Bauplanungsrechtliche und raumordnerische Beurteilung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben (Einzelhandelserlass)
Inhaltsverzeichnis:
1 Allgemeines
1.1 Zweck des Erlasses
1.2 Adressaten
1.3 Anwendungsbereich
2. Begriffe (nicht abschließende Erläuterungen)
2.1 Einkaufszentren (§ 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 BauNVO)
2.2 Großflächige Einzelhandelsbetriebe (§ 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 BauNVO)
2.3 Sonstige großflächige Handelsbetriebe (§ 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 BauNVO)
2.4 Fachmärkte
2.5 Factory-Outlet-Center (FOC)
2.6 Geschossfläche
2.7 Verkaufsfläche
2.8 Sortimente
2.9 Kern- und Randsortimente
2.10 Einzugsbereich
2.11 Zentrale Versorgungsbereiche
3. Die Steuerungswirkung von § 11 Absatz 3 BauNVO
3.1 Allgemeines
3.2 Auswirkungen nach § 11 Absatz 3 Satz 2 BauNVO
3.3 Vermutungsregel nach § 11 Absatz 3 Satz 3 BauNVO
3.4 Ausnahme nach § 11 Absatz 3 Satz 4 BauNVO
3.5 Prüfung von Auswirkungen im Sinne des § 11 Absatz 3 Satz 2 BauNVO
3.5.1 Sonderfall Agglomeration
3.5.2 Sonderfall gemeinsame beziehungsweise ergänzende Ansiedlung mit Freizeiteinrichtungen mit hoher Besucherfrequenz
3.6 Darlegungslast
3.7 Gutachten
4. Raumordnerische Steuerung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen
5. Raumordnungsverfahren
6. Kommunale Planung
6.1 Anfrage nach den Zielen der Raumordnung
6.2 Zielanpassung
6.3 Auskunftspflicht über das Inkrafttreten eines Bauleitplanes
6.4 Einzelhandelskonzepte
6.4.1 Gemeindliche Einzelhandelskonzepte
6.4.2 Interkommunale Einzelhandelskonzepte
6.5 Standortgemeinschaft
6.6 Private Initiativen zur Stadtentwicklung (§ 171f BauGB) - Business Improvement Districts (BID)
6.7 Planungserfordernis nach § 1 Absatz 3 BauGB
6.8 Belang der Erhaltung und Entwicklung Zentraler Versorgungsbereiche (§ 1 Absatz 6 Nummer 4 BauGB)
6.9 Darstellung im Flächennutzungsplan
6.10 Festsetzung im Bebauungsplan
6.10.1 Festsetzung „Kerngebiet“
6.10.2 Festsetzung „Sondergebiet“
6.10.3 Beschränkung des Einzelhandels in den übrigen Baugebieten nach BauNVO
6.10.4 Festsetzung von Sortimenten
6.10.5 Festsetzungen/Bebauungsplan zum Schutz Zentraler Versorgungsbereiche (§ 9 Absatz 2a BauGB)
6.11 Sonstiges
6.11.1 Beteiligung der benachbarten Gemeinden (§ 2 Absatz 2 BauGB)
6.11.2 Beteiligung der Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange (§ 4 BauGB)
6.11.3 Umweltprüfung (§ 2 Absatz 4 BauGB)
6.11.4 Baurecht auf Zeit
6.11.5 Entschädigung bei Änderung oder Aufhebung einer zulässigen Nutzung
7. Baurechtliche Zulässigkeit im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes im Sinne von § 30 Absatz 1 oder Absatz 2 BauGB
7.1 Zulässigkeit im Kerngebiet (§ 7 Absatz 2 Nummer 2 BauNVO)
7.2 Zulässigkeit im allgemeinen und reinen Wohngebiet (§ 3 Absatz 3 Nummer 1, § 4 Absatz 2 Nummer 2 BauNVO)
7.3 Zulässigkeit im Dorfgebiet und Mischgebiet (§ 5 Absatz 2 Nummer 5, § 6 Absatz 1 BauNVO)
7.4 Zulässigkeit im Gewerbe- und Industriegebiet (§ 8 Absatz 2 Nummer 1, § 9 Absatz 2 Nummer 1 BauNVO)
7.5 Zulässigkeitsbeschränkung durch § 15 BauNVO
8 Baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben im Innen- und Außenbereich
8.1 Innerhalb in Zusammenhang bebauter Ortsteile (§ 34 BauGB)
8.1.1 Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung
8.1.2 Keine schädlichen Auswirkungen auf Zentrale Versorgungsbereiche (§ 34 Absatz 3 BauGB)
8.1.3 Keine Anwendung von § 34 Absatz 3a BauGB auf bestimmte Einzelhandelsbetriebe
8.1.4 Zulässigkeit im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans mit Festsetzungen zum Schutz Zentraler Versorgungsbereiche (§ 9 Absatz 2a BauGB)
8.1.5 Gesicherte Erschließung
8.2 Im Außenbereich
8.3 Nutzungsänderung und Erweiterungen
8.4 Behandlung von Bauanträgen
8.4.1 Antragsunterlagen
8.4.2 Festschreibung in der Baugenehmigung
8.4.3 Prüfungsumfang
9. Vorhabenbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)
Anlage 1: Sortimentsliste
Anlage 2: Arbeitshilfe/Checkliste für Gutachten betreffend großflächige Einzelhandelsvorhaben
Anlage 3: Handbuch Einzelhandelserhebungen im Land Brandenburg
1 Allgemeines
1.1 Zweck des Erlasses
Der Einzelhandel nimmt traditionell im Städtebau und in der Stadtentwicklung eine hervorgehobene Stellung ein. Er hat besondere Bedeutung für
- die Stadtstruktur (Belebung der Innenstädte und Nebenzentren sowie der Ortszentren),
- den Verkehr (motorisierter Einkaufsverkehr, öffentlicher Personennahverkehr, Wirtschaftsverkehr, ruhender Verkehr, Fuß- und Radverkehr),
- die Stadtgestalt (öffentlicher Raum, Denkmalschutz, Maßstäblichkeit) und
- die soziale Integration (Nahversorgung, Kommunikation).
Der Strukturwandel im stationären Einzelhandel (Konzentration/Filialisierung, Entstehung von Großstrukturen, Expansion der Fachmärkte, neue Vertriebsformen) hat in Verbindung mit der Verlagerung der Handelsstandorte aus den Zentren an die Peripherie zu neuen Anforderungen an den Städtebau geführt. Erforderlich ist die Integration des Handels in funktionaler, maßstäblicher und räumlicher Hinsicht, und zwar auf Ebene des Wohngebiets, des Ortsteils, der Kommune und der Region.
Eine besondere Bedeutung beim Strukturwandel des Handels haben großflächige Einzelhandelsvorhaben. Aus Sicht der Planung stellen sich mit diesen Betriebsformen besondere städtebauliche und regionale Integrationsprobleme, die vor allem auf deren Merkmale „Großmaßstäblichkeit, dezentrale Standorte und innenstadtrelevante Sortimentsstrukturen“ zurückzuführen sind. Die Innenstädte und Ortszentren sind traditionell Standorte des Einzelhandels, der Kultur und der lokalen Identität. Sie dienen der örtlichen und überörtlichen Versorgung. Um dieses zu sichern und weiter zu entwickeln, hängt es wesentlich davon ab, dass sich die Standortentscheidungen im Einzelhandel auch zukünftig an der Förderung der Innenstadtentwicklung und der Stärkung historisch gewachsener Zentren orientieren. Die Erhaltung und die Entwicklung Zentraler Versorgungsbereiche in den Städten und Gemeinden ist von hoher städtebaulicher Bedeutung, sie dient der Stärkung der Innenentwicklung und der Urbanität der Städte sowie besonders der Sicherstellung einer wohnortnahen Versorgung. Diese bedarf angesichts der demografischen Entwicklung eines besonderen Schutzes, auch wegen der geringeren Mobilität älterer Menschen.
Die folgenden Ausführungen sollen als Planungs- und Entscheidungshilfe bei der Ansiedlung und Erweiterung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben sowie von Nutzungsänderungen für entsprechende Zwecke dienen. Sie gehen vom geltenden Recht aus und berücksichtigen die einschlägige Rechtsprechung. Sie sind ausschließlich auf raumordnerische und städtebauliche Ziele, insbesondere auf die Sicherung einer ausreichenden, wohnortnahen Versorgung ausgerichtet (§ 2 Absatz 2 Nummer 3 des Raumordnungsgesetzes - ROG und § 1 Absatz 6 des Baugesetzbuches - BauGB). Sie verfolgen nicht das Ziel, auf den Wettbewerb der unterschiedlichen Unternehmen und Betriebsformen des Handels Einfluss zu nehmen. So legt es der Europäische Gerichtshof (C-400/08 vom 24. März 2011) fest und bestätigt damit indirekt die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG 4 C 1/08 vom 17. Dezember 2009).
Im Rahmen der Raumordnung und Bauleitplanung sowie im Rahmen der Beurteilung von Vorhaben durch die Bauaufsichtsbehörden soll sichergestellt werden, dass sich der Einzelhandel an städtebaulich integrierten Standorten entfalten kann, und zwar sowohl im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung mit einem differenzierten und bedarfsgerechten Warenangebot als auch zur Attraktivitätssteigerung der Innenstädte, Stadtteilzentren und Ortskerne, um diese unter anderem in ihrer Versorgungs-, Dienstleistungs- und Kommunikationsfunktion zu stärken.
Einzelhandelserhebungen als Analyse- und Bewertungsgrundlage werden für öffentliche planende Institutionen im Land Brandenburg auf Landes-, regionaler und kommunaler Ebene durchgeführt.
Ziele dieser Erhebungen sind insbesondere die Erstellung und Fortschreibung kommunaler oder regionaler Einzelhandels- und Zentrenkonzepte, die Bewertung konkreter Einzelhandelsplanungen oder Standortbewertungen und auch die laufende Beurteilung der Steuerungswirkung des Landesentwicklungsplans Berlin-Brandenburg (LEP B-B).
Vollständig neu wurde die Anlage 3 „Handbuch Einzelhandelserhebungen im Land Brandenburg“ in den Erlass aufgenommen. Mit diesem Handbuch soll den Brandenburger Kommunen die Möglichkeit gegeben werden, die für die Bewertung und Steuerung raumwirksamer Entwicklungen im Einzelhandel erforderlichen Informationen zu Einzelhandelsstandorten und -strukturen so zu erheben und zu erfassen, dass sie methodisch fundiert und zugleich zwischen den Kommunen vergleichbar und auch zeitreihenfähig sind. Bislang waren die vielfältig erhobenen Daten stark von der Erhebungsmethodik der jeweils beauftragten Dienstleister abhängig. Dies führte dazu, dass vorliegende Datensätze untereinander häufig nicht vergleichbar waren. So konnten selbst die Ausstattungskennziffern benachbarter Städte und Gemeinden nicht miteinander verglichen werden, und auch Zeitreihenvergleiche gleicher Raumeinheiten waren nur erschwert oder gar nicht möglich. Um eine methodische Kongruenz herzustellen und somit eine geeignete Basis für zeitliche sowie räumliche Datenvergleiche zu schaffen, wurde das Handbuch für Einzelhandels-Bestandserhebungen erarbeitet, das auf Basis der aktuellen Rechtsprechung sowie fachspezifischer Kommentierungen Empfehlungen formuliert und somit Standards für künftige Bestandserhebungen im Land Brandenburg setzt und zudem auch eine bessere Vergleichbarkeit der Datenlage innerhalb der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg ermöglicht.
