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Anforderungen für die Eingangs- und Beförderungsämter im richterlichen und staatsanwaltlichen Dienst (AnforderungsAV)

Anforderungen für die Eingangs- und Beförderungsämter im richterlichen und staatsanwaltlichen Dienst (AnforderungsAV)
vom 26. November 2007
(JMBl/07, [Nr. 12], S.180)

I. Einleitung

Die folgenden Anforderungen beschreiben Kenntnisse, Fähigkeiten, Eigenschaften und Verhaltensweisen, die Richter und Staatsanwälte vorweisen sollten, um ihr jeweiliges Amt sachgerecht ausüben zu können.

Die Anforderungen sind Grundlage der Personalauswahl und der Personalentwicklung. Sie sind der dienstlichen Beurteilung zugrunde zu legen

Die Anforderungen beschreiben idealtypische Qualifikationen, die erfahrungsgemäß in unterschiedlichen Ausprägungsgraden erreicht werden. Die für das konkrete Amt notwendige Gewichtung der Qualifikationen kann variieren. Im Einzelfall können weniger entwickelte oder fehlende Kenntnisse, Fähigkeiten, Eigenschaften und Verhaltensweisen durch andere stärker ausgeprägte ausgeglichen werden.

Die unter Abschnitt II genannten Basisanforderungen werden für alle Ämter im richterlichen und staatsanwaltlichen Dienst vorausgesetzt. Sie beschreiben gleichzeitig die Anforderungen, die an Bewerber um ein Eingangsamt sowie an Inhaber eines solchen Amtes gestellt werden. Die in Klammern gesetzten Zusätze dienen der Konkretisierung, sind jedoch nicht als abschließend anzusehen. Für die unter Abschnitt III aufgeführten Ämter müssen die Basisanforderungen in erhöhtem Maß und zusätzlich die für das jeweilige Amt genannten Anforderungsmerkmale erfüllt sein.

Wegen der besseren Lesbarkeit werden Personen- und Amtsbezeichnungen nur in der männlichen Form verwendet. Sie gelten jedoch für Männer und Frauen in gleicher Weise.

II. Basisanforderungen (Anforderungen für Eingangsämter)

Bewerber um ein Eingangsamt sowie Inhaber eines solchen Amtes müssen über die nachfolgend aufgeführten Kompetenzen verfügen. Bei Bewerbern um ein Eingangs­amt ist die Eignungsprognose zu stützen auf die Ergebnisse der juristischen Staatsprüfungen, den Werdegang und Erkenntnisse aus dem Auswahlverfahren.

1. Rechtskenntnisse

(verfügt über Rechtskenntnisse von hoher Qualität und Vielfalt; ist fähig, diese Kenntnisse in der Praxis anzuwenden; ist bereit und fähig zu ihrer stetigen Aktualisierung sowie zur gründlichen Einarbeitung in neue Rechtsgebiete)

2. Sonstige Kenntnisse

(hat fachübergreifende Kenntnisse und Interessen; verfügt über Verständnis für wirtschaftliche, soziale und technische Zusammenhänge; verfügt über anwendungsbezogene IT-Kenntnisse und setzt sie am Arbeitsplatz ein)

3. Verhandlungskompetenz

(bereitet die Verhandlung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gründlich und effizient vor; sucht und führt das Gespräch mit den Beteiligten; hat Vernehmungsgeschick; geht angemessen mit den Verfahrensbeteiligten in der Verhandlung um; ist fähig zum Ausgleich widerstreitender Interessen; kann auf neue Situationen angemessen reagieren)

4. Entschlusskraft

(erkennt Probleme und wägt Lösungswege ab; ist fähig und bereit, in angemessener Zeit zu entscheiden)

5. Qualität der schriftlichen Ausarbeitungen

(ist fähig zu stringenter, strukturierter und verständlicher Darstellung; argumentiert überzeugend; setzt sich mit Rechtsprechung und Literatur auseinander; beherrscht die Schriftsprache)

6. Leistungsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein

(ist belastbar, fleißig, einsatzbereit, pflichtbewusst, flexibel und bereit, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen)

7. Organisationsfähigkeit

(kann die eigene Arbeit mit Rücksicht auf die Arbeitsabläufe anderer effizient or­ganisieren; setzt personelle und sachliche Ressourcen sachgerecht ein; ist auf­geschlossen für die Einführung neuer Strukturen, Arbeitstechniken und -metho­den; zeigt Kreativität bei der Aufgabenerledigung)

8. Kommunikationsfähigkeit

(kann sich sprachlich verständlich, präzise und gewandt ausdrücken, tritt souverän und situationsangemessen auf; wirkt und argumentiert im Rahmen von Erörterungen außerhalb der Verhandlung überzeugend; geht mit den Verfahrensbeteiligten außerhalb der Verhandlung angemessen um)

9. Kooperations- und Konfliktfähigkeit

(ist fähig, im Team zu arbeiten; hat Einfühlungsvermögen; ist bereit und fähig, konstruktive Kritik zu üben und sich mit Kritik auseinanderzusetzen; kann sich behaupten; ist kompromiss- und hilfsbereit)

III. Anforderungen für Beförderungsämter

Bewerber um ein Beförderungsamt sowie Inhaber eines solchen Amtes müssen die nachfolgend aufgeführten weiteren Anforderungsmerkmale erfüllen.

