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Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Brandenburg (ÖPNV-Gesetz - ÖPNVG)

Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Land Brandenburg (ÖPNV-Gesetz - ÖPNVG)
vom 26. Oktober 1995
(GVBl.I/95, [Nr. 20], S.252)

zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 9. Februar 2024
(GVBl.I/24, [Nr. 6], S.14)

Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1 
Anwendungsbereiche und Begriffsbestimmungen

(1) Dieses Gesetz gilt für den öffentlichen Personennahverkehr auf Schienen, Straßen und Gewässern. Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt.

(2) Zum öffentlichen Personennahverkehr gehören

  1. der Schienenpersonennahverkehr nach § 2 Absatz 12 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, jedoch ohne Museums- und Touristikeisenbahnen;
  2. der übrige öffentliche Personennahverkehr nach § 8 Absatz 1 und 2 des Personenbeförderungsgesetzes.

(3) Zum öffentlichen Personennahverkehr auf Gewässern gehören auch Fähren, soweit sie die Anforderungen gemäß Absatz 1 erfüllen.

(4) Öffentlicher Personennahverkehr ist auch der Verkehr mit Taxen oder Mietwagen, sofern dieser eine der in Absatz 1 genannten Verkehrsarten ersetzt, ergänzt oder verdichtet.

(5) Das für Verkehr zuständige Ministerium entscheidet in Zweifelsfällen auf Antrag, ob ein Verkehr zum öffentlichen Personennahverkehr gehört.

(6) Begriffsbestimmungen:

  1. Ein Integraler Taktfahrplan (ITF) im Sinne dieses Gesetzes besteht aus einem Liniennetz, dessen vertaktete Linien in sogenannten ITF-Knoten durch Anschlussbindungen miteinander verknüpft sind. Die Taktzeiten sind dabei derart aufeinander abgestimmt, dass während des Haltes in einem ITF-Knoten zwischen allen Linien gleichzeitig umgestiegen werden kann. Der Nutzen für die Kunden besteht vor allem in einem leicht einprägsamen Angebot mit regelmäßigen und leicht merkbaren Abfahrts- und Ankunftszeiten sowie einer Maximierung der möglichen Fahrrelationen.
  2. Angebotsorientierte Planung im Sinne dieses Gesetzes ist eine an den Zielen dieses Gesetzes ausgerichtete Planung.

§ 2 
Ziele und Grundsätze des öffentlichen Personennahverkehrs

(1) Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr gemäß § 1 Absatz 1 des Regionalisierungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2395), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. April 2023 (BGBl. I Nr. 107) geändert worden ist, ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Das Land Brandenburg setzt sich darüber hinaus das Ziel einer angemessenen Verkehrsbedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr unter Berücksichtigung der Mindestbedienstandards gemäß § 5.

(2) Der öffentliche Personennahverkehr soll der Verbesserung der Mobilität der Bevölkerung, der Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen, dem Umwelt- und Klimaschutz sowie der Verkehrssicherheit dienen. Er soll unter Berücksichtigung der Zielvorgaben in § 5 so gestaltet werden, dass er eine attraktive Alternative zum motorisierten Individualverkehr darstellt und damit zu den in § 5 des Mobilitätsgesetzes des Landes Brandenburg vom 9. Februar 2024 (GVBl. I Nr. 6) genannten Verlagerungszielen beiträgt. Dazu soll der öffentliche Personennahverkehr nach Möglichkeit angebotsorientiert unter Berücksichtigung der Zielvorgaben in § 5 gestaltet werden.

(3) Bei der Aufstellung von Landes- und Regionalentwicklungsplänen sowie bei der Bauleitplanung ist darauf hinzuwirken, dass im Rahmen einer integrierten Siedlungsentwicklung eine verkehrsgerechte Zuordnung von Wohnbereichen zu Arbeits- und Ausbildungsstätten, wie insbesondere Schulen sowie eine angemessene Anbindung dieser Bereiche an öffentliche und private, gewerbliche, soziale und kulturelle Einrichtungen und an Erholungsbereiche mit Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs auf möglichst kurzen Wegen erfolgt.

(4) Dem öffentlichen Personennahverkehr soll vor allem in Verdichtungsräumen bei Ausbau und Finanzierung Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt werden.

