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Verordnung über die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvorschriften für den Wolf (Brandenburgische Wolfsverordnung - BbgWolfV)

Verordnung über die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvorschriften für den Wolf (Brandenburgische Wolfsverordnung - BbgWolfV)
vom 29. August 2022
(GVBl.II/22, [Nr. 55])

Auf Grund des § 45 Absatz 7 Satz 4 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), in Verbindung mit § 30 Absatz 4 Satz 1 des Brandenburgischen Naturschutzausführungsgesetzes vom 21. Januar 2013 (GVBl. I Nr. 3) und § 1 Absatz 2 Satz 2 der Naturschutzzuständigkeitsverordnung vom 27. Mai 2013 (GVBl. II Nr. 43) verordnet der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz:

§ 1
Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Verordnung ist

  1. Verscheuchen: das Vertreiben eines Wolfes (Canis lupus), insbesondere durch Lärm oder Werfen mit stumpfen Gegenständen oder Ähnliches, bei zufälligen Begegnungen, ohne diesen dabei zu verletzen oder ihm nachzustellen;
  2. Vergrämung: das gezielte, wiederholte Einwirken mit Strafreizen auf einen Wolf in klar erkennbaren Situationen, um ihn dauerhaft von der Annäherung an Menschen, von Menschen genutzte Gebäude oder Siedlungsbereiche abzuhalten; dies gilt auch, wenn Wölfe dabei versehentlich verletzt oder getötet werden;
  3. Entnahme: der gezielte Fang oder die gezielte Tötung eines Wolfes;
  4. Weidetiere: für die Fleisch-, Milch- oder Wollerzeugung, die Landschaftspflege, die Zucht oder für Freizeitaktivitäten auf Freiflächen (Weiden) oder in Gehegen gehaltene oder im freien Weidegang behirtete Huftiere und Laufvögel;
  5. Herdengebrauchshund: ein ausgebildeter Herdenschutzhund oder Hütehund; ein Herdenschutzhund gilt als ausgebildet, wenn er eine Brauchbarkeitsprüfung gemäß der Prüfungsordnung der Arbeitsgemeinschaft Herdenschutzhunde e.V. oder eine vergleichbare Brauchbarkeitsprüfung bestanden hat;
  6. Welpe: ein Wolf mit einem Alter von bis zu sechs Monaten.

§ 2
Verscheuchen von Wölfen

Das Verscheuchen von Wölfen, die sich Menschen oder Weidetieren annähern oder in geschlossene Ortslagen von Dörfern und Städten eingedrungen sind oder sich in deren unmittelbarer Nähe aufhalten, unterliegt nicht den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesnaturschutzgesetzes, soweit Wölfe hierbei nicht verletzt werden. Als Verletzung im Sinne von Satz 1 gilt jede nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder Schädigung der Gesundheit eines Wolfes. § 39 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesnaturschutzgesetzes bleibt unberührt.

§ 3
Vergrämung von Wölfen mit auffälligem Verhalten

(1) Im Interesse der Gesundheit des Menschen wird den nach § 9 berechtigten Personen als Ausnahme nach § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 4 des Bundesnaturschutzgesetzes nach Maßgabe dieser Verordnung gestattet, Wölfen mit auffälligem Verhalten nachzustellen und sie zu vergrämen. Zur Vergrämung zugelassen sind alle geeigneten Methoden und Geräte, insbesondere Gummigeschosse, Warn- oder Schreckschüsse, künstliche Lichtquellen, Spiegel oder andere beleuchtende oder blendende Vorrichtungen sowie akustische, elektrische oder elektronische Geräte.

(2) Maßnahmen nach Absatz 1 sind nur zulässig, wenn die Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege zuvor bestätigt hat, dass ein auffälliges Verhalten vorliegt. Ein solches Verhalten ist insbesondere dann anzunehmen, wenn sich ein Wolf

  1. wiederholt Menschen außerhalb von Fahrzeugen bis auf eine Entfernung von weniger als 30 Metern aktiv annähert,
  2. wiederholt die Annäherung von Menschen auf eine Distanz von unter 30 Metern toleriert,
  3. tagsüber wiederholt in geschlossenen Ortslagen von Dörfern und Städten oder
  4. über mehrere Tage hintereinander oder mehrfach tagsüber über einen längeren Zeitraum in der unmittelbaren Nähe von bewohnten Häusern aufhält,

und es sich nicht um einen Welpen handelt oder sich der Wolf nicht im Sinne des § 2 verscheuchen lässt.

