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Allgemeine Weisung in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten Nummer 2014.15
Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache und gewährleistete sprachliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse (AW-StAG Nr. 2014.15)
Allgemeine Weisung in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten Nummer 2014.15
Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache und gewährleistete sprachliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse (AW-StAG Nr. 2014.15)
vom 18. Dezember 2014
geändert durch Allgemeine Weisung vom 29. Januar 2021
Ministerium des Innern und für Kommunales des Landes Brandenburg
Allgemeine Weisung in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten Nummer 2014.15
an die Staatsangehörigkeitsbehörden
der Landkreise und kreisfreien Städte im Land Brandenburg
Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache und gewährleistete sprachliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse
Vom 29. Januar 2021
Gz.: 21-813-47
Um sicherzustellen, dass im Einbürgerungsverfahren gleiche Einbürgerungsbedingungen gewahrt bleiben, weise ich als einheitliche Standards für die Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache und des Gewährleistetseins einer auch sprachlichen Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse Folgendes allgemein an:
1 1Ein Sprachprüfungszeugnis ist nicht beizubringen von Personen,
1.1 die Deutsch als diejenige Sprache sprechen, die sie von Geburt an erlernt und mit der sie insbesondere auch bei den für sie Personensorgeberechtigten als von diesen mit ihnen zu Hause ständig gesprochene Sprache sowie in Kindergarten und Schule aufgewachsen sind, es sei denn, dass tatsächliche Anhaltspunkte Zweifel daran rechtfertigen, dass sie über den in § 10 Absatz 4 StAG genannten Anforderungen genügende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen1.
1.2 die offensichtlich und unzweifelhaft, beispielsweise als Dolmetscherin oder Dolmetscher, Übersetzerin oder Übersetzer oder als Lehrerin oder Lehrer für deutsche Sprache oder Literatur über mindestens den Anforderungen des § 10 Absatz 4 StAG genügende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen. 2Voraussetzung ist, dass es sich unter Beachtung auch des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots ausnahmsweise offensichtlich als eine der antragstellenden Person unzumutbare bloße bürokratische Förmelei darstellen würde, wenn auf die Beibringung eines Sprachprüfungszeugnisses bestanden würde.
1.3 die vier Schuljahre lang eine allgemeinbildende deutschsprachige Schule besucht haben und am Ende eines jeden Schuljahrs in die jeweils nächst höhere Klasse versetzt wurden2.
1.4 die unabhängig von der Dauer ihres Besuchs einer allgemeinbildenden deutschsprachigen Schule (mindestens) einen Hauptschulabschluss oder einen diesem Schulabschluss mindestens gleichwertigen deutschen Schulabschluss erworben haben3.
1.5 die, auch ohne einen solchen Schulabschluss erworben zu haben, mindestens in der neunten Klasse eine allgemeinbildende deutschsprachige Schule besucht haben und in die zehnte Klasse einer weiterführenden deutschsprachigen Schule (Realschule, Gesamtschule [Oberschule] oder Gymnasium) versetzt wurden4.
1.6 die eine deutsche Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen haben5.
1.7 die gemäß § 9 Absatz 1 Satz 2 oder Satz 3 des Brandenburgischen Hochschulgesetzes (BbgHG) oder entsprechender Regelungen anderer Bundesländer zu einem Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule6 berechtigt oder nicht nur vorläufig zugelassen sind oder waren, es sei denn, dass ein rein fremdsprachlicher Studiengang gewählt wurde.
1.8 die gemäß § 9 Absatz 1 Satz 4 BbgHG oder entsprechender Regelungen anderer Bundesländer vorläufig zum Studium zugelassen sind oder waren, es sei denn, dass ein rein fremdsprachlicher Studiengang gewählt wurde.
1.9 die in einem nicht rein fremdsprachlichen Studiengang ein Studium an einer deutschsprachigen Hochschule im Ausland erfolgreich abgeschlossen haben.
1.10 denen von einer deutschen Approbations- oder Berufserlaubnisbehörde eine Approbation oder eine vorläufige Berufserlaubnis in einem akademischen Heilberuf7 erteilt ist.
2 1Außer in den Fällen der Nummer 1 muss gemäß § 37 Absatz 1 Satz 2 StAG iVm § 82 Absatz 1 AufenthG der Nachweis der die eigene Sphäre der Antragstellenden unmittelbar berührenden Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StAG, sofern von ihr nicht abgesehen wird (§ 10 Absatz 6 StAG), zur Beachtung auch des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots durch ein dazu geeignetes Sprachprüfungszeugnis nach Nummer 10.1.1.6 Absatz 2 Buchstabe b VAH-StAG geführt sein (Nummer 2.1). 2Die Staatsangehörigkeitsbehörde beurteilt dem in § 15 Absatz 5 IntV bestimmten Standard des materiellen Bundesrechts entsprechend nicht selbständig, ob Kenntnisse der deutschen Sprache den in § 10 Absatz 4 StAG bestimmten Anforderungen genügen8; Nummer 1.2 bleibt unberührt.
2.1 Ein Nummer 10.1.1.6 Absatz 2 Buchstabe b VAH-StAG entsprechendes Sprachprüfungszeugnis über das in § 10 Absatz 4 Satz 1 StAG genannte Sprachniveau (B1 GER) ist beigebracht mit dem
2.1.1 Zertifikat Integrationskurs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge9.
2.1.2 Deutsch-Test für Zuwanderer – Stufe B1 (DTZ B1) als insbesondere10 abschließende Sprachprüfung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in den Integrationskursen11.
2.1.3 Deutschen Sprachdiplom - Erste Stufe (DSD – Erste Stufe) der Kultusministerkonferenz.
2.1.4 Goethe-Zertifikat B 1 des Goethe Instituts12.
2.1.5 Zertifikat Deutsch B 1 der telc GmbH Frankfurt a. M.13
2.1.6 dem von der AG Sprachtest der Berliner Volkshochschulen unter Beteiligung der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, der Senatsverwaltung für Inneres und Sport sowie des Beauftragten für Integration und Migration in Berlin entwickelten Berliner Sprachtest für die Einbürgerung, sofern er nach dem 1. November 2007 bestanden wurde.