(5) Der öffentliche Personennahverkehr ist unter Einbeziehung aller Verkehrsträger als ganzheitliches System zu planen und durchzuführen. Hierzu wird zwischen den Aufgabenträgern ein integraler Taktfahrplan angestrebt. Parallele Streckenführungen sollen vermieden werden. Sonderlinienverkehre im Sinne von § 43 des Personenbeförderungsgesetzes sind, soweit möglich und wirtschaftlich sinnvoll, in den öffentlichen Linienverkehr nach § 42 des Personenbeförderungsgesetzes zu integrieren.

(6) Das Land wirkt nach Maßgabe des Haushaltsgesetzes und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel als Arbeitgeber zur Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs darauf hin, dass für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung ein Jobticket angeboten wird.

(7) An geeigneten Haltepunkten sollen Parkplätze (Park- and Ride-Anlagen) und Abstellanlagen für Fahrräder geschaffen werden. Ein frühzeitiger Übergang auf den öffentlichen Personennahverkehr soll durch Verkehrsleit- und Informationssysteme sowie andere geeignete Maßnahmen unterstützt werden. 

(8) Das Leistungsangebot des öffentlichen Personennahverkehrs ist grundsätzlich nachfrageorientiert zu gestalten. In verkehrlich hoch belasteten Gebieten kann auch ein über die Nachfrage hinausgehendes Leistungsangebot vorgesehen werden. In ländlichen Räumen soll eine angemessene Bedienung mit Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs gewährleistet werden.

(9) Der öffentliche Personennahverkehr soll als einheitliches sowie barriere- und diskriminierungsfreies System verfügbar sein. Hierzu soll ein einheitlicher Tarif (Verbundtarif) angewendet und die Information durchgängig und möglichst lückenlos gestaltet werden. Das Tarifsystem innerhalb des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg soll so gestaltet sein, dass Tarife einfach und sozial sind. Produkte und Angebotsstandards sollen auf einheitlicher Basis in einem gemeinsamen Verbundraum im Land Brandenburg zusammen mit dem Land Berlin weiterentwickelt werden. Die Verkehrsbedienung durch die einzelnen Verkehrsträger soll im Rahmen von gegenseitig abgestimmten Fahrplänen, mit gesicherten Übergängen und kurzen Anschlusszeiten an verkehrlichen Knotenpunkten erfolgen.

(10) In Gebieten und Zeiten geringer Nachfrage können im Rahmen der Mindestbedienstandards nach § 5 auch flexible Bedienformen des öffentlichen Personenverkehrs, beispielsweise Linientaxen, Rufbusse, Anrufbusse oder Bürgerbusse, genutzt werden.

(11) Bei der Planung und Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur, der Fahrzeuge sowie des Leistungsangebotes des öffentlichen Personennahverkehrs sollen die spezifischen Bedürfnisse von in ihrer Mobilität eingeschränkten Menschen berücksichtigt werden. Eine Einschränkung der Mobilität liegt vor, wenn für den Zugang oder die allgemein übliche Nutzung des Systems des öffentlichen Personennahverkehrs Unterstützungs- und Anpassungsleistungen erforderlich sind.

(12) Zur Wahrung der verkehrlichen Verflechtungen, die sich über die Gebietsgrenzen eines Aufgabenträgers hinaus erstrecken, soll das Nahverkehrsangebot möglichst lückenlos und einheitlich gestaltet werden. Innerhalb des Landes Brandenburg wirkt das Land darauf hin, dass die kommunalen Aufgabenträger dies für ihre gemeinsamen Grenzen und die Grenzen zu benachbarten Regionen ebenfalls umsetzen.

(13) Innovative Mobilitätskonzepte und Verkehrsangebote des öffentlichen Personennahverkehrs sollen vorbehaltlich der Ressourcenverfügbarkeit mit Blick auf die verbesserte Erfüllung der Ziele dieses Gesetzes erprobt werden. Sie sind zu nutzen, um auf neue Rahmenbedingungen und strukturelle Umbrüche, insbesondere im Kontext der zunehmenden Digitalisierung und des Aufkommens neuer, intelligenter Technologien, entsprechend reagieren zu können.

§ 3 
Aufgabenträgerschaft

(1) Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung im Schienenpersonennahverkehr sowie der landesbedeutsamen Verkehrslinien anderer Verkehrsträger des öffentlichen Personennahverkehrs ist Aufgabe des Landes.