(3) Ist das auffällige Verhalten auf eine Futterkonditionierung oder andere Anreize zurückzuführen, sind Maßnahmen nach Absatz 1 nur zulässig, wenn sich der Wolf nach Beseitigung der Anreize weiterhin auffällig verhält.

§ 4
Tötung von Wölfen mit für den Menschen problematischem oder aggressivem Verhalten

(1) Im Interesse der Gesundheit des Menschen wird den nach § 9 berechtigten Personen als Ausnahme nach § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 4 des Bundesnaturschutzgesetzes nach Maßgabe dieser Verordnung gestattet, Wölfen mit für den Menschen problematischem Verhalten nachzustellen und sie mit einer geeigneten Schusswaffe tierschutzgerecht zu töten. Ein für den Menschen problematisches Verhalten liegt vor, wenn die Vergrämung eines nach § 3 Absatz 2 Satz 2 auffälligen Wolfes nach Einschätzung der Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege nicht möglich ist oder die Vergrämung erfolglos bleibt. § 45a Absatz 2 Satz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes bleibt unberührt.

(2) Im Interesse der Gesundheit des Menschen dürfen Wölfe, die sich ohne ersichtlichen Grund aggressiv gegenüber Menschen verhalten, von den nach § 9 berechtigten Personen als Ausnahme nach § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 4 des Bundesnaturschutzgesetzes auch ohne vorherige Vergrämung oder den Versuch der Vergrämung gemäß Absatz 1 mit einer geeigneten Schusswaffe tierschutzgerecht getötet werden. Ein ersichtlicher Grund liegt insbesondere dann vor, wenn der Wolf zuvor mutwillig aufgesucht und beunruhigt oder in die Enge getrieben wurde. § 10 Absatz 1 des Brandenburgischen Polizeigesetzes in Verbindung mit den §§ 1 und 2 des Brandenburgischen Polizeigesetzes bleibt unberührt.

(3) Ist ein Abschuss nach den Absätzen 1 oder 2 Satz 1 nicht möglich, dürfen Wölfe mit für den Menschen problematischem Verhalten von den nach § 9 berechtigten Personen auch mit Fallen, einem Narkosegewehr oder sonstigen Teleinjektionsgeräten gefangen werden. Nach Satz 1 gefangene Wölfe sind durch eine Tierärztin oder einen Tierarzt oder eine andere zur Tötung von Wirbeltieren berechtigte Person tierschutzgerecht zu töten, sofern bei Welpen eine artgerechte Unterbringung nicht in Frage kommt. § 4 Absatz 1 und 3 der Bundesartenschutzverordnung bleibt unberührt.

§ 5
Ausnahmen zur Abwendung von Übergriffen auf Weidetiere

(1) Zur Abwendung drohender ernster landwirtschaftlicher Schäden wird den nach § 9 berechtigten Personen als Ausnahme nach § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 1 des Bundesnaturschutzgesetzes nach Maßgabe dieser Verordnung gestattet, Wölfen nachzustellen und sie mit einer geeigneten Schusswaffe tierschutzgerecht zu töten. Die Erlaubnis nach Satz 1 gilt nur

  1. für Wölfe, die in räumlichem Zusammenhang und innerhalb eines Abstands von höchstens vier Wochen mindestens zweimal

    1. in Weidetierbestände eingedrungen sind, die nach den in der Anlage aufgeführten „Empfohlenen Maßnahmen zum Schutz von Weidetierbeständen vor Wolfsübergriffen“ oder den im Einzelfall von der Fachbehörde für Naturschutz empfohlenen Herdenschutzmaßnahmen geschützt waren und dort Weidetiere oder Herdengebrauchshunde gerissen oder verletzt haben,
    2. Weidetiere, die nach den in der Anlage empfohlenen Maßnahmen oder den im Einzelfall von der Fachbehörde für Naturschutz empfohlenen Herdenschutzmaßnahmen geschützt waren, zum Ausbrechen veranlasst und anschließend außerhalb der Weide gerissen oder verletzt haben oder
    3. Rinder oder Pferde nicht kleinwüchsiger Rassen ab einem Alter von einem Jahr gerissen haben, soweit im Einzelfall keine Herdenschutzmaßnahmen zur Abwendung weiterer Schäden zumutbar sind,