2.2 1Ein Nummer 10.1.1.6 Absatz 2 Buchstabe b VAH-StAG entsprechendes Sprachdiplom, das die in § 10 Absatz 4 Satz 1 StAG genannten Anforderungen übersteigende Kenntnisse der deutschen Sprache nachweist, sind jeweils die höheren Niveaustufen der in Nummern 2.1.3 bis 2.1.5 genannten Sprachprüfungszeugnisse sowie
2.2.1 die im Auftrag des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) entwickelten Sprachtests Test Deutsch als Fremdsprache (TestDaF) des TestDaF-Instituts, Bochum, auf den (nur angebotenen) Niveaustufen TDN 3 bis 5,
2.2.2 die Zertifikate Zentrale Oberstufenprüfung (ZOP), Kleines Deutsches Sprachdiplom (KDS) und Großes Deutsches Sprachdiplom (GDS) des Goethe Instituts,
2.2.3 die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang ausländischer Studienbewerber (DSH) der deutschen Hochschulen auf allen drei Niveaustufen (DHS-1, DHS-2 und DHS-3),
2.2.4 besondere berufsqualifizierende Sprachprüfungen wie die Zertifikate Deutsch für den Beruf (ZDfB) und Prüfung Wirtschaftsdeutsch International (PWD) des Goethe Instituts und
2.2.5 die Prüfung zur Feststellung der Eignung ausländischer Studienbewerber für die Aufnahme eines Studiums an Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland der Studienkollegs an deutschen Hochschulen14.
2.3 1Mit in Nummern 2.1.1 und 2.1.2 genannten Sprachprüfungszeugnissen können zur Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StAG den in § 10 Absatz 4 StAG genannten Anforderungen genügende – das heißt, im Sinne des Gesetzes ausreichende – Kenntnisse der deutschen Sprache nur nachgewiesen sein, wenn im Deutsch-Test für Zuwanderer – Stufe B1 (DTZ B1) sowohl im mündlichen als auch in allen drei Fertigungsbereichen ("Hören", "Lesen", "Schreiben") des schriftlichen Teils der Prüfung, insbesondere auch im aktiven Teil ("Schreiben") des schriftsprachlichen Fertigungsbereichs, die Kompetenzstufe B1 erreicht wurde; es genügt nicht, dass in dem Sprachprüfungszeugnis lediglich das Gesamtergebnis B1 nachgewiesen ist15. 2Satz 1 gilt für den Nachweis der Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StAG durch ein in Nummer 2.1.6 genanntes Sprachprüfungszeugnis entsprechend16, 17.
2.4 1In Nummern 2.1 und 2.2 nicht genannte Sprachprüfungszeugnisse können im Einzelfall als ein Nummer 10.1.1.6 Absatz 2 Buchstabe b VAH-StAG entsprechendes Sprachdiplom nur beurteilt werden (Nummer 2.6), wenn nicht zweifelhaft ist, dass durch geeignete Maßnahmen der Qualitätssicherung die Validität, Reliabilität und Objektivität der Sprachprüfung gewährleistet war und somit das bescheinigte Prüfungsergebnis den in § 10 Absatz 4 StAG genannten Anforderungen entspricht. 2Dies wird grundsätzlich nur bei Sprachzeugnissen angenommen, die von Mitgliedsinstitutionen der Association of Language Testers in Europe (ALTE)18 ausgestellt sind19.
2.5 Sprachprüfungszeugnisse, die im Ergebnis einer digitalen Distanzprüfung (Online-Sprachprüfung) erworben wurden, sind zum Nachweis von Kenntnissen der deutschen Sprache, die den in § 10 Absatz 4 StAG genannten Anforderungen genügen, nicht geeignet.
2.6 1Die fachliche Beurteilung, dass ein in Nummern 2.1 und 2.2 nicht genanntes Sprachprüfungszeugnis ein Nummer 10.1.1.6 Absatz 2 Buchstabe b VAH-StAG entsprechendes Sprachdiplom ist (Nummer 2.4), bleibt der Aufsichtsbehörde (§ 2 Satz 1 StAngZustG) vorbehalten; die Staatsangehörigkeitsbehörden holen dazu eine Stellungnahme Dritter nicht ein. 2Die Aufsichtsbehörde prüft auf Vorlage der Staatsangehörigkeitsbehörde auch, ob es sich bei anders lautenden Benennungen von Sprachdiplomen lediglich um ältere oder (künftig) neuere Bezeichnungen der in Nummern 2.1 und 2.2 genannten Sprachprüfungszeugnisse handelt. 3Sprachprüfungszeugnisse, mit denen der Nachweis der Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StAG schon gemäß Nummern 2.3 und 2.5 nicht geführt werden kann, werden der Aufsichtsbehörde zur fachlichen Beurteilung im Einzelfall nicht vorgelegt.20
2.7 1Sprachprüfungszeugnisse sind im Einbürgerungsverfahren mit besonderer Sorgfalt auf ihre Echtheit zu prüfen; dazu müssen sie im Original vorliegen. 2An gegebenenfalls vorgetragenen tatsächlichen Umständen ihres Erwerbs, an den ihre Gültigkeit bestimmenden physischen und inhaltlichen Faktoren sowie an der erfolgreichen Prüfungsteilnahme derjenigen Personen, auf die sie ausgestellt sind und die sie zur Begründung ihres Antragsbegehrens vorlegen, dürfen keine durch tatsächliche Anhaltspunkte gerechtfertigten Zweifel bestehen. 3Können solche Zweifel an der Echtheit von Sprachprüfungszeugnissen unter Beachtung von § 24 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 VwVfG, § 1 Absatz 1 VwVfGBbg nicht ausgeräumt werden, entfällt im Rahmen der Beweiswürdigung zu Lasten der Antragstellenden die in aller Regel sonst durchgreifende Indizwirkung dafür, dass die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StAG erfüllt ist.