(2) Auf Antrag eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt kann das für Verkehr zuständige Ministerium die Sicherstellung des Schienenpersonennahverkehrs im Sinne von Absatz 1 als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung auf den Antragsteller übertragen, soweit abgrenzbare Strecken ohne landesweite Bedeutung im Gebiet einzelner Landkreise oder kreisfreien Städte betroffen sind. Der Antrag kann auch von mehreren Landkreisen und kreisfreien Städten gemeinsam gestellt werden. Das für Verkehr zuständige Ministerium schließt mit den betroffenen Landkreisen und kreisfreien Städten eine Vereinbarung über die Einzelheiten der Übertragung ab.

(3) Die Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung im übrigen öffentlichen Personennahverkehr einschließlich des Ausbildungsverkehrs ist freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe der Landkreise und kreisfreien Städte (kommunaler öffentlicher Personennahverkehr). § 112 des Brandenburgischen Schulgesetzes bleibt davon unberührt. Sie können zur Erfüllung dieser Aufgabe Zweckverbände bilden.

(4) Auf Antrag einer kreisangehörigen Gemeinde kann der Landkreis als zuständiger Aufgabenträger gemäß Absatz 3 die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung im kommunalen öffentlichen Personennahverkehr für Verkehre innerhalb des Gebietes der antragstellenden Gemeinde sowie die Beteiligung an Gesellschaften mit überregionalem Einzugsgebiet auf die Antragstellerin übertragen. Einzelheiten der Übertragung, insbesondere die Fragen der Finanzierung, sind gesondert zu vereinbaren. Die Regelungen der §§ 8 bis 10 bleiben unberührt.

(5) Die Aufgabenträger gemäß den Absätzen 1 bis 3 sind zuständige Behörde für den öffentlichen Personennahverkehr im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1). Die zuständige Behörde ist insbesondere befugt, nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ausschließliche Rechte und Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Rahmen öffentlicher Dienstleistungsaufträge zu vergeben.

(6) Für die Durchführung der Verkehrsleistungen des öffentlichen Personennahverkehrs bedienen sich die Aufgabenträger öffentlicher und privater Verkehrsunternehmen. Absatz 1 wird davon nicht berührt.

§ 4 
Landesweites Netz im öffentlichen Personenverkehr

(1) Die attraktive Weiterentwicklung des Angebots im öffentlichen Personenverkehr ist einer der maßgeblichen Bausteine zur Gestaltung der Verkehrswende.

(2) Das Land strebt an, gemeinsam mit den kommunalen Aufgabenträgern ein landesweites Netz mit dem Ziel einer weitgehenden Anbindung der Bevölkerung mit einem vertakteten und miteinander verknüpften Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs zu entwickeln. Damit soll eine vollständige räumliche Erschließung des Landes durch den öffentlichen Personennahverkehr erreicht werden.

(3) Das landesweite Netz soll benachbarte Zentrale Orte nach dem Landesentwicklungsplan und den Festlegungen der Regionalpläne miteinander verknüpfen und große Arbeitsplatzstandorte, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen von regionaler Bedeutung, Zentren des Einzelhandels sowie wichtige Standorte des Tourismus und Freizeitverkehrs mit dem öffentlichen Personennahverkehr erreichbar machen. § 2 Absatz 8 ist hierbei zu berücksichtigen.

(4) Der Schienenverkehr bildet im landesweiten Netz das leistungsfähige Grundnetz des öffentlichen Verkehrs zur Erschließung der Fläche und wird dazu weiter ausgebaut und gestärkt. Die Planung des Schienenpersonennahverkehrs erfolgt angebotsorientiert. Der straßengebundene öffentliche Verkehr ergänzt nach Möglichkeit das Bahnangebot in der Fläche mit vertakteten, regional und überregional bedeutsamen Linien, wobei eine Sicherung des Anschlusses an den Schienenpersonennahverkehr erfolgen soll. Weitere Angebote des straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehrs können das landesweite Netz ergänzen. Bei der Angebotsplanung sollen Synergien mit dem Schienenpersonenfernverkehr im Sinne eines attraktiven Gesamtangebots geprüft werden.

