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Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit

Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit
vom 1. Februar 2024
(GVBl.II/24, [Nr. 9])

Auf Grund des Artikels 293 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469, 1975 I S. 1916, 1976 I S. 507), der zuletzt durch Artikel 4 Nummer 1 Buchstabe a des Gesetzes vom 26. Juli 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 203 S. 3) geändert worden ist, in Verbindung mit § 1 Nummer 44 der Justiz-Zuständigkeitsübertragungsverordnung vom 9. April 2014 (GVBl. II Nr. 23), die durch Artikel 1 Nummer 2 der Verordnung vom 31. Januar 2024 (GVBl. II Nr. 7) geändert worden ist, verordnet die Ministerin der Justiz:

§ 1
Allgemeines

(1) Die Vollstreckungsbehörde kann der verurteilten Person nach Maßgabe dieser Verordnung auf Antrag gestatten, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden.

(2) Freie Arbeit im Sinne dieser Verordnung ist gemeinnützige, unentgeltliche Tätigkeit. Geringfügige finanzielle oder geringfügige sonstige geldwerte Zuwendungen an die verurteilte Person zum Ausgleich von Auslagen im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung berühren die Unentgeltlichkeit nicht.

(3) Ein Arbeitsverhältnis wird durch die Leistung der freien Arbeit nicht begründet.

§ 2
Antragsverfahren

(1) Ist eine Geldstrafe uneinbringlich, so weist die Vollstreckungsbehörde die verurteilte Person vor der Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 459e Absatz 2 Satz 2 der Strafprozessordnung darauf hin, dass sie innerhalb einer bestimmten Frist einen Antrag nach § 1 Absatz 1 stellen kann. Befindet sich die verurteilte Person in Strafhaft, erteilt die Vollstreckungsbehörde den Hinweis mit dem Ersuchen um Vormerkung von Überhaft für die Ersatzfreiheitsstrafe. Satz 1 gilt nicht, wenn die verurteilte Person unbekannten Aufenthalts ist.

(2) Die Vollstreckungsbehörde gibt der verurteilten Person Gelegenheit, eine Tätigkeit im Sinne des § 1 Absatz 2 sowie eine geeignete Beschäftigungsstelle vorzuschlagen. Sie ist ihr bei der Vermittlung eines Beschäftigungsverhältnisses behilflich und stimmt mit der Beschäftigungsstelle die näheren Umstände der zu leistenden Tätigkeit ab.

(3) Die Vollstreckungsbehörde soll sich vor der Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe der Gerichtshilfe oder eines freien Trägers bedienen, um etwa im Wege aufsuchender Sozialarbeit die Bereitschaft der verurteilten Person zur Ableistung freier Arbeit zu fördern und ihr ein Beschäftigungsverhältnis zu vermitteln. Bei der Beauftragung eines freien Trägers, zu der auch die Gerichtshilfe berechtigt ist, sind die Vorgaben des § 459e Absatz 2a der Strafprozessordnung zum Umgang mit personenbezogenen Daten zu beachten.

§ 3
Entscheidung der Vollstreckungsbehörde

(1) Gestattet die Vollstreckungsbehörde die Abwendung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit, so bestimmt sie zugleich die Beschäftigungsstelle, den Inhalt der Tätigkeit und die voraussichtliche tägliche Arbeitszeit. Weiterhin teilt sie der verurteilten Person den Anrechnungsmaßstab nach § 9 Absatz 1 mit und belehrt sie über die Möglichkeit des Widerrufs nach § 8.

(2) Die Vollstreckungsbehörde lehnt den Antrag ab, wenn

  1. Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die verurteilte Person freie Arbeit nicht leisten will oder dazu in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein wird, oder
  2. die von der verurteilten Person vorgeschlagene Beschäftigungsstelle ungeeignet ist und ein anderes Beschäftigungsverhältnis nicht vermittelt werden kann.

§ 4
Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe

Die Ersatzfreiheitsstrafe wird nicht vollstreckt, solange der verurteilten Person die Ableistung freier Arbeit gestattet oder über ihren rechtzeitig gestellten Antrag nicht entschieden ist; § 5 bleibt unberührt.

§ 5
Anrechnung freier Arbeit während des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe

(1) Die Vollstreckungsbehörde kann die Ableistung freier Arbeit auf Antrag der verurteilten Person auch dann gestatten, wenn die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe bereits begonnen hat. Die Anrechnung der abgeleisteten freien Arbeit auf die noch zu vollstreckende Ersatzfreiheitsstrafe erfolgt nach Maßgabe von § 9.

(2) Die Leiterin oder der Leiter der Justizvollzugsanstalt wirkt in geeigneten Fällen auf eine Antragstellung der verurteilten Person hin und unterstützt sie bei der Suche nach einer geeigneten Beschäftigungsstelle außerhalb der Justizvollzugsanstalt, wenn die Voraussetzungen für den offenen Vollzug nach § 22 des Brandenburgischen Justizvollzugsgesetzes, für Freigang nach § 46 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 und Absatz 2 des Brandenburgischen Justizvollzugsgesetzes oder eine Außenbeschäftigung nach § 49 Absatz 4 des Brandenburgischen Justizvollzugsgesetzes vorliegen. Soweit geeignete Einsatzmöglichkeiten vorhanden sind, kann der verurteilten Person auch innerhalb der Justizvollzugsanstalt Gelegenheit zur Ableistung unbezahlter gemeinnütziger Tätigkeit gegeben werden.

