Änderungen des Zustellungsrechts
Am 1. Juli 2002 tritt das Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz - ZustRG) vom 25. Juli 2001 (BGBl. I S. 1206), zuletzt geändert durch Artikel 9 Abs. 6 des Gesetzes vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3422, 3431), in Kraft.
Ziel des Gesetzes ist es, die gerichtlichen Zustellungsverfahren zu vereinheitlichen und zu vereinfachen und sie unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung den gewandelten Lebensverhältnissen anzupassen. Durch das Artikelgesetz werden neben der Zivilprozessordnung (ZPO) zahlreiche weitere Gesetze, unter anderem die Verfahrensordnungen der anderen Gerichtszweige, aber auch das Verwaltungszustellungsgesetz des Bundes (VwZG) geändert. Die Änderungen des VwZG durch Artikel 2 Abs. 1 ZustRG sind vor allem Folge der Entscheidung, sämtliche gerichtlichen, insbesondere die verwaltungsgerichtlichen Zustellungen künftig nach den Regelungen in der ZPO durchzuführen. Für die Zustellungen der Behörden ergeben sich bei Zustellungen durch die Post mit Zustellungsurkunde Änderungen durch die neuen Verweisungen in § 3 Abs. 3 VwZG auf die §§ 177 bis 181 ZPO.
Nach § 1 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes für das Land Brandenburg (BbgVwZG) vom 18. Oktober 1991 (GVBl. S. 457), geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 6. Juli 1998 (GVBl. I S. 167, 170), gelten die Vorschriften der §§ 2 bis 15 VwZG auch für die Zustellungsverfahren der Landesbehörden und Einrichtungen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften sowie Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, mit Ausnahme der Finanzbehörden (für die das VwZG nach dessen § 1 Abs. 1 unmittelbar gilt). Daher sind die Änderungen in § 3 Abs. 3 VwZG auch durch die genannten Behörden ab 1. Juli 2002 zu beachten.
Folgende Besonderheiten sind bei den in Bezug genommenen neuen Vorschriften der ZPO zu beachten:
1 Ersatzzustellung in der Wohnung, in Geschäftsräumen und Einrichtungen (§ 178 Abs. 1 ZPO)
1.1 In der Wohnung des Zustellungsadressaten ist die Ersatzzustellung nicht nur an einen erwachsenen Familienangehörigen oder eine in der Familie beschäftigte Person, sondern auch an einen erwachsenen ständigen Mitbewohner zulässig (§ 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Möglichkeit der Ersatzzustellung an den in demselben Hause wohnenden Hauswirt oder Vermieter ist entfallen.
1.2 Die Unterscheidung zwischen der Ersatzzustellung an einen Gewerbetreibenden, an einen Rechtsanwalt, Notar oder Gerichtsvollzieher oder an juristische Personen ist aufgegeben worden. In allen Fällen, in denen ein Zustellungsadressat einen Geschäftsraum unterhält, kann in diesem Raum einer dort beschäftigten Person das Schriftstück zugestellt werden (§ 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
1.3 In einer Gemeinschaftseinrichtung (zum Beispiel einem Seniorenheim oder Krankenhaus) kann im Rahmen der Ersatzzustellung dem Leiter der Einrichtung oder einem dazu ermächtigten Vertreter zugestellt werden (§ 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).
2 Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten (§ 180 ZPO)
Neu ist die Möglichkeit der Ersatzzustellung durch Einlegen des Schriftstücks in einen zu der Wohnung oder zu dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, beispielsweise in den Einwurfschlitz einer Eingangstür, wenn eine Ersatzzustellung in der Wohnung oder in den Geschäftsräumen des Zustellungsadressaten nicht ausführbar ist.
3 Ersatzzustellung durch Niederlegung (§ 181 ZPO)
3.1 Eine Ersatzzustellung durch Niederlegung ist erst dann zulässig, wenn die Ersatzzustellung durch Einlegen des Schriftstücks in den Briefkasten (§ 180 ZPO) oder in Gemeinschaftseinrichtungen (§ 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO) nicht ausführbar ist (§ 181 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
3.2 Die Niederlegung hat auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, oder an diesem Ort, wenn die Post mit der Ausführung der Zustellung beauftragt ist, bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle zu erfolgen (§ 181 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Niederlegung bei dem Gemeindevorsteher oder dem Polizeivorsteher des Zustellungsortes ist nicht mehr vorgesehen.
3.3 Die Mitteilung über die Niederlegung ist in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abzugeben oder, wenn das nicht möglich ist, an der Tür der Wohnung, des Geschäftsraums oder der Gemeinschaftseinrichtung anzuheften (§ 181 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Eine Weitergabe an den Nachbarn ist nicht mehr zulässig.
3.4 Abweichend vom früheren Recht gilt das Schriftstück mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung über die Niederlegung als zugestellt (§ 181 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Damit berühren Fehler bei der Niederlegung die Wirksamkeit der Zustellung nicht.
Der im ZustRG vorgenommenen Anpassung des VwZG an die neuen Regelungen der ZPO soll eine umfassendere Novellierung des VwZG, die vom Bundesministerium des Innern derzeit vorbereitet wird, folgen. Diese wird auch die Möglichkeit der Zustellung von elektronischen Dokumenten beinhalten.
Nachdem für gerichtliche Verfahren durch die Verordnung zur Einführung von Vordrucken für die Zustellung im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsvordruckverordnung - ZustVV) vom 12. Februar 2002 (BGBl. I S. 671, 1019) einheitliche - gelbe - Zustellungsformulare festgelegt wurden, ist außerdem beabsichtigt, diese Vordrucke durch eine entsprechende Verweisung auch für Verwaltungszustellungsverfahren vorzusehen. Das Gesetz zur Änderung des VwZG wird jedoch nicht zeitgleich mit der ZustVV zum 1. Juli 2002 in Kraft treten können. Es wird daher gebeten, im Vorgriff auf diese Regelung ab 1. Juli 2002 die in der Zustellungsvordruckverordnung vorgesehenen Vordrucke zu verwenden. Auf die Übergangsregelung in § 3 ZustVV, wonach die Verwendung der bisherigen - blauen - Vordrucke bis zum 31. Dezember 2002 zulässig ist, kann zurückgegriffen werden. Allerdings sind dabei die oben genannten Änderungen vor allem bei den Ersatzzustellungsmöglichkeiten zu beachten. In dem alten Vordruck der PZU sind insbesondere die Nummern 2.4 und 2.9 wegen der weggefallenen Ersatzzustellung an den Hauswirt/Vermieter zu streichen. Eine Kombination der neuen PZU mit dem alten (inneren) Umschlag sollte unterbleiben, weil der alte Umschlag keinen Hinweis für den Empfänger auf die neu eröffnete Möglichkeit der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten enthält.