(5) Hierbei soll der landesweite Grundtakt im Schienenpersonennahverkehr täglich mindestens stündlich erfolgen. Sofern erforderlich und unter der Voraussetzung der Ressourcenverfügbarkeit soll die Infrastruktur unter Berücksichtigung des Prinzips der Wirtschaftlichkeit entsprechend ertüchtigt werden. Auf stärker nachgefragten Strecken soll der Takt, unter Berücksichtigung der infrastrukturellen Voraussetzungen, weiter verdichtet werden. Das Verkehrsangebot auf dem Eisenbahnnetz kann durch landesbedeutsame Verkehrslinien anderer Verkehrsträger des öffentlichen Personennahverkehrs ergänzt werden.

(6) Zur Erhöhung von Kapazitäten bestehender Eisenbahnstrecken wirkt das Land bei den Eisenbahninfrastrukturunternehmen und dem Bund darauf hin, dass gezielt Infrastrukturmaßnahmen umgesetzt werden, zum Beispiel zusätzliche Weichenverbindungen, die Errichtung oder Verlängerung von Überholgleisen und Bahnsteigen oder die Ausstattung mit neuen Signalsystemen.

(7) Das Land wirkt im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten darauf hin, die Stilllegung und Freistellung von Eisenbahninfrastruktur zu vermeiden, und unterstützt unter Beachtung des Prinzips der Wirtschaftlichkeit und im Rahmen der Ressourcenverfügbarkeit die Reaktivierung von Schienenstrecken und Haltepunkten sowie den Wiederauf- und Neubau von Eisenbahnstrecken.

§ 5 
Mindestbedienstandards

(1) Das Land strebt zur Sicherung eines attraktiven Mobilitätsangebotes in Abstimmung mit den kommunalen Aufgabenträgern die Entwicklung einheitlicher Bedienstandards an, die ein verlässliches Angebot zu bestimmten Zeiten, in festgelegten Takten und mit definierten Produkten sicherstellen sollen. Ziel ist eine für die Nutzerinnen und Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs verlässliche und durchgehende Reisekette.

(2) Hinsichtlich der Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Personennahverkehr werden nachfolgende Ziele verfolgt:

  1. Von jeder Gemeinde in Brandenburg ist das Zentrum der nächstgelegenen Metropole in maximal 120 Minuten zu erreichen, aus jedem Mittelzentrum in maximal 90 Minuten und aus jedem Oberzentrum in maximal 60 Minuten; eine Metropole in diesem Sinne ist in erster Linie Berlin, kann aber bei regionaler Bedeutung auch Hamburg, Dresden, Leipzig, Wrocław, Magdeburg, Rostock oder Szczecin sein.
  2. Das jeweils nächstgelegene Mittelzentrum soll von jeder Gemeinde innerhalb von 45 Minuten und das jeweils nächstgelegene Oberzentrum innerhalb von 60 Minuten nach Möglichkeit durch maximal einen Umstieg der öffentlichen Nahverkehrsmittel unter Wahrung der Anschlusssicherheit erreicht werden können.

§ 6
Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg

(1) Das Land Brandenburg hat zusammen mit dem Land Berlin und den Landkreisen und kreisfreien Städten des Landes Brandenburg zur Einführung und Sicherung verkehrsmittelübergreifend einheitlicher Tarife im öffentlichen Personennahverkehr und eines integrierten Verkehrsangebots einen Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg gebildet, der im Rahmen seiner Aufgabenstellung nach den verbundvertraglichen Vereinbarungen bei der Planung, Organisation, Ausgestaltung und Finanzierung der Versorgung mit Nahverkehrsleistungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen mitwirkt. Das Land Brandenburg beauftragt die Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH in der Regel mit der Vergabe der Leistungen im Schienenpersonennahverkehr und im übrigen öffentlichen Personennahverkehr für landesbedeutsame Linien anderer Verkehrsträger sowie mit der Abwicklung der entsprechenden Verkehrsverträge.

(2) Im Interesse eines attraktiven und einheitlich gestalteten öffentlichen Personennahverkehrs gemäß § 2 Absatz 9 sollen die Aufgabenträger dafür Sorge tragen, dass die Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH einheitliche Beförderungstarife, Tarifbestimmungen und Beförderungsbedingungen konzipiert und gemeinsam mit den Verkehrsunternehmen durchgängige und lückenlose Fahrgastinformationen, Marketingmaßnahmen und Standards für einheitliche Abfertigungs- und Zahlungssysteme entwickelt. Sie sollen ferner dafür Sorge tragen, dass die Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH eine einheitliche Basis für Produkte und Angebotsstandards entwickelt, indem er entsprechend der Abstimmung mit den Aufgabenträgern Bedienkonzepte für das aufgabenträgerübergreifende Nahverkehrsangebot im Verbundgebiet einschließlich eines integralen Taktfahrplans erarbeitet und Qualitätsstandards sowie technische Angebotsstandards formuliert. Dabei sollen die im Verbundgebiet tätigen Verkehrsunternehmen einbezogen werden. Die Aufgabenträger sollen dafür Sorge tragen, dass die Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH die Einnahmen aus Fahrausweisverkäufen zwischen den im Verbund tätigen Verkehrsunternehmen aufteilt. Das Tarifsystem des öffentlichen Personennahverkehrs soll die Nutzung von verschiedenen Verkehrsmitteln für eine Wegstrecke ermöglichen.