(3) Einen Antrag der verurteilten Person nach Absatz 1 übermittelt die Leiterin oder der Leiter der Justizvollzugsanstalt umgehend an die Vollstreckungsbehörde. Diese entscheidet unverzüglich über den Antrag und teilt ihre Entscheidung der verurteilten Person und der Leiterin oder dem Leiter der Justizvollzugsanstalt umgehend mit. Ein von der Leiterin oder dem Leiter der Justizvollzugsanstalt befürworteter Antrag gilt als genehmigt, sofern die Vollstreckungsbehörde diesem nicht innerhalb von fünf Werktagen entgegentritt.

(4) Die Leiterin oder der Leiter der Justizvollzugsanstalt überwacht die ordnungsgemäße Erfüllung der freien Arbeit durch die verurteilte Person und teilt der Vollstreckungsbehörde die Erledigung der Ersatzfreiheitsstrafe mit.

§ 6
Anrechnung freier Arbeit während des Vollzugs einer anderen Freiheitsentziehung

(1) Die Vollstreckungsbehörde kann einer verurteilten Person, gegen die bereits eine Freiheitsentziehung in anderer Sache vollzogen wird, auf Antrag gestatten, die Anschlussvollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe während des Vollzugs der anderen Freiheitsentziehung durch Ableistung freier Arbeit abzuwenden, soweit innerhalb der Justizvollzugsanstalt geeignete Einsatzmöglichkeiten vorhanden sind.

(2) § 5 Absatz 1 Satz 2, Absatz 3 und 4 gelten entsprechend.

§ 7
Weisungen

Die verurteilte Person hat den Weisungen der Vollstreckungsbehörde oder, sofern sie die gemeinnützige Arbeit während des Strafvollzuges verrichtet, denjenigen der Vollzugsleiterin oder des Vollzugsleiters nachzukommen. Hinsichtlich der ihr obliegenden Pflichten im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses hat sie den Anordnungen der Beschäftigungsstelle nachzukommen.

§ 8
Widerruf, Beendigung

(1) Die Vollstreckungsbehörde kann die Gestattung nach Anhörung der verurteilten Person und der Beteiligung der Gerichtshilfe oder des beauftragten freien Trägers widerrufen, wenn die verurteilte Person

  1. ohne genügende Entschuldigung die Arbeit nicht aufnimmt, nicht zur Arbeit erscheint oder die Arbeit abbricht,
  2. trotz Abmahnung der Beschäftigungsstelle mit ihrer Arbeitsleistung hinter den Anforderungen zurückbleibt, die billigerweise an sie gestellt werden können,
  3. gröblich oder beharrlich gegen ihr erteilte Weisungen oder Anordnungen verstößt oder
  4. durch sonstiges schuldhaftes Verhalten eine Weiterbeschäftigung für die Beschäftigungsstelle unzumutbar macht.

(2) Die Gestattung endet, wenn die verurteilte Person bei der bisherigen Beschäftigungsstelle nicht mehr weiter tätig sein kann und ein neues Beschäftigungsverhältnis in angemessener Zeit nicht zustande gekommen ist. Die Voll-streckungsbehörde teilt der verurteilten Person den Wegfall der Gestattung mit.

§ 9
Erledigung der Ersatzfreiheitsstrafe

(1) Die Vollstreckung eines Tages der Ersatzfreiheitsstrafe wird durch acht Stunden freie Arbeit abgewendet. In Ausnahmefällen kann die Vollstreckungsbehörde den Anrechnungsmaßstab insbesondere mit Rücksicht auf Inhalt und Umstände der Tätigkeit oder auf die persönlichen Verhältnisse der verurteilten Person bis auf vier Stunden herabsetzen. Verbüßt die verurteilte Person eine Strafhaft, so wird die Vollstreckung eines Tages der Ersatzfreiheitsstrafe durch acht Arbeitsstunden abgewendet. Wurde die Geldstrafe vor dem 1. Februar 2024 rechtskräftig verhängt, so wird die Vollstreckung eines Tages der Ersatzfreiheitsstrafe in den Fällen des Satzes 1 und 3 durch sechs Stunden und in den Fällen des Satzes 2 durch mindestens drei Stunden freie Arbeit abgewendet.

(2) Bleibt die verurteilte Person der Arbeit fern, wird die versäumte Arbeitszeit auch dann nicht auf die Gesamt-arbeitszeit angerechnet, wenn das Fernbleiben entschuldigt ist.

(3) Hat die verurteilte Person die erforderliche Stundenzahl freier Arbeit geleistet, ist die Ersatzfreiheitsstrafe erledigt. Die Vollstreckungsbehörde teilt dies der verurteilten Person mit.

(4) Hat die verurteilte Person nur einen Teil der zu leistenden freien Arbeit erbracht, so wird dieser auf die zu vollstreckende Ersatzfreiheitsstrafe angerechnet. Ein Rest, der keinem vollen Tag Ersatzfreiheitsstrafe entspricht, bleibt dabei außer Betracht.

(5) Die verurteilte Person kann jederzeit die gegen sie verhängte Geldstrafe, die durch die Ableistung freier Arbeit oder die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe noch nicht erledigt ist, begleichen.

§ 10
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am 1. Februar 2024 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit vom 19. Juni 2000 (GVBl. II S. 226), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Februar 2016 (GVBl. II Nr. 5) geändert worden ist, außer Kraft.

Potsdam, den 1. Februar 2024

Die Ministerin der Justiz

Susanne Hoffmann