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Verordnung zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der kommunalen Organe in außergewöhnlicher Notlage (Brandenburgische kommunale Notlagenverordnung - BbgKomNotV)

Verordnung zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der kommunalen Organe in außergewöhnlicher Notlage (Brandenburgische kommunale Notlagenverordnung - BbgKomNotV)
vom 17. April 2020
(GVBl.II/20, [Nr. 19])

zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. September 2020
(GVBl.II/20, [Nr. 89])

Am 30. Juni 2021 außer Kraft getreten durch Verordnung (Zeitablauf) vom 28. September 2020
(GVBl.II/20, [Nr. 89])

Auf Grund des § 2 des Brandenburgischen kommunalen Notlagegesetzes vom 15. April 2020 (GVBl. I Nr. 14) verordnet der Minister des Innern und für Kommunales im Einvernehmen mit dem Ausschuss für Inneres und Kommunales des Landtages Brandenburg:

§ 1
Anwendungsbereich

Diese Verordnung regelt Ausnahmen von den kommunalverfassungsrechtlichen und kommunalwahlrechtlichen Vorschriften für Gemeinden, Ämter, Verbandsgemeinden, Landkreise und Zweckverbände zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der kommunalen Organe aufgrund der landesweit festgestellten außergewöhnlichen Notlage (SARS-CoV-2-Pandemie).

§ 2
Übertragung von Entscheidungskompetenzen

(1) Der Gemeindevertretung stehen in der Notlage die Möglichkeiten der §§ 5 bis 7 zur Durchführung von Sitzungen zur Verfügung. Sie hat zunächst zu prüfen, ob ihr unter Anwendung dieser Möglichkeiten die ordnungsgemäße Durchführung einer Sitzung möglich ist.

(2) Kommt die Gemeindevertretung zu dem Ergebnis, dass ihr die ordnungsgemäße Durchführung derartiger Sitzungen unter Berücksichtigung der politischen Mehrheitsverhältnisse nicht mehr möglich ist, so kann sie Entscheidungen, die ihr durch Rechtsvorschrift zur Entscheidung zugewiesen worden sind, auf den Hauptausschuss durch Beschluss mit der Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder der Gemeindevertretung übertragen. Es können übertragen werden:

  1. Entscheidungen über die Bestellung der Vertreter der Gemeinden in Unternehmen, Vereinen und sonstigen Einrichtungen gemäß § 28 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg,
  2. Entscheidungen über die Bestellung des Leiters und der Prüfer des Rechnungsprüfungsamtes nach § 28 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg,
  3. Entscheidungen über die Erweiterung der Aufgaben des Rechnungsprüfungsamtes über die Pflichtaufgaben nach § 102 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg hinaus gemäß § 28 Absatz 2 Satz 1 Nummer 12 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg,
  4. Entscheidungen über die Übernahme neuer Aufgabenbereiche, für die keine gesetzliche Verpflichtung besteht, sowie die Übertragung von Aufgaben auf andere Verwaltungsträger gemäß § 28 Absatz 2 Satz 1 Nummer 14 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg,
  5. Entscheidungen über den Beschluss einer Haushaltssatzung und über das Haushaltssicherungskonzept gemäß § 28 Absatz 2 Satz 1 Nummer 15 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg,
  6. Entscheidungen über die Zustimmung zu über- und außerplanmäßigen Aufwendungen und Auszahlungen gemäß § 28 Absatz 2 Satz 1 Nummer 16 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg,
  7. Entscheidungen über Geschäfte über Vermögensgegenstände der Gemeinde, es sei denn, es handelt sich um ein Geschäft der laufenden Verwaltung oder der Wert des Vermögensgegenstandes unterschreitet einen in der Hauptsatzung bestimmten Betrag gemäß § 28 Absatz 2 Satz 1 Nummer 17 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg,
  8. Entscheidungen über den Abschluss von Vergleichen, soweit es sich nicht um Geschäfte der laufenden Verwaltung handelt gemäß § 28 Absatz 2 Satz 1 Nummer 18 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg,
  9. Entscheidungen über den Abschluss öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen im Sinne des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg nach § 28 Absatz 2 Satz 1 Nummer 24 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg,
  10. Entscheidungen über den Höchstbetrag der Kassenkredite gemäß § 28 Absatz 2 Satz 1 Nummer 25 in Verbindung mit § 76 Absatz 2 Satz 1 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg,
  11. weitere Entscheidungen nach § 28 Absatz 2 Satz 1 Nummer 25 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg, wobei die Rechtsvorschrift von der abgewichen wird, konkret zu benennen ist.