Hinweis: Das Handbuch ist auf der Internetseite des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft farbig und mit weiteren Abbildungen veröffentlicht.
1.2 Adressaten
Der vorliegende Erlass soll den Trägern der Raumordnung, den Städten und Gemeinden als Trägern der Bauleitplanung und den Bauaufsichtsbehörden als Grundlage für die Beurteilung insbesondere von Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben im Sinne von § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) dienen und den Investoren, Grundstückseigentümern und Akteuren des Einzelhandelsektors Orientierung bezüglich Planungs- und Investitionssicherheit geben.
1.3 Anwendungsbereich
Dieser Erlass ist auf folgende Vorhaben anzuwenden:
- Errichtung und Erweiterung von Einkaufszentren (Nummer 2.1), großflächigen Einzelhandelsbetrieben (Nummer 2.2) und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben (Nummer 2.3) im Sinne von § 11 Absatz 3 BauNVO,
- Errichtung und Erweiterung von Factory-Outlet-Centern (Nummer 2.5),
- Erweiterung bestehender Einzelhandelsbetriebe zu großflächigen Einzelhandelsbetrieben,
- Umwandlung eines Großhandelsbetriebes ganz oder teilweise zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb,
- Änderung eines in der Baugenehmigung festgeschriebenen Warensortiments,
- Nutzungsänderungen von vorhandenen Gebäuden zu großflächigen Einzelhandelsbetrieben,
- Errichtung von mehreren jeweils nicht großflächigen Einzelhandelsbetrieben in räumlicher Nähe und zeitlichem Zusammenhang (Agglomeration, Nummer 3.5.1) sowie
- gemeinsame beziehungsweise ergänzende Ansiedlung mit Vergnügungs- beziehungsweise Freizeiteinrichtungen, die eine hohe Besucherfrequenz aufweisen. 2 Begriffe (nicht abschließende Erläuterungen)
2.1 Einkaufszentren (§ 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 BauNVO)
Der Begriff des Einkaufszentrums wird durch die Baunutzungsverordnung nicht definiert. Ein Einkaufszentrum im Rechtssinne ist ein von vornherein einheitlich geplanter, finanzierter, gebauter und verwalteter Gebäudekomplex mit mehreren Einzelhandelsbetrieben verschiedener Art und Größe - zumeist verbunden mit verschiedenartigen Dienstleistungsbetrieben (BVerwG, Urteil vom 27.04.1990 - 4 C 16.67 -, NVwZ 1990, 1074). Fehlt es an einer solchen einheitlichen Planung des Vorhabens kann gleichwohl ein Einkaufszentrum gegeben sein. Vo-raussetzung hierfür ist außer der engen räumlichen Konzentration mehrerer Einzelhandelsbetriebe ein Mindestmaß an äußerlich in Erscheinung tretender gemeinsamer Organisation und Kooperation, welche die Ansammlung mehrerer Betriebe zu einem planvoll gewachsenen und aufeinander bezogenen Ganzen werden lässt. Ein Beispiel für organisatorische und betriebliche Gemeinsamkeiten in diesem Sinne ist das gemeinsame Konzept (BVerwG, Urteil vom 27.04.1990 - 4 C 16.67 -, NVwZ 1990, 1074 (1075)).
Ein Einkaufszentrum kann sich auch nachträglich entwickeln, wenn mehrere Betriebe zu einem Einkaufszentrum zusammenwachsen. Dies setzt neben der erforderlichen räumlichen Konzentration weitergehend voraus, dass die einzelnen Betriebe aus der Sicht des Kunden als aufeinander bezogen, als durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung treten (BVerwG, Urteil vom 27.04.1990 - 4 C 16.67 -, NVwZ 1990, 1074 (1075)). Wird ein Einkaufszentrum nicht in einem Schritt, sondern stufenweise verwirklicht, sind die späteren Bauabschnitte immer dann nicht als isolierte Vorhaben zu behandeln, wenn sie sich nach Fertigstellung als Teil des bestehenden Einkaufszentrums darstellen. Dies ist etwa anzunehmen, wenn ein selbstständiger Bauantrag nicht zu einer isolierten planungsrechtlichen Beurteilung des späteren Abschnitts zwingt (BVerwG, Beschluss vom 15.02.1995 - 4 B 84/94 -, Juris). In der Baunutzungsverordnung ist anders als für großflächige Einzelhandelsbetriebe keine flächenmäßige Größe genannt, die für die Annahme eines Einkaufszentrums vorliegen muss. Der Begriff „Einkaufszentrum“ ist in erster Linie dem Zweck der Norm entsprechend zu definieren. § 11 Absatz 3 BauNVO liegt die Wertung zugrunde, dass Einkaufszentren vom Anlagentyp einem Sonderregime unterstehen. Deshalb sind Einkaufszentren in erster Linie von der bloßen Ansammlung von Läden abzugrenzen, wobei die Größe des Vorhabens nur eines von mehreren Indizien ist (BVerwG, Urteil vom 27.04.1990 - 4 C 16.67 -, NVwZ 1990, 1074 (1075)). Kennzeichnend für ein Einkaufszentrum ist die besondere Anziehungskraft auf Kunden durch den Eindruck eines „Zentrums“. Ob diese Wirkung von dem Vorhaben ausgeht, ist anhand der örtlichen Umstände, des Standorts, des Warenangebots und der Versorgungslage in der Kommune zu bestimmen.
Einkaufszentren können auch nicht über ein allgemein festgelegtes Warenangebot definiert werden. Der Einordnung des Vorhabens als Einkaufszentrum im Rechtssinne steht dabei grundsätzlich nicht die Beschränkung auf wenige Warengruppen und eine geringe Sortimentsvielfalt, etwa durch den Ausschluss von Waren des täglichen Bedarfs sowie von Dienstleistungen, entgegen. Es kommt weniger auf ein umfassendes Warenangebot als auf die räumliche Konzentration von Einkaufsmöglichkeiten an.
2.2 Großflächige Einzelhandelsbetriebe (§ 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 BauNVO)
Großflächige Einzelhandelsbetriebe sind in Abgrenzung zum sonstigen Handel planungsrechtlich eine eigenständige Nutzungsart. Einzelhandelsbetriebe sind Betriebe, die ausschließlich oder überwiegend an Endverbraucher verkaufen. Vom Begriff erfasst sind alle Arten von gewerblichen Verkaufsstellen, vom kleinen Ladenlokal bis zum großen Warenhaus. Eingegrenzt wird der Kreis der Einzelhandelsbetriebe durch das Merkmal der Großflächigkeit, das in § 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 BauNVO genannt ist. Großflächigkeit ist eine eigenständige Anwendungsvoraussetzung der Nummer 2, die von vornherein diejenigen Einzelhandelsbetriebe und Läden ausklammern soll, die nach ihrer Größe typischerweise der wohnungsnahen Versorgung in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 6 BauNVO dienen. Nachbarschaftsläden haben einen begrenzten Einzugsbereich und zählen ungeachtet der Tendenz zu einer Vergrößerung der Verkaufsflächen zu den Kleinformen des Einzelhandels, die der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung dienen. Das Merkmal der Großflächigkeit markiert demgegenüber die unterste Schwelle, ab der die Baunutzungsverordnung bei typisierender Betrachtungsweise die Möglichkeit unerwünschter raumordnerischer oder städtebaulicher Auswirkungen der Großformen des Handels sieht. Folglich beginnt die Großflächigkeit dort, wo üblicherweise die Größe solcher, der wohnungsnahen Versorgung dienenden Einzelhandelsbetriebe ihre Obergrenze findet. Diese Grenze zur Großflächigkeit beginnt bei 800 m2 Verkaufsfläche (BVerwG, Urteile vom 24.11.2005 - 4 C 10.04, 4 C 14.04, 4 C 3.05 und 4 C 8.05 -, http://www.bverwg.de/). Zum Begriff der Verkaufsfläche siehe Nummer 2.7.
Flächen im selben Gebäude, auf denen unterschiedliche Waren verkauft werden, sind unter bestimmten Bedingungen als Teile eines einheitlichen Einzelhandelsbetriebes anzusehen und sind damit bei der Berechnung der „Großflächigkeit“ zu berücksichtigen (sogenannte Funktionseinheit von Einzelhandelsbetrieben). Dies ist etwa für die Zusammenrechnung von bautechnisch und in den Betriebsabläufen jeweils eigenständigen Backshops und eines Zeitschriftengeschäfts in ein Lebensmittelgeschäft anzunehmen, nicht dagegen für die Zusammenrechnung eines Getränkefachhandels mit einem Lebensmitteldiscounter (BVerwG, Urteile vom 24.11.2005 - 4 C 10.04, 4 C 14.04, 4 C 3.05 und 4 C 8.05 -, www.bverwg.de).
2.3 Sonstige großflächige Handelsbetriebe (§ 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 BauNVO)
„Sonstige großflächige Handelsbetriebe“ sind Betriebe, die nicht ausschließlich Einzelhandel betreiben, Einzelhandelsbetrieben jedoch vergleichbar sind. Abzugrenzen sind diese Betriebe in erster Linie vom reinen Großhandel. Die Eigenschaft eines Großhändlers hat derjenige, der überwiegend an Wiederverkäufer veräußert oder überwiegend gewerbliche Verbraucher beliefert (BGH, Urteil vom 11.11.1977 - I ZR 179/75 -, NJW 1978, 267). Großhändler fallen nicht unter den Anwendungsbereich des § 11 Absatz 3 BauNVO.
Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 BauNVO unterscheiden sich vom reinen Großhandel dadurch, dass ein bestimmter Prozentsatz des Umsatzes (mehr als 10 Prozent) durch den Verkauf an Endverbraucher erzielt wird. Anhaltspunkte für einen umfangreichen Einzelhandel können dem Bauantrag entnommen werden (zum Beispiel Sortimentsbreite, Größe der Verkaufsflächen, der Kassenzonen und Anzahl der Stellplätze; vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 17.08.2000 - 4 UE 2634/95 -BRS 63 Nr. 84).
Ein Handelsunternehmen, welches für sich in Anspruch nimmt, einen reinen Großhandel zu betreiben, hat durch geeignete Maßnahmen für die Einhaltung dieser funktionalen Anforderungen zu sorgen (Anhaltspunkte für Maßnahmen bei Cash-and-Carry-Betrieben vgl. BGH, Urteil vom 30.11.1989 - I ZR 55/87 - NJW 1990, 1294).
