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Allgemeine Weisung Nr. 2/2019 im Aufenthaltsrecht; (AW-AuslR 2019.02)
Anordnung des Ministeriums des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg gem. § 23 Abs. 1 AufenthG zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak
Allgemeine Weisung Nr. 2/2019 im Aufenthaltsrecht; (AW-AuslR 2019.02)
Anordnung des Ministeriums des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg gem. § 23 Abs. 1 AufenthG zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak
vom 24. Januar 2019
I. Ausgangslage
Im Zuge der kriegerischen Konflikte im Irak und in Syrien wurden viele Kinder und Frauen Opfer von traumatisierenden Erfahrungen und Gewalt.
Vor diesem Hintergrund hatte der Landtag BB am 16. Dezember 2016 den Beschluss „Humanitäre Hilfe für besonders schutzbedürftige Yezidinnen und Yeziden des Irak“ gefasst. Die darin zunächst beabsichtigte Aufnahme durch ein Bundesaufnahmeprogramm oder zumindest zusammen mit anderen Bundesländern kam bisher nicht zustande. Auch die Überlegung der Landesregierung, yezidische Opfer des IS und vor den Kriegshandlungen im Irak geflüchtete Yezidinnen im Rahmen des Relocation-Verfahrens aus Griechenland aufzunehmen, war nicht realisierbar. Eine ebenfalls in Betracht gezogene Aufnahme aus dringenden humanitären Gründen im Rahmen des § 22 S. 1 AufenthG ist lediglich herausragenden Einzelfällen vorbehalten und nicht anwendbar bei einer geplanten Aufnahme einer Personengruppe.
Die Anforderungen an ein Landesaufnahmeprogramm auf der Grundlage des Landtagsbeschlusses wurden unter Würdigung der aktuellen Sicherheitslage im Nordirak und unter Einbeziehung des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat und des Landtages Brandenburg sowie von humanitären Organisationen vor Ort (einschließlich UNHCR) berücksichtigt. Im Ergebnis ist eine Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Frauen und Kindern aus dem Nordirak, einschließlich besonders schutzbedürftiger syrischer Frauen und Kinder, die in den Nordirak geflohen sind, vorgesehen.
Zunächst ist ein Aufnahmekontingent von 60 Personen, insbesondere besonders schutzbedürftige Frauen und ihre Kinder aus dem Nordirak, geplant. Dadurch kann auch dem Landtagsbeschluss „Worten müssen Taten folgen – Landtagsbeschluss „Humanitäre Hilfe für besonders schutzbedürftige Yezidinnen und Yeziden des Irak“ umsetzen“ vom 16.11.2017 entsprochen werden.
II. Anordnung zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen
In Abstimmung mit dem MASGF, dem MBJS und der Staatskanzlei sowie im Einvernehmen mit dem BMI ordne ich hiermit die Erteilung von insgesamt bis zu 60 Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG an, wenn die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt werden:
1. Begünstigter Personenkreis
Eine Aufenthaltserlaubnis wird insbesondere an alleinstehende – ggf. auch minderjährige - Frauen, ggf. mit ihren minderjährigen Kindern wegen des Krieges in ihrem Heimatland unter folgenden Voraussetzungen erteilt:
1.1. Derzeitiger Aufenthalt im Gebiet der Region Kurdistan-Irak, insbesondere irakische und syrische Staatsangehörige oder Staatenlose
1.2. Opfer traumatisierender Erfahrungen (insbesondere als Opfer sexueller Gewalt im Kontext mit kriegerischer Auseinandersetzung durch den sogenannten IS) im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt in Syrien und im Irak
1.3. Keine angemessene medizinische Versorgung und soziale Betreuung vor Ort möglich
Die Aufnahme soll im Familienverbund (Kernfamilie; in begründeten Einzelfällen auch erweiterte Familie) erfolgen. Angehörige sind auf das Gesamtkontingent anzurechnen.
