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Verwaltungsvorschrift zu Maßnahmen der zuständigen Behörden des Landes Brandenburg bei Arzneimittelrisiken (Arzneimittelrisiken-Verwaltungsvorschrift - AMRVV)
Verwaltungsvorschrift zu Maßnahmen der zuständigen Behörden des Landes Brandenburg bei Arzneimittelrisiken (Arzneimittelrisiken-Verwaltungsvorschrift - AMRVV)
vom 18. November 2024
(ABl./24, [Nr. 49], S.1240)
1 Allgemeines
1.1 Die Regelungen dieser Verwaltungsvorschrift legen Maßnahmen für die zuständigen Arzneimittelüberwachungsbehörden des Landes Brandenburg bei Bekanntwerden von Arzneimittelrisiken fest. Sie gilt für Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind (Humanarzneimittel nach § 2 des Arzneimittelgesetzes [AMG]). Arzneimittelrisiken sind solche, die gesundheitliche Gefahren beim Menschen hervorrufen können.
1.2 Durch Arzneimittelrisiken können Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung und die öffentliche Sicherheit und Ordnung entstehen. Bei unvorhergesehenen Vorkommnissen mit Arzneimitteln müssen die notwendigen Maßnahmen eingeleitet und erforderlichenfalls auch landesübergreifend koordiniert werden.
1.3 Meldungen zu Arzneimittelrisiken werden auf Grund rechtlicher Rahmenbedingungen insbesondere getätigt von pharmazeutischen Unternehmern (Stufenplanbeauftragte), Krankenhäusern, Ärztinnen und Ärzten, Zahnärztinnen und Zahnärzten, Apothekerinnen und Apothekern, Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern sowie von anderen Personen und Institutionen, die mit Arzneimitteln umgehen. Die für die Arzneimittelüberwachung zuständigen Behörden nehmen Meldungen über Arzneimittelrisiken sowohl von anderen Behörden als auch von Personen und Institutionen nach Satz 1 direkt entgegen.
1.4 Andere Vorschriften bleiben von den Regelungen dieser Verwaltungsvorschrift unberührt; dies gilt insbesondere für Vorschriften zur Mitteilung von Arzneimittelrisiken gemäß den Berufsordnungen der Heilberufe, für Mitteilungspflichten nach dem Arzneimittelgesetz und der Apothekenbetriebsordnung sowie für das behördliche Qualitätssicherungshandbuch zur Bearbeitung von Arzneimittelrisikomeldungen.
2 Arzneimittelrisiken
2.1 Arzneimittelrisiken bestehen insbesondere in folgenden Fällen:
- Nebenwirkungen,
- Wechselwirkungen mit anderen Mitteln,
- unerwünschte Arzneimittelwirkungen,
- Gegenanzeigen,
- Resistenzbildung,
- Missbrauch,
- Fehlgebrauch,
- Gewöhnung,
- Abhängigkeit,
- Mängel der Qualität,
- Mängel der Behältnisse und äußeren Umhüllungen,
- Mängel der Kennzeichnung und der Packungsbeilage,
- Arzneimittelfälschungen.
2.2 Bei der Erfassung, Bearbeitung und Weiterleitung von Mitteilungen über Arzneimittelrisiken ist insbesondere die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beobachtung, Sammlung und Auswertung von Arzneimittelrisiken (Stufenplan) nach § 63 AMG vom 9. Februar 2005 (BAnz. S. 2383) in der jeweils geltenden Fassung zu beachten.
2.3 Zuständige oberste Landesgesundheitsbehörde nach Artikel 1 Nummer 4.3 des Stufenplans ist das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz (MSGIV).
2.4 Zuständig für die Bearbeitung von Meldungen nach Nummer 2.1 Buchstabe a bis i sind das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nach § 77 Absatz 1 AMG und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) nach § 77 Absatz 2 AMG.
2.5 Zuständig für die Bearbeitung von Meldungen nach Nummer 2.1 Buchstabe j bis m ist das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG).
3 Informationswege
3.1 Arzneimittelrisiken, deren Folgen eine akute gesundheitliche Gefährdung der Allgemeinheit oder bestimmter Personen sein kann, sind bei Bekanntwerden dem LAVG mit den Stichworten „Arzneimittelzwischenfall“, „AMK-Meldung“, „Arzneimittelrisiko“ oder „RAS“ mitzuteilen:
Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz
und Gesundheit
Dezernat 3 - Apotheken und Arzneimittel
Horstweg 57
14478 Potsdam
Telefon: 0331 8683-0 (Zentrale)
Telefax: 0331 27548-1800
E-Mail: Arzneimittelrisiken@LAVG.Brandenburg.de
3.2 Bei Arzneimittelrisiken, die durch Mängel der Qualität der Behältnisse, der äußeren Umhüllungen, der Kennzeichnung, der Packungsbeilage oder durch Verwechslungen verursacht sind und die keine Gefährdung im Sinne der Nummer 3.1 darstellen, können Mitteilungen während der Dienstzeit dem LAVG zugehen. Derartige Meldungen resultieren insbesondere aus der Verpflichtung der Apothekenleiterin oder des Apothekenleiters, das LAVG bei Beanstandungen der Qualität von Arzneimitteln nach § 21 Absatz 3 Satz 1 und 2 der Apothekenbetriebsordnung unverzüglich zu benachrichtigen. Entsprechendes gilt für Ärztinnen und Ärzte und niedergelassene Vertreterinnen und Vertreter der Heilberufe gemäß den jeweils geltenden Berufsordnungen.