  2. für Wölfe, die in ihrem Territorium und gegebenenfalls daran angrenzenden Gebieten über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten signifikant mehr Weidetiere gerissen haben, als es dem Durchschnitt der Risse in den übrigen Wolfsterritorien des Landes im selben Zeitraum entspricht, soweit

    1. dort auch Weidetiere gerissen wurden, die nach den in der Anlage empfohlenen Maßnahmen geschützt waren,
    2. eine flächendeckende Umsetzung der in der Anlage empfohlenen Maßnahmen in dem Gebiet nicht möglich ist oder keine Abhilfe schaffen würde und
    3. es auch keine andere zufriedenstellende Lösung zur Abwendung weiterer Schäden gibt.

§ 4 Absatz 3 gilt entsprechend.

(2) Können die Risse keinem bestimmten Wolf eines Rudels zugeordnet werden oder kann der schadensverursachende Wolf trotz eindeutiger genetischer Identifizierung auf Grund des Fehlens besonderer, leicht erkennbarer äußerer Merkmale nicht in der Landschaft erkannt und von anderen Wolfsindividuen unterschieden werden, gilt § 45a Absatz 2 Satz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes.

§ 6
Besenderung von Wölfen

Die in § 9 genannten Personen dürfen Wölfe mit Fallen oder mittels Betäubung durch Teleinjektionsgeräte fangen, um sie zu besendern oder anderweitig zu kennzeichnen, sofern die Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege dies zur Umsetzung dieser Verordnung für erforderlich hält. § 4 Absatz 1 und 3 der Bundesartenschutzverordnung bleibt unberührt.

§ 7
Wolfshybriden

Ergibt das Monitoring der Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege das Vorkommen von Hybriden zwischen Wolf und Hund (Wolfshybriden) gilt § 45a Absatz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes.

§ 8
Einschränkungen

(1) Beim Fangen oder Töten von Wölfen nach dieser Verordnung sind die tierschutzrechtlichen Vorgaben zu beachten. Insbesondere dürfen

  1. beim Fallenfang nach § 4 Absatz 3 oder § 6 nur von der Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege hierzu bereit gestellte oder empfohlene Fallen verwendet werden, die unversehrt fangen und das unbeabsichtigte Fangen von sonstigen wild lebenden Tieren nach Möglichkeit ausschließen,
  2. keine Wölfe mit unselbstständigen Jungtieren geschossen oder gefangen werden, es sei denn, dass das verbleibende Elterntier nach Einschätzung der Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege allein in der Lage ist, die Jungen aufzuziehen oder, wenn dies nicht der Fall ist oder beide Elterntiere gefangen oder getötet werden müssen, dass die Jungtiere vor den Elterntieren getötet oder gefangen werden; soweit dies im Einzelfall möglich ist, sind Welpen bis zu einem Alter von drei Monaten lebend zu fangen und artgerecht unterzubringen;
  3. bei der Tötung von Wölfen mit Schusswaffen nur für die Jagd zugelassene Schusswaffen verwendet werden.

Satz 2 Nummer 2 gilt nicht für Wölfe nach § 4 Absatz 2 oder bei denen nach Einschätzung der Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege aufgrund ihres sonstigen Verhaltens eine akute Gefahr für die Gesundheit von Menschen anzunehmen ist sowie bei der Tötung schwer verletzter Wölfe nach § 10; in diesem Fall hat die Tötung oder der Fang der Jungtiere soweit möglich nach der Entnahme der Elterntiere zu erfolgen. Geeignet im Sinne von Satz 2 Nummer 3 sind alle Büchsen, die üblicherweise zur Jagd auf Schalenwild genutzt werden können. Es sind bleifreie Schalenwildmunition oder andere bleifreie Büchsenpatronen mit ausreichender Tötungswirkung zu verwenden. Beim Töten von in Fallen gefangenen Wölfen sowie der Abgabe von Fangschüssen sind auch Kurzwaffen oder der Schrotschuss mit der Flinte zulässig. Der Schrotschuss mit der Flinte ist auch bei der Tötung von problematischen Wölfen nach § 4 zulässig, wenn die Distanz nicht mehr als 30 Meter beträgt. Beim Töten von in Fallen gefangenen Wölfen sowie der Abgabe von Fangschüssen mit Kurzwaffen muss die Mündungsenergie der Geschosse mindestens 200 Joule betragen. Die tierschutzrechtlichen Vorgaben sind zu beachten.