(3) Die Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH soll im Rahmen ihrer Aufgabenstellung nach den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen für das Land bei der Aufstellung und Fortschreibung des Nahverkehrsplans gemäß § 8 tätig werden und die Abstimmung mit den Nahverkehrsplänen der benachbarten Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs sowie des kommunalen öffentlichen Personennahverkehrs gemäß § 9 vorbereiten.

§ 7
Nahverkehrsbeiräte

(1) Bei den Aufgabenträgern gemäß § 3 können Nahverkehrsbeiräte gebildet werden. Sie beraten die Aufgabenträger bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben. Die Nahverkehrsbeiräte können die Organisation der Beteiligung und Anhörung bei der Aufstellung der Nahverkehrspläne gemäß § 9 unterstützen.

(2) Die Aufgabenträger können die Bildung und Arbeitsweise der Nahverkehrsbeiräte sowie die Mitgliedschaft regeln. Bei der Zusammensetzung der Nahverkehrsbeiräte sollen möglichst die Interessenvertreter aller am öffentlichen Personennahverkehr Beteiligten berücksichtigt werden.

§ 8
Landesnahverkehrsplan

(1) Das für Verkehr zuständige Mitglied der Landesregierung stellt im Benehmen mit dem für Infrastruktur zuständigen Ausschuss des Landtages einen Landesnahverkehrsplan für den Schienenpersonennahverkehr und landesbedeutsame Verkehrslinien anderer Verkehrsträger des öffentlichen Personennahverkehrs auf. Der Landesnahverkehrsplan ist in Abstimmung mit den Aufgabenträgern des kommunalen öffentlichen Personennahverkehrs sowie unter Beteiligung der Öffentlichkeit vorzubereiten. Bei seiner Aufstellung sollen die Beauftragten der Landesregierung für Gleichstellung und für die Belange der Menschen mit Behinderung angehört werden.

(2) Der Landesnahverkehrsplan bildet die Grundlage für die Entwicklung des Schienenpersonennahverkehrs und der landesbedeutsamen Verkehrslinien anderer Verkehrsträger des öffentlichen Personennahverkehrs unter Berücksichtigung der Ziele nach § 5. Er stellt den Rahmen für eine landesweit koordinierte Verkehrsentwicklung des gesamten öffentlichen Personennahverkehrs dar.

(3) Bei der Aufstellung des Landesnahverkehrsplanes sollen besonders berücksichtigt werden:

  1. die Erfordernisse der Raumordnung und der Bauleitplanung,
  2. die Ziele nach den §§ 1, 5 und 6 des Mobilitätsgesetzes des Landes Brandenburg zur Erreichung einer Mobilitätswende mithilfe einer zeitlichen Zielprognose als Grundlage für alle Maßnahmenansätze,
  3. die Ziele und Grundsätze nach den §§ 2, 4 und 5,
  4. die Anforderungen an ein durchgehendes öffentliches Verkehrsangebot über die Landesgrenzen hinaus zu benachbarten Regionen und eine sachgerechte Abstimmung dazu mit benachbarten Aufgabenträgern sowie
  5. die Belange behinderter und anderer Menschen in Hinblick auf die Erreichung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit bei der Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs nach § 2.