Darüber hinaus sind Übertragungen nach Absatz 2 Satz 1 zulässig, sofern dies zur Abwehr eines erheblichen Nachteils für die Gemeinde erforderlich ist oder ein besonders triftiger Grund besteht. Die Übertragungsabsicht ist der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde anzuzeigen.

(3) Übertragungsbeschlüsse im Sinne des Absatzes 2, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung gefasst wurden, sind rechtswirksam, sofern sie den Regelungen dieser Verordnung nicht widersprechen.

(4) Regelungen in der Hauptsatzung, durch die sich die Gemeindevertretung entsprechend § 28 Absatz 3 Satz 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg Entscheidungen vorbehalten hat, für die ansonsten der Hauptausschuss zuständig ist, können bis zum Außerkrafttreten dieser Verordnung durch Beschluss der Gemeindevertretung außer Kraft gesetzt werden, ohne dass es einer Änderung der Hauptsatzung bedarf.

§ 3
Haushaltsrechtliche Erleichterungen

(1) Die Wertgrenzen gemäß § 65 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg sowie die Erheblichkeitsgrenzen gemäß § 68 Absatz 2 Satz 2 und § 70 Absatz 1 Satz 4 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg können durch gesonderten Beschluss geändert werden. § 2 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.

(2) Überplanmäßige und außerplanmäßige Aufwendungen und Auszahlungen gemäß § 70 Absatz 1 Satz 1 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg sind zulässig, wenn sie unabweisbar sind, auch wenn eine Deckung nicht gewährleistet ist.

§ 4
Sitzungen und Beschlüsse

(1) Gemeindevertretung und Hauptausschuss können Sitzungen als Präsenzsitzungen, Videositzungen oder Audiositzungen durchführen. Audiositzungen sollen nur dann durchgeführt werden, wenn eine Videositzung technisch nicht umsetzbar ist. Sie können Beschlüsse über Beratungsgegenstände, welche in dem Verfahren nach den §§ 5 bis 7 behandelt wurden oder bei denen im Rahmen einer Sitzung auf eine Vorberatung verzichtet wurde, auch im schriftlichen Umlaufverfahren fassen. Im Rahmen der von der Gemeindevertretung beziehungsweise dem Hauptausschuss beschlossenen Abweichungen entscheidet der Vorsitzende, von welcher Form er im Einzelfall Gebrauch macht.

(2) Beschlüsse der Gemeindevertretung nach § 2 Absatz 2 und 4 treten mit dem Außerkrafttreten dieser Verordnung ebenfalls außer Kraft.

§ 5
Präsenzsitzung

(1) Präsenzsitzungen sind Sitzungen der Gemeindevertretung oder des Hauptausschusses, bei denen die Mitglieder am durch die Ladung bestimmten Ort zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung zusammentreten. Präsenzsitzungen können auch unter freiem Himmel abgehalten werden.

(2) Der Vorsitzende kann in Ausnahmefällen zulassen, dass einzelne Sitzungsteilnehmer auf begründeten Antrag hin per Video oder Audio an der Sitzung teilnehmen. Die §§ 6 und 7 sind entsprechend anzuwenden.

§ 6
Videositzung

Videositzungen sind Sitzungen der Gemeindevertretung oder des Hauptausschusses, bei denen die gemeinsame Beratung und Beschlussfassung unter Nutzung von Bild- und Tonübertragungen unabhängig vom Sitzungsort erfolgt. Videositzungen sind nur zulässig, wenn alle Sitzungsteilnehmer während der Sitzung ständig und gleichzeitig durch Bild- und Tonübertragung an der Beratung und Beschlussfassung teilnehmen können.

§ 7
Audiositzungen

Audiositzungen sind Sitzungen der Gemeindevertretung oder des Hauptausschusses, bei denen die gemeinsame Beratung und Beschlussfassung unter Nutzung von Tonübertragungen unabhängig vom Sitzungsort erfolgt. Audiositzungen sind nur zulässig, wenn alle Sitzungsteilnehmer während der Sitzung ständig und gleichzeitig durch Tonübertragungen an der Beratung und Beschlussfassung teilnehmen können. Der Vorsitzende hat in geeigneter Art und Weise das Stimmergebnis der Beschlüsse festzuhalten und zu den Akten zu nehmen.

§ 8
Schriftliches Umlaufverfahren

(1) Das schriftliche Umlaufverfahren ist ausschließlich für Entscheidungen im Zusammenhang mit der bestehenden Notlage zulässig.