(2) Die Durchführung von Maßnahmen nach den §§ 3 bis 6 ist in Naturschutzgebieten und im Nationalpark Unteres Odertal sowie in Gebieten, die als Naturschutzgebiet einstweilig sichergestellt sind oder gemäß § 11 des Brandenburgischen Naturschutzausführungsgesetzes einer Veränderungssperre zwecks Ausweisung als Naturschutzgebiet unterliegen, nur zulässig, wenn

  1. die Maßnahme nicht nach der jeweiligen Schutzgebietsverordnung oder dem jeweiligen Gesetz verboten ist oder
  2. für die Maßnahme abweichend von § 1 Absatz 1 der Naturschutzzuständigkeitsverordnung durch die Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege eine flächenschutzrechtliche Befreiung nach § 67 des Bundesnaturschutzgesetzes gewährt worden ist.

§ 4 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) In Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung im Sinne des § 7 Absatz 1 Nummer 6 des Bundesnaturschutzgesetzes und in Europäischen Vogelschutzgebieten im Sinne des § 7 Absatz 1 Nummer 7 des Bundesnaturschutzgesetzes ist die Durchführung von Maßnahmen nach dieser Verordnung zulässig, wenn die Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege durch eine Prüfung nach § 34 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes festgestellt hat, dass eine erhebliche Beeinträchtigung von Erhaltungszielen des jeweiligen Gebietes bei der Durchführung der Maßnahmen ausgeschlossen werden kann. § 4 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Die Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege kann in den in Absatz 3 genannten Gebieten im Einzelfall Ausnahmen nach § 34 Absatz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes zulassen, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung von Erhaltungszielen des jeweiligen Gebietes bei der Durchführung der Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden kann.

§ 9
Berechtigte Personen

(1) Die Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege stellt das Vorliegen der Voraussetzungen nach den §§ 3 bis 6 fest und bestimmt im Einzelfall oder durch Allgemeinverfügung die jeweils zur Durchführung von Maßnahmen nach den §§ 3 bis 6 berechtigten Personen. Infrage kommen hierfür nur Personen, die über die für die jeweilige Maßnahme notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Die Fachbehörde bestimmt dabei auch die genauen zeitlichen und örtlichen Umstände für die Durchführung der Maßnahmen.

(2) Für die nach § 3 zulässige Vergrämung von Wölfen mit Gummigeschossen, Warn- oder Schreckschüssen sowie für die nach den §§ 4 und 5 zulässige Tötung von Wölfen mit einer Schusswaffe kommen zusätzlich nur Personen infrage, die einen gültigen Jagdschein oder eine waffenrechtliche Erlaubnis nach § 10 Absatz 5 des Waffengesetzes besitzen. Die Vorgaben des § 45a Absatz 4 des Bundesnaturschutzgesetzes zur Beteiligung der Jagdausübungsberechtigten bei der Entnahme von Wölfen bleiben unberührt.

(3) Zum Fang von Wölfen mit betäubenden Mitteln nach § 4 Absatz 3 oder § 6 kommen nur Tierärztinnen und Tierärzte oder Personen, die über eine Ausnahme nach § 5 Absatz 1 Satz 5 des Tierschutzgesetzes verfügen, infrage. Zum Fang von Wölfen mit einem Narkosegewehr kommen zusätzlich nur Personen infrage, die die waffenrechtlichen Voraussetzungen erfüllen.

§ 10
Tötung schwer verletzter Wölfe

(1) Schwer verletzte oder schwer kranke Wölfe dürfen aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses als Ausnahme nach § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 5 des Bundesnaturschutzgesetzes von einer Tierärztin oder einem Tierarzt getötet werden, wenn das Tier nach dem Urteil der Tierärztin oder des Tierarztes nicht oder nur unter nicht behebbaren erheblichen Leiden oder Schmerzen weiterleben könnte. Die Tötung darf im Beisein der Tierärztin oder des Tierarztes mit einer geeigneten Schusswaffe auch durch Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamte oder durch Personen erfolgen, die im Besitz eines gültigen Jagdscheins sind, sofern die Tierärztin oder der Tierarzt in der konkreten Situation nicht hierzu in der Lage ist.