3 1Liegen die Voraussetzungen von Nummer 1.3, 1.4 oder 1.5 nicht vor, muss eine altersgemäße Sprachentwicklung schulpflichtiger minderjähriger Personen, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 10 Absatz 4 Satz 2 StAG), in der Regel durch (mindestens) ein Schulzeugnis nachgewiesen sein21. 2Im Zweifel sind mehrere Schulzeugnisse anzufordern. 3Bei noch nicht schulpflichtigen minderjährigen Kindern, die das fünfte Lebensjahr bereits vollendet haben, ist zu verlangen, dass eine Stellungnahme der Kindertagesstätte oder der Tagespflegeperson beigebracht wird oder, wenn das Kind an keiner Kindertagesbetreuung (§ 2 Absatz 1 KitaG) teilnimmt, eine kinderärztliche oder sonstige Bescheinigung einer sachverständigen Person. 4Bei Kindern, die das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wird keine Bescheinigung verlangt.
4 1Nachweise zur Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 werden nicht erhoben, wenn von diesen Voraussetzungen gemäß § 10 Absatz 6 StAG abgesehen wird22. 2Die Voraussetzungen des § 10 Absatz 6 StAG müssen durch ein qualifiziertes fachärztliches Gutachten substantiiert nachgewiesen sein23.
5 1Der Anwendung von § 10 Absatz 1 Satz 1 StAG wird zur darin bestimmten Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung, dass die Einordnung der Ausländer*innen in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist24, die Rechtsauffassung zu Grunde gelegt, dass im Sinne einer regelungsimmanenten Beschränkung der Norm25 eine auch sprachliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse26 nicht gewährleistet sein muss, wenn Voraussetzungen vorliegen, unter denen gemäß § 10 Absatz 6 StAG von der Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StAG abgesehen wird27. 2Bei minderjährigen Kinder, die im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist eine auch sprachliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung gewährleistet28.
6 Auch bei einer Ermessenseinbürgerung auf der Rechtsgrundlage des § 8 Absatz 1 StAG müssen – außer von Ausländer*innen, die aus einem in § 10 Absatz 6 StAG genannten Grund über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache nicht verfügen können29 – zur Ermessensausübungsvoraussetzung einer gewährleisteten Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse30 den in § 10 Absatz 4 StAG genannten Anforderungen genügende Kenntnisse der deutschen Sprache31 nachgewiesen oder gewährleistet, das heißt, in absehbarer Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten32 sein.
6.1 Für den positiven Nachweis solcher Kenntnisse gelten die Nummern 1 bis 4.
6.2 1Für die prognostische Einschätzung, dass für eine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse nach Maßgabe des Gesetzes notwendige, den in § 10 Absatz 4 StAG genannten Anforderungen genügende Kenntnisse der deutschen Sprache in absehbarer Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, gelten die Nummern 1 bis 4 – mit gegebenenfalls entsprechend reduziertem Anforderungsprofil – sinngemäß. 2Die Prognose bedarf belastbarer Erkenntnisgrundlagen; sie darf nicht ins Blaue hinein vorgenommen werden. 3Die tatsächlichen Umstände, auf die sie gegebenenfalls gestützt wird, sind überprüfbar aktenkundig zu machen und müssen sich nachvollziehen lassen; normativen Maßstäben muss sachgemäß Rechnung getragen sein33. 4Im übrigen ist für die Prognose Folgendes zu beachten:
6.2.1 1Absehbar ist ein überschaubarer künftiger Zeitraum34. 2Ein unbestimmter Zeitraum – beispielsweise "im Lauf der nächsten Jahre" – ist nicht absehbar35. 3Ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren kann – bezogen auf einen Erwerb von den in § 10 Absatz 4 StAG genannten Anforderungen genügenden Kenntnissen der deutschen Sprache – allenfalls dann absehbar sein, wenn ihm im Einzelfall die Dauer und Kursgestaltung eines konkreten Programms zum Erlernen der deutschen Sprache auf dem Sprachniveau B 1 GER entspricht oder innerhalb dieses Zeitraums ein Wegfall der Gründe für eine vorübergehende Aussetzung von Sprachkurs- oder Sprachprüfungsangeboten zu erwarten ist. 4Die sachlichen Voraussetzungen, auf denen im geltenden Bundesrecht die Regelungen der Integrationskursverordnung beruhen, sind in die Beurteilung einzubeziehen36. 5Die Maßstäbe und Kriterien zur Bestimmung der Tatbestandsvoraussetzung eines angemessenen Zeitraums in § 16b Absatz 2 Satz 4 AufenthG37 können entsprechend herangezogen werden.
6.2.2 1Als unverzichtbare Grundlage der prognostischen Einschätzung sind sowohl die gegenwärtige sprachliche Integrationssituation als auch die gesamte bisherige sprachliche Integrationsbiographie in den Blick zu nehmen. 2Bei Personen, deren auch sprachliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse zehn Jahre oder länger nicht gelungen ist, muss die sonst sachlich unveranlasste Erwartung, dass ihnen dies nunmehr anlässlich ihres Einbürgerungsantrags in absehbarer Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gelingen wird, auch bei sachgemäßer Würdigung solcher glaubhaft gemachten oder sonst ermittelten tatsächlichen Umstände nachvollziehbar sein, auf Grund deren sie sich bisher noch nicht auch sprachlich in die deutschen Lebensverhältnisse eingeordnet haben. 3Beispielsweise nachhaltige Entlastungen oder konkrete Unterstützungen infolge von Veränderungen in familiären Verhältnissen, als Wirkungen von Integrationsangeboten (§ 45 AufenthG) oder bei Förderungen durch Arbeitgeber*innen können zu berücksichtigen sein.
