Gewahrsamsordnung (GewahrsO) der jeweiligen Landeseinrichtung.
Stehen in Brandenburg keine Abschiebungshaft- oder Ausreisegewahrsamsplätze zur Verfügung, kann unter Inanspruchnahme von Amtshilfe ein Haft- oder Gewahrsamsplatz in den Einrichtungen der anderen Länder gesucht werden. Auf die Möglichkeit der Haftplatzsuche über das ZUR wird hingewiesen (Information Nr. 71/2017 vom 23.10.2017). Es gelten dann zusätzlich die entsprechenden Regelungen am Sitz der jeweiligen Einrichtungen.
Darüber hinaus ist sowohl für die Abschiebungshaft als auch für den Ausreisegewahrsam Folgendes zu beachten:
- Bei der Inhaftierung schutzbedürftiger Personen im Sinne des Art. 3 Nr. 9 der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie) ist auf die spezielle Situation dieser Personen besondere Rücksicht zu nehmen. Auf die Ausführungen zu den milderen Mitteln unter Nummer 11.1 wird verwiesen. Steht kein milderes Mittel zur Verfügung, ist den altersgemäßen Bedürfnissen Minderjähriger in der Haft bzw. dem Gewahrsam angemessen Rechnung zu tragen.
Es sind besondere Anstrengungen zu unternehmen, um Minderjährige aus der Haft zu entlassen und in ihrem Alter gemäßen Unterkünften unterzubringen. In Haft oder Gewahrsam befindliche Familien müssen eine gesonderte Unterbringung erhalten, die ein angemessenes Maß an Privatsphäre gewährleistet. Schwangere bzw. Mütter innerhalb der gesetzlichen Mutterschutzvorschriften (§ 3 MuSchG) sollen grundsätzlich nicht in Abschiebungshaft genommen werden (Nr. 62.0.5 AVV BMI). Bei Hinweisen zum Vorliegen einer Schwangerschaft ist die Gewahrsams- bzw. Haftfähigkeit in jedem Einzelfall durch eine ärztliche Untersuchung feststellen zu lassen. Bei Anhaltspunkten für eine Gewahrsams- bzw. Haftunfähigkeit zu Inhaftierender (z.B. schwere körperliche Erkrankungen, bei denen in der Haft- bzw. Gewahrsamseinrichtung keine adäquate Unterbringung und medizinische Versorgung sichergestellt werden kann, sowie psychische Störungen mit dem Risiko einer relevanten Eigen- oder Fremdgefährdung sowie Betäubungsmittelabhängigkeit mit Entzugsproblematiken oder Suizidalität) ist die Gewahrsams- bzw. Haftfähigkeit ebenfalls durch ärztliche Untersuchung festzustellen. - Die ZABH hat eine Hafttauglichkeitsuntersuchung zu veranlassen. Diese hat durch eine Ärztin oder einen Arzt mit entsprechender Qualifizierung zu erfolgen.
- Führt die gesundheitliche Beeinträchtigung nicht zur Gewahrsams- bzw. Haftunfähigkeit, zu einem zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbot oder zu einem innerstaatlichen Vollzugshindernis, ist die Gewahrsams- bzw. Abschiebungshafteinrichtung darüber zu unterrichten. Das Vorliegen des besonderen Ausnahmefalls ist im Gewahrsams- bzw. Haftantrag zu begründen. Insbesondere ist darzustellen, aus welchen Gründen Gewahrsam bzw. Abschiebungshaft geboten ist und weshalb mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen.
12. Zuständigkeit der Polizei im Rahmen der Abschiebung
In Brandenburg ist die ZABH die gemäß § 71 Abs. 1 S. 4 AufenthG für die Vollziehung von Abschiebungen zuständige Stelle, § 3 Nr. 6 AuslRZV. Die Landespolizei leistet nach Maßgabe der nachfolgend aufgeführten Regelungen Vollzugshilfe.
12.1 Vollzugshilfe
Die Landespolizei leistet grundsätzlich nach Anforderung der ZABH gemäß § 50 BbgPolG Vollzugshilfe bei der Durchführung von Abschiebungen. Das Verfahren der Vollzugshilfe richtet sich nach § 51 BbgPolG. Das Formular „Vollzugshilfe gemäß § 50 BbgPolG“ (Anlage 1) ist von der ZABH auszufüllen und an die Koordinierungsstelle für Rückführungen (KostRück) zu senden. Auf dem Formular ist insbesondere zwingend die Folgemaßnahme zu vermerken, die im Falle eines Scheiterns der Abschiebung durch die ZABH angeordnet wird. Die ZABH weist die Polizei auf alle Sachverhalte hin, die für die erfolgreiche und sichere Durchführung der Maßnahme notwendig sind. Über die Zweckmäßigkeit der Vollzugshilfe entscheidet gemäß § 50 Abs. 2 BbgPolG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfGBbg, § 5 Abs. 4 Alt. 2 VwVfG die ZABH.