3.3 Sofern Arzneimittelrisiken nach den Nummern 3.1 und 3.2 anderen Behörden bekannt werden, unterrichten diese unverzüglich das LAVG.
3.4 Eine deutschlandweite gegenseitige behördliche Information über Arzneimittelrisiken, die in der Zuständigkeit der Länder bearbeitet werden, ist durch die beim BfArM angesiedelte Fälschungs- und Qualitätsmängeldatenbank etabliert. Aus den hier eingestellten Meldungen können sich auch für das Land Brandenburg notwendige Maßnahmen ergeben. Zu diesem Zweck erfolgt eine mehrmals tägliche Sichtung der Datenbankeinträge durch die zuständige Behörde unter entsprechender Dokumentation der Betroffenheit oder Nichtbetroffenheit in der Datenbank. Von der zuständigen Behörde eingeleitete Maßnahmen sowie ausgefertigte Dokumente im Zusammenhang mit der Bearbeitung von Arzneimittelrisiken werden in der Fälschungs- und Qualitätsmängeldatenbank durch die zuständige Behörde eingetragen beziehungsweise bereitgestellt.
3.5 Außerhalb der Dienstzeiten der nach Nummer 3.1 zuständigen Behörde können in unaufschiebbaren Fällen Meldungen eingehen bei der:
Stadt Potsdam
Regionalleitstelle Nordwest (IRLS Nordwest)
Holzmarktstraße 6
14467 Potsdam
Telefon: 0331 37010
Telefax: 0331 292355
E-Mail: Regionalleitstelle-Nordwest@rathaus.potsdam.de
Die IRLS Nordwest leitet die Meldung unverzüglich an das LAVG und an das MSGIV (E-Mail: Arzneimittelrisiken@MSGIV.Brandenburg.de) weiter.
3.6 Mitteilungen über Arzneimittelrisiken an die zuständige Behörde enthalten grundsätzlich folgende Mindestangaben:
- Bezeichnung des Arzneimittels,
- Darreichungsform,
- Bezeichnung und Dosierung (Stärke) der arzneilich wirksamen Bestandteile,
- Name oder Firma und Anschrift des pharmazeutischen Unternehmers und gegebenenfalls des Herstellers beziehungsweise Inverkehrbringers,
- Packungsgröße,
- Chargenbezeichnung,
- Verwendbarkeitsfrist,
- Zulassungs- beziehungsweise Registrierungsnummer,
- beobachtetes Arzneimittelrisiko, insbesondere Art und Schwere der unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder Art des Qualitätsmangels,
- gegebenenfalls Maßnahmen, die ergriffen wurden beziehungsweise beabsichtigt sind,
- meldende Stelle und Ansprechperson für Rückfragen.
4 Maßnahmen
4.1 Im Fall einer Gefährdung im Sinne der Nummer 3.1 werden die einzuleitenden Maßnahmen unter Beachtung der Maßgaben nach Nummer 6 vom LAVG im Einvernehmen mit dem MSGIV veranlasst. Die Maßnahmen können entsprechend den jeweiligen Erfordernissen insbesondere eine abgestufte gezielte Information des anzusprechenden Personenkreises (insbesondere Ärztinnen und Ärzte, Apotheken, Krankenhäuser sowie pharmazeutischer Großhandel) oder eine allgemeine Warnung an die Bevölkerung über Presse, Rundfunk, Fernsehen und Internet umfassen. Gegebenenfalls kann eine Probenahme, der Rückruf oder die Sicherstellung bestimmter Arzneimittel beziehungsweise einzelner Chargen erforderlich werden.