Bewerber um ein höherwertiges Amt müssen nach Maßgabe der ErprobungsAV erprobt sein, sofern diese eine Erprobung vorsieht. Sie sollen darüber hinaus in unterschiedlichen Arbeitsgebieten tätig gewesen sein.

Bewerber um Beförderungsämter, denen auch Verwaltungsaufgaben zugeordnet sind, müssen zudem für die Übertragung von Personalverantwortung geeignet sein.

Bewerber um ein Richteramt in der Finanzgerichtsbarkeit sollen zudem über eine grundsätzlich mindestens dreijährige Berufserfahrung in der Steuerverwaltung oder in einem vergleichbaren Bereich mit Bezug zum Steuerrecht oder in der Justiz verfügen.

A. Beförderungsämter bei den Gerichten

1. Richter an einem Obergericht

(Finanzgericht, Kammergericht, Landessozialgericht, Oberlandesgericht und Oberverwaltungsgericht)

  •  ist in gesteigertem Maß fähig zur vertieften Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen und Sachverhalten
  •  ist fähig, konstruktiv in einem Senat mitzuarbeiten und sachgerecht zu der Entscheidungsfindung beizutragen

2. Vorsitzender Richter

2.1 am Landgericht und Verwaltungsgericht
  • ist fähig zur vertieften Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen und Sachverhalten
  • ist fähig, im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung den Informationsfluss und den Austausch über die Rechtsprechung in einem Spruchkörper zu gewährleisten
  • ist in besonderem Maß bereit und fähig, sich über die Tätigkeit in seinem Spruchkörper hinaus für die Belange des Gerichts als Ganzes einzusetzen
  • ist in gesteigertem Maß fähig, richterliche und nichtrichterliche Kollegen zu motivieren, deren Stärken und Schwächen zu erkennen sowie Nachwuchskräfte anzuleiten
  • ist in gesteigertem Maß fähig, die Arbeit eines Spruchkörpers zu organisieren
  • ist in gesteigertem Maß fähig, Sitzungen eines Spruchkörpers zu leiten
2.2 am Finanzgericht, Kammergericht, Landesarbeitsgericht, Landessozialgericht, Oberlandesgericht und Oberverwaltungsgericht
  • ist in gesteigertem Maß fähig zur vertieften Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen und Sachverhalten
  • ist in gesteigertem Maß fähig, im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung den Informationsfluss und den Austausch über die Rechtsprechung in einem Spruchkörper zu gewährleisten (nicht Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht)
  • ist in besonderem Maß bereit und fähig, sich über die Rechtsprechung der verschiedenen Spruchkörper des Gerichts zu informieren und an der rechtlichen Diskussion innerhalb des Gerichts teilzunehmen
  • ist in besonderem Maß bereit und fähig, sich über die Tätigkeit in seinem Spruchkörper hinaus für die Belange des Gerichts als Ganzes einzusetzen
  • ist in gesteigertem Maß fähig, richterliche und nichtrichterliche Kollegen zu motivieren, deren Stärken und Schwächen zu erkennen sowie Nachwuchskräfte anzuleiten
  • ist in gesteigertem Maß fähig, die Arbeit eines Spruchkörpers zu organisieren
  • ist in gesteigertem Maß fähig, Sitzungen eines Spruchkörpers zu leiten

3. Ämter mit Verwaltungsaufgaben

3.1 Weiterer Aufsicht führender Richter, Richter als der ständige Vertreter eines Direktors

(am Amtsgericht, Arbeitsgericht und Sozialgericht)

  • verfügt über Verwaltungserfahrung insbesondere in den Bereichen Personalführung und/oder Haushalt und/oder Beamten- und Tarifrecht
  • ist fähig, Mitarbeiter aller Laufbahngruppen anzuleiten und zu motivieren
3.2 Direktor, Vizepräsident und Präsident

(des Amtsgerichts, Arbeitsgerichts und Sozialgerichts)