Im Interesse der Schonung polizeilicher Ressourcen wägt die ZABH in jedem Einzelfall vor Stellung eines Vollzugshilfeersuchens ab, ob die Rückführungsmaßnahme so gestaltet werden kann, dass
- polizeiliche Unterstützung vor Ort entbehrlich ist,
- lediglich der Zugriff ggf. einschließlich einer Durchsuchung polizeilich zu sichern und im Widerstandsfalle durchzusetzen ist oder
- lediglich der Transport polizeilich zu sichern ist.
Plant die ZABH eine unbegleitete Rückführung, prüft sie sorgfältig, ob auf das Vollzugshilfeersuchen an die Landespolizei verzichtet werden kann. Ein Verzicht kommt insbesondere in den folgenden Fallkonstellationen in Frage:
- Die Person ist seit mehr als drei Wochen unbekannten Aufenthaltes, so dass es unwahrscheinlich ist, dass sie am Tag der Rückführung an ihrer Meldeadresse angetroffen wird.
- Die Person ist bisher nicht durch gewalttätige Handlungen aufgefallen, insbesondere ist sie nicht wegen Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit oder Bedrohung in Erscheinung getreten, so dass davon ausgegangen werden kann, dass unmittelbare Zwangsanwendung im Zuge der Abschiebung nicht notwendig wird.
- Es handelt sich um eine Familienabschiebung.
Ein Verzicht kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn eine Abschiebung aus einer Sammelunterkunft heraus erfolgen soll, insbesondere, wenn die Gefahr von Solidarisierungshandlungen Dritter gegeben ist. Hier genügt in der Regel die Sicherung des Zugriffs bzw. die Sicherung des Vollzugs einer Durchsuchungsmaßnahme. Den Transport der abzuschiebenden Personen stellt die ZABH in diesen Fällen mit eigenem Personal sicher. Bei Sammeltransporten oder bei abzuschiebenden Personen, welche als gewaltbereit eingestuft werden, kann die Polizei im Rahmen der Vollzugshilfe zur Unterstützung herangezogen werden. Soweit im Einzelfall anderes gilt, teilt die ZABH dies im Rahmen des Ersuchens um Vollzugshilfe mit.
Plant die ZABH eine begleitete Rückführung, wird ausnahmslos polizeiliche Vollzugshilfe für die gesamte Maßnahme beantragt.
Im Interesse der polizeilichen Einsatzplanung stellt die ZABH das Vollzugshilfeersuchen für begleitete und, sofern unverzichtbar, auch für unbegleitete Maßnahmen so früh wie möglich.
Die Vollzugshilfe beinhaltet insbesondere
- die Überstellung der ausreisepflichtigen Person von dem von der ZABH angegebenen Ort zur Grenzbehörde (z. B. Grenzübergangsstelle oder Flughafen),
- das Festhalten der ausreisepflichtigen Person während der Überstellung (§ 58 Abs. 4 AufenthG),
- die Überstellung der ausreisepflichtigen Person zu Gerichtsterminen,
- die Vorführung der ausreisepflichtigen Person bei der Auslandsvertretung zum Zweck der Ausstellung von Heimreisedokumenten und/oder
- die Sicherung des Zugriffs bei Abholung der abzuschiebenden Person bzw. die Sicherung des Vollzugs einer Durchsuchungsmaßnahme
- Begleitung der Überstellung auf dem Luftweg durch Personenbegleiter der Landespolizei.
12.2 Eigene Transportzuständigkeit der Polizei
In Anwendung des § 71 Abs. 5 AufenthG liegt die Zuständigkeit für die Durchführung von Abschiebungen (Transport) bei den folgenden Personengruppen bei der Polizei:
- ausländische Personen, die aufgrund ihres die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdenden Verhaltens in der Landesarbeitsgruppe SAGA oder in der Task Force zur priorisierten Abschiebung von ausländischen Straftäterinnen und Straftätern behandelt werden,
- vollziehbar ausreisepflichtige Personen, die von der Ausländerbehörde wegen unbekannten Aufenthalts zur Fahndung ausgeschrieben sind.