4.2 In besonderen Ausnahmefällen im Zusammenhang mit Arzneimittelrisiken können Warnmeldungen zur Bevölkerungsinformation über das vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe etablierte Modulare Warnsystem (MoWaS) herausgegeben werden (Warnstufe 3). Die Notwendigkeit einer Information an die Bevölkerung über das MoWaS wird grundsätzlich durch das LAVG festgestellt. Sofern das LAVG die Notwendigkeit einer Information an die Bevölkerung festgestellt hat, informiert das LAVG unverzüglich das MSGIV. Das MSGIV bewertet den übermittelten Sachverhalt und leitet die Bitte um Bevölkerungsinformation über das MoWaS sowohl an die zuständige IRLS Nordwest als auch zur Kenntnis an das Koordinierungszentrum Krisenmanagement (KKM) im Ministerium des Innern und für Kommunales, Referat 34 (lzbkmik01@mik.brandenburg.de) weiter. Nach Einstellung der Warnmeldung prüft das LAVG fortlaufend und regelmäßig, ob und inwieweit die Bevölkerungsmeldung aufrechterhalten werden muss und informiert das MSGIV. Eine Entwarnung erfolgt durch das MSGIV an die zuständige IRLS Nordwest und zugleich an das KKM.
4.3 Für die länderübergreifende Koordinierung von Maßnahmen bei Arzneimittelrisiken ist das für den pharmazeutischen Unternehmer zuständige Land federführend. Sind mehrere Länder federführend betroffen oder können behördliche Maßnahmen möglicherweise zu Versorgungsmängeln mit Arzneimitteln führen, werden die erforderlichen Maßnahmen nach § 62 Absatz 1 des Arzneimittelgesetzes durch die zuständige Bundesoberbehörde koordiniert. Erforderlichenfalls kann auch eine gutachterliche Stellungnahme bei der zuständigen Bundesoberbehörde angefordert werden. Über die beabsichtigten oder bereits veranlassten Maßnahmen werden die übrigen obersten Landesgesundheitsbehörden und die zuständige Bundesoberbehörde unverzüglich informiert. Im Interesse eines einheitlichen Vollzuges orientieren sich Maßnahmen der zuständigen Behörde an denen anderer Länder.
4.4 Die Kommunikation mit dem Bundesministerium für Gesundheit, dem Bundesministerium für Verteidigung und der zuständigen Bundesoberbehörde erfolgt grundsätzlich durch das MSGIV. Soweit in unaufschiebbaren Fällen diese Benachrichtigung unmittelbar erfolgen muss, ist das MSGIV hiervon zu unterrichten.
4.5 Besteht bei Arzneimittelrisiken nach Nummer 3.1 der Verdacht, dass der Zulassungsstatus betroffen ist oder liegt eine staatliche Chargenfreigabe vor, ist zur weiteren Veranlassung unverzüglich die zuständige Bundesoberbehörde zu unterrichten. Gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen nach § 69 des Arzneimittelgesetzes bleiben hiervon unberührt.
4.6 Das LAVG hat bei pharmazeutischen Unternehmern darauf hinzuwirken, dass eigenverantwortlich veranlasste und durchgeführte Maßnahmen, insbesondere Rückrufe, rechtzeitig mit ihm abzustimmen sind. Es hat sich den Vollzug von Maßnahmen unverzüglich mitteilen zu lassen und diesen gegebenenfalls beim pharmazeutischen Unternehmer zu überprüfen.
5 Rapid Alert System (RAS) der EU
5.1 Auf Qualitätsmängel, über die die zuständige Bundesoberbehörde die obersten Landesgesundheitsbehörden und die zuständigen Behörden im Rahmen des RAS informiert, finden die vorstehenden Regelungen entsprechend Anwendung.
5.2 Nach Maßgabe des Artikels 1 Nummer 7.2 des Stufenplans informiert die zuständige Aufsichtsbehörde mit dem RAS-Formblatt gemäß Qualitätssicherungshandbuch das MSGIV. Dieses unterrichtet die zuständige Bundesoberbehörde und die anderen Bundesländer.
6 Zentral zugelassene Arzneimittel
6.1 Auf Arzneimittelrisiken im Sinne der Nummern 3.1 und 3.2, die im Zusammenhang mit Arzneimitteln stehen, die von der Europäischen Kommission zentral zugelassen wurden, findet Nummer 3 entsprechend Anwendung mit der Maßgabe einer unverzüglichen Unterrichtung der zuständigen Bundesoberbehörde. Diese unterrichtet die Europäische Arzneimittelagentur (EMA).
6.2 Die Koordination von Maßnahmen erfolgt durch die EMA. Deren Vorgaben für Maßnahmen werden über die zuständige Bundesoberbehörde den obersten Landesgesundheitsbehörden oder der zuständigen Behörde zugeleitet. Die zuständige Behörde trifft die erforderlichen Veranlassungen und berichtet dem MSGIV über deren Vollzug.
6.3 Ist eine Maßnahme zum Schutze der Gesundheit dringend erforderlich, kann das Inverkehrbringen von der Aufsichtsbehörde im Einvernehmen mit dem MSGIV und im Benehmen mit der zuständigen Bundesoberbehörde untersagt werden. Die zuständige Bundesoberbehörde unterrichtet die EMA über die Maßnahme.
7 Inkrafttreten
Dieser Erlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt für Brandenburg in Kraft.