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Verordnung über Hygiene und Infektionsprävention in vollstationären Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen im Land Brandenburg (Brandenburgische Pflegehygieneverordnung - BbgPflegeHygV)
Verordnung über Hygiene und Infektionsprävention in vollstationären Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen im Land Brandenburg (Brandenburgische Pflegehygieneverordnung - BbgPflegeHygV)
vom 30. September 2024
(GVBl.II/24, [Nr. 88])
Aufgrund des § 35 Absatz 3 Satz 1 und 2 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), der durch Artikel 1 Nummer 19 des Gesetzes vom 16. September 2022 (BGBl. I S. 1454) neu gefasst worden ist, verordnet die Landesregierung:
§ 1
Regelungsgegenstand und Ziele
(1) Diese Verordnung regelt Maßnahmen zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten in
- vollstationären Pflegeeinrichtungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch,
- vergleichbaren Einrichtungen der Eingliederungshilfe, welche regelmäßig qualifizierte oder invasive medizinische Behandlungspflege selbst durchführen und
- vergleichbaren Einrichtungen, in welchen Leistungen nach § 37c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch erbracht werden.
(2) Bei der Umsetzung der infektionspräventiven Maßnahmen ist das Ziel eines würdevollen und selbstbestimmten Lebens und Wohnens zu beachten.
§ 2
Pflichten von Träger und Leitung
(1) Der Träger einer Einrichtung nach § 1 Absatz 1 ist verpflichtet, die betrieblich-organisatorischen und baulich-funktionellen Voraussetzungen für die Einhaltung der Hygiene sicherzustellen.
(2) Die Leitung einer Einrichtung nach § 1 Absatz 1 hat sicherzustellen, dass die Regeln der Hygiene und Infektionsprävention entsprechend dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft und der Pflegewissenschaft nach § 35 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes beachtet und alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten getroffen sowie umgesetzt werden. Bei dem Betrieb und der Wartung von baulich-funktionellen Anlagen, von denen ein infektionshygienisches Risiko ausgehen kann, müssen die allgemein anerkannten Regeln der Technik unter Berücksichtigung des Standes der Wissenschaft beachtet werden. Die Anlagen dürfen nur von fachlich geschultem Personal betrieben und gewartet werden. Dabei ist die Leitung einer Einrichtung insbesondere verantwortlich für:
- die Einhaltung der hygienischen Mindestanforderungen an den Betrieb der Einrichtung und die Initiierung erforderlicher Maßnahmen für den Bau und die Ausstattung gegenüber dem Träger der Einrichtung,
- das Vorhandensein eines aktuellen infektionshygienischen Risikoprofils der Einrichtung nach § 3 Absatz 1 Satz 2,
- die Sicherstellung der fachlichen Beratung nach § 3, die Benennung der hygienebeauftragten Pflegefachkräfte nach § 4 sowie die Sicherstellung ihrer ordnungsgemäßen Tätigkeit in der Einrichtung,
- die ordnungsgemäße innerbetriebliche Beteiligung und Abstimmung nach § 6,
- das ordnungsgemäße Handeln bei infektionspräventiven Erregern und Erregern mit Multiresistenzen und der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit nach den §§ 7 und 8 sowie
- die Information und Belehrung des Personals nach § 9.
(3) Der Träger hat den Betrieb einer Einrichtung nach § 1 Absatz 1 dem örtlich zuständigen Gesundheitsamt anzuzeigen; dasselbe gilt für jede beabsichtigte Inbetriebnahme und Schließung einer Einrichtung nach § 1 Absatz 1. Die Anzeigepflicht nach Satz 1 gilt unbeschadet von Anzeigepflichten aufgrund anderer Rechtsvorschriften.
§ 3
Fachliche Beratung durch eine Hygienefachkraft
(1) Die Leitung der Einrichtung hat die regelmäßige fachliche Beratung durch eine Hygienefachkraft sicherzustellen. Der erforderliche Umfang der Beratung ist durch die Einrichtung auf Basis des nach Absatz 2 Nummer 2 ermittelten infektionshygienischen Risikoprofils der Einrichtung schriftlich oder elektronisch festzuhalten.
