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Aufenthaltsrecht; Anordnung des Ministeriums des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg gemäß § 23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für besonders Schutzbedürftige einschließlich Kriegsflüchtlinge und Angehörige verfolgter Minderheiten aus Jordanien (Allgemeine Weisung im Ausländerrecht Nr. 2021.02 - AW-AuslR 2021.02)
Aufenthaltsrecht; Anordnung des Ministeriums des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg gemäß § 23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für besonders Schutzbedürftige einschließlich Kriegsflüchtlinge und Angehörige verfolgter Minderheiten aus Jordanien (Allgemeine Weisung im Ausländerrecht Nr. 2021.02 - AW-AuslR 2021.02)
vom 14. Juni 2021
I. Ausgangs- und Beschlusslage
Nach Angaben der Vereinen Nationen (Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge – UNHCR) befinden sich weltweit 80 Millionen Menschen auf der Flucht. Mehr als 1,6 Millionen Flüchtlinge und Asylsuchende sind seit 2015 nach Deutschland gekommen. Viele von ihnen suchen Schutz vor kriegerischen Konflikten und Verfolgung. Brandenburg ist dabei ein weltoffenes und solidarisches Bundesland.
Vor diesem Hintergrund hat der Landtag des Landes Brandenburg am 27. August 2020 den Beschluss „Ein Landesaufnahmeprogramm für Brandenburg“ gefasst. Ab dem Jahr 2021 soll nach der Formulierung im Landtagsbeschluss ein humanitäres Landesaufnahmeprogramm für besonders Schutzbedürftige, vor Krieg geflüchtete Menschen und aus religiösen Gründen Verfolgte wie Christinnen und Christen aufgelegt werden. Es handelt sich hierbei um Personen, die aus ihren Heimatländern nach Jordanien geflohen sind. Es sollen bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2024 jährlich bis zu 200 Personen aufgenommen werden. Das Aufnahmeprogramm soll in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) umgesetzt werden und sich in ein Gesamtkonzept des Bundes für humanitäre Aufnahmen einfügen.
Die Aufnahme ab 2021 bis 2024 von jährlich bis zu 200 besonders Schutzbedürftigen wird in Zusammenarbeit mit dem UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) erfolgen. Die evangelische und katholische Kirche sind bei diesem Aufnahmeprogramm beteiligt.
Die Anforderungen an ein Landesaufnahmeprogramm auf der Grundlage des Landtagsbeschlusses wurden unter Würdigung der aktuellen Sicherheitslage und unter Einbeziehung BMI, des Auswärtigen Amtes (AA) sowie von humanitären Organisationen berücksichtigt. Im Ergebnis ist eine Aufnahme von verfolgten Personen mit besonderem Schutzbedarf, die wegen Krieges oder einer besonderen Angehörigkeit zu einer Minderheit in ihrem Heimatland verfolgt wurden und nach Jordanien geflohen sind und sich dort aufhalten, vorgesehen. Das Land Brandenburg trägt die Gesamtverantwortung für diese Landesaufnahme.
II. Anordnung zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen
In Abstimmung mit dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz (MSGIV) sowie im Einvernehmen mit dem BMI ordne ich hiermit die Erteilung von insgesamt jährlich bis zu 200 Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG ab dem Jahr 2021 bis zum Ende des Jahres 2024 an, wenn die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt werden:
1. Begünstigter Personenkreis
Eine Aufenthaltserlaubnis wird an besonders schutzbedürftige vom Krieg in ihrem Heimatland Geflohenen einschließlich verfolgten Minderheiten, die Schutz in Jordanien erhalten haben, erteilt. Dabei sind gemäß Artikel 1 (A 2) der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) Personen zu berücksichtigen, die sich außerhalb ihres Heimatlandes aufhalten und in dieses aufgrund von drohender Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität und Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung nicht zurückkehren können. Eine Aufenthaltserlaubnis wird den o. g. Personen erteilt, wenn insbesondere die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
1.1 Zum Zeitpunkt des Aufnahmeverfahrens ist der Aufenthaltsort in Jordanien.
1.2 Die besondere Schutzbedürftigkeit und die Eigenschaft als Flüchtling i. S. d. GFK oder als Angehöriger einer verfolgten Minderheit wurde durch den UNHCR festgestellt.