2.4 Fachmärkte
Fachmärkte sind in der Regel großflächige Einzelhandelsbetriebe, die ein breites und oft auch tiefes Sortiment aus einem Warenbereich (zum Beispiel Bekleidungsfachmarkt, Schuhfachmarkt), einem Bedarfsbereich (zum Beispiel Sportfachmarkt, Baufachmarkt) oder einem Zielgruppenbereich (zum Beispiel Möbel- oder Haushaltswarenfachmarkt für designorientierte Kunden) in übersichtlicher Warenpräsentation bei tendenziell niedrigem bis mittlerem Preisniveau anbieten. Die Verkaufsverfahren sind Selbstbedienung und Vorwahl, meist mit der Möglichkeit einer fachlichen und sortimentsspezifischen Beratung auf Wunsch des Kunden. Serviceorientierte Fachmärkte bieten neben dem Warensortiment auch sortimentsbezogene oder selbstständig vermarktbare Dienstleistungen (zum Beispiel Reisen, Versicherungen), discountorientierte Fachmärkte verzichten häufig auf Beratung und Dienstleistungen zugunsten niedriger Preise, Spezialfachmärkte bieten einen Teil des breiteren Fachmarktsortiments an (zum Beispiel Fliesen oder Holz). Im Gegensatz dazu bieten Fachgeschäfte regelmäßig auf Verkaufsflächen unter 800 m2 ein branchenspezifisches oder bedarfsgruppenorientiertes Sortiment in großer Auswahl sowie in unterschiedlichen Qualitäten und Preislagen mit Bedienung und ergänzenden Dienstleistungen (zum Beispiel Kundendienst) an. Bei Spezialgeschäften beschränkt sich das Warenangebot auf den Ausschnitt des Sortiments eines Fachgeschäfts, es ist aber tiefer gegliedert und soll typischerweise besonders hohen Auswahlansprüchen genügen.
2.5 Factory-Outlet-Center (FOC)
Als Factory-Outlet-Center werden einheitlich geplante und errichtete bauliche Anlagen bezeichnet, in denen eine Vielzahl von Marken vom Hersteller beziehungsweise einem Konzessionär in separaten Ladeneinheiten preisreduziert an den Verbraucher veräußert werden (Hersteller-Direktverkaufzentren nach LEP B-B). Die Verkaufsfläche der geplanten und vorhandenen Factory-Outlet-Center ist grundsätzlich den standortbezogenen Verkaufsflächen hinzuzurechnen und bei Ansiedlungsentscheidungen zu berücksichtigen. Die durchschnittliche Verkaufsfläche der in Deutschland geplanten und vorhandenen Factory-Outlet-Center liegt bei ca. 15 000 m2. Bei Factory-Outlet-Centern handelt es sich regelmäßig um Einkaufszentren im Sinne von § 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 BauNVO (BVerwG, Urteil vom 01.08.2002 - 4 C 5/01 -, NVwZ 2003, 86 (87 f.)).
2.6 Geschossfläche
Grundnorm ist § 20 Absatz 3 BauNVO. Danach ist die Geschossfläche die Summe der jeweils nach den Außenmaßen bestimmten Grundflächen aller Vollgeschosse. Gemäß § 20 Absatz 4 BauNVO bleiben bei der Ermittlung der Geschossfläche Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO, Balkone, Loggien, Terrassen sowie bauliche Anlagen unberücksichtigt, soweit sie nach Brandenburgischer Bauordnung zulässig sind oder zugelassen werden können.
2.7 Verkaufsfläche
Der Begriff der Verkaufsfläche ist in der Baunutzungsverordnung nicht geregelt. Als planungsrechtlicher Begriff ist die Verkaufsfläche aus der Sicht des Städtebaurechts zu definieren; Fachdefinitionen der Handels- und Absatzwirtschaft können ergänzend herangezogen werden. In die Verkaufsfläche sind alle Flächen einzubeziehen, die vom Kunden betreten werden können oder die er - wie bei einer Fleischtheke mit Bedienung durch Geschäftspersonal - einsehen, aber aus hygienischen und anderen Gründen nicht betreten darf (BVerwG, Urteile vom 24.11.2005 - 4 C 10.04, 4 C 14.04, 4 C 3.05 und 4 C 8.05 -, http://www.bverwg.de/). Dabei kommt es nicht auf den Standort der Kassen an, so dass auch der Bereich, in den die Kunden nach der Bezahlung der Waren gelangen, einzubeziehen ist. Nicht zur Verkaufsfläche gehören dagegen die reinen Lagerflächen und abgetrennte Bereiche, in denen beispielsweise die Waren zubereitet und portioniert werden. Freiflächen und Verkehrsflächen vor den Läden zählen zur Verkaufsfläche, soweit dort dauerhaft und nicht nur kurzfristig Waren zum Verkauf angeboten werden. Als dauerhaft gilt eine Nutzung, wenn die Flächen über Zeiträume, die zusammengerechnet mehr als 50 Prozent der Öffnungszeiten eines Jahres ausmachen, zum Verkauf oder zur Ausstellung von Waren in Anspruch genommen werden. Zur Frage der Ermittlung und Erhebung von Verkaufsflächen wird auf Anlage 3 „Handbuch Einzelhandelserhebungen im Land Brandenburg“ verwiesen.
2.8 Sortimente
Als Sortiment wird die Gesamtheit der von dem jeweiligen Handelsbetrieb angebotenen Warenarten (-sorten) verstanden. Der typische Charakter des Betriebes wird von seinem Kernsortiment (zum Beispiel Möbel; Nahrungsmittel, Getränke usw.; Kleineisenwaren, Werkzeuge, Bauartikel und Ähnliches) bestimmt. Das Randsortiment dient der Ergänzung des Angebots und muss sich dem Kernsortiment deutlich unterordnen. Die Sortimentsbreite ist die Vielfalt der angebotenen Warengruppen; die Sortimentstiefe wird durch die Auswahl innerhalb der Warengruppen charakterisiert.
Zentrenrelevante Sortimente zeichnen sich dadurch aus, dass sie zum Beispiel
- viele Innenstadtbesucher anziehen,
- einen geringen Flächenanspruch im Verhältnis zur Wertschöpfung haben,
- häufig im Zusammenhang mit anderen Innenstadtnutzungen nachgefragt werden und
- überwiegend ohne Pkw transportiert werden können.
Bei zentrenrelevanten Sortimenten sind negative Auswirkungen auf die Zentrenstruktur, insbesondere auf die Innenstadtentwicklung zu erwarten, wenn sie überdimensioniert oder an nicht integrierten Standorten angesiedelt werden.
Nahversorgungsrelevante Sortimente sind vor allem die Waren des täglichen Bedarfs, insbesondere für die Grundversorgung mit Lebensmitteln. Sie sind zugleich eine Teilmenge der zentrenrelevanten Sortimente (siehe auch Anlage 1 - Sortimentsliste).
2.9 Kern- und Randsortimente
Das Randsortiment steht in einer Wechselbeziehung zum Kernsortiment. Das Randsortiment tritt lediglich zum Kernsortiment hinzu und ergänzt dieses mit solchen Waren, die eine gewisse Beziehung und Verwandtschaft mit den Waren des Kernsortiments haben. Zugleich muss das Angebot des Randsortiments dem Kernsortiment in seinem Umfang und seiner Bedeutung deutlich untergeordnet sein. Randsortimente sind damit nur solche Warengruppen, die einem bestimmten Kernsortiment als Hauptsortiment sachlich zugeordnet und hinsichtlich des Angebotsumfangs deutlich untergeordnete Nebensortimente sind. Nur unter Beachtung dieser Wechselbeziehung greift die Zulässigkeit eines durch bestimmte Branchenbezeichnungen gekennzeichneten Kernsortiments auch auf das der jeweiligen Branche zuzuordnende Randsortiment über.
2.10 Einzugsbereich
Der Einzugsbereich eines Einzelhandelsvorhabens ist neben lokalen Einflussgrößen auch ein wichtiger Indikator möglicher überörtlicher Auswirkungen auf die Versorgungssituation und Tragfähigkeit des Einzelhandels in benachbarten Gemeinden. Der Einzugsbereich kann nicht abstrakt bestimmt werden, sondern bedarf einer Abgrenzung unter Berücksichtigung des Standortes und des beabsichtigten Vorhabens. Die Einschätzung des Einzugsbereichs eines konkreten Vorhabens muss begründet und nachvollziehbar erfolgen; in der Regel wird dies durch ein Gutachten im Sinne der Anlage 2 gestützt. Dazu muss insbesondere über Intensitätsgradienten die Zentrenorientierung des Vorhabens ermittelt werden. Die Zentrenorientierung wird maßgeblich vom Standort und vom Angebot determiniert. Hinsichtlich des Standortes sind die Faktoren Erreichbarkeit, die Lage im System Zentraler Orte sowie die Nähe zu koppelungsrelevanten Einrichtungen zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Angebots muss die Verkaufsfläche, die Sortimentsbreite und -tiefe, der Branchenmix, die Markenvielfalt sowie die Positionierung im Qualitätsspektrum Berücksichtigung finden. Bei der Planung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben ist das Kongruenzgebot des LEP B-B zu beachten.
2.11 Zentrale Versorgungsbereiche
Der Begriff „Zentraler Versorgungsbereich“ umfasst Versorgungsbereiche unterschiedlicher Stufen, also insbesondere Innenstadtzentren vor allem in Städten mit größerem Einzugsbereich, Nebenzentren in Stadtteilen sowie Grund- und Nahversorgungszentren in Stadt- und Ortsteilen und nichtstädtischen Gemeinden.
In den Zentralen Versorgungsbereichen befinden sich insbesondere Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch Dienstleistungs- und Gastronomieangebote -, die eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus aufweisen (BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 7/07 -, BauR 2008, 315 (316)).
In Grund- und Nahversorgungszentren befinden sich häufig sogenannte „Magnetbetriebe“. Diese Einzelhandelsbetriebe sind für Kunden besonders attraktiv und führen deshalb zu einer erhöhten Frequentierung des Zentralen Versorgungsbereiches. Dem Magnetbetrieb kommt folglich eine Leitfunktion für den Standort zu, welche wiederum ein erhöhtes Schutzbedürfnis für die diese Versorgungsfunktion absichernden Betriebe auslöst (BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 7/07 -, BauR 2008, 315 (319)).
Die Erhaltung und Entwicklung Zentraler Versorgungsbereiche soll im Interesse der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Kommunen erfolgen.
3 Die Steuerungswirkung von § 11 Absatz 3 BauNVO
3.1 Allgemeines
§ 11 Absatz 3 BauNVO unterstellt Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe einem bauplanungsrechtlichen Sonderregime: Die vorgenannten Betriebe sind demnach nur in Kerngebieten und in für solche Betriebe ausdrücklich ausgewiesenen Sondergebieten zulässig.
§ 11 Absatz 3 BauNVO enthält in Satz 2 eine Legaldefinition des Begriffs „Auswirkungen“ im Sinne des § 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 BauNVO. In Satz 3 wird eine Regelvermutung für das Vorliegen von Auswirkungen im Sinne des § 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 BauNVO bei Vorhaben ab einer bestimmten Größe (1 200 m2 Geschossfläche) aufgestellt. In Satz 4 sind Ausnahmen von der Regelvermutung genannt.