Diese polizeiliche Zuständigkeit betrifft allein die Übernahme der abzuschiebenden Personen, die anfallenden Transporte (z.B. Verbringung zum jeweiligen Überstellungsort, zur Abschiebungshafteinrichtung und zu Gerichtsterminen) und die Überstellung an die Bundespolizei oder eine andere in- oder ausländische Behörde sowie die Rückführung und Überstellung in die Haft oder den Gewahrsam, sofern die Abschiebung abgebrochen werden muss. Ein Vollzugshilfeersuchen muss hierfür bei den oben genannten Personengruppen nicht gesondert gestellt werden. Mit dem Meldeformular (Anlage 2) übermittelt die ZABH der Polizei die rechtlichen Voraussetzungen und alle für die Durchführung des Transports relevanten Informationen, insbesondere auch die vorliegenden Gefährdungserkenntnisse rechtzeitig vorab.
Das weitere gemeinsame Vorgehen wird in Zusammenarbeit der beiden Stellen koordiniert. Mitarbeitende der ZABH müssen während der gesamten Rückführungsmaßnahme telefonisch erreichbar sein, um ggf. Entscheidungen nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylgesetz zu treffen.
12.3 Kosten der polizeilichen Vollzugshilfe
Das Polizeipräsidium zeigt den bei der Begleitung von Rückführungsmaßnahmen angefallenen Aufwand (gefahrene Kilometer und die Anzahl der eingesetzten Personen) gegenüber der ZABH an, damit diese die Kosten beim Kostenschuldner feststellen und einziehen kann. Können Rückführungskosten von einem Kostenschuldner nach § 66 AufenthG beigetrieben werden, ist der anteilige Betrag für die Vollzugshilfemaßnahme von der ZABH einzubehalten und an die Polizei zu überweisen.
13. Kosten der Abschiebung
Die ZABH ist die zuständige Stelle für die Feststellung und Einziehung der Kosten gegenüber dem Kostenschuldner nach § 66 AufenthG.
13.1 Kostenschuldner; Sicherheitsleistung
Die Kosten der Zurückschiebung oder Abschiebung sind gemäß Absatz 1 von der abzuschiebenden Person zu tragen. Neben der abzuschiebenden Person haften für die Kosten der Zurückschiebung oder Abschiebung die in Absatz 2 bis 4 genannten Personen. Von dem Kostenschuldner kann gemäß Absatz 5 eine Sicherheitsleistung verlangt werden.
Der Umfang der Kostenhaftung ist in § 67 AufenthG geregelt.
Vorhandene Barmittel der ausländischen Person, die die Höhe eines monatlichen Taschengeldes nach § 3 Abs. 1 AsylbLG übersteigen, können bei der Abschiebung durch die ZABH bis zur Höhe der voraussichtlich gemäß § 67 AufenthG zu erhebenden Kosten als Sicherheitsleistung gemäß § 66 Abs. 5 AufenthG eingezogen werden. Erfolgt die Einziehung am Flughafen, wird die Ermessensentscheidung in Abstimmung mit dem anwesenden Personal der Bundespolizei getroffen.
Als Sicherheitsleistung können auch verwertbare Sachwerte einbehalten werden. Die ZABH prüft, ob eine Inanspruchnahme der abgeschobenen Person oder Dritter (§§ 66 bis 68 AufenthG) in Betracht kommt, und erlässt im Einzelfall einen Leistungsbescheid. Die ZABH fordert hierbei auch Abschiebungskosten an. Abschiebungskosten, die weder durch die ausländische Person noch durch Dritte gedeckt sind, werden als Forderungsnachweise dokumentiert. Sie sind von dem Kostenschuldner vor Wiedereinreise durch Leistungsbescheid einzufordern.
Es besteht die Möglichkeit zur Durchsuchung der ausländischen Person und der mitgeführten Sachen, um nach Anordnung der Rückführungsmaßnahme die angeordnete Sicherheitsleistung auch in den Fällen tatsächlich sicherstellen zu können, in denen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass entsprechende Mittel und Unterlagen zwar mitgeführt, jedoch nicht freiwillig herausgegeben werden, § 62 Abs. 5 S. 4 AufenthG.
13.2 Kostenerstattung gegenüber der Ausländerbehörde
Fallen bei der Ausländerbehörde erstattungsfähige Kosten gemäß § 67 AufenthG an, so kann sie diese gegenüber der ZABH auf der Grundlage von § 44 Abs. 2 OBG geltend machen und erhält diese erstattet. Es gelten für die nachfolgenden Positionen die angegebenen Pauschalen. Sofern im Einzelfall höhere und notwendige Kosten als die nachfolgenden Sätze nachgewiesen werden, werden diese erstattet. Die Abrechnung der Ausländerbehörden gegenüber der ZABH erfolgt quartalsweise.