6.2.3 1Der bloße weitere Aufenthalt von Ausländer*innen im Inland lässt nicht erwarten, dass sie in absehbarer Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch sprachlich in die deutschen Lebensverhältnisse eingeordnet sein werden. 2Es müssen konkrete und nachhaltige Unternehmungen zum Erwerb von den in § 10 Absatz 4 StAG genannten Anforderungen genügenden Kenntnissen der deutschen Sprache glaubhaft gemacht sein, die den Eintritt des mit ihnen angestrebten Erfolgs in absehbarer Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwarten lassen. 3Das Vorbringen der Antragstellenden dazu darf sich nicht als lediglich verfahrensangepasst darstellen.
6.2.4 Bescheinigungen über eine frühere Teilnahme an Sprachkursen, insbesondere Sprachprüfungszeugnisse über einen erfolgreichen Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache auf dem Sprachniveau A 2 GER38 und Einstufungstestergebnisse (§ 11 Absatz 2 und § 13 Absatz 2 Satz 5 IntV) sind heranzuziehen.
6.2.5 Bei Personen, die erst ihren Analphabetismus überwinden müssen, um den in § 10 Absatz 4 StAG genannten Anforderungen genügende Kenntnisse der deutschen Sprache erwerben zu können, ist eine auch sprachliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht gewährleistet.
6.2.6 Berufen sich Personen – nach Auffassung der Staatsangehörigkeitsbehörde unbegründet – auf Voraussetzungen, unter denen gemäß § 10 Absatz 6 StAG von der Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StAG abgesehen wird, lässt sich nicht annehmen, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit auch sprachlich in die deutschen Lebensverhältnisse eingeordnet sein werden39.
6.3 1Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 8 Absatz 1 StAG in der bis zum 8. August 2019 geltenden Fassung, dass danach – im Rahmen der Ermessensausübung – nicht ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache durch anderweitige Integrationsleistungen ausgeglichen sein konnten40, ist dem Vollzug des § 8 Absatz 1 StAG in der durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes41 geänderten Fassung der Vorschrift weiterhin zu Grunde zu legen. 2Dabei ist Folgendes zu beachten:
6.3.1 1Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts setzt voraus, dass ein Ermessen tatbestandlich eröffnet ist. 2Dazu müssen alle in § 8 Absatz 1 StAG bestimmten Ermessensausübungsvoraussetzungen vorliegen, soweit von ihnen nicht ausnahmsweise gemäß § 8 Absatz 2 StAG abgesehen werden kann und wird.
6.3.2 Die bundesgesetzliche Regelung42 lässt es nicht zu, von der tatbestandlichen Ermessensausübungsvoraussetzung einer gewährleisteten Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse abzusehen43.
6.3.3 1Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts kann deshalb erst zum Tragen kommen, wenn (auch) die integrationsnotwendigen Kenntnisse der deutschen Sprache (Nummer 6) nachgewiesen (Nummer 6.1) oder im Sinne einer begründeten prognostischen Einschätzung (Nummer 6.2) in absehbarer Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. 2Erst dann darf und muss gegebenenfalls eine Abwägung vorgenommen werden. 3Dabei kann das Integrationsdefizit, dass die auch sprachliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse zwar gewährleistet, aber noch nicht vollendet ist, durch anderweitige erfolgreiche Integrationsleistungen ausgeglichen sein.
7 Eine Regeleinbürgerung von Ehegatten und Partner*innen eingetragener Lebensgemeinschaften (§ 9 StAG) ist gemäß § 9 Absatz 1 letzter Halbsatz StAG ausgeschlossen, wenn den in § 10 Absatz 4 Satz 1 StAG genannten Anforderungen genügende Kenntnisse der deutschen Sprache nicht nachgewiesen sind44 und keine Voraussetzungen vorliegen, unter denen gemäß § 10 Absatz 6 StAG von der Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StAG abgesehen wird.
1 Beachte: 1Der überkommene Begriff "Muttersprache" sollte nicht mehr verwendet werden. 2Abgesehen davon, dass der Begriff u. a. im Hinblick auf § 1353 Absatz 1 Satz 1 iVm § 1741 Absatz 2 BGB als diskriminierend empfunden werden könnte (vgl. Artikel 12 Absatz 3 Landesverfassung), ist er objektiv ungeeignet, den für die Privilegierung maßgeblichen Lebenssachverhalt in Bezug auf in die deutschen Lebensverhältnisse auch sprachlich eingeordnete Familien mit Migrationshintergrund abzubilden.
2 Nummer 10.1.1.6 Absatz 2 Buchstabe c VAH-StAG
3 Nummer 10.1.1.6 Absatz 2 Buchstabe d VAH-StAG
4 Nummer 10.1.1.6 Absatz 2 Buchstabe e VAH-StAG
5 Nummer 10.1.1.6 Absatz 2 Buchstabe f VAH-StAG
6 Vgl. § 2 Absatz 1 und § 83 BbgHG
7 Ärztin/Arzt, Zahnärztin/Zahnarzt, Psychologische Psychotherapeutin/Psychologischer Psychotherapeut, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin/Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Tierärztin/Tierarzt, Apothekerin/Apotheker.
8 Sie trifft insoweit gemäß § 24 Absatz 1 und 2 VwVfG, § 1 Absatz 1 VwVfGBbg nur eine Hinweis- und Anstoßpflicht.
9 1Nummer 10.1.1.6 Absatz 2 Buchstabe a VAH-StAG. 2Das Zertifikat erfordert (nur), dass in der Sprachprüfung "Deutsch-Test für Zuwanderer – Stufe B1" (DTZ B1) das Gesamtergebnis B1 nachgewiesen wurde. 3Allein damit sind ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache nicht nachgewiesen; siehe Nummer 2.3.
10 Beachte: Das Sprachprüfungszeugnis "Deutsch-Test für Zuwanderer – Stufe B1" (DTZ B1) kann auch bei einer anderen nach Nummer 2.4 Satz 2 qualifizierten Institution, beispielsweise der telc GmbH Frankfurt a. M., erworben sein.