Einkaufszentren unterliegen stets dem Sonderregime des § 11 Absatz 3 BauNVO (BVerwG, Urteil vom 01.08.2002 - 4 C 5/01 -, NVwZ 2003, 86 ff.). Demnach ist bei Einkaufszentren nicht zu prüfen, welche Auswirkungen vom Vorhaben konkret ausgehen. Insbesondere ist es nicht erforderlich, Kaufkraftabzüge konkret zu belegen. Vielmehr geht der Normgeber davon aus, dass sich die in § 11 Absatz 3 Satz 2 BauNVO bezeichneten Auswirkungen bei Einkaufszentren generell nicht ausschließen lassen. Eine Einzelfallprüfung erübrigt sich (BVerwG, Urteil vom 01.08.2002 - 4 C 5/01 -, NVwZ 2003, 86 ff.).
Bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben ist zu prüfen, ob diese dem Regime des § 11 Absatz 3 BauNVO unterliegen. § 11 Absatz 3 BauNVO sieht dies vor, wenn sie sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können (§ 11 Absatz 3 Nummer 2 BauNVO). Geschützt sind zum einen die Ziele der Raumordnung. Diese ergeben sich aus den Plänen der Landesplanung sowie den einzelnen (Teil-) Regionalplänen. Geschützt sind zum anderen die städtebauliche Entwicklung und Ordnung. Diese beziehen sich auf die städtebaulichen Belange, die insbesondere in § 1 Absatz 6 BauGB genannt sind.
In § 11 Absatz 3 Satz 2 bis 4 BauNVO wird ein Regelungssystem aufgestellt, wann Auswirkungen auf die Ziele der Raumordnung und Landesplanung sowie auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben anzunehmen sind.
3.2 Auswirkungen nach § 11 Absatz 3 Satz 2 BauNVO
Die in § 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 BauNVO genannten landesplanerischen oder städtebaulichen Auswirkungen werden in § 11 Absatz 3 Satz 2 BauNVO beispielhaft und nicht abschließend konkretisiert. Für die Anwendung von § 11 Absatz 3 BauNVO bedarf es nicht des konkreten Nachweises, dass Auswirkungen tatsächlich eintreten; es genügt vielmehr bereits die Möglichkeit des Eintretens solcher Auswirkungen.
§ 11 Absatz 3 Satz 2 BauNVO nennt beispielhaft folgende Auswirkungen:
- schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG)
- Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung
- auf den Verkehr
- auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich
- auf die Entwicklung Zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden
- auf das Orts- und Landschaftsbild und
- auf den Naturhaushalt.
Zu a) Schädliche Umwelteinwirkungen sind in § 3 BImSchG im Einzelnen genannt. Bei den Folgen der Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes geht es primär um Immissionen im Sinne des § 3 Absatz 2 BImSchG. Praktisch bedeutsam sind die Belastungen der Nachbarschaft durch Lärm und Abgase, die vom Autoverkehr und von der Anlage selbst ausgehen. Erfasst werden aber auch Umwelteinwirkungen, die aufgrund des Ansiedlungsvorhabens außerhalb der unmittelbaren Nachbarschaft auftreten (können), zum Beispiel wegen einer stärkeren Frequentierung von (vorhandenen) größeren Erschließungsstraßen und sonstigen Zufahrten.
Für die Beurteilung nach § 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 BauNVO sind sämtliche Auswirkungen maßgeblich, die nicht nur unwesentlich sind. Auswirkungen im Sinne einer Störung sind auch schon dann anzunehmen, wenn die zu erwartenden Belastungen noch nicht die Schwelle der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Absatz 1 BImSchG überschreiten. So kann die Zunahme des Lärms in einer ruhigen Wohnstraße nur um wenige dB (A) bereits eine „Auswirkung“ sein. Zur Vermeidung derartiger Auswirkungen müssen verkehrsintensive Bereiche wie Zufahrten, Anlieferung, Kundenstellplätze so angeordnet sein, dass Störungen von Wohnbereichen weitgehend ausgeschlossen sind.
Zu b) Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung liegen insbesondere vor, wenn die ordnungsgemäße verkehrliche Anbindung des Vorhabens nicht gewährleistet ist beziehungsweise das vorhandene Verkehrsnetz nach seiner Konzeption und Leistungsfähigkeit nicht auf das Vorhaben ausgerichtet ist. Dies gilt vor allem dann, wenn Einrichtungen des ÖPNV fehlen oder unzureichend dimensioniert sind.
Zu c) Auswirkungen auf den Verkehr sind anzunehmen, wenn vorhandene Verkehrseinrichtungen durch den vom Vorhaben ausgehenden zusätzlichen Verkehr überlastet beziehungsweise ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung entzogen werden oder wenn Verkehrsbehinderungen auftreten. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Wohnstraßen wesentlich zusätzlich belastet und dadurch zu Durchgangsstraßen werden, Straßenquerschnitte nicht mehr ausreichen, Linksabbieger den Geradeausverkehr behindern oder sich an Verkehrsknoten Staus entwickeln könnten.
Zu d) Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung können sich dadurch ergeben, dass durch die zu erwartende Kaufkraftbindung an einem Standort und dadurch zu erwartender Geschäftsaufgaben im Wohnbereich die ausreichende Nahversorgung, vor allem für nicht motorisierte Bevölkerungsgruppen, nicht mehr gewährleistet ist. Eine geordnete städtebauliche Entwicklung erfordert, dass die Nahversorgung für den kurzfristigen Bedarf insbesondere im Nahrungs- und Genussmittelbereich in der Regel noch in fußläufiger Entfernung möglich sein soll. Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Nahversorgung können sich aus einer Gegenüberstellung der Kaufkraft der Bevölkerung und der vorhandenen Verkaufsfläche je Einwohner im Einzugsbereich des Betriebes unter Berücksichtigung der Sortimentsverteilung und der Flächenproduktivität ergeben. Zur Ermittlung der Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung müssen die Versorgungsstrukturen im Einzugsbereich des Betriebes untersucht sowie die Veränderungen des Käuferverhaltens und die städtebaulichen Folgen prognostiziert werden.
Zu e) Auswirkungen auf die Entwicklung Zentraler Versorgungsbereiche in der Kommune oder in anderen Kommunen sind insbesondere Auswirkungen auf das Stadtzentrum oder die Neben- und Grundversorgungszentren in den Stadtteilen. Diese können bereits bestehen oder durch die verbindliche Bauleitplanung gesichert sein. Die Kommune kann durch die Ausweisung entsprechender Zentren eine Stärkung der Einzelhandelsstruktur auch in Subzentren erreichen. Auswirkungen können sich beispielsweise ergeben, wenn durch ein Einzelhandelsgroßprojekt außerhalb dieser Zentren eine in der Innenstadt oder im Ortskern eingeleitete, mit öffentlichen Mitteln geförderte städtebauliche Sanierungsmaßnahme nicht planmäßig fortgeführt werden kann. Auswirkungen auf die Entwicklung Zentraler Versorgungsbereiche in anderen Kommunen können sich ergeben, wenn der Einzugsbereich eines Einzelhandelsgroßprojektes den Zentralörtlichen Versorgungsbereich der Ansiedlungsgemeinde wesentlich überschreitet und die Entwicklung und Versorgungsfunktion von Kommunen im Einzugsbereich des Vorhabens beeinträchtigt.
Zu f) Das Orts- und Landschaftsbild kann unter städtebaulichen Aspekten (§ 1 Absatz 6 Satz 2 Nummer 4, § 34 Absatz 1 Satz 2, § 35 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5, § 172 BauGB) durch die Lage und die Größe des Betriebes tangiert sein. Mit dem Begriff „Ortsbild“ ist das bauliche Erscheinungsbild des Orts oder Ortsteils gemeint, auf den sich der Einzelhandelsgroßbetrieb auswirken kann; das Landschaftsbild kennzeichnet die im Wesentlichen unbebaute freie Natur. Nicht selten wirken Einzelhandelsgroßbetriebe aufgrund ungegliederter, wuchtiger Baukörper oder der benötigten Stellplatzbereiche in Ortsteilen mit kleinteiligen Baustrukturen störend. Anders als in § 35 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 BauGB, der erst bei einer Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbilds eingreift, reicht hier eine nicht nur unwesentliche Beeinträchtigung dieser Schutzgüter aus. Bei größeren Baumassen sind erhöhte Anforderungen an das Bauwerk auch hinsichtlich seines Maßstabs und der nicht zu bebauenden Freiflächen zu stellen.
Zu g) Auswirkungen auf den Naturhaushalt können durch eine Beeinträchtigung des Ökosystems gegeben sein. Zu untersuchen sind die Auswirkungen von Betrieben sowohl auf Leistungsfähigkeit und Wirkungsgefüge des Naturhaushalts als auch auf die einzelnen Bestandteile des Naturhaushalts, insbesondere auf Boden, Wasser, Luft und Klima (vgl. § 1 Absatz 6 Nummer 7 BauGB). Auswirkungen sind zum Beispiel gegeben bei einer Versiegelung von Freiflächen mit Stellflächen und Störungen von Frischluftschneisen durch wuchtige Betriebshallen (zum Erfordernis der Durchführung einer Umweltprüfung siehe Nummer 6.10.3).
3.3 Vermutungsregel nach § 11 Absatz 3 Satz 3 BauNVO
Nach § 11 Absatz 3 Satz 3 BauNVO sind Auswirkungen im Sinne von § 11 Absatz 3 Satz 2 BauNVO in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche des Betriebes 1 200 m2 überschreitet. Diese Vermutungsregel geht davon aus, dass die Verkaufsfläche erfahrungsgemäß in der Regel etwa zwei Drittel der Geschossfläche beträgt und eine Verkaufsfläche oberhalb von 800 m2 die in der Vorschrift genannten Auswirkungen haben kann (BVerwG, Urteile vom 24.11.2005 - 4 C 10.04, 4 C 14.04, 4 C 3.05 und 4 C 8.05 -, www.bverwg.de).
3.4 Ausnahme nach § 11 Absatz 3 Satz 4 BauNVO
Nach § 11 Absatz 3 Satz 4 BauNVO gilt die - widerlegliche - Vermutung des Satzes 3 nicht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1 200 m2 Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1 200 m2 Geschossfläche nicht vorliegen. § 11 Absatz 3 Satz 4 BauNVO benennt die Gesichtspunkte, die bei der Bewertung besonders zu berücksichtigen sind. Dazu gehören Gliederung und Größe der Kommune und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung und das Warenangebot des Betriebes.