1.3 Eine Aufnahme soll im Familienverbund (Kernfamilie; in begründeten Einzelfällen, wie z. B. volljährige Kinder oder volljährige Geschwister, auch erweiterte Familie) erfolgen.
1.4 Es erscheint gewährleistet, dass sich die Person aufgrund ihrer bisherigen Schul- und Berufsausbildung in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann.
1.5 Auch schwerstkranke Personen können aufgenommen werden. Der Anteil schwersterkrankter Personen an der Gesamtzahl der aufgenommenen Personen soll 5 % nicht überschreiten.
2. Feststellung der besonderen Schutzbedürftigkeit, Auswahl
Bei der Auswahlentscheidung sind neben der Flüchtlingseigenschaft i. S. d. GFK die vom UNHCR aufgestellten Kriterien der besonderen Schutzbedürftigkeit zu berücksichtigen, damit insbesondere Personen
- mit besonderem rechtlichen und/oder physischem Schutzbedarf
- mit Folter- und/oder Gewalterfahrung
- mit besonderem medizinischen Behandlungsbedarf
- mit besonderer Risikoexposition (z. B. Frauen und Mädchen, die durch sexuelle und geschlechtsbasierte Gewalt bedroht sind oder von Zwangsverheiratung bedrohte Kinder)
- mit familiärer Bindung in Deutschland, insbesondere in der Region Berlin-Brandenburg
- ohne Perspektive auf eine Eingliederung in Jordanien
Aufnahme im Programm finden.
Der UNHCR stellt zunächst Dossiers von den zur Aufnahme in Brandenburg in Betracht kommenden Personen - jeweils mit Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen aus Nummer 1 und 2 - zur Verfügung. Diese Dossiers werden auf Basis vorhandener Dokumente und von ausführlichen Interviews durch den UNHCR erstellt. Die Dossiers werden von den Mitgliedern der interministeriellen Projektgruppe beim MSGIV gesichtet. Im Anschluss werden durch die Vertreterinnen und Vertreter des Landes Brandenburg vor Ort bzw. ggf. per Videointerviews mit den in Betracht kommenden Personen in Jordanien durchgeführt. Die Organisation dieser Interviews erfolgt mit Unterstützung des UNHCR und von IOM. Die Vertreterinnen und Vertreter des Landes werden hierfür durch den UNHCR zunächst auf die Interviewsituation vorbereitet.
Die Auswahl der aufzunehmenden Personen erfolgt als erster Schritt auf der Grundlage der Dossiers unter Einbeziehung der Ergebnisse der Interviews. Die Vertreterinnen und Vertreter des Landes Brandenburg, welche die Interviews durchgeführt haben, geben auf Grundlage der dabei gewonnenen Erkenntnisse eine Empfehlung für oder gegen die Aufnahme der Personen ab. Die endgültige Entscheidung zur Auswahl der Personen erfolgt durch die interministerielle Projektgruppe im MSGIV. Nach Abschluss des gesamten Aufnahmeverfahrens wird ein Aufnahmebescheid gefertigt.
Sofern in den Kommunen in Brandenburg bestimmte Voraussetzungen gegeben sind, die für die bekannten Bedarfe der im Auswahlverfahren befindlichen Personen von Relevanz sind, sind diese im Auswahlprozess zu beachten.
Die Personenidentität ist in jedem Verfahrensschritt des Aufnahmeverfahrens zu gewährleisten.
Die Kosten des Auswahlverfahrens trägt das Land Brandenburg.
3. Sicherheitsüberprüfungsverfahren
Die Sicherheitsüberprüfung der in Betracht kommenden Personen erfolgt vor der Aufnahmeentscheidung. Eine positive Auswahlentscheidung kann nicht ergehen, wenn Sicherheitsbedenken gegen die Aufnahme bestehen.