2. Feststellung der besonderen Schutzbedürftigkeit, Auswahl
Bei der Auswahlentscheidung sind die vom UNHCR aufgestellten Kriterien der besonderen Schutzbedürftigkeit zu berücksichtigen, damit insbesondere Frauen und Kinder
- mit besonderen rechtlichen und physischen Schutzbedürfnissen
- die Folter oder Gewalt erfahren haben
- mit besonderem medizinischen Behandlungsbedarf
- mit familiären Bindungen in Deutschland
- mit besonderer Risikoexposition
Aufnahme im Programm finden.
UNHCR stellt zunächst Dossiers von den zur Aufnahme in Brandenburg in Betracht kommenden Personen - jeweils mit Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen aus Nummer 1 - zur Verfügung. Diese Dossiers werden auf Basis vorhandener Dokumente des UNHCR und von ausführlichen Interviews durch UNHCR erstellt. Diese Dossiers werden von einem Vertreter/einer Vertreterin der Landesregierung Brandenburg gesichtet. Im Anschluss werden durch den Vertreter/die Vertreterin der Landesregierung persönliche Interviews mit den in Betracht kommenden Personen vor Ort im Nordirak gem. Ziff. 3 durchgeführt. Die Organisation dieser Interviews erfolgt durch den UNHCR. Der Vertreter/die Vertreterin der Landesregierung wird hierfür durch den UNHCR vor Ort zunächst geschult.
Die Auswahl der aufzunehmenden Personen erfolgt auf der Grundlage der Dossiers unter Einbeziehung der Ergebnisse der Interviews. Die Entscheidung zur Auswahl der besonders schutzbedürftigen Personen erfolgt durch die interministerielle Projektgruppe „Humanitäre Hilfe“ der Landesregierung Brandenburg, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Staatskanzlei, des Innenministeriums, des Sozialministeriums und des Bildungsministeriums. Das Land Brandenburg kann Mitglieder des Landtages und Vertreterinnen und Vertreter der aufnehmenden Kommunen an der Entscheidung beteiligen. Sofern es in den aufnehmenden Kommunen spezielle Voraussetzungen gibt, sind diese im Auswahlprozess zu beachten.
Personen, die sich über das vom Land Brandenburg geförderte Übergangswohnheim für yezidische Frauen in Trägerschaft von Wadi e. V. für eine mögliche Aufnahme in Brandenburg entscheiden, können in das Landesaufnahmeprogramm einbezogen werden.
Die für das Visumverfahren sowie für die Ausstellung von Reiseausweisen für Ausländer erforderliche Erhebung der persönlichen Daten und notwendigen biometrischen Daten (insbesondere Fingerabdrücke) der aufzunehmenden Personen erfolgt im Auftrag des Auswärtigen Amtes durch Vertreter des Landes Brandenburg vor Ort, die technisch von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) unterstützt werden. Des Weiteren erfolgen durch IOM eine Gesundheitsprüfung sowie ein Erstorientierungskurs für die aufzunehmenden Personen, der diese auf ein Leben in Deutschland vorbereitet.
Die Kosten des Auswahlverfahrens trägt das Land Brandenburg.
3. Verfahren
Für die ausgewählten einreisewilligen Personen wird vor der Einreise ein Visumverfahren unter Beteiligung des Generalkonsulats Erbil durchgeführt. Für das Visumverfahren gilt Folgendes:
3.1. Die besondere Schutzbedürftigkeit wird im Prüfverfahren durch das Land Brandenburg festgestellt.
3.2 Eine Überprüfung der Personen findet durch Sicherheitsbehörden des Bundes und des Landes Brandenburg statt.
3.3. Das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG wird geprüft.
Ausnahmen von der Passpflicht nach § 3 Abs. 2 AufenthG werden zugelassen, sofern der vorgelegte Reisepass der einreisewilligen Person nicht anerkannt wird, die Identität der einreisewilligen Person aber durch andere Dokumente (z. B. Identitätskarte, Staatsangehörigkeitsnachweis, Geburtsurkunde) nachgewiesen ist. Kann die einreisewillige Person keinen Reisepass und auch keine anderen Dokumente zum Nachweis ihrer Identität vorlegen, muss ihre Identität anderweitig glaubhaft gemacht werden.