- Gliederung und Größe der Kommune und ihrer Ortsteile
Mit dem Kriterium Gliederung und Größe der Kommune und ihrer Ortsteile trägt Satz 4 dem Umstand Rechnung, dass die städtebaulichen Folgen eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes maßgeblich davon abhängen, in welchem Umfeld er angesiedelt wird. In einer kleinen Gemeinde kann bereits ein Betrieb mit weniger als 1 200 m2 Geschossfläche Auswirkungen haben. - Sicherung der verbrauchernahen Versorgung
Der Begriff der Sicherung der verbrauchernahen Versorgung deckt sich inhaltlich mit dem Begriff der „konkreten städtebaulichen Situation“, wie er vor Einführung des § 11 Absatz 3 Satz 4 BauNVO (im Jahr 1986) durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verwendet wurde (BVerwG, Urteil vom 03.02.1984 - 4 C 54.80 -, BVerwGE 68, 342). Demnach ist die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung (vgl. auch § 1 Absatz 6 Nummer 8 Buchstabe a BauGB) etwa dann nicht nachteilig betroffen, wenn der beantragte Betrieb eine Unterversorgung der Ortsteile in seinem Einzugsbereich mit Waren des täglichen und des kurzfristigen Bedarfs beseitigt oder eine Gefährdung städtebaulich integrierter Einzelhandelsbetriebe wegen eines schmalen Warensortiments ausgeschlossen ist. Im Falle der Unterversorgung sind noch nicht verwirklichte Planungen zur Schaffung Zentraler Versorgungsbereiche zu berücksichtigen. Eine Ausnahme ist auch dann gegeben, wenn der Betrieb in zentraler und für die Wohnbevölkerung allgemein gut erreichbarer Lage errichtet werden soll, soweit die vorhandene oder angestrebte Zentrenstruktur nicht gestört wird (BVerwG, Urteil vom 03.02.1984 - 4 C 54.80 -, BVerwGE 68, 342).
Die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung wird insbesondere durch den Lebensmittelhandel wahrgenommen (Bericht der Arbeitsgruppe Strukturwandel im Lebensmitteleinzelhandel und § 11 Absatz 3 BauNVO). Demnach kommt dem Lebensmitteleinzelhandel eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die Sicherung einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung zu, so dass von großflächigen Lebensmitteleinzelhandelsbetrieben in größeren Kommunen und Ortsteilen auch oberhalb der Regelvermutungsgrenze von 1 200 m2 Geschossfläche aufgrund einer Einzelfallprüfung dann keine negativen Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung und den Verkehr ausgehen können, wenn:- der Non-Food-Anteil weniger als 10 Prozent der Verkaufsfläche beträgt und
- der Standort verbrauchernah und hinsichtlich des induzierten Verkehrsaufkommens „verträglich“
- sowie städtebaulich integriert ist.
- Warenangebot des Betriebes
Bei der Beurteilung, ob eine Ausnahme vorliegt, kann das Warenangebot maßgeblich sein. Das Kriterium des Warenangebotes deckt sich inhaltlich weitestgehend mit dem Begriff der „betrieblichen Besonderheit“, den das Bundesverwaltungsgericht vor Einführung des § 11 Absatz 2 Satz 4 BauNVO verwendet hat.
Mit diesem Kriterium wird dem Umstand Rechnung getragen, dass aufgrund des besonderen Warenangebotes bestimmte Betriebe ausnahmsweise trotz ihrer Größe keine Auswirkungen im Sinne des § 11 Absatz 3 BauNVO haben können. Diese Ausnahme ist anzunehmen, wenn Waren mit einem typischerweise großen Flächenbedarf verbunden sind und die Waren geringe Zentrenrelevanz haben. Dazu zählen Fachmärkte, die nur großflächig betrieben werden können, insbesondere Baustoff- und Baumärkte, Möbelmärkte, Märkte für Bodenbeläge, Garten-, Reifen- und Kraftfahrzeugmärkte. Weitere Ausnahmen können vorliegen, wenn der Betrieb beschränkt ist auf ein schmales Warensortiment (zum Beispiel Gartenbedarf), bei Artikeln, die üblicherweise mit handwerklichen Dienstleistungen angeboten werden (zum Beispiel Kfz-Handel mit Werkstatt), und bei Artikeln, die in einer gewissen Beziehung zu gewerblichen Nutzungen stehen (zum Beispiel Baustoffhandel, Büromöbelhandel).
Bei Vorhaben mit mehr als 800 m2 Verkaufsfläche ist im Sinne einer typisierenden Betrachtungsweise ohne besondere Prüfung von Auswirkungen im Sinne von § 11 Absatz 3 Satz 2 BauNVO auszugehen, wenn der Antragsteller nicht eine atypische Fallgestaltung geltend macht. Greift die Regelvermutung ein, erübrigt sich eine Beweisaufnahme zu den möglichen Auswirkungen des Betriebes (BVerwG, Beschluss vom 09.07.2002 - 4 B 14/02 -, ZfBR 2002, 805 ff.).
Die in Satz 4 genannten Kriterien sind nicht abschließend. Auch andere Ausnahmen sind denkbar, etwa bei einer erheblichen Abweichung des Verhältnisses von Geschossfläche zur Verkaufsfläche. Eine derartige erhebliche Abweichung ist anzunehmen, wenn zwar die Geschossfläche 1 200 m2 überschreitet, aber die Verkaufsfläche wesentlich unter 800 m2 liegt.
3.5 Prüfung von Auswirkungen im Sinne des § 11 Absatz 3 Satz 2 BauNVO
Greift die Vermutungsregel wegen des Vorliegens einer atypischen Fallgestaltung nicht ein, ist im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls aufzuklären, ob der zur Genehmigung gestellte großflächige Einzelhandelsbetrieb mit Auswirkungen der in § 11 Absatz 3 Satz 2 BauNVO genannten Art verbunden sein wird oder sein kann (BVerwG, Beschluss vom 09.07.2002 - 4 B 14/02 -, ZfBR 2002, 805 ff.).
Die atypische Fallgestaltung kann nicht losgelöst von der Größenordnung des Vorhabens beurteilt werden. Auch bei Vorhaben mit einem schmalen Warensortiment und nicht-zentrenrelevanten Kernsortimenten wie zum Beispiel Möbelhäusern, Bau- und Heimwerkermärkten sowie Gartencentern können aufgrund der Größe des Vorhabens Auswirkungen auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich, auf das Orts- und Landschaftsbild oder auf den Naturhaushalt vorliegen. Außerdem sind bei solchen Vorhaben aufgrund der branchen-üblichen zentren- und nahversorgungsrelevanten Randsortimente Auswirkungen auf die Entwicklung Zentraler Versorgungsbereiche in der Ansiedlungsgemeinde oder in benachbarten Gemeinden möglich und daher auch zu prüfen. Zur Abgrenzung der nicht-zentrenrelevanten Sortimente und der zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortimente wird auf die Anlage 1 hingewiesen.
Bei der Zulassung eines Vorhabens aufgrund einer atypischen Fallgestaltung wird es in der Regel erforderlich sein, die Sortimente im Bebauungsplan und gegebenenfalls in der Baugenehmigung festzuschreiben. Die zulässigen Sortimente sollten als Positivliste oder die unzulässigen Sortimente als Negativliste - gegebenenfalls flächenmäßig begrenzt - Bestandteil der Antragsunterlagen sein oder in der Baugenehmigung festgeschrieben werden.
Ferner besteht auch die Möglichkeit, die Sortimente zusätzlich zu den Festsetzungen im Bebauungsplan über vertragliche Vereinbarungen ergänzend und detailliert festzuschreiben. Dieses kann auch über einen städtebaulichen Vertrag nach § 11 BauGB oder einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 BauGB erfolgen. Entsprechende Sicherungsklauseln sollten zudem im jeweiligen Vertragswerk vorgesehen werden. Grundsätzlich ist dabei auf eine widerspruchsfreie Ergänzung zwischen Festsetzungen und Vertragsinhalt abzustellen, da sich eine aus dem Bebauungsplan ergebende Zulässigkeit eines Vorhabens in der Regel nicht durch Vertrag einschränken lässt.
3.5.1 Sonderfall Agglomeration
Auswirkungen im Sinne von § 11 Absatz 3 Satz 2 BauNVO können sich auch durch eine Agglomeration von mehreren kleineren Betrieben ergeben, wenn diese selbst zwar jeweils unter 1 200 m2 Geschossfläche liegen, aber in räumlichem und zeitlichem Zusammenhang zueinander errichtet werden beziehungsweise zu vorhandenen Betrieben neue Betriebe unter 1 200 m2 Geschossfläche hinzutreten oder vorhandene Betriebe entsprechend erweitert oder umgenutzt werden sollen. Solche als isolierte Einzelfälle gegebenenfalls für sich unbedenkliche Vorhaben müssen in ihrem Zusammenwirken gesehen werden und können durch eine derartige Agglomeration gemeinsam zu Vorhaben im Sinne des § 11 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 BauNVO, wenn nicht sogar zu einem Einkaufszentrum werden (Nummer 2.1). Auf die Zulässigkeitsbeschränkung durch § 15 BauNVO wird hingewiesen (Nummer 7.5).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 24.11.2005 (- 4 C 8/05 -, www.bverwg.de) besonders darauf verwiesen, dass Regelungsgegenstand des § 11 Absatz 3 BauNVO allein „der einzelne Betrieb“ ist. Bei der Zulässigkeitsbetrachtung muss daher geprüft werden, ob es sich bei den Vorhaben um selbstständige Betriebe handelt. Dies bestimmt sich nach baulichen und betrieblich-funktionalen Gesichtspunkten. Ein selbstständiger Einzelhandelsbetrieb liegt nur dann vor, wenn er unabhängig von anderen Einzelhandelsbetrieben genutzt werden kann und deshalb baurechtlich auch als eigenständiges Bauvorhaben genehmigungsfähig wäre. Kriterien dafür können sein: Die Verkaufsstätte verfügt über einen eigenen Eingang, eine eigene Anlieferung und eigene Personalräume. Zudem muss sie unabhängig von anderen Betrieben geöffnet und geschlossen werden können. Ohne Belang ist es, wer der rechtliche oder wirtschaftliche Betreiber ist.
Liegen in diesem Sinne baulich und funktionell eigenständige Betriebe vor, so dürfen die Verkaufsflächen nicht zusammengerechnet werden. Dies gilt grundsätzlich auch dann - so das Bundesverwaltungsgericht -, wenn diesen Betrieben ein gemeinsames Nutzungskonzept zugrunde liegt und die dargebotenen Sortimente einander ergänzen.
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt mit dem Urteil vom 18. Dezember 2012 (BVerwG 4 B 3.12) die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz (OVG Rheinland-Pfalz vom 03.11.2011 OVG 1 A 10270/11), dass mehrere Fachmärkte unabhängig von Eigentumssituationen zusammen ein Einkaufszentrum bilden können, und stellt nochmals die Begründung innerhalb des Urteils vom 15. Februar 1995 heraus (BVerwG 4 B 84.94), die besagt, dass Betriebe, die sich bereits aus der Sicht des Kunden als aufeinander bezogen darstellen, ein Einkaufszentrum bilden können.
Eine Zusammenrechnung ist jedenfalls innerhalb eines Gebäudes dann vorzunehmen, wenn ein Betrieb als „Hauptbetrieb“ dominiert und die anderen Betriebe hinter diesen deutlich zurücktreten, so dass deren Warenangebot nur als Randangebot vom Verbraucher wahrgenommen wird. Unter welchen Voraussetzungen ein Haupt- und ein Nebenbetrieb in diesem Sinne anzunehmen sind, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls (BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 8/05 -, www.bverwg.de, S. 5). Für eine betriebliche Einheit spricht, dass die für die „Nebenbetriebe“ in Anspruch genommenen Flächen deutlich hinter denjenigen des Hauptbetriebes zurückbleiben und nach der Verkehrsanschauung aus der Sicht des Verbrauchers ein Randangebot als zum Hauptbetrieb zugehörig gesehen wird. Baulich gesondert nutzbare Betriebsflächen bilden somit dann eine betriebliche Einheit mit einem Hauptbetrieb, wenn auf diesen ein ergänzendes Angebot erbracht wird. Dies ist insbesondere der Fall, wenn nach der Verkehrsanschauung der kleinere Bereich ebenso in die Verkaufsfläche des größeren Betriebes einbezogen sein könnte.