(2) Bei Verletzungen, die so schwerwiegend sind, dass ein Überleben nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen ist, wie insbesondere eine geöffnete Bauchhöhle mit heraustretenden Eingeweiden, zwei oder mehr zertrümmerte oder amputierte Extremitäten, ein zertrümmerter Schädel oder eine zertrümmerte Wirbelsäule, dürfen Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamte oder von der Polizei hierzu hinzugezogene Jagdscheininhaberinnen oder Jagdscheininhaber einen schwer verletzten und leidenden Wolf mit einer geeigneten Schusswaffe auch dann töten, wenn eine Tierärztin oder ein Tierarzt zeitnah nicht hinzugezogen werden kann (Nottötung von Wölfen).

(3) Im Falle der Tötung eines schwer verletzten oder kranken Wolfes durch Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamte können diese abweichend von § 8 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 die ihnen zur Verfügung gestellte Dienstwaffe verwenden.

§ 11
Verbleib getöteter Wölfe, Wolfstotfunde

(1) Die auf Grund dieser Verordnung getöteten Wölfe oder Wolfshybriden sind der Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege oder deren Beauftragten zur Veranlassung wissenschaftlicher Untersuchungen zu übergeben.

(2) Abweichend von den Besitz- und Vermarktungsverboten ist es zulässig, nach Unfällen oder sonstigen Einwirkungen Dritter tot aufgefundene oder auf natürliche Weise zu Tode gekomme Wölfe aus der Natur zu entnehmen, um sie der Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege oder deren Beauftragten zur Veranlassung wissenschaftlicher Untersuchungen zu übergeben.

§ 12
Informations- und Beobachtungspflichten

(1) Der Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege hat der obersten Naturschutzbehörde unverzüglich Bericht zu erstatten, wer von

  1. § 3 Gebrauch gemacht hat, über die Anzahl der vergrämten Wölfe unter Angabe des genauen Ortes und Datums und der angewandten Methode,
  2. den §§ 4 bis 5 Gebrauch gemacht hat, über den genauen Fang- oder Abschussort, das genaue Fang- oder Abschussdatum und die Anzahl der jeweils gefangenen oder getöteten Wölfe,
  3. § 6 Gebrauch gemacht hat, über den genauen Fangort, das genaue Fangdatum, die Anzahl der jeweils gefangenen und gekennzeichneten Wölfe und die jeweilige Kennzeichnungsmethode oder
  4. § 10 Gebrauch gemacht hat, über den genauen Fundort des schwer verletzten oder kranken Wolfes, die Art seiner Verletzung oder Erkrankung und das genaue Datum der Tötung.

(2) Die Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege hat die örtlich zuständige untere Naturschutzbehörde zu informieren, wenn in ihrem Bereich ein Wolf mit für den Menschen problematischem Verhalten bestätigt wurde. Beim Auftreten eines Wolfes, der sich ohne ersichtlichen Grund aggressiv gegenüber Menschen verhält, sind zusätzlich die örtlich zuständigen Polizeidienststellen und Kommunen zu informieren.

(3) Die Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege hat darüber zu wachen, dass es weder zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der Populationen des Wolfs kommt noch die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands des Wolfs in der kontinentalen Region Deutschlands behindert wird. Die Verordnung ist aufzuheben, falls sich einer der in Satz 1 genannten Fälle abzeichnen sollte.

(4) Sofern der Anwendungsbereich dieser Verordnung eröffnet ist, hat die Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege darüber zu wachen, dass deren Vorschriften eingehalten werden und kann die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann insbesondere die Befugnisse nach den §§ 3 bis 6 im Einzelfall entziehen, wenn

  1. von ihnen in missbräuchlicher Weise Gebrauch gemacht,
  2. der Berichtspflicht nach Absatz 1 oder
  3. der Übergabepflicht nach § 11 nicht nachgekommen wird.

§ 13
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Brandenburgische Wolfsverordnung vom 26. Januar 2018 (GVBl. II Nr. 8) außer Kraft.

Potsdam, den 29. August 2022

Der Minister für Landwirtschaft,
Umwelt und Klimaschutz

Axel Vogel

Anlagen