11 1 Nummer 10.1.1.6 Absatz 2 Buchstabe a VAH-StAG. 2Das Zertifikat erfordert (nur), dass in der Sprachprüfung "Deutsch-Test für Zuwanderer – Stufe B1" (DTZ B1) das Gesamtergebnis B1 nachgewiesen wurde. 3Allein damit sind ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache nicht nachgewiesen; siehe Nummer 2.3.
12 Beachte: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 2020 – 19 A 2379/18, juris – siehe dort Rn 46 und 56 bis 62 – wird dem Nachweis ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache durch das Goethe-Zertifikat B 1 nicht entsprechend zu Grunde gelegt; vgl. Nummer 2.3.
13 Beachte: Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 2020 – 19 A 2379/18, juris – siehe dort Rn 46 und 56 bis 62 – wird dem Nachweis ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache durch das Zertifikat Deutsch B 1 nicht entsprechend zu Grunde gelegt; vgl. Nummer 2.3.
14 Beachte: Diese Prüfung weist die Voraussetzungen für die Zulassung zu einem Studium ohne weitere Sprachprüfung nach und belegt den Zulassungsvoraussetzungen der deutschen Hochschulen nach, dass die antragstellende Person über die in § 10 Absatz 4 genannten Anforderungen übersteigende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt.
15 1 Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Dezember 2020 – 19 A 2379/18, juris Rn 32 bis 80. 2Diese Entscheidung wird dem Nachweis ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache durch das Zertifikat "Deutsch-Test für Zuwanderer – Stufe B 1" (DTZ B 1) zu Grunde gelegt; vgl. Anmerkung zu Nummern 2.1.4 und 2.1.5.
16 Beachte: Auch ein in Nummer 2.1.6 genanntes Sprachprüfungszeugnis kann die Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StAG deshalb nur noch nachweisen, wenn zu allen Prüfungsteilen und Fertigungsbereichen eine jeweils der Kompetenzstufe B1 entsprechende Bewertung nachgewiesen ist.
17 Beachte: Für den Nachweis der Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StAG durch in den Nummern 2.1.3 bis 2.1.5 genannte Sprachprüfungszeugnisse wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Dezember 2020 – 19 A 2379/18, juris – siehe dort Rn 46 und 56 bis 62– nicht entsprechend zu Grunde gelegt.
18 Organisation der Anbieter von Fremdsprachprüfungen, https://www.alte.org/ (Who we are – Our full members – Language: German).
19 Vgl. als Standard des materiellen Bundesrechts § 17 Absatz 1 Satz 2 und 3 iVm § 20a IntV.
20 Beachte: Ein fachliche Beurteilung der Aufsichtsbehörde ist dementsprechend nur zu veranlassen, wenn – aus Sicht der Staatsangehörigkeitsbehörde – es sich um ältere oder (künftig) neuere Bezeichnungen der in Nummern 2.1 und 2.2 genannten Sprachprüfungszeugnisse handeln könnte (Satz 2) oder unter Beachtung von Satz 3 eine Gleichwertigkeit in Betracht kommt.
21 Nummer 10.4.2 VAH-StAG.
22 Vgl. § 31 Satz 1 StAG.
23 Vgl. dazu u. a. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26. Juli 2012 –10 B 21.12, juris Rn 7.
24 Beachte: 1"Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. Mai 2018 – 1 C 15.17, www.bverwge.de Rn 18. 2Der Gesetzgeber hat die Voraussetzung für eine Regeleinbürgerung von Ehegatten und Partner*innen eingetragener Lebensgemeinschaften, dass eine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet sein muss, mit dem Inhalt, mit dem sie in der bisherigen Fassung des § 9 Absatz 1 Nummer 2 StAG a. F. bestimmt war, aus § 9 Absatz 1 StAG a. F. als Voraussetzung auch einer Anspruchseinbürgerung nach § 10 Absatz 1 StAG und zugleich als Tatbestandvoraussetzung für eine Ermessensausübung nach § 8 Absatz 1 StAG auch für die Ermessenseinbürgerung übernommen (BT-Drs. 19/11083, S. 10 und 11). 3Zur Inhaltsbestimmung der Voraussetzung hat sich der Gesetzgeber auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2018 – 1 C 15.17, www.bverwge.de bezogen. 4Danach erfordert eine Einordnung von Ausländer*innen in die deutschen Lebensverhältnisse (auch) ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache und ist sie gewährleistet, wenn sie in absehbarer Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, Bundesverwaltungsgericht, aaO Rn 19 5Mit diesem Inhalt sind der unbestimmte Rechtsbegriff "Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse" und der normative Standard, dass eine solche Einordnung für eine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband zwingend gewährleistet sein muss, innerhalb des Staatsangehörigkeitsgesetzes einheitlich verwendet; der Gesetzgeber hat diese Voraussetzung ausdrücklich "als zwingende Einbürgerungsvoraussetzung und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen" aus § 9 Absatz 1 StAG a. F. in die Einbürgerungsvorschriften der §§ 8 Absatz 1 und 10 Absatz 1 StAG übernommen (BT-Drs. 19/11083, S. 11).
