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Unterrichtung ausländischer Konsulate über die Freiheitsentziehung eines Staatsangehörigen ihres Landes
Unterrichtung ausländischer Konsulate über die Freiheitsentziehung eines Staatsangehörigen ihres Landes
vom 7. Oktober 2013
(JMBl/13, [Nr. 11], S.98)
I.
Mitteilungspflichten
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Mitteilungspflichten auf Verlangen
Artikel 36 Absatz 1 Buchstabe b des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 (BGBl. 1969 II S. 1585, 1971 II S. 1285) enthält folgende Regelung:
„Die zuständigen Behörden des Empfangsstaates haben die konsularische Vertretung des Entsendestaates auf Verlangen des Betroffenen unverzüglich zu unterrichten, wenn in deren Konsularbezirk ein Angehöriger dieses Staates festgenommen, in Straf- oder Untersuchungshaft genommen oder ihm anderweitig die Freiheit entzogen ist. Jede von dem Betroffenen an die konsularische Vertretung gerichtete Mitteilung haben die genannten Behörden ebenfalls unverzüglich weiterzuleiten. Diese Behörden haben den Betroffenen unverzüglich über seine Rechte aufgrund dieser Bestimmung zu unterrichten.“
Diese Regelung stellt eine Kodifizierung des geltenden Völkergewohnheitsrechts dar, die Bestandteil des Bundesrechts ist (Artikel 25 GG). Sie ist daher auch im Verhältnis zu den Staaten anzuwenden, die dem Übereinkommen nicht beigetreten sind.
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Mitteilungspflichten von Amts wegen
Neben den Mitteilungspflichten auf Verlangen kann aufgrund von völkerrechtlichen Vereinbarungen die Verpflichtung zur Unterrichtung einer konsularischen Vertretung auch ohne oder gegen den Willen des Betroffenen bestehen. Dies gilt zurzeit gegenüber den aus der Anlage 1 ersichtlichen Staaten. Weitere Hinweise enthält der Länderteil der Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt).
II.
Anwendungsbereich
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Die Belehrungs- und Mitteilungspflicht erstreckt sich auf sämtliche Arten von Freiheitsentziehungen, also auch auf freiheitsentziehende Maßnahmen im Bereich des öffentlichen Rechts und des Zivilrechts, zum Beispiel auf Unterbringungen nach dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen sowie über den Vollzug gerichtlich angeordneter Unterbringung für psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen im Land Brandenburg (BbgPsychKG). Sie gilt insbesondere auch im Auslieferungsverfahren.
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Die Pflicht besteht unabhängig davon, ob sich der Wohnsitz des ausländischen Staatsangehörigen im In- oder Ausland befindet. Sie entfällt auch dann nicht, wenn sich ein ausländischer Staatsangehöriger freiwillig zum Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßnahme stellt. In den Fällen des Abschnitts I Nummer 2 entfällt sie auch dann nicht, wenn ausländische Staatsangehörige die konsularische Vertretung ihres Heimatlandes selbst benachrichtigen.
III.
Belehrung
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Über das Recht, die Benachrichtigung der konsularischen Vertretung ihres Heimatlandes zu verlangen, sind ausländische Staatsangehörige unverzüglich zu belehren, das heißt zum Zeitpunkt der Kenntnis der ausländischen Staatsangehörigkeit oder des Vorliegens von Anhaltspunkten für eine ausländische Staatsangehörigkeit.
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Verlangt die festgenommene Person eine Mitteilung an ihre konsularische Vertretung oder besteht eine Mitteilungspflicht von Amts wegen (Abschnitt I Nummer 2), soll sie zugleich befragt werden, ob sie auch einer Mitteilung des Grundes für die Freiheitsentziehung an die konsularische Vertretung zustimmt.
IV.
Unterrichtung
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Die Unterrichtung der ausländischen Vertretung ist unverzüglich, gegebenenfalls fernmündlich, per Telefax oder per E-Mail vorzunehmen. Hinsichtlich der Anschriften und Amtsbezirke der ausländischen Vertretungen wird auf Nummer 134 Absatz 2 RiVASt und die offiziellen Internet-Seiten der jeweiligen ausländischen Vertretungen verwiesen.
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Mitzuteilen ist die Tatsache des Freiheitsentzuges. Der Grund der Freiheitsentziehung ist nur dann anzugeben, wenn die betroffene Person ihre Zustimmung dazu schriftlich erklärt hat oder gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen dies vorschreiben.