(4) Der Landesnahverkehrsplan soll mindestens Angaben enthalten über:

  1. den Bestand und die Vorstellungen des Aufgabenträgers zur zukünftigen Entwicklung der Netz- und Linienentwicklung,
  2. die Konzeption eines landesweiten Netzes nach § 4,
  3. den Bestand und die zu erwartende Entwicklung des Fahrgastaufkommens,
  4. die Rahmenvorstellungen des Aufgabenträgers hinsichtlich zukünftiger Anforderungen an die Gestaltung des Verkehrsangebots, insbesondere über
    1. die angestrebten Angebotsveränderungen in betrieblicher und tariflicher Hinsicht,
    2. die öffentliche Sicherheit der Fahrgäste,
    3. die Qualität von Fahrzeugen und baulichen Anlagen,
  5. den Investitionsbedarf und die Entwicklung der Betriebskosten,
  6. das Finanzierungskonzept,
  7. die Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie
  8. Strategien zum Erhalt, zur Reaktivierung und zum Wiederauf- oder Neubau von Schienenstrecken auch unter Beachtung von Ansprüchen anderer Verkehrsangebote wie dem Schienenpersonenfernverkehr und dem Schienengüterverkehr.

(5) Der Landesnahverkehrsplan muss Angaben enthalten über erforderliche Maßnahmen und zeitliche Vorgaben zur Erreichung des Zieles, für behinderte und andere Menschen eine möglichst weit reichende Barrierefreiheit für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs herzustellen, und soweit erforderlich zur Umsetzung des Zieles einer vollständig barrierefreien Nutzung des Systems des öffentlichen Personennahverkehrs gemäß § 8 Absatz 3 des Personenbeförderungsgesetzes.

(6) Der Landesnahverkehrsplan hat Angaben zu enthalten, wie auf eine optimale Verknüpfung des öffentlichen Personennahverkehrs mit anderen Verkehrsmitteln des Umweltverbunds sowie mit Sharing-Angeboten hingewirkt wird.

(7) Der Landesnahverkehrsplan hat Angaben über die Ergebnisse der Abstimmungen des mit den für den schienengebundenen Fernverkehr zuständigen Stellen über dessen Erschließungsfunktionen im Land Brandenburg sowie mit benachbarten Bundesländern und der Republik Polen über die lückenlose, bedarfsgerechte Bereitstellung grenzüberschreitender Verkehrsverbindungen zu enthalten.

(8) Der Landesnahverkehrsplan soll in Abständen von fünf Jahren aktualisiert werden.

§ 9
Kommunale Nahverkehrspläne

Die gemäß § 3 Abs. 3 zuständigen Aufgabenträger können kommunale Nahverkehrspläne als zentrales Planungsinstrument aufstellen, die die Anforderungen des Personenbeförderungsgesetzes und sinngemäß die Erfordernisse, Ziele und Grundsätze gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 1 und 2 sowie der Luftreinhalte- und Lärmminderungsplanung berücksichtigen und möglichst die Angaben gemäß § 7 Absatz 4 Nummer 1 bis 6 enthalten. Zur Wahrung einer Kooperation mit Verkehrsräumen außerhalb des Landes können die Aufgabenträger des kommunalen öffentlichen Personennahverkehrs von § 2 Absatz 5 abweichen.

§ 10
Finanzierungsgrundsätze

(1) Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr sind nach Möglichkeit durch Fahrgelderträge zu decken.

(2) Die Finanzverantwortung für den öffentlichen Personennahverkehr obliegt dem jeweiligen Aufgabenträger. Bei verkehrlichen Verflechtungen, die sich über die Gebietsgrenzen des jeweiligen Aufgabenträgers hinaus erstrecken, haben sich die betroffenen Aufgabenträger abzustimmen. Bei verkehrlichen Verflechtungen, die sich über die Landesgrenzen hinaus erstrecken, soll eine Abstimmung mit den Aufgabenträgern der benachbarten Länder erfolgen.

(3) Kostendeckungsfehlbeträge des öffentlichen Personennahverkehrs tragen die Aufgabenträger, soweit sie diese im Sinne einer Abdeckung gemeinwirtschaftlicher Lasten veranlaßt haben und sie in ihrem Gebiet entstehen. Veranlaßt ein Aufgabenträger im gegenseitigen Einvernehmen Leistungen im Gebiet eines anderen Aufgabenträgers, so hat jeder Aufgabenträger von dem entstehenden Kostendeckungsfehlbetrag den sein Gebiet betreffenden Anteil zu tragen, sofern nicht einvernehmlich andere Vereinbarungen getroffen worden sind.

§ 11
Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs

(1) Zur Finanzierung von Verkehrsleistungen, gesetzlichen Ausgleichsleistungen sowie zur Förderung von Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr stellt das Land Mittel nach § 5 des Regionalisierungsgesetzes sowie nach Maßgabe des Haushaltsplanes zur Verfügung.