25 Beachte: 1Es wird nicht – dies wäre verfassungswidrig (vgl. Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 1. März 2010 – 11 K 223/09, juris) – außerhalb des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens eine eigenständige und andere Tatbestandsvoraussetzung zu § 10 Absatz 1 Satz 1 StAG "hinzuerfunden", sondern es wird im systematischen Zusammenhang der in § 10 Absatz 1 Satz 1 StAG neu aufgenommenen Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung innerhalb der Norm (§ 10 StAG) sowie mit §§ 8 und 9 StAG und im Lichte des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips die Voraussetzung einer gewährleisteten Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse verfassungskonform als durch die Ausnahmeregelungen des § 10 Absatz 6 StAG iVm § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StAG inhaltlich begrenzt aufgefasst. 2Dies ist aus folgenden Gründen sachlich geboten und damit vereinbar, dass der Gesetzgeber das Gewährleistetsein einer auch sprachlichen Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse als eine "zwingende Einbürgerungsvoraussetzung" bestimmt (BT-Drs. 19/11083, S. 11) und es weder in § 10 Absatz 6 StAG noch in § 8 Absatz 2 StAG zugelassen hat, unter bestimmten Voraussetzungen von ihr abzusehen:
(1) 1Der Gesetzgeber hat zur Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung einer gewährleisteten Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse zwar nicht bestimmt, dass § 10 Absatz 6 StAG unberührt bleibt. 2Er hat die Voraussetzung jedoch aus § 9 Absatz 1 StAG a. F. "zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen" nach § 10 Absatz 1 StAG übernommen. 3Innerhalb der Norm (§ 10 StAG) wäre indes ein zur generellen Unwirksamkeit von § 10 Absatz 6 StAG führender Wertungswiderspruch begründet, wenn unter den Voraussetzungen der darin getroffenen Ausnahmeregelungen (BT-Drs. 16/5065, S. 229) die damit bezweckte Begünstigung von Menschen, die wegen einer Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt über integrationsnotwendige Kenntnisse der deutschen Sprache nicht verfügen können, stets daran scheitern würde, dass deshalb ihre auch sprachliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht gewährleistet ist. 4Rechtsvorschriften sind jedoch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen methodisch so auszulegen, dass sie einen nachvollziehbaren Sinn ergeben und in sich selbst schlüssig sind.
(2) 1Vergleichsweise kommt der Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 StAG ebenfalls ein entsprechender inhaltsbeschränkender systematischer Zusammenhang zu, denn auch eine Privilegierung nach dieser Norm würde sonst stets daran scheitern, dass bei einer Inanspruchnahme von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts eine auch wirtschaftliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse unabhängig davon nicht gewährleistet ist, ob die Ausländer*innen den Leistungsbezug zu vertreten oder nicht zu vertreten haben. 2Dagegen fehlt ein solcher inhaltsbeschränkender systematischer Zusammenhang bei der Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StAG (vgl. Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 1. März 2010 – 11 K 223/09, juris), denn auch, soweit es sich auch dabei um eine integrative Einbürgerungsvoraussetzung handelt (vgl. BT-Drs. 19/11083, S. 10), können diese Voraussetzung – ungeachtet aller damit gegebenenfalls verbunden Schwierigkeiten – auch Ausländer*innen erfüllen, die sprachlich nicht in die deutschen Lebensverhältnisse eingeordnet sind.
(3) 1Der Gesetzgeber hat die Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung einer gewährleisteten Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse "inhaltlich" – das heißt, ohne dabei ihre wesentliche Änderung zu beabsichtigen – aus § 9 Absatz 1 StAG a. F. nach § 10 Absatz 1 StAG übernommen (BT-Drs. 16/5065, S. 229). 2Nach dieser Vorschrift konnte jedoch eine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse auch dann gewährleistet sein, wenn aus einem in § 10 Absatz 6 StAG bestimmten Grund eine auch sprachliche Einordnung der Ausländer*innen nicht gewährleistet war.
(4) 1Der Gesetzgeber verwendet die Einbürgerungsvoraussetzung einer gewährleisteten Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse innerhalb des Staatsangehörigkeitsgesetzes inhaltsgleich (siehe oben). 2In § 9 Absatz 1 StAG (geltende Fassung) setzt sie nach dem Wortlaut der Vorschrift unzweifelhaft logisch voraus, dass alle in § 8 Absatz 1 StAG bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensausübung, also auch die Ermessensausübungsvoraussetzung einer gewährleisteten Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse, auch dann erfüllt sein können, wenn Ausländer*innen aus einem in § 10 Absatz 6 StAG bestimmten Grund über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache nicht verfügen können und mithin ihre auch sprachliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht gewährleistet ist, sondern im Gegenteil ausgeschlossen erscheint.
(5) 1Der Gesetzgeber hat seine Ausnahmeregelungen in § 10 Absatz 6 StAG zwar nicht begründet (BT-Drs. 16/5065, S. 229); sie sind jedoch der Sache nach im Lichte des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips zu sehen. 2In den Begründungen zum Dritten Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (siehe insbesondere BT-Drs. 19/11083) deutet nichts darauf hin, dass der Gesetzgeber, der § 10 Absatz 6 StAG nicht aufgehoben hat, diesem verfassungsrechtlichen Maßstab bei der Einbürgerungsprivilegierung des Personenkreises, der durch die Vorschrift begünstigt sein sollte, nicht länger Rechnung tragen wollte.
26 Beachte: Ausländer*innen sind in die deutschen Lebensverhältnisse sprachlich eingeordnet, wenn sie über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen (Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2018 – 1 C 15.17, www.bverwge.de Rn 19); siehe oben.
(1) 1Schon nach § 86 Absatz 1 Nummer 1 AuslG in der Fassung der Vorschrift durch Artikel 2 Nummer 1 des Gesetzes vom 15. Juli 1999 (BGBl. I S. 1618, 1620) war der Einbürgerungsanspruch ausgeschlossen, wenn die Einbürgerungsbewerber*innen nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügten. 2Der Regelung lag die Auffassung des Bundesgesetzgebers zu Grunde, eine Integration in die deutschen Lebensverhältnisse setzte Sprachkenntnisse voraus. 3Ohne die Fähigkeit, hiesige Medien zu verstehen und mit der deutschen Bevölkerung zu kommunizieren, sei eine Integration, wie auch die Beteiligung am politischen Willensbildungsprozess, nicht möglich, BT-Drs. 14/533 S. 18. 4Im Sinne des staatsangehörigkeitsrechtlichen Begriffs in die deutschen Lebensverhältnisse eingeordnet, sind Ausländer*innen deshalb nur, wenn sie (auch) über im Sinne des Gesetzes integrationsnotwendige Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen. 5Seine Auffassung, dass eine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse grundsätzlich nur anzunehmen ist, wenn (auch) die integrative Einbürgerungsvoraussetzung "ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" erfüllt ist, hat der Bundesgesetzgeber bei Erlass des Dritten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 4. August 2019 (BGBl. I S. 1124) noch einmal bekräftigt (BT-Drs.: 19/11083, S. 10) und als "Maßnahme ..... zur Einordnung [von Ausländer*innen] in die deutschen Lebensverhältnisse" (BT-Drs.: 19/11083, S. 1) die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Absatz 1 StAG für eine behördliche Ermessensausübung mit Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe d des Dritten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes entsprechend verschärft (BT-Drs.: 19/11083, S. 4).