Ausdrücklich offen gelassen hat das Bundesverwaltungsgericht allerdings die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen baulich selbstständig nutzbare Verkaufsstätten einen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Absatz 3 BauNVO bilden können, wenn sie nicht in einem Gebäude untergebracht sind (BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 8/05 -, www.bverwg.de, S. 5; BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 14/04 -, NVwZ 2006, 455 (456)). Zu beachten ist aber, dass das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsprechung zur „Funktionseinheit“ ausdrücklich aufgegeben hat.
Durch die Aufstellung von Bebauungsplänen und die Beschränkung beziehungsweise den Ausschluss weiterer Einzelhandelsbetriebe kann die Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben unterbunden werden.
3.5.2 Sonderfall gemeinsame beziehungsweise ergänzende Ansiedlung mit Freizeiteinrichtungen mit hoher Besucherfrequenz
Aufgrund des großen Einzugsbereichs von Einkaufszentren (insbesondere FOC), großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben und der entsprechend hohen Besucherfrequenz besitzen diese Einzelhandelsformen eine hohe Attraktivität zur zusätzlichen Ansiedlung von Freizeiteinrichtungen (zum Beispiel Multiplex-Kinos, Spaßbäder). Dieses kann zum Entstehen sogenannter „Erlebnis-Welten“ führen.
Eine gemeinsame beziehungsweise bei bestehenden Einzelhandelsbetrieben ergänzende Ansiedlung von Freizeiteinrichtungen kann dazu führen, dass die bis dahin noch tragbaren Auswirkungen eines bestehenden, zulässigerweise errichteten Einzelhandelsbetriebes so verstärkt werden, dass es zu negativen Auswirkungen im Sinne von § 11 Absatz 3 Satz 2 BauNVO kommen kann, insbesondere die verkehrlichen Auswirkungen sind dabei zu beachten. Auch bei gemeinsamer Planung von Einzelhandel und Freizeiteinrichtungen ist daher schon im Rahmen des Planungsverfahrens zu belegen, dass keine negativen Auswirkungen zu erwarten sind. Die Erfordernisse der Raumordnung zur Steuerung großflächigen Einzelhandels (siehe Nummer 4) sind zu berücksichtigen. Auch bei der zusätzlichen Ansiedlung von großen Freizeitanlagen prüft die Gemeinsame Landesplanungsabteilung, ob für diese nach § 1 Nummer 15 der Raumordnungsverordnung (RoV) ein Raumordnungsverfahren durchzuführen ist.
3.6 Darlegungslast
Die Darlegungslast für das Vorliegen einer atypischen Fall-gestaltung trägt der Antragsteller, wenn es sich um ein Vorhaben handelt, das die Grenze von 1 200 m2 Geschossfläche überschreitet. Dazu muss der Antragsteller das Vorliegen bestimmter atypischer Abweichungen von der der Regelvermutung zugrunde liegenden typischen betrieblichen oder städtebaulichen Situation unter Beweis stellen (BVerwG, Beschluss vom 09.07.2002 - 4 B 14/02 -, ZfBR 2002, 805 ff.). Der Antrag darf sich nicht auf die Klärung betrieblicher Auswirkungen beziehen, da insoweit die Regelvermutung des § 11 Absatz 3 BauNVO greift. Das bedeutet, dass der Antragsteller konkret vortragen muss, warum eine Ausnahmesituation besteht. Bei Nichterweislichkeit der Tatsache, die die Ausnahme begründen soll, greift die Regelvermutung des § 11 Absatz 3 Satz 3 BauNVO ein.
Handelt es sich dagegen um ein Vorhaben, das unterhalb der Grenze von 1 200 m2 Geschossfläche liegt, fällt es in die Darlegungslast der Behörde, zu begründen, warum eine Ausnahme von der Regelvermutung vorliegt.
3.7 Gutachten
Da die Auswirkungen großflächiger Einzelhandelsprojekte je nach Standort, Verkaufsflächengröße und Sortimenten unterschiedlich sind, sollte im Hinblick auf die Auswirkungen des geplanten Projektes ein unabhängiges Gutachten erstellt werden. Die Anforderungen an die Anfertigung von Gutachten sind den Erfordernissen des Einzelfalls anzupassen. In einfach gelagerten Fällen kann eine gutachtliche Stellungnahme beziehungsweise eine detaillierte Projektbeschreibung als Beurteilungsgrundlage ausreichen. Der Inhalt des Gutachtens sollte sich - je nach Umfang und Zweckbestimmung des Projektes - an der in Anlage 2 dargestellten „Arbeitshilfe/Checkliste für Gutachten betreffend großflächige Einzelhandelsvorhaben“ orientieren. Die Festlegung der Gutachteninhalte sollte in enger Abstimmung mit der Kommune erfolgen. Bei Durchführung eines Raumordnungsverfahrens werden die inhaltlichen Anforderungen an ein Gutachten im Ergebnis der Antragskonferenz für den jeweiligen Einzelfall von der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung formuliert und dem Antragsteller übergeben. Gutachten stellen eine wichtige Basis dar, um zu prüfen, ob das Vorhaben unter Beachtung und Berücksichtigung der raumordnerischen und städtebaulichen Ziele und Grundsätze hinsichtlich seiner Auswirkungen an der vorgesehenen Stelle, im vorgesehenen Umfang und mit den vorgesehenen Sortimenten vertretbar ist.
4 Raumordnerische Steuerung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen
Die raumordnerische Steuerung bezieht sich auf Bauleitplanungen zur Errichtung oder zur Erweiterung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen im Sinne von § 11 Absatz 3 BauNVO einschließlich der Erweiterung kleinerer Betriebe zu großflächigen Einzelhandelsbetrieben. Maßgeblich für die Aufstellung und die Änderung von Bauleitplänen sind die in den Raumordnungsplänen (zurzeit Landesentwicklungsprogramm und Landesentwicklungspläne) in der jeweils geltenden Fassung festgelegten Ziele und Grundsätze der Raumordnung. Hinweise für die Anwendung sind den jeweiligen Begründungen zu den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung zu entnehmen.
5 Raumordnungsverfahren
Großflächige Einzelhandelsvorhaben im Sinne des § 11 Absatz 3 BauNVO sind nach § 1 Nummer 19 der Raumordnungsverordnung (RoV) grundsätzlich einem Raumordnungsverfahren zu unterziehen, wenn sie im Einzelfall raumbedeutsam sind und überörtliche Bedeutung haben (§ 1 Satz 1 RoV). Die Festlegung einer bestimmten Geschossflächenzahl ist dabei nicht in die RoV aufgenommen worden, da die Raumrelevanz etwaiger Vorhaben wesentlich von der Siedlungsstruktur abhängt: In ländlichen Räumen trifft dies bereits auf kleinere Betriebe zu; in verdichteten Räumen kann die Vermutungsregelung des § 11 Absatz 3 BauNVO auch im Einzelfall überschritten werden.
Durch das Raumordnungsverfahren gemäß § 15 ROG in Verbindung mit Artikel 16 des Landesplanungsvertrages (LPlV) wird festgestellt, ob raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen mit den Erfordernissen der Raumordnung übereinstimmen und wie diese unter den Gesichtspunkten der Raumordnung aufeinander abgestimmt beziehungsweise durchgeführt werden können (Raumverträglichkeitsprüfung). Nach § 1 Absatz 2 Satz 1 der Gemeinsamen Raumordnungsverfahrensverordnung (GROVerfV) schließt das Raumordnungsverfahren in der Regel eine raumordnerische Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Planungsstand des Vorhabens im Sinne des § 16 Absatz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) ein. Nach § 2 GROVerfV entscheidet die Gemeinsame Landesplanungsabteilung auf Antrag des Vorhabenträgers oder von Amts wegen innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Vorlage einer allgemeinverständlichen Projektbeschreibung und einer kartografischen Darstellung über das Erfordernis, ein Raumordnungsverfahren durchzuführen. Wesentliche Beurteilungskriterien sind Raumbedeutsamkeit, Überörtlichkeit und Abstimmungsbedürftigkeit des Vorhabens. Gemäß Artikel 16 Absatz 2 LPlV kann unter bestimmten Bedingungen von einem Raumordnungsverfahren abgesehen werden. Sofern ein Raumordnungsverfahren durchgeführt wird, legt der Träger der Planung oder Maßnahme dafür die Verfahrensunterlage vor, die neben den Anforderungen der §§ 2 und 3 GROVerfV insbesondere den Festlegungen der Antragskonferenz entsprechen.
Soweit ein Raumordnungsverfahren durchgeführt wurde, ist
- das Ergebnis im Rahmen der Bauleitplanung durch die Gemeinde nach § 4 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Nummer 4 ROG als sonstiges Erfordernis der Raumordnung bei der Abwägung zu berücksichtigen und
- bei der Genehmigung von Bauleitplänen zu überprüfen, ob eine sachgerechte Berücksichtigung in der Abwägung erfolgt ist.
6 Kommunale Planung
6.1 Anfrage nach den Zielen der Raumordnung
Bei der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen hat die Gemeinde nach Artikel 12 LPlV bei der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung anzufragen, welche Ziele der Raumordnung für den Planbereich bestehen (Erlass zu den Anfragen nach den Zielen, Grundsätzen und sonstigen Erfordernissen der Raumordnung, Zielanpassung im Rahmen der Behördenbeteiligung und Auskunftspflicht über das Inkrafttreten eines Bauleitplanes vom 10. August 2005, ABl. S. 946). Soweit informelle Planungen wie zum Beispiel integrierte Stadtentwicklungskonzepte oder Einzelhandels- und Zentrenkonzepte erstellt werden, soll hierfür ebenfalls eine Anfrage bei der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung durchgeführt werden, da diese Konzepte eine wichtige gesamtstädtische und konzeptionelle Grundlage für die verbindliche Bauleitplanung zur Steuerung des Einzelhandels darstellen und bei entsprechender Beschlussfassung gemäß § 1 Absatz 6 Nummer 11 BauGB bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen sind.
6.2 Zielanpassung
Gemäß § 1 Absatz 4 BauGB sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Ziele der Raumordnung sind für die Bauleitplanung unmittelbar bindende Vorgaben und nicht Gegenstand der Abwägung nach § 1 Absatz 7 BauGB. Die Gemeinsame Landesplanungsabteilung ist im Rahmen der Behördenbeteiligung gemäß § 4 Absatz 2 BauGB nochmals zu beteiligen, um eine Stellungnahme zur Anpassung des Bauleitplanes an die Ziele der Raumordnung abgeben zu können. Für Bebauungspläne ist in diesem Rahmen die vollständige und gegebenenfalls aktualisierte Flächenbilanz vorzulegen. Diese Beteiligungsschritte sollten auch bei der Aufstellung von informellen Planungen erfolgen (siehe Nummer 6.1).