(2) Die kommunalen Aufgabenträger erhalten vom Land für das Jahr 2023 einen Betrag von
92 103 700 Euro, für das Jahr 2024 einen Betrag von 93 179 200 Euro, für das Jahr 2025 einen Betrag von 94 271 000 Euro und für das Jahr 2026 einen Betrag von 95 379 000 Euro. Die Mittel nach Satz 1 werden als zweckgebundene Zuweisung zur Unterstützung bei der Wahrnehmung der Aufgaben- und Ausgabenverantwortung nach § 3 gewährt. Bei Veränderungen der Finanzierungsvoraussetzungen nach Absatz 1 werden diese Beträge überprüft und gegebenenfalls angepasst.

(3) Die kommunalen Aufgabenträger erhalten vom Land zusätzlich zu dem Betrag nach Absatz 2 Satz 1 für das Jahr 2023 einen Betrag von 11 250 000 Euro und für das Jahr 2024 einen Betrag von 21 250 000 Euro. Diese Mittel sind für zusätzliche Investitionen in die kommunale Infrastruktur zur Umsetzung der Verkehrswende, für den Ausbau von Barrierefreiheit, zur Entlastung der Umwelt und zur Absenkung des Anteils fossiler Energiequellen im Verkehr zu verwenden.

(4) Die Zuweisungen nach den Absätzen 2 und 3 Satz 1 werden den Aufgabenträgern unter Berücksichtigung von Strukturmerkmalen, der Höhe der eigenen finanziellen Aufwendungen, des Umfangs des Verkehrsangebots und bestimmter Erfolgskomponenten (öffentliche Personennahverkehrsnachfrage) gewährt, soweit eine hinreichende verkehrliche Kooperation gewährleistet ist. Als Strukturmerkmal kann dabei auch die Bedienung der jeweiligen Aufgabenträgergebiete durch Leistungen des Schienenpersonennahverkehrs und landesbedeutsame Verkehrslinien anderer Verkehrsträger in Aufgabenträgerschaft des Landes und deren Veränderungen gelten. Das für Verkehr zuständige Mitglied der Landesregierung wird zur näheren Bestimmung der Aufteilung der Zuweisung auf die einzelnen Aufgabenträger ermächtigt, durch Rechtsverordnung

  1. die Kriterien und die Berechnungsgrundlagen,
  2. die Anforderungen an die verkehrliche Kooperation der Aufgabenträger sowie von Grundsätzen der Fahrpreisgestaltung für den Erhalt der Zuweisung,
  3. Umfang und Nachweis der Investitionstätigkeit,
  4. die Voraussetzungen, das Verfahren und die Zuständigkeiten für die Auszahlung der Zuweisung,
  5. das Verfahren über einen zweckentsprechenden Einsatz der Mittel nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3

zu regeln.

(5) Ergänzend zu den Zuweisungen nach den Absätzen 2 und 3 Satz 1 können die kommunalen Aufgabenträger finanzielle Mittel zur Umsetzung verkehrspolitisch bedeutender Verkehrsangebote nach Maßgabe des Haushalts erhalten.

(6) Ergänzend zu den Zuweisungen nach den Absätzen 2 und 3 Satz 1 können kommunale Aufgabenträger, Gemeinden oder Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs Fördermittel für Investitionsvorhaben von besonderer Landesbedeutung erhalten. Sie werden auf Antrag im Rahmen mittelfristiger Investitionsstrategien nach Maßgabe des Haushalts als Anteilsförderung gewährt. Das Land fördert in diesem Zusammenhang insbesondere Infrastruktur und Fahrzeuge, die dem Ziel eines Betriebs mit nicht fossilen Antriebsenergien im Sinne des Ziels nach § 1 des Mobilitätsgesetzes des Landes Brandenburg entspricht.

§ 12
Ersetzung von Bundesrecht

§ 45a des Personenbeförderungsgesetzes wird durch § 11 Abs. 2 und 4 dieses Gesetzes ersetzt.

§ 13
Verwaltungsvorschrift

Das für Verkehr zuständige Mitglied der Landesregierung erlässt die zur Durchführung dieses Gesetzes notwendigen Verwaltungsvorschriften und Richtlinien im Benehmen mit dem für Inneres zuständigen Mitglied der Landesregierung und dem für Finanzen zuständigen Mitglied der Landesregierung.