  • verfügt über Verwaltungserfahrung insbesondere in den Bereichen Personalführung und/oder Haushalt und/oder Beamten- und Tarifrecht
  • ist fähig, Dienstaufsicht über Richter zu führen (nicht Direktor)
  • ist in gesteigertem Maß fähig, Mitarbeiter aller Laufbahngruppen anzuleiten und zu motivieren
  • ist fähig, Strukturen, Arbeitstechniken und -methoden zu optimieren
  • ist fähig, Ziele zu setzen, Aufgaben zu delegieren und ihre Erfüllung zu kontrollieren
  • ist fähig, das Gericht aktiv und überzeugend zu vertreten
3.3 Vizepräsident und Präsident des Landgerichts und Verwaltungsgerichts sowie Vizepräsident des Finanzgerichts, Kammergerichts, Landesarbeitsgerichts, Landessozialgerichts, Oberlandesgerichts und Oberverwaltungsgerichts
  • verfügt über Verwaltungserfahrung insbesondere in den Bereichen Personalführung und/oder Haushalt und/oder Beamten- und Tarifrecht
  • ist fähig, Dienstaufsicht über Richter zu führen
  • ist in gesteigertem Maß fähig, Mitarbeiter aller Laufbahngruppen anzuleiten und zu motivieren
  • ist fähig, Strukturen, Arbeitstechniken und -methoden zu optimieren
  • ist fähig, Ziele zu setzen, Aufgaben zu delegieren und ihre Erfüllung zu kontrollieren
  • ist fähig, das Gericht aktiv und überzeugend zu vertreten
  • erfüllt die Anforderungen an einen Vorsitzenden Richter des jeweiligen Gerichts

B. Beförderungsämter bei den Staatsanwaltschaften

1.  Staatsanwalt als Gruppenleiter

  • ist fähig, die ihm unterstellten Mitarbeiter zu motivieren, ihre Arbeit zu organisieren und zu beaufsichtigen

2. Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft

  • ist in gesteigertem Maß fähig zur vertieften Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen und Sachverhalten
  • ist fähig, sich für den ihm zugewiesenen Bereich mit fachaufsichtlichen Fragen auseinanderzusetzen

3. Abteilungsleiter

3.1 Oberstaatsanwalt als Abteilungsleiter bei einer Staatsanwaltschaft
  • ist fähig zur vertieften Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen und Sachverhalten
  • ist in gesteigertem Maß fähig, die ihm unterstellten Mitarbeiter zu motivieren, ihre Arbeit zu organisieren und zu beaufsichtigen
3.2 Leitender Oberstaatsanwalt als Abteilungsleiter bei der Generalstaatsanwaltschaft
  • ist in gesteigertem Maß fähig zur vertieften Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen und Sachverhalten
  • ist in gesteigertem Maß fähig, die ihm unterstellten Mitarbeiter zu motivieren, ihre Arbeit zu organisieren und zu beaufsichtigen
  • ist in gesteigertem Maß fähig, sich für den ihm zugewiesenen Bereich mit fachaufsichtlichen Fragen auseinanderzusetzen
  • ist fähig, die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung in seinem Geschäftsbereich sicherzustellen
  • ist in besonderem Maß bereit und fähig, sich über die Tätigkeit in seiner Abteilung hinaus für die Belange der Staatsanwaltschaft als Ganzes einzusetzen

4. Hauptabteilungsleiter bei einer Staatsanwaltschaft

  • ist in gesteigertem Maß fähig zur vertieften Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen und Sachverhalten
  • ist in gesteigertem Maß fähig, die ihm unterstellten Mitarbeiter zu motivieren, ihre Arbeit zu organisieren und zu beaufsichtigen
  • ist fähig, Strukturen, Arbeitstechniken und -methoden zu optimieren
  • ist fähig, Ziele zu setzen, Aufgaben zu delegieren und ihre Erfüllung zu kontrollieren

5. Oberstaatsanwalt als der ständige Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts als Leiter einer Staatsanwaltschaft oder als ständiger Vertreter des Leiters einer Amtsanwaltschaft oder als Leiter einer Amtsanwaltschaft oder Leitender Oberstaatsanwalt als Leiter einer Staatsanwaltschaft

  • verfügt über Verwaltungserfahrung insbesondere in den Bereichen Personalführung und/oder Haushalt und/oder Beamten- und Tarifrecht
  • ist fähig, Dienstaufsicht über Staatsanwälte zu führen
  • verfügt über Aufsichtserfahrung insbesondere in der Justizverwaltung
  • ist in gesteigertem Maß fähig, Mitarbeiter aller Laufbahngruppen zu motivieren und zu fördern
  • ist fähig, Strukturen, Arbeitstechniken und -methoden zu optimieren
  • ist fähig, Ziele zu setzen, Aufgaben zu delegieren und ihre Erfüllung zu kontrollieren
  • ist fähig, die Behörde aktiv und überzeugend zu vertreten
  • ist in gesteigertem Maß fähig zur vertieften Auseinandersetzung mit schwierigen Rechtsfragen und Sachverhalten

IV. Inkrafttreten, Übergangsbestimmungen

  1. Diese Allgemeine Verfügung tritt am 1. Januar 2008 in Kraft.
  2. Soweit für die Beförderungsämter, denen auch Verwaltungsaufgaben zugeordnet sind, eine besondere Verwaltungserfahrung gefordert wird, kann hiervon für eine Übergangszeit von fünf Jahren abgesehen werden.

Potsdam, den 26. November 2007

Die Ministerin der Justiz

Beate Blechinger