Die dafür notwendigen Daten und Erklärungen sind bei der Feststellung nach Nummer 2 zu erheben und an das Generalkonsulat Erbil zu übermitteln. In diesen Fällen kann ein Reiseausweis für Ausländer nach den Voraussetzungen der §§ 5 und 7 AufenthV auf Grundlage der unter Nummer 2 erhobenen Daten durch das Generalkonsulat Erbil ausgestellt werden. Von der Voraussetzung des gesicherten Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) ist abzusehen.
3.4. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat das Generalkonsulat Erbil zur Ausstellung von Reiseausweisen für Ausländer für die aufzunehmenden Personen ermächtigt, sofern die Identität der Personen hinreichend glaubhaft gemacht wurde.
3.5. Nach Abschluss des Visumverfahrens stellt IOM die Aushändigung der Reisedokumente an die Betroffenen und die Begleitung der Ausreise sicher. Die Organisation der Reise erfolgt im Auftrag und auf Kosten des Landes Brandenburg durch IOM.
3.6. Das Ministerium des Innern und für Kommunales Brandenburg stimmt hiermit der Visumerteilung nach § 32 AufenthV zu.
3.8. Das Landesamt für Soziales und Versorgung ist für die Durchführung des Erstaufnahmeverfahrens zuständig (§ 5 Satz 1 LAufnG).
4. Erteilung der Aufenthaltserlaubnis
Die wegen des Krieges im Heimatland zu erteilende Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wird zunächst für drei Jahre erteilt und ggf. verlängert. Sie berechtigt zur Ausübung einer Beschäftigung entsprechend den allgemeinen Vorschriften. Die Aufenthaltserlaubnis ist insbesondere aufgrund der besonderen integrationspolitischen Anforderungen an diesen Personenkreis gem. § 12a Abs. 2 bzw. 3 AufenthG mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage für die aufnehmende Kommune zu versehen, sofern eine Verpflichtung nach § 12a Abs. 1 AufenthG besteht.
Bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ist als Rechtsgrundlage anzugeben: „§ 23 Abs. 1 AufenthG i. V. m. der Landesaufnahmeanordnung BB vom 24.01.2019.“
5. Ausschluss
Von dieser Regelung sind Personen ausgeschlossen, die wegen Delikten, die in Deutschland als vorsätzliche Straftaten anzusehen sind, verurteilt worden sind oder bei denen tatsächliche Anhaltspunkte die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass Verbindungen zu kriminellen Organisationen oder terroristischen Vereinigungen bestehen oder bestanden haben oder dass sie in sonstiger Weise Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder unterstützt haben, die gegen die Gedanken der Völkerverständigung verstoßen oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind.
6. Verwaltungsverfahren
Diese Anordnung gilt für die Aufnahme von zunächst 60 Personen. Visumanträge für diese Gruppe müssen bis spätestens zum 30. Juni 2019 beim Deutschen Generalkonsulat Erbil eingegangen sein. Nach Ausschöpfung des Kontingents können Anträge auch bei fristgerechter Vorlage nicht mehr berücksichtigt werden.
7. Besondere Angebote der Integration
Es ist davon auszugehen, dass die aufgenommenen Personen einen besonderen psychosozialen Unterstützungsbedarf haben. Das Land Brandenburg wird eine Unterbringung und Versorgung sicherstellen, die den Bedürfnissen und der besonderen Situation der aufzunehmenden Personen entspricht. Die Unterbringung aller aufgrund des Landesaufnahmeprogramms aufgenommenen Personen erfolgt zunächst grundsätzlich gemeinschaftlich. Sofern in derselben Liegenschaft geflüchtete Menschen außerhalb des Landesaufnahmeprogramms untergebracht werden, ist sicherzustellen, dass diese ausschließlich aus Frauen und Kinder bestehen.
Das Land Brandenburg wird eine zielgruppenspezifisch angemessene soziale Betreuung und medizinische Versorgung durch eine personell verstärkte Migrationssozialarbeit, durch Gesprächs- und Therapieangebote sowie durch eine Unterstützung des Zugangs zur medizinischen Versorgung sicherstellen.
8. Versorgung
Die nach dieser Anordnung aufgenommenen Flüchtlinge unterfallen dem Regelungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes oder ggf. der Kinder- und Jugendhilfe.