(2) 1Ohne Kenntnisse der deutschen Sprache auf – mindestens – dem in § 10 Absatz 4 Satz 1 StAG genannten Sprachniveau (B 1 GER) sind gemäß § 37 Absatz 1 Satz 1 StAG handlungsfähige Ausländer*innen, bei denen keine in § 10 Absatz 6 StAG genannten Gründe verhindern, dass sie über solche Kenntnisse verfügen können, deshalb nicht im Sinne des Gesetzes in die deutschen Lebensverhältnisse eingeordnet. 2Der Bundesgesetzgeber hatte sich zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs "ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" schon für seine Regelung in § 86 Absatz 1 Nummer 1 AuslG in der Fassung der Vorschrift durch Artikel 2 Nummer 1 des Gesetzes vom 15. Juli 1999 (BGBl. I S. 1618, 1620) an dem zum Ausländergesetz 1990 entwickelten aufenthaltsrechtlichen Maßstab orientiert (BT-Drs. 14/533, S. 18). 3Dieser Maßstab dafür, was integrationsnotwendige, das heißt, für eine Einordnung von Ausländer*innen in die deutschen Lebensverhältnisse mindestens erforderliche Kenntnisse der deutschen Sprache sind, wurde nachfolgend im Aufenthaltsrecht normativ ausgestaltet und präzise bestimmt. 4In § 17 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 IntV in der bei ihrem Inkrafttreten (1. Januar 2005) geltenden Fassung (BGBl. I 2004 S. 3370) war insoweit als Standard einer integrationsnotwendigen auch sprachlichen Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse die – erfolgreich bestandene – Sprachprüfung zum Zertifikat Deutsch B1 normiert. 5Zwar hat der Verordnunggeber diesen aufenthaltsrechtlichen Standard später geändert, so dass Ausländer*innen den aufenthaltsrechtlichen Integrationsanforderungen genügende "ausreichende Sprachkenntnisse" (§ 2 Absatz 11 und § 43 Absatz 3 Satz 1 AufenthG; vgl. auch § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 und § 35 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 AufenthG) nunmehr dann erworben haben, wenn sie gemäß § 17 Absatz 2 IntV einen Integrationskurs (§ 43 Absatz 2 Satz 2 AufenthG) erfolgreich abgeschlossen, das heißt, im skalierten Sprachtest "Deutsch-Test für Zuwanderer" (§ 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 IntV) das Sprachniveau B 1 GER – und sei es auch nur in der Gesamtnote – nachgewiesen haben. 6Der Normierung der zwingenden Einbürgerungsvoraussetzung ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache in § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 und Absatz 4 StAG liegt jedoch nicht dieser, erst mit der Ersten Verordnung zur Änderung der Integrationskursverordnung vom 5. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2787) in das Aufenthaltsrecht eingeführte Standard zu Grunde. 7Mit Artikel 5 Nummer 6 Buchstabe a und Nummer 7 Buchstabe a und c des Gesetzes vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970, 2003 f.) hat der Bundesgesetzgeber vielmehr denjenigen aufenthaltsrechtlichen Maßstab als normativen Standard für eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 Absatz 1 StAG sowie für eine Regeleinbürgerung nach § 9 Absatz 1 StAG in das Staatsangehörigkeitsgesetz übernommen und nur übernehmen können (§ 10 Absatz 4 StAG), der zum Zeitpunkt seiner Regelung aufenthaltsrechtlich bestimmt war; dies war der in § 17 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 IntV in der bei ihrem Inkrafttreten (1. Januar 2005) geltenden Fassung (BGBl. I 2004 S. 3370) normenklar und präzise konkretisierte Standard der – erfolgreich bestandenen – Sprachprüfung zum Zertifikat Deutsch B1; vgl. dazu im Einzelnen näher Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Dezember 2020 – 19 A 2379/18, juris Rn 46 bis 55. 8Zu der sich daraus ergebenden Inhaltsbestimmung der in § 10 Absatz 4 StAG genannten Anforderungen an ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache im Sinne des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StAG siehe ebda. Rn 46 bis 62 sowie oben Nummer 2.3. 9Dem Niveau B1 GER entsprechende "ausreichende deutsche Sprachkenntnisse" (§ 2 Absatz 11 AufenthG), die (auch) durch ein – gegebenenfalls im "Zertifikat Integrationskurs" inkludiertes – Zertifikat "Deutsch-Test für Zuwanderer" (§ 17 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 und Absatz 4 IntV; siehe oben Nummern 2.1.1 und 2.1.2) mit (nur) der Gesamtnote B1 nachgewiesen sein können, sind mithin eine nicht nur unwesentlich andere Tatbestandsvoraussetzung als "ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" (§ 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StAG), die den "Anforderungen zum Zertifikat Deutsch (B1 GER) in mündlicher und schriftlicher Form" (§ 10 Absatz 4 StAG) genügen.
(3) Daraus, dass nach Maßgabe der regelungsimmanenten Inhaltsbeschränkung (siehe oben) Ausländer*innen, die aus einem in § 10 Absatz 6 StAG genannten Grund über den in § 10 Absatz 4 StAG genannten Anforderungen genügende Kenntnisse der deutschen Sprache nicht verfügen können, in die deutschen Lebensverhältnisse gleichwohl für eine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband im Rahmen ihrer konkreten Möglichkeiten hinreichend eingeordnet gelten, ergibt sich nichts Anderes, denn ihnen sind für eine Einbürgerung normativ überhaupt keine Kenntnisse der deutschen Sprache abverlangt.