Die Organisation und Planung des Einsatzes erfolgt in enger Abstimmung der zuständigen Landes- und Bundesbehörden.
Die Sicherheitsüberprüfung besteht grundsätzlich aus einem Datenabgleich und einem persönlichen Gespräch (Sicherheitsinterview).
Zu diesem Zweck werden folgende Schritte durchgeführt:
- Erfassung alphanumerischer und biometrischer Daten durch Bedienstete des Landes Brandenburg in Jordanien
- Datenabgleich durch Sicherheitsbehörden des Landes Brandenburg über die zuständige Bundesbehörde. Dabei gewährleistet das Land Brandenburg nach der Erfassung der Personalien und biometrischen Daten die Übertragung an das BKA auf Grundlage des § 89 AufenthG. Danach erfolgt eine Einspeisung der biometrischen Daten sowie der aktualisierten Personendaten in das Ausländerzentralregister (AZR) durch das BAMF und eine Überprüfung der Daten im Verfahren nach § 73 Abs. 1a Satz 3 Ziff. 2 AufenthG.
- Die Sicherheitsinterviews vor Ort werden durch die Sicherheitsbehörden des Landes Brandenburg mit Unterstützung von Mitarbeitenden der Sicherheitsbehörden des Bundes durchgeführt.
4. Ausschluss
4.1 Ausgeschlossen von der Aufnahme sind grundsätzlich Personen,
4.1.1 die außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen haben, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist;
4.1.2 oder bei denen tatsächliche Anhaltspunkte die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass Verbindungen zu kriminellen Organisationen oder terroristischen Vereinigungen bestehen oder bestanden haben oder dass sie in sonstiger Weise Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder unterstützt haben, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind;
4.1.3 oder bei denen tatsächliche Anhaltspunkte die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass sie Überzeugungen anhängen, welche geeignet sind, gegen eine durch ihre nationale, ethnische oder religiöse Herkunft bestimmte Gruppe aufzuwiegeln;
4.1.4 oder bei denen sonstige tatsächliche Anhaltspunkte die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass diese im Falle einer Aufnahme eine besondere Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland darstellen könnten.
4.2 Darüber hinaus können Personen bis zur Erteilung der Aufnahmezusage aus dem Verfahren ausgeschlossen werden,
4.2.1 die vorsätzlich falsche Angaben machen oder eine zumutbare Mitwirkung am Verfahren verweigern;
4.2.2 oder die einem angesetzten Termin für ein Interview im Rahmen des Verfahrens aufgrund eines durch sie zu vertretenden Grundes fernbleiben.
5. Visumverfahren
Für die ausgewählten einreisewilligen Personen wird vor der Einreise ein Visumverfahren durch die Botschaft Amman durchgeführt.
Die für das Visumverfahren sowie für die Ausstellung von Reiseausweisen für Ausländer grundsätzlich erforderliche Erhebung der persönlichen Daten und notwendigen biometrischen Daten (insbesondere Fingerabdrücke) der aufzunehmenden Personen wird im Auftrag des Auswärtigen Amtes durch Vertreterinnen und Vertreter des Landes Brandenburg sichergestellt.
Für das Visumverfahren gilt Folgendes:
5.1 Die positive Entscheidung im Auswahlverfahren dient als Grundlage für das Visumverfahren.
5.2 Das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG wird geprüft. Von der Voraussetzung des gesicherten Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) ist abzusehen.
5.3 Die Einreise nach Deutschland erfolgt grundsätzlich mit einem anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz. Ist das vorgelegte Passpapier der einreisewilligen Person nicht anerkannt oder gültig, die Identität der einreisewilligen Person aber durch andere Dokumente (z. B. Identitätskarte, Staatsangehörigkeitsnachweis, Geburtsurkunde) unter Berücksichtigung einer plausiblen Dokumentenlegende nachgewiesen, wird ein Reiseausweis für Ausländer nach §§ 5, 7 AufenthV durch die deutsche Botschaft in Amman ausgestellt.