(2) Für eine Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren ist jedem Mitglied eine Beschlussvorlage zur Verfügung zu stellen, welche alle zur Abstimmung erforderlichen Informationen und eine Frist enthält, bis zu der die Beschlussvorlage zurückzusenden ist. Die Stimmabgabe ist nur gültig, wenn das Mitglied sein Abstimmungsverhalten auf der Beschlussvorlage eindeutig kenntlich gemacht und dies mittels eigenhändiger Unterschrift bestätigt hat. Die Beschlussvorlage mit dem Abstimmungsverhalten muss innerhalb der nach Satz 1 festgelegten Frist beim Vorsitzenden eingegangen sein. § 39 Absatz 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg gilt entsprechend. Die Übersendung der Unterlagen nach den Sätzen 1 und 2 kann auch elektronisch oder per Telefax erfolgen.

§ 9
Grundsatz der Öffentlichkeit

(1) Bei Präsenzsitzungen nach § 5 ist Presse, Rundfunk und ähnlichen Medien der Zugang zum Sitzungsort zu gewährleisten. Zusätzlich hat für die allgemeine Öffentlichkeit mindestens eine Tonübertragung in öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten zu erfolgen.

(2) Bei Videositzungen nach § 6 sowie bei Audiositzungen nach § 7 ist mindestens zu gewährleisten, dass Presse, Rundfunk und ähnliche Medien und die interessierte Öffentlichkeit in öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten die Sitzung zeitgleich verfolgen können.

(3) § 36 Absatz 3 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg ist nicht anzuwenden.

(4) Beschlüsse, die im Umlaufverfahren gefasst wurden, sind in ortsüblicher Weise der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. § 39 Absatz 3 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg gilt entsprechend. Hierbei ist festzuhalten, wie jedes Mitglied der Gemeindevertretung oder des Hauptausschusses abgestimmt hat.

(5) § 36 Absatz 4 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg bleibt unberührt.

§ 10
Wahlen und Bürgerentscheide

Festgelegte kommunale Wahlen und nach gesetzlicher Vorschrift festzusetzende oder festgesetzte Bürgerentscheide werden bis zum 30. Juni 2020 nicht durchgeführt.

§ 11
Bestellung weiterer Stellvertreter für die Mitglieder des Hauptausschusses

(1) Abweichend von § 49 Absatz 2 Satz 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg können die Fraktionen für ihre Mitglieder im Hauptausschuss weitere Stellvertreterinnen oder Stellvertreter aus ihrer Mitte benennen. Eines bestätigenden Beschlusses der Gemeindevertretung bedarf es nicht.

(2) Die Bestellungen treten mit dem Außerkrafttreten dieser Verordnung ebenfalls außer Kraft.

§ 12
Information der Öffentlichkeit

Die Gemeinde hat sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit in zumutbarer Weise verlässlich Kenntnis über die in Anspruch genommenen Abweichungsmöglichkeiten nach dieser Verordnung erhält.

§ 13
Entsprechungsregelungen

(1) Die §§ 4 bis 9 und 12 gelten für andere kommunale Ausschüsse und Ortsbeiräte entsprechend.

(2) Die Vorschriften dieser Verordnung sind auf die Gemeinden, Städte, Verbandsgemeinden und Landkreise anwendbar. § 27 Absatz 1, § 131 Absatz 1 Satz 3 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg und § 15 des Verbandsgemeinde- und Mitverwaltungsgesetzes gelten entsprechend.

(3) Für Ämter und amtsangehörige Gemeinden, die keinen Hauptausschuss gebildet haben, finden die §§ 2 und 11 keine Anwendung.

(4) Für Zweckverbände nach dem Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg sind die §§ 4 bis 9 und 12 entsprechend anwendbar. § 2 findet entsprechende Anwendung auf Zweckverbände im Sinne von Satz 1, bei denen ein Verbandsausschuss oder Verbandsvorstand gebildet wurde, dem durch die Verbandssatzung Aufgaben zur Beschlussfassung übertragen sind. § 3 findet entsprechend Anwendung auf Zweckverbände im Sinne von Satz 1, für die in ihrer Verbandssatzung die Vorschriften der Gemeindewirtschaft gemäß Kommunalverfassung für das Land Brandenburg für anwendbar erklärt wurden. § 12 Absatz 1 Satz 3 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg gilt entsprechend.

§ 14
Verhältnis zu bestehendem Ortsrecht

Hauptsatzungs- oder Geschäftsordnungsregelungen, die im Widerspruch zu Entscheidungen aufgrund dieser Verordnung stehen, müssen nicht angepasst werden. Den §§ 4 bis 12 entgegenstehende ortsrechtliche Regelungen sind bis zum Außerkrafttreten der Verordnung nicht anwendbar.

§ 15
Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Sie tritt am 30. Juni 2021 außer Kraft.

Potsdam, den 17. April 2020

Der Minister des Innern und für Kommunales

Michael Stübgen