27 Beachte: Abgesehen von dieser regelungsimmanenten Inhaltsbeschränkung ist die Einbürgerungsanspruchsvoraussetzung einer gewährleisteten auch sprachlichen Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse für die Anspruchseinbürgerung ohne Belang, denn ein Einbürgerungsanspruch ist – außer unter den Voraussetzungen des § 10 Absatz 6 StAG – gemäß § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 StAG ausgeschlossen, wenn keine den in § 10 Absatz 4 StAG genannten Anforderungen genügende, bereits vollendete sprachliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse nachgewiesen ist.
28 § 10 Absatz 4 Satz 2 StAG.
29 Siehe Erläuterungen zu Nummer 5.
30 Diese Voraussetzung muss sonst, das heißt, wenn in § 10 Absatz 6 StAG genannte Voraussetzungen nicht vorliegen, für alle Einbürgerungen in den deutschen Staatsverband nach den §§ 8 bis 10 StAG zwingend erfüllt sein; siehe Erläuterungen zu Nummer 5.
31 Siehe Erläuterungen zu Nummer 5.
32 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. Mai 2018 – 1 C 15.17, www.bverwge.de Rn 19; siehe Erläuterungen zu Nummer 5.
33 Beachte: 1Der Unterscheidung zwischen einer vollendeten (auch) sprachlichen Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse, die unter den in Nummern 1.3 bis 1.10 genannten Voraussetzungen sowie bei Vorlage eines in Nummern 2.1 und 2.2 genannten Sprachprüfungszeugnisses in aller Regel durchgreifend indiziert ist (§ 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 und Absatz 4 StAG), und einer lediglich im Sinne einer prognostischen Einschätzung gewährleisteten (auch) sprachlichen Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse (§ 8 Absatz 1 StAG) liegt dem Verständnis des Bundesgesetzgebers nach zu Grunde, dass in den Fällen einer im Vergleich zur in § 10 Absatz 1 Satz 1 StAG bestimmten achtjährigen Aufenthaltsfrist geringeren Voraufenthaltszeit, wie sie bei einer Ermessenseinbürgerung gemäß § 8 Absatz 1 StAG möglich ist (vgl. auch Nummern 8.1.2.2 und 8.1.3 VAH-StAG), (auch) eine sprachliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse noch nicht abgeschlossen sein muss, vgl. BT-Drs.: 19/11083, S. 10. 2Dies bedeutet einerseits, dass gerade (auch) bei Voraufenthaltszeiten unter acht Jahren eine positive Prognose möglich ist. 3Andererseits folgt daraus, dass gerade (auch) bei Voraufenthaltszeiten von mehr als acht Jahren die Gründe dafür in den Blick zu nehmen und zu bewerten sind, aus denen gegebenenfalls eine (auch) sprachliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse noch nicht vollendet, das heißt, Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Sprachniveau B 1 GER noch nicht erworben wurden.
34 Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 28. März 2019 – 13a ZB 18.33210, BeckRS 2019, 7161 Rn 5 mwN.
35 Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof ebda.
36 Vgl. u. a. § 11 Absatz 1 Satz 1 und 5 IntV.
37 Vgl. dazu Verwaltungsgericht Schleswig, Beschluss vom 23. August 2018 – 11 B 91/18, BeckRS 2018, 19768 Rn 53 ff.
38 Vgl. § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 IntV.
39 Beachte: Personen, die aus in § 10 Absatz 6 StAG genannten Gründen in die deutschen Lebensverhältnisse nicht auch sprachlich eingeordnet sein können, gelten nach Maßgabe der regelungsimmanenten Inhaltsbeschränkung der Ermessensausübungsvoraussetzung einer gewährleisteten Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse, in die deutschen Lebensverhältnisse gleichwohl für eine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband im Rahmen ihrer konkreten Möglichkeiten hinreichend eingeordnet; siehe Erläuterungen zu Nummer 5.
40 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. Mai 2010 – 5 C 8.09, www.bverwge.de Rn 42.
41 Vom 4. August 2019, BGBl. I S. 1124.
42 § 8 Absatz 2 StAG.
43 Vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 20. August 2020 – 12 S 629/19, juris Rn 82.
44 Beachte: 1Ungeachtet der Formulierung des § 9 Absatz 1 StAG ist mit der Vorschrift keine von § 37 Absatz 1 Satz 2 StAG iVm § 82 Absatz 1 AufenthG abweichende Beweislastumkehr bestimmt. 2Bereits bei Änderung von § 10 Absatz 1 StAG durch Artikel 5 Nummer 7 Buchstabe a des Gesetzes vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970, 2003 f.) war der Bundesgesetzgeber der Auffassung, der Einbürgerungsstandard ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache sei systematisch eher den Einbürgerungsvoraussetzungen zuzuordnen und nicht, wie zuvor (§ 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StAG a. F.), den Ausschlussgründen, BT-Drs.: 16/5065 S. 228. 3In § 9 StAG ist diese Auffassung indes bisher nicht konsequent umgesetzt. 4Gleichwohl hat nicht die Staatsangehörigkeitsbehörde die in der Sphäre der Antragstellenden liegende und diese unmittelbar berührende negative Tatsache nachzuweisen, dass die Antragstellenden über den in § 10 Absatz 4 Satz 1 StAG genannten Anforderungen genügende Kenntnisse der deutschen Sprache nicht verfügen, sondern auch für eine Einbürgerung auf der Rechtsgrundlage des § 9 StAG obliegt es den Antragstellenden, den positiven Nachweis der materiellen Einbürgerungsvoraussetzung zu führen, dass sie über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache im Sinne des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 und Absatz 4 Satz 1 StAG verfügen. 5Dafür gelten die Nummern 1 bis 4.