6.3 Auskunftspflicht über das Inkrafttreten eines Bauleitplanes
Gemäß Artikel 20 LPlV hat die Gemeinde das Inkrafttreten eines Bauleitplanes unverzüglich der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung und bei kreisangehörigen Gemeinden zusätzlich dem Landrat als allgemeine Untere Landesbehörde mitzuteilen. Ein Exemplar des in Kraft getretenen Bauleitplanes ist der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung für die Datenerfassung im Planungsinformationssystem vorübergehend zur Verfügung zu stellen.
6.4 Einzelhandelskonzepte
6.4.1 Gemeindliche Einzelhandelskonzepte
Mit der Aufstellung von gemeindlichen Einzelhandelskonzepten und der planungsrechtlichen Absicherung dieser Konzepte durch Bauleitpläne können die Kommunen ihre Zentralen Versorgungsbereiche entwickeln und eine ausgewogene Versorgungsstruktur gewährleisten. Die Erarbeitung von Einzelhandelskonzepten sollte in der Regel eingebettet sein in eine integrierte kommunale Entwicklungsplanung, in der sowohl die Belange der sektoralen Planungen als auch die der übergeordneten Planungen Berücksichtigung finden. Einzelhandelskonzepte schaffen einerseits eine Orientierungs- und Beurteilungsgrundlage für die Bauleitplanung zur Beurteilung von Vorhaben und andererseits Planungs- und Investitionssicherheit für den Einzelhandel, Investoren und Grundstückseigentümer. Einzelhandelskonzepten kommt zudem Bedeutung zu
- im Rahmen des Abstimmungsgebots gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2 BauGB,
- bei der Zulassung von Einzelhandelsvorhaben im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 Absatz 3 und 3a BauGB,
- bei der Aufstellung eines Bebauungsplans nach § 9 Absatz 2a BauGB und
- bei der Anwendung von § 171f BauGB (private Initiativen der Stadtentwicklung, zum Beispiel Business Improvement Districts).
Die im Rahmen der Erarbeitung der Einzelhandelskonzepte mitunter ermittelten Verkaufsflächenzahlen sind im Allgemeinen nur (fortschreibungsbedürftige) Orientierungswerte, die für die Beurteilung eines Einzelstandortes in der Regel einer weiteren Untersetzung bedürfen. Die Einzelhandelskonzepte sollen insbesondere einen Überblick über vorhandene und potenzielle Einzelhandelsstandorte und deren Entwicklungspotenziale geben und Aussagen zu den einzelhandelsspezifischen Qualitäten (zum Beispiel besondere Sortimentsstruktur, Lagegunst, Synergien) und Quantitäten (zum Beispiel Verkaufsflächengrößen, Erweiterungsmöglichkeiten) enthalten.
In den Einzelhandelskonzepten legen die Kommunen ihre Entwicklungsziele für den Einzelhandel fest, dazu gehört die angestrebte Einzelhandelsausstattung für die angemessene Versorgung der Bevölkerung. Die Kommunen bestimmen ferner die Standorte für die weitere Entwicklung des Einzelhandels (Zentrenstruktur wie Nahversorgungszentren, Neben- und Stadtteilzentren, Kerngebiete in der Innenstadt für die mittel- und oberzentrale Versorgung, Sondergebiete).
Die Einzelhandelskonzepte sind nach Beschluss durch den Gemeinderat als „sonstige städtebauliche Planungen“ im Sinne des § 1 Absatz 6 Nummer 11 BauGB bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen. Abweichungen von den Inhalten eines beschlossenen Einzelhandelskonzeptes sind zu vermeiden, denn je häufiger von den Inhalten des Konzeptes abgewichen wird, desto unbedeutender und von geringerem Gewicht ist dessen Bedeutung als abwägungsbeachtlicher Belang in nachfolgenden Planverfahren (BVerwG, Urteil vom 29.01.2009 - 4 C 16/07 -, BauR 2009, 1249).
Bei der Aufstellung der Einzelhandelskonzepte ist insbesondere eine Beteiligung der Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Organisationen des Einzelhandels sowie eine Abstimmung mit den betroffenen Nachbargemeinden im Sinne einer freiwilligen interkommunalen/regionalen Abstimmung zu empfehlen.
6.4.2 Interkommunale Einzelhandelskonzepte
In Regionen, in denen ein besonders starker Ansiedlungsdruck durch den Einzelhandel besteht, kann es erforderlich sein, dass über die gemeindlichen Einzelhandelskonzepte hinaus auch interkommunale Einzelhandelskonzepte erarbeitet werden müssen. Durch diese ist sicherzustellen, dass zum einen eine Verschärfung einer schädlichen interkommunalen Konkurrenzsituation vermieden wird und zum anderen eine abgestimmte, raumverträgliche Steuerung der Einzelhandelsentwicklung gewährleistet wird. Unter Umständen kann ein interkommunal abgestimmtes Konzept auch zur Nutzung von Synergieeffekten beitragen. In diesen Konzepten sollen sich Nachbargemeinden auf die Dimensionierung von (potenziellen) Einzelhandelsflächen einigen.
Die Einzelhandelskonzepte sollten von den Kommunen selbst oder in deren Auftrag erarbeitet werden. Einzelhandelskonzepte können als Entscheidungshilfe für die Kommunen dienen. Die Kommunen können ihnen durch entsprechende Beschlüsse auch den Stellenwert einer informellen Planung geben. Dann wären diese gemäß § 1 Absatz 6 Nummer 11 BauGB bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen (siehe auch Nummer6.4.1). Gemäß den Grundsätzen 2.10 und 2.11 des LEP B-B sollen Zentrale Orte in Funktionsteilung untereinander sowie generell die Zentralen Orte mit den Gemeinden ihres Mittelbereichs interkommunale Abstimmungen zu relevanten Fragen der Daseinsvorsorge und der interkommunalen Entwicklung treffen. Hierbei ist die Abstimmung zur Entwicklung des Einzelhandels von besonderer Bedeutung.
Bei der Erarbeitung eines interkommunalen Einzelhandelskonzeptes haben die Kommunen darauf hinzuwirken, dass die erwarteten Vor- und Nachteile annähernd gleichmäßig auf die beteiligten Kommunen verteilt sind und dass der erarbeitete Konsens zügig in verbindliche Formen überführt wird, zum Beispiel als interkommunale beziehungsweise landesplanerische Verträge. Ein anerkannter Mediator, der keine Partikularinteressen vertritt, sollte den Konsensbildungsprozess moderieren.
6.5 Standortgemeinschaft
Die Kommunen sollen darauf hinwirken, dass Standortgemeinschaften zwischen Einzelhändlern und Immobilieneigentümern gegründet werden. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass für einen räumlich begrenzten Bereich aus eigener Initiative und eigenen Mitteln Maßnahmen zur Verbesserung des geschäftlichen beziehungsweise städtischen Umfeldes ergriffen werden. Eine Möglichkeit, über eine gemeindliche Satzung ohne spezialgesetzliche Ermächtigung eine derartige Standortgemeinschaft zu gründen, besteht nicht (siehe auch Nummer 6.6). Die Kommunen haben darauf hinzuwirken, dass sich Standortgemeinschaften auf freiwilliger Basis zusammenschließen. Als Mitglieder sollen weitere Partner wie die Industrie- und Handelskammern und Stadtmarketingagenturen einbezogen werden. Unter den Mitgliedern einer Standortgemeinschaft sollte in regelmäßigen Abständen eine Evaluierung der Maßnahmen vorgenommen werden.
6.6 Private Initiativen zur Stadtentwicklung (§ 171f BauGB) - Business Improvement Districts (BID)
§ 171f BauGB wurde durch das Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3316) in das Baugesetzbuch aufgenommen. Danach können nach Maßgabe des Landesrechts (unbeschadet sonstiger Maßnahmen nach dem Baugesetzbuch) Gebiete festgelegt werden, in denen in privater Verantwortung standortbezogene Maßnahmen durchgeführt werden, die auf der Grundlage eines mit den städtebaulichen Zielen der Kommune abgestimmten Konzepts der Stärkung oder Entwicklung von Bereichen der Innenstädte, Stadtteilzentren, Wohnquartiere und Gewerbezentren sowie von sonstigen für die städtebauliche Entwicklung bedeutsamen Bereichen dienen. Zur Finanzierung der Maßnahmen und gerechten Verteilung des damit verbundenen Aufwands können durch Landesrecht Regelungen getroffen werden.
In Brandenburg liegt eine entsprechende landesgesetzliche Regelung nicht vor. Wenn ein solcher Bedarf seitens der Kommunen geäußert wird, kann eine solche erarbeitet werden.
6.7 Planungserfordernis nach § 1 Absatz 3 BauGB
Bei der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßbetrieben erfordert der Flächenbedarf der Vorhaben und das Koordinierungsbedürfnis der von den Planungen berührten öffentlichen und privaten Belange in der Regel eine förmliche Bauleitplanung (§ 1 Absatz3 BauGB). Das Planungserfordernis nach § 1 Absatz 3 BauGB ergibt sich bei Vorhaben im Sinne des § 11 Absatz 3 BauNVO aus der erforderlichen qualifizierten Abstimmung nach § 2 Absatz 2 BauGB. Da Vorhaben, die von § 11 Absatz 3 BauNVO erfasst sind, einem Sonderregime stets unterstehen und ein qualifiziertes Abstimmungsbedürfnis im Sinne von § 2 Absatz 2 BauGB auslösen, sind Bauleitpläne gemäß § 1 Absatz 3 BauGB im Grundsatz immer erforderlich. Die Gewährleistung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erfordert die laufende Beobachtung des Baugeschehens und gegebenenfalls notwendige Anpassungsmaßnahmen, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Zur Feststellung der gesetzlichen Planungspflicht haben die Kommunen solche Gebiete innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ohne bauplanungsrechtliche Festsetzungen über Art und Maß der baulichen Nutzung, in denen die Möglichkeit der Ansiedlung von Vorhaben im Sinne von § 11 Absatz 3 BauNVO mit Auswirkungen der in dieser Vorschrift bezeichneten Art gegeben ist, zu überprüfen. Diese Prüfung ist insbesondere in den Gebieten erforderlich, in denen aufgrund bestehenden Baurechts weitere Vorhaben zu bereits vorhandenen Vorhaben (im Sinne von § 11 Absatz 3 BauNVO, auch mit geringerer Geschossfläche als 1 200 m2) hinzutreten können und dann im Zusammenwirken negative Auswirkungen auslösen können. Es wird darauf hingewiesen, dass bei dieser Prüfung gegebenenfalls eine Beteiligung der Industrie- und Handelskammern in Betracht kommt. In vielen Fällen wird die Aufstellung eines einfachen Bebauungsplans im Sinne von § 30 Absatz 3 BauGB ausreichen, der nur die Art der baulichen Nutzung festsetzt. Zu verweisen ist insbesondere auf die Möglichkeit der Aufstellung eines Bebauungsplans nach § 9 Absatz 2a BauGB (siehe Nummer 6.10.5).