13.2.1 Beförderungskosten, die durch die ZABH veranlasst wurden
- Öffentliche Verkehrsmittel
Hierzu gehören Kosten durch Flug, Eisenbahn, Bus und andere öffentliche Verkehrsmittel, welche von der ZABH veranlasst und von der Ausländerbehörde getragen wurden. Diese Kosten sind in tatsächlicher Höhe erstattungsfähig und durch detaillierte Rechnung bzw. die Kopie des Tickets nachzuweisen. - Dienstkraftfahrzeuge
Grundlagen für die Erstattung der Kosten bei der Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen sind die bei der Ausländerbehörde entstandenen und durch Kostenblätter nachgewiesenen bzw. mit Hilfe der Kapitalwertmethode/Barwertmethode (VV zu § 7 LHO) ermittelten Kosten. Werden mit einem Dienstfahrzeug der Ausländerbehörde Fahrten zum Zwecke der Ab- und Zurückschiebung durchgeführt, so werden folgende Entschädigungssätze erstattet:
Pkw 0,45 Euro/km
Transporter 0,58 Euro/km
Voraussetzung für eine Erstattung ist die Vorlage der Ablichtung des Fahrtenbuches und eine schriftliche Bestätigung der Anforderung der Unterstützung durch die ZABH. - Dienstleistungsunternehmen
Bei Inanspruchnahme eines Dienstleistungsunternehmens werden als Höchstsatz für Personalkosten 20 Euro pro Stunde und 0,65 Euro pro gefahrenen Kilometer erstattet. Diese Höchstsätze verstehen sich inklusive der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Die detaillierten Abrechnungen und eine schriftliche Bestätigung der Anforderung durch die ZABH sind beizufügen. Die haushaltsrechtlichen Grundsätze sind bei der Auswahl und dem Einsatz des Dienstleistungsunternehmens zu beachten.
Personalkosten, die nicht durch eine erforderliche amtliche Begleitung entstanden sind, sind nicht erstattungsfähig.
13.2.2 Dolmetscherkosten und sonstige Kosten
Die Erstattung der Dolmetscherkosten erfolgt nach dem Justizvergütungs- und
-entschädigungsgesetz (JVEG), sofern die ZABH über die Ausländerbehörde einen Dolmetschenden ausdrücklich angefordert hat. Bei der Abrechnung der Dolmetscherkosten ist in geeigneter Form nachzuweisen, dass diese im Rahmen einer Anhörung gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG oder im Zuge einer Rückführungsmaßnahme angefallen sind.
Weiterhin sind Kosten erstattungsfähig, welche auf Veranlassung der ZABH für vorbereitende Maßnahmen einer Abschiebung entstehen (z. B. nochmalige Selbstangabe, Bestätigung der Reisefähigkeit durch ärztliches Personal) und Kosten für Maßnahmen, die den Abbruch einer Abschiebung verhindern, z. B. bei Renitenz der abzuschiebenden Person).
13.2.3 Kosten für Passpapiere
Auslagen für Passersatzpapiere und Passbilder werden in tatsächlicher Höhe erstattet, soweit sie keine Verwaltungsgebühren enthalten. Die Kostenerstattung erfolgt nach Vorlage entsprechender Belege.
13.2.4 Nicht erstattungsfähige Kosten
Nicht erstattungsfähig gemäß § 44 Abs. 2 OBG sind die nachfolgend aufgeführten Kosten:
- Verwaltungsgebühren, die bei der Beschaffung von Passersatzpapieren anfallen (§ 8 Abs. 1 VwVfG). Diese Leistungen sind im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) erstattungsfähig. Im Übrigen werden Auslagen unter 35,00 Euro gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 VwVfG nicht erstattet.
- Kosten, die durch einen anderen Rechtsträger zu erstatten sind (z. B. Polizei, Bundespolizei oder Gerichte).
- Kosten der Heimunterbringung; dies sind Leistungen nach dem AsylbLG. Kostenträger ist das örtlich zuständige Sozialamt.
- Kosten für eine medizinische Betreuung; dies sind Leistungen nach dem AsylbLG. Kostenträger ist das örtlich zuständige Sozialamt.
- Kosten für Übergepäck der abzuschiebenden Person.