(2) Zur Umsetzung der Anforderung des Absatzes 1 Satz 1 soll die Hygienefachkraft insbesondere
- die Leitung der Einrichtung und von ihr benanntes Personal in Fragen der Hygiene und Infektionsprävention beraten,
- das einrichtungsspezifische Infektionsrisiko, einschließlich der von den Bewohnerinnen und Bewohnern abhängigen medizinischen Risikofaktoren, das ein konkretes infektionspräventives Handeln erforderlich macht (infektionshygienisches Risikoprofil), ermitteln und entsprechende Maßnahmen zur Verhütung, Erkennung, Erfassung und Bekämpfung von nosokomialen und pflegeassoziierten Infektionen vorschlagen,
- an der Erstellung und Fortschreibung des Hygieneplans der Einrichtung mitwirken,
- an der Konzeption zur Umsetzung und Vermittlung von Maßnahmen der Hygiene und Infektionsprävention entsprechend dem Hygieneplan der Einrichtung mitwirken,
- auf Anforderung der Leitung der Einrichtung bei der Aufklärung und der Bewältigung von Infektionsausbrüchen auf Basis des infektionshygienischen Risikoprofils mitwirken und
- an der Konzeption zur Information, Belehrung und Fortbildung des Personals der Einrichtung zu Hygiene und Infektionsprävention mitwirken.
(3) Als Hygienefachkraft ist fachlich geeignet, wer berechtigt ist, die Weiterbildungsbezeichnung „Hygienefachkraft“ oder eine vergleichbare Bezeichnung nach einer landesrechtlichen Weiterbildungsregelung für Gesundheitsfachberufe zu führen.
(4) Hygienefachkräfte sind verpflichtet, sich mit dem jeweils aktuellen Stand der Hygiene und Infektionsprävention vertraut zu machen und sich mindestens jährlich zu Hygiene und Infektionsprävention fortzubilden.
§ 4
Hygienebeauftragte Pflegefachkräfte
(1) Die Leitung der Einrichtung benennt mindestens eine hygienebeauftragte Pflegefachkraft. Je nach Einschätzung auf Basis des infektionshygienischen Risikoprofils sind weitere hygienebeauftragte Pflegefachkräfte zu benennen. Die hygienebeauftragten Pflegefachkräfte sind Beschäftigte der Einrichtung und für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach Absatz 2 im erforderlichen Umfang auf Basis des infektionshygienischen Risikoprofils der Einrichtung von anderen Aufgaben freizustellen. Der Umfang der Freistellung ist schriftlich festzuhalten.
(2) Die Aufgaben der hygienebeauftragten Pflegefachkräfte umfassen insbesondere:
- die Mitwirkung an der Erkennung von nosokomialen und pflegeassoziierten Infektionen,
- die Mitwirkung an der Erstellung und Fortschreibung des Hygieneplans der Einrichtung,
- das Hinwirken auf die Einhaltung der Regeln der Hygiene und Infektionsprävention entsprechend dem Hygieneplan der Einrichtung,
- die regelmäßige Kontrolle der Umsetzung der Hygienemaßnahmen in den Bereichen einer Einrichtung, denen ein Infektionsrisiko zugerechnet werden kann,
- die Mitwirkung bei der Aufklärung und der Bewältigung von Infektionsausbrüchen,
- die regelmäßige Mitwirkung an Information, Belehrung und Fortbildungsveranstaltungen zu Hygiene und Infektionsprävention für das Personal der Einrichtung und
- die Information und Beratung der Bewohnerinnen und Bewohner in Fragen der Infektionsprävention und Hygiene im erforderlichen Umfang und entsprechend der individuellen Bedürfnisse.
(3) Als hygienebeauftragte Pflegefachkräfte nach Absatz 1 können Personen benannt werden, welche
- berechtigt sind, eine Berufsbezeichnung nach dem Pflegeberufegesetz zu führen und über eine mindestens zweijährige praktische Berufserfahrung in diesem Beruf verfügen sowie an einer Fortbildung zur hygienebeauftragten Pflegefachkraft mit Erfolg teilgenommen haben; die Fortbildung muss mindestens das Curriculum für einen Grundkurs für hygienebeauftragte Pflegefachkräfte mit einem Volumen von 40 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten vermitteln; oder
- als Hygienefachkraft die Anforderungen des § 3 Absatz 3 erfüllen.