Bei der Aufstellung eines einfachen Bebauungsplans für einen bisher unbeplanten Innenbereich ist - auch zur Vermeidung eventueller Entschädigungsansprüche (Nummer 6.11.5) - zu prüfen, ob vorhandene großflächige Einzelhandelsbetriebe auf den Bestandsschutz verwiesen oder durch Festsetzungen nach §1 Absatz 10 BauNVO planungsrechtlich gesichert werden sollen.
Die Kommunen sollen die Möglichkeit der Veränderungssperre (§ 14 BauGB) beziehungsweise der Zurückstellung von Baugesuchen (§ 15 BauGB) in Betracht ziehen.
6.8 Belang der Erhaltung und Entwicklung Zentraler Versorgungsbereiche (§ 1 Absatz 6 Nummer 4 BauGB)
§ 1 Absatz 6 Nummer 4 BauGB hebt die Erhaltung und Entwicklung Zentraler Versorgungsbereiche als eigenständigen Belang der Bauleitplanung hervor. Die Erhaltung und Entwicklung Zentraler Versorgungsbereiche in den Städten und Kommunen sind von hoher städtebaulicher Bedeutung, und zwar zur Stärkung der Innenentwicklung und der Urbanität der Städte sowie zur Sicherstellung einer wohnortnahen Versorgung. Letztere bedarf angesichts der demografischen Entwicklung eines besonderen Schutzes, vor allem auch wegen der geringeren Mobilität älterer Menschen. Der Belang wird im Baugesetzbuch und in der Baunutzungsverordnung bereits an verschiedenen Stellen genannt (§ 2 Absatz 2 Satz 2, § 5 Absatz 2 Nummer 2d, § 9 Absatz 2a Satz 1 und § 34 Absatz 3 BauGB; § 11 Absatz 3 Satz 2 BauNVO); mit dem § 1 Absatz 6 Nummer 4 BauGB wird er ausdrücklich als allgemein für die Bauleitplanung zu berücksichtigender Belang in den Vordergrund gestellt.
6.9 Darstellung im Flächennutzungsplan
Bei der Darstellung eines Sondergebiets nach § 11 Absatz 3 BauNVO sollte neben der erforderlichen Zweckbestimmung (zum Beispiel „Sondergebiet - Großflächige Einzelhandelsbetriebe“) die Geschossflächenzahl nach § 16 Absatz 1 BauNVO als wichtiges Kriterium angegeben werden. Letztgenanntes kann im Einzelfall auch für Kerngebietsdarstellungen sinnvoll sein. Um Auswirkungen der zulässigen Vorhaben besser beurteilen zu können, ist - soweit bereits möglich - zusätzlich die Konkretisierung der Zweckbestimmung (zum Beispiel Möbelmarkt) und die Darstellung der vorgesehenen Gesamtgeschossfläche zu empfehlen.
Wegen der städtebaulichen Bedeutung von Vorhaben nach § 11 Absatz 3 BauNVO kann es im Flächennutzungsplan geboten sein, bereits Kerngebiete und nicht nur gemischte Bauflächen darzustellen. Die Darstellung von Kerngebieten muss im Hinblick auf mögliche Auswirkungen der in § 11 Absatz 3 BauNVO genannten Art behutsam erfolgen und sich auf die wirklichen Zentren entsprechend der Bedeutung des Wortes „Kern“ beschränken.
Darüber hinaus empfiehlt sich die Darstellung von Zentralen Versorgungsbereichen (siehe § 5 Absatz 2 Nummer 2d BauGB). Damit werden Inhalte aus informellen Einzelhandels- und Zentrenkonzepten in die formelle Planungsebene übertragen und dienen nachfolgenden Planungen als Entwicklungsgrundlage.
6.10 Festsetzung im Bebauungsplan
Großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, sonstige großflächige Handelsbetriebe mit vergleichbaren Auswirkungen sowie Einkaufszentren sind gemäß § 11 Absatz 3 Satz 1 BauNVO außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Der insoweit im System des Planungsrechts einzigartigen Regelung in § 11 Absatz 3 BauNVO liegt die Wertung zugrunde, dass die in dieser Vorschrift bezeichneten Betriebe typischerweise ein Beeinträchtigungspotenzial aufweisen, das es rechtfertigt, sie einem Sonderregime zu unterwerfen. § 11 Absatz 3 BauNVO erfasst Betriebe, die entgegen dem städtebaulichen Leitbild einer Stadt der kurzen Wege an wohnungsfernen, verkehrlich schlecht oder nur mit dem Auto erreichbaren Standorten auf großer Fläche ein Warenangebot für den privaten Bedarf der Allgemeinheit bereithalten. Er zielt darauf ab, den Einzelhandel an den Standorten zu sichern, die in das städtebauliche Ordnungssystem funktionsgerecht eingebunden sind.
6.10.1 Festsetzung „Kerngebiet“
Die Festsetzung eines Kerngebiets, das lediglich dazu dienen soll, anstelle eines an sich erforderlichen Sondergebiets Vorhaben nach § 11 Absatz 3 BauNVO aufzunehmen, ohne sonstige für das Kerngebiet typische Funktionen zu übernehmen, ist eine Umgehung der Vorschriften der §§ 7 und 11 Absatz 3 BauNVO und daher unzulässig. Bei Festsetzung von Kerngebieten außerhalb der vorhandenen Zentren oder Nebenzentren sowie in kleineren Kommunen, insbesondere bei der Entwicklung des Kerngebiets aus einer gemischten Baufläche, ist zu prüfen, ob im Hinblick auf nicht voraussehbare Auswirkung im Sinne des § 11 Absatz 3 BauNVO gegebenenfalls eine Einschränkung der Einzelhandelsnutzung auf eine bestimmte Größenordnung, zum Beispiel durch entsprechende Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, vorgesehen werden muss.
6.10.2 Festsetzung „Sondergebiet“
Für Sondergebiete muss die Zweckbestimmung speziell festgesetzt werden. Während die Baunutzungsverordnung bei den übrigen Baugebieten (§§ 2 bis 9 BauNVO) die Zweckbestimmung des Gebiets und die zulässige Art der Nutzung selbst festlegt, müssen diese Regelungen bei Sondergebieten im Bebauungsplan getroffen werden. Dadurch ergibt sich ein größerer Spielraum, die zulässige Nutzung in den Festsetzungen zu konkretisieren. Neben der Angabe der Zweckbestimmung („Sondergebiet - großflächige Einzelhandelsbetriebe“) ist die Festsetzung zur Art der Nutzung (das heißt der einzeln aufzuführenden zulässigen Anlagen) unerlässlich. Danach sind insbesondere die anlagenspezifische Verkaufsfläche sowie das Sortiment nach Art und Umfang im Einzelnen festzusetzen (Nummern 2.8 und 6.10.4). Die Festsetzung einer baugebietsbezogenen, vorhabenunabhängigen Verkaufsflächenobergrenze ist hingegen unzulässig (BVerwG, Urteil vom 03.04.2008 - 4 CN 3.07 -, BauR 2008, 1273). Das Sondergebiet kann auch nach der Art der Betriebe, die sich nach dem Kernsortiment bestimmt, unterteilt werden. Eine derartige Sortimentsbeschränkung beziehungsweise Unterteilung kann aus städtebaulichen Gründen in Betracht kommen, wenn wegen einer Zentrenunverträglichkeit von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit gemischtem Sortiment nur bestimmte Fachmärkte (wie Baumärkte, Möbelmärkte, Kfz-Handel mit Werkstatt, Gartencenter und Ähnliches) vertretbar sind.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit dem Urteil vom 3. April 2008 - BVerwG 4 CN 3.07 folgenden Leitsatz beschlossen: Die durch Bebauungsplan erfolgte Festsetzung einer baugebietsbezogenen, vorhabenunabhängigen Verkaufsflächenobergrenze zur Steuerung des Einzelhandels in einem Sondergebiet ist mangels Rechtsgrundlage unzulässig.
Dies gilt es bei der Festsetzung „Sondergebiet“ zu beachten.
6.10.3 Beschränkung des Einzelhandels in den übrigen Baugebieten nach BauNVO
Bei Festsetzung von Baugebieten, insbesondere von Mischgebieten und Gewerbegebieten, ist zu prüfen, ob im Hinblick auf eine unerwünschte Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben (Nummer 3.5.1) oder zum Schutz Zentraler Versorgungsbereiche gegebenenfalls eine Einschränkung der Einzelhandelsnutzung vorgesehen werden muss. So können nach § 1 Absatz 9 und auch Absatz 5 BauNVO bei Vorliegen besonderer städtebaulicher Gründe bestimmte Arten an sich zulässiger Nutzungen und baulicher Anlagen ausgeschlossen beziehungsweise eingeschränkt werden. Festsetzungen, die auf die Größe von Anlagen abstellen (hier: Verkaufsfläche von Handelsbetrieben), sind jedoch nur zulässig, wenn dadurch bestimmte Arten von baulichen oder sonstigen Anlagen (Anlagetypen) - gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Kommune - zutreffend gekennzeichnet werden (BVerwG, Urteil vom 22.05.1987 - 4 C 77.84 -, BauR 1987, 524 = DVBl. 1987, 1004 = DÖV 1987, 1011). Weiterhin kann beispielsweise die Einzelhandelsnutzung in Gewerbegebieten völlig ausgeschlossen oder nur als Ausnahme (zum Beispiel im Zusammenhang mit Kfz-Handel, handwerklichen Betrieben oder zur Versorgung des Gebietes) vorgesehen werden.
Beim Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben bestimmter Branchen (zum Beispiel Haushaltswaren, Lebensmittel, Parfümerie- und Drogeriewaren, Schuh- und Lederwaren) ist jedoch zu beachten, dass die Differenzierung den marktüblichen Gegebenheiten entspricht, das heißt, der Ausschluss kann nur solche Branchen erfassen, die tatsächlich auch auf dem „Markt“ vorhanden und bekannt sind. Nur diese kann die Kommune festsetzen, andere kann sie nicht selbst definieren, dies gilt insbesondere für die Festsetzung von Branchenuntergruppen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.07.1998 - 4 BN 31.98 -, ZfBR 1998, 317).
6.10.4 Festsetzung von Sortimenten
Die Festsetzung von Sortimentslisten (wie sie in der Anlage 1 aufgeführt sind) erfordert eine abschließende Aufzählung der zentrenrelevanten beziehungsweise nicht-zentrenrelevanten Sortimente. Bei der Beachtung beziehungsweise Berücksichtigung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung ist die Sortimentsliste des LEP B-B zugrunde zu legen. Sie ist unter Berücksichtigung jeweils ortstypischer Gegebenheiten zu konkretisieren. Eine gerechte Abwägung erfordert eine individuelle Betrachtung der jeweiligen örtlichen Situation, wenn zum Schutz etwa des Innenstadtbereichs bestimmte Warensortimente an nicht integrierten Standorten ausgeschlossen werden sollen. Ein bloßer Verweis auf die Sortimentslisten führt zum Abwägungsausfall und damit zur Unwirksamkeit des Plans (VGH Mannheim, Urteil vom 02.05.2005 - 