5.4 Das BMI hat die Botschaft Amman zur Ausstellung von Reiseausweisen für Ausländer für die aufzunehmenden Personen ermächtigt, sofern die Identität der Personen hinreichend glaubhaft gemacht wurde. Der Reiseausweis für Ausländer darf grundsätzlich nur für eine Gültigkeitsdauer von sechs Monaten ausgestellt werden (§ 8 Abs. 2 AufenthV).
5.5 Es kann eine Ausnahme von der Passpflicht durch das zuständige Referat des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nach § 3 Abs. 2 AufenthG erlassen werden, wenn die Identität der einreisewilligen Person unter Berücksichtigung einer plausiblen Dokumentenlegende nachgewiesen ist und die Einreise nach Deutschland über einen Direktflug erfolgt.
Die Ausnahme von der Passpflicht ist ab Bekanntgabe sechs Monate gültig und erlischt, wenn in diesem Zeitraum die Einreise nach Deutschland nicht erfolgt ist.
5.6 Die für das Visumverfahren notwendigen Daten und Erklärungen sind zu erheben und nach der Feststellung nach Nummer 2 an die Botschaft Amman zu übermitteln.
5.7 Das Ministerium des Innern und für Kommunales Brandenburg (MIK) stimmt hiermit der Visumerteilung nach § 32 AufenthV zu.
5.8 Nach Abschluss des Visumverfahrens stellt IOM die Aushändigung der Reisedokumente an die Betroffenen sowie die Begleitung der Ausreise sicher. Die Organisation der Reise erfolgt im Auftrag und auf Kosten des Landes Brandenburg durch IOM.
6. Ausreise
Es erfolgen für die aufzunehmenden Personen durch IOM eine Gesundheitsprüfung sowie ein Erstorientierungskurs, der diese auf ein Leben in Deutschland vorbereiten soll.
Die Einreise nach Deutschland soll möglichst per Direktflug erfolgen.
Das Landesamt für Soziales und Versorgung ist für die ggf. erfolgende Erstaufnahme und die Verteilung der aufgenommenen Personen zuständig (§ 5 Satz 1 LAufnG).
7. Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
Die den wegen des Krieges bzw. einer besonderen Angehörigkeit zu einer Minderheit in ihrem Heimatland verfolgten Personen mit besonderem Schutzbedarf zu erteilende Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wird zunächst für drei Jahre erteilt und ggf. verlängert. Sie berechtigt zur Ausübung einer Beschäftigung entsprechend der allgemeinen Vorschriften. Die Aufenthaltserlaubnis ist mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage für die aufnehmende Kommune zu versehen, soweit und solange keine den Lebensunterhalt sichernde Erwerbstätigkeit nachgewiesen wurde (§ 12a AufenthG).
Bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ist als Rechtsgrundlage anzugeben: „§ 23 Abs. 1 AufenthG i. V. m. der Landesaufnahmeanordnung BB Jordanien vom 14.06.2021.“
8. Verwaltungsverfahren
Diese Anordnung gilt für die Aufnahme von jährlich bis zu 200 Personen in den Jahren 2021 bis 2024. Visaanträge für die jeweiligen Personen müssen jeweils bis spätestens zum 31.12. des Jahres der Aufnahme bei der Deutschen Botschaft Amman eingegangen sein. Nach Ausschöpfung des Kontingents können Anträge auch bei fristgerechter Vorlage nicht mehr berücksichtigt werden.
9. Versorgung
Die nach dieser Anordnung aufgenommenen Flüchtlinge unterfallen dem Regelungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes oder ggf. der Kinder- und Jugendhilfe.
10. Statistik
Die Ausländerbehörden teilen dem MIK die Anzahl der eingereisten Personen zum Ende eines Quartals mit.
11. Inkrafttreten / Außerkrafttreten
Diese allgemeine Weisung tritt mit Veröffentlichung in Kraft und mit Erledigung in der Sache außer Kraft.