(4) Hygienebeauftragte Pflegefachkräfte sind verpflichtet, sich mit dem jeweils aktuellen Stand der Hygiene und Infektionsprävention vertraut zu machen und sich mindestens alle zwei Jahre zu Hygiene und Infektionsprävention fortzubilden. Die Fortbildungen sind von der Leitung der Einrichtung zu gewährleisten sowie so zu dokumentieren, dass diese auf Verlangen des örtlich zuständigen Gesundheitsamtes durch die Einrichtung nachgewiesen werden können.
§ 5
Akteneinsicht
Die von der Leitung der Einrichtung mit Aufgaben der Hygiene und Infektionsprävention betrauten Fachkräfte sind berechtigt, in die Unterlagen der Einrichtung einschließlich der Akten der Bewohnerinnen und Bewohner einzusehen, soweit dies nach den allgemeinen Datenschutzvorschriften zulässig und zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dieser Verordnung erforderlich ist.
§ 6
Innerbetriebliche Beteiligung und Abstimmung
(1) Die Leitung der Einrichtung hat unter ihrer Verantwortung zu den Fragen der Hygiene und Infektionsprävention die innerbetriebliche Beteiligung und Abstimmung in einem geeigneten verbindlichen Format sicherzustellen. Diesem gehören an:
- die Leitung der Einrichtung,
- die Pflegedienstleitung oder die verantwortliche Pflegefachkraft,
- die hygienebeauftragten Pflegefachkräfte und
- eine Vertretung des Bewohnerschaftsrats oder, sofern ein solcher nicht besteht, eine Vertretung der Bewohnerinnen und Bewohner.
Die Leitung der Einrichtung kann weitere Mitglieder berufen und fachkundige Personen, insbesondere die beratende Hygienefachkraft nach § 3, hinzuziehen. Sofern die beratende Hygienefachkraft nicht regelhaft an dem Format teilnimmt, hat die Leitung der Einrichtung diese auf Basis des infektionshygienischen Risikoprofils der Einrichtung hinzuzuziehen, um die hygienische Fachkompetenz sicherzustellen. Die Mitglieder beraten in Abhängigkeit von dem infektionshygienischen Risikoprofil der Einrichtung mindestens einmal jährlich. Wenn in der Einrichtung ein Infektionsausbruch auftritt oder vermutet wird oder andere besondere, die Hygiene betreffende Vorkommnisse bekanntwerden, entscheidet die Leitung der Einrichtung auf Basis des infektionshygienischen Risikoprofils der Einrichtung über den Zusammentritt. Er erfolgt unverzüglich, wenn die Hälfte der Mitglieder diesen verlangen.
(2) Die Mitglieder geben insbesondere Empfehlungen zu infektionspräventiven Maßnahmen bei der
- Erstellung, Fortschreibung und Umsetzung der innerbetrieblichen Verfahrensweisen zur Infektionshygiene, die nach § 35 Absatz 1 Satz 3 des Infektionsschutzgesetzes in Hygieneplänen festzulegen und zu überwachen sind,
- Planung von Baumaßnahmen, Beschaffung von Gütern einschließlich Medizinprodukten sowie Änderung von Organisationsplänen, soweit Belange der Hygiene und Infektionsprävention berührt sind, und
- Planung der Information, Belehrung und Fortbildung für das Personal zu Hygiene und Infektionsprävention
an den Träger und die Leitung der Einrichtung ab.
(3) Datum, Inhalte und Ergebnisse der Beratungen sind zu dokumentieren und auf Verlangen dem örtlich zuständigen Gesundheitsamt vorzulegen. Es ist eine Teilnehmendenliste zu führen und zu dokumentieren. Die Dokumentationen sind fünf Jahre lang aufzubewahren.
§ 7
Infektionsprävention bei infektionspräventiven Erregern und Erregern mit Multiresistenzen
(1) Die Leitung der Einrichtung hat sicherzustellen, dass frühzeitig erkannt wird, ob von einer Bewohnerin oder einem Bewohner ein Risiko für die Weiterverbreitung von infektionspräventiven Krankheitserregern entsprechend der Tabelle 1 der KRINKO-Empfehlung zur Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten vom 20. Oktober 2023 (Bundesgesundheitsbl. S. 1279) in der jeweils geltenden Fassung, insbesondere solcher mit Resistenzen und Multiresistenzen, ausgeht. Sie hat nach den innerbetrieblichen Verfahrensweisen zur Infektionsprävention sicherzustellen, dass
- Maßnahmen ergriffen werden, um diese Risiken zu identifizieren,
- Maßnahmen zum Schutz vor Erregerübertragung auf andere Bewohnerinnen und Bewohner sowie auf das Personal getroffen werden.