13.3 Kosten der Vollzugshilfe
Wird eine kostenpflichtige Maßnahme im Wege der Amtshilfe durchgeführt, erfolgt die Durchführung der Amtshilfe nach dem für die ersuchte Behörde geltenden Recht (§ 7 VwVfG).
Abschiebungskosten, die der Ausländerbehörde eines anderen Bundeslandes durch eine Abschiebung im Wege der Amtshilfe tatsächlich entstehen, sind dieser durch die ZABH auf Antrag nach Maßgabe des § 8 VwVfG zu erstatten. Stehen auf Grund einer von der ausländischen Person einbehaltenen Sicherheitsleistung ausreichende Mittel zur Verfügung oder ist ersichtlich, dass die Abschiebungskosten von der ausländischen Person oder einem anderen Kostenschuldner durch Leistungsbescheid erhoben werden können, sind der Ausländerbehörde des anderen Bundeslandes auch sonstige Abschiebungskosten nach § 67 Abs. 1 AufenthG zu erstatten (§ 8 Abs. 2 VwVfG).
Führt die ZABH eine Abschiebung im Wege der Amtshilfe für eine Behörde aus einem anderen Bundesland durch, beantragt sie bei der ersuchenden Behörde die Erstattung der Kosten entsprechend den vorstehenden Grundsätzen.
14. Statistik
14.1 Ausreisestatistik
Die ZABH erstellt im Auftrag des MIK monatlich eine Ausreisestatistik (Anlage 3), in der Abschiebungen, Überstellungen und die freiwilligen Ausreisen des vergangenen Kalendermonats dargestellt werden. Bei freiwilligen Ausreisen wird differenziert nach freiwilligen Ausreisen mit und ohne Förderung. Bei geförderten Ausreisen werden die Ausreisen, die im Rahmen des Landesförderprogramms abgewickelt werden, gesondert ausgewiesen. Die entsprechenden Daten sind bis zum zehnten Tag des jeweils nachfolgenden Monats an das MIK zu übermitteln.
14.2 Datenübermittlung zu vollziehbar ausreisepflichtigen Personen
Im Zuge des Zuständigkeitsübergangs auf die ZABH für die Vorbereitung und Durchführung der Rückführung mit Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht übermitteln die Ausländerbehörden erstmalig zum 8. Mai 2024 und danach jeweils zum 31. Dezember eines jeden Kalenderjahres eine Übersicht über die in ihrer jeweiligen Zuständigkeit befindlichen vollziehbar ausreisepflichtigen Personen an die ZABH. In der Übersicht sollen AZR-Nummer, Name, Alter, Adresse und Herkunftsland angegeben werden. Die Übermittlung erfolgt an das folgende Funktionspostfach:
ZABH.AkteneingangLandkreise@zabh.brandenburg.de
Die ZABH erstellt nach Erhalt aller Meldungen eine Übersicht der vollziehbar ausreisepflichtigen Personen im Land Brandenburg und meldet diese halbjährlich jeweils zum 30. Juni und zum 31. Dezember eines jeden Kalenderjahres dem Ministerium des Innern und für Kommunales. Hierfür ist die als Anlage 4 beigefügte Vorlage zu nutzen. Die Meldungen sind an das Funktionspostfach
auslaenderangelegenheiten@mik.brandenburg.de
zu richten.
1. Vollziehbar ausreisepflichtige Personen insgesamt (Spalte 1)
Einzutragen ist hier die Anzahl der nach dem AZR ausreisepflichtigen Personen, bei denen die bestehende Ausreisepflicht gemäß § 58 Abs. 2 AufenthG vollziehbar ist.
2. Davon DÜ-Fälle (von Spalte 1)
Hier ist die Anzahl der vollziehbar ausreisepflichtigen Personen zu erfassen, bei denen das BAMF aufgrund der Zuständigkeit eines anderen europäischen Mitgliedstaates oder sicheren Drittstaates nach der Dublin-III-Verordnung den Asylantrag als unzulässig abgelehnt und gemäß § 34a Abs. 1 AsylG die Überstellung in diesen angeordnet hat.
3. Davon in Auslieferungs-/Strafhaft (von Spalte 1)
Hier ist die Anzahl der ausreisepflichtigen Personen einzutragen, die sich in Auslieferungs- oder Strafhaft befinden. Der Antritt der Auslieferungs- und Strafhaft wird gemäß § 74 Abs. 2 AufenthV der ZABH durch die Strafvollzugsbehörde mitgeteilt.
15. Inkrafttreten
Diese Allgemeine Weisung tritt am 8. Mai 2024 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Allgemeine Weisung Nr. 09/2020 im Aufenthaltsrecht außer Kraft.