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Von einer weiter gehenden Unterrichtung der konsularischen Vertretung, zum Beispiel durch Übersendung des Haft- oder Unterbringungsbefehls oder der Anklageschrift, ist abzusehen. Zeigt sich eine konsularische Vertretung an zusätzlichen Mitteilungen interessiert, so ist sie auf die Möglichkeit hinzuweisen, mit dem Festgenommenen Verbindung aufzunehmen (vgl. Nummer 136 RiVASt).
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Bei freiheitsentziehenden Maßnahmen im Auslieferungsverfahren kann die Unterrichtung entfallen, wenn das Ersuchen vom Heimatstaat ausgeht und sichergestellt ist, dass dieser bereits von der Festnahme erfahren hat.
V.
Form und Dokumentation
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Die erfolgte Belehrung, die Erklärung der betroffenen Person zur Unterrichtung der konsularischen Vertretung und gegebenenfalls ihr Einverständnis zur Mitteilung des Grundes der Freiheitsentziehung sollen von der festgenommenen Person durch Unterschrift bestätigt werden.
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Für die Belehrung und Unterrichtung sollen amtliche Vordrucke (Musterformular für das Merkblatt über die Unterrichtung einer Auslandsvertretung – Anlage 2, Musterformular für die Belehrung über die Unterrichtung einer Auslandsvertretung – Anlage 3, Musterformular für die Mitteilung über die Freiheitsentziehung einer ausländischen Person an die zuständige Auslandsvertretung – Anlage 4) verwendet werden. Die Mitteilung an die konsularische Vertretung ist von der bei der zuständigen Behörde oder der bei Gericht verantwortlichen Person zu unterzeichnen und mit Höflichkeitsformeln zu versehen.
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Die Belehrung, deren Inhalt und die Unterrichtung der ausländischen Vertretung sind aktenkundig zu machen. Bei einem Aufnahmeersuchen an eine Justizvollzugsanstalt ist zu vermerken, ob die Belehrung erfolgt und die konsularische Vertretung unterrichtet worden ist.
VI.
Zuständigkeit
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Die Pflicht, die festgenommene Person über ihre Rechte zu belehren, und die Benachrichtigungspflicht obliegen bei freiheitsentziehenden Maßnahmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO)
- den festnehmenden Polizeibeamten oder der Staatsanwaltschaft, ferner
- beim Vollzug von Untersuchungshaft, Auslieferungshaft, vorläufiger Auslieferungshaft, Sicherungshaft sowie bei einer einstweiligen Unterbringung dem Gericht, dem der ausländische Staatsangehörige nach seiner Festnahme vorgeführt wird; in den Fällen des § 115a StPO dem nächsten Gericht,
- beim Vollzug von Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Jugendarrest oder Sicherungsverwahrung der Leiterin oder dem Leiter der Justizvollzugsanstalt bzw. der Jugendarrestanstalt, und zwar auch dann, wenn sich der Verurteilte vorher in Untersuchungshaft befunden hat,
- beim Vollzug von Ordnungs- oder Zwangshaft (Erzwingungs- bzw. Beugehaft) der Leiterin oder dem Leiter der Justizvollzugsanstalt,
- bei einer strafgerichtlich angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt der Vollstreckungsbehörde.
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Bei anderweitigen Freiheitsentziehungen obliegen die Belehrungs- und Benachrichtigungspflicht dem Gericht, das die Entscheidung über die Freiheitsentziehung getroffen hat, und der Behörde, die die freiheitsentziehende Maßnahme vollzieht (zum Beispiel Polizeibehörde; Träger der Krankenhäuser, die für die Aufnahme der öffentlich-rechtlich unterzubringenden psychisch kranken Menschen nach den Vorschriften des BbgPsychKG sachlich zuständig sind), gegebenenfalls nach Maßgabe gesonderter Regelungen, zum Beispiel der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen, die hierdurch unberührt bleiben.
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Das Gericht und die Leiterin oder der Leiter der Vollzugsanstalt beziehungsweise der Anstalt, in der die Unterbringung vollzogen wird, haben zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens zu prüfen, ob die Belehrung und die Unterrichtung in der erforderlichen Form vorgenommen und dokumentiert worden sind; gegebenenfalls haben sie das Erforderliche nachzuholen.
VII.
Inkrafttreten
Diese Allgemeine Verfügung tritt zum 1. Oktober 2013 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Allgemeine Verfügung des Ministers der Justiz vom 7. Februar 1994 (JMBl. S. 31) außer Kraft.
Potsdam, den 7. Oktober 2013
Der Minister der Justiz
Dr. Volkmar Schöneburg
Der Minister des Innern
Ralf Holzschuher
Die Ministerin für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz
Anita Tack