(2) Das Risiko als auch die Maßnahmen sind so zu dokumentieren, dass leicht und sicher erkannt werden kann, welche besonderen Schutzmaßnahmen beim weiteren Umgang mit der Bewohnerin oder dem Bewohner zu beachten sind. Soweit dabei personenbezogene Daten verarbeitet werden, richtet sich die Zulässigkeit der Verarbeitung nach den allgemeinen Datenschutzvorschriften.
§ 8
Sektorenübergreifende Zusammenarbeit
(1) Die Leitung der Einrichtung hat sicherzustellen, dass
- das für den Krankentransport oder den Rettungsdienst eingesetzte Personal mit unmittelbarem Kontakt zur Bewohnerin oder zum Bewohner,
- die aufnehmende medizinische, pflegerische oder soziale Einrichtung und
- behandelnde niedergelassene Ärztinnen und Ärzte
über das Risiko von infektionspräventiven Erregern und Erregern mit Multiresistenzen sowie über die Maßnahmen, die zur Verhütung und zur Bekämpfung der Weiterverbreitung erforderlich sind, vorzugsweise anhand eines standardisierten Überleitungsbogens informiert werden, bevor die Bewohnerin oder der Bewohner verlegt oder überwiesen wird.
(2) Die Einrichtungen sollen im Interesse der Erkennung, Verhütung und Bekämpfung nosokomialer und pflegeassoziierter Infektionen sowie zur Vermeidung der Übertragung von Erregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen eng mit anderen ambulanten und stationären Diensten und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens in der Region zusammenarbeiten. Soweit die Gesundheitsämter Netzwerke zur Hygiene und zum Umgang mit multiresistenten Erregern organisieren, sollen sich die Einrichtungen diesen Netzwerken anschließen.
§ 9
Information und Belehrung des Personals
(1) Die Leitung der Einrichtung hat sicherzustellen und zu dokumentieren, dass das beschäftigte Personal und andere im Auftrag der Einrichtung dort regelmäßig tätige Personen mit Kontakt zu Bewohnerinnen und Bewohnern bei Beginn der Tätigkeit und danach in regelmäßigen Abständen, mindestens jedoch einmal jährlich, entsprechend ihrer Tätigkeit über die in den Hygieneplänen festgelegten innerbetrieblichen Verfahrensweisen zur Hygiene und Infektionsprävention informiert werden. Der Hygieneplan muss dem in Satz 1 genannten Personenkreis zugänglich und einsehbar sein.
(2) Das Personal und andere im Auftrag der Einrichtung regelmäßig tätige Personen mit Kontakt zu Bewohnerinnen und Bewohnern sind fortlaufend über Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen sowie pflegeassoziierten Infektionen und Krankheitserregern mit Resistenzen und Multiresistenzen zu informieren. Die Kenntnisnahme ist durch Unterschrift oder in elektronischer Form zu bestätigen.
§ 10
Ordnungswidrigkeiten
Für Verstöße gegen § 3 Absatz 1 Satz 1, § 4 Absatz 1 Satz 1 oder 2, § 6 Absatz 1 Satz 1, § 7 Absatz 1 Satz 2, § 8 Absatz 1 Satz 1, § 9 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 Satz 1 gilt § 73 Absatz 1a Nummer 24 des Infektionsschutzgesetzes.
§ 11
Übergangsregelungen
(1) Die Sicherstellungspflicht nach § 3 Absatz 1 Satz 1 ist innerhalb von zwölf Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung zu erfüllen.
(2) Die Benennung von hygienebeauftragten Pflegefachkräften nach § 4 Absatz 1 Satz 1 und 2 hat innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung zu erfolgen. Abweichend von § 4 Absatz 3 Nummer 1 kann die Fortbildung innerhalb von zwölf Monaten nach Benennung nachgeholt werden.
§ 12
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Potsdam, den 30. September 2024
Die Landesregierung
des Landes Brandenburg
Der Ministerpräsident
Dr. Dietmar Woidke
Die Ministerin für Soziales, Gesundheit,
Integration und Verbraucherschutz
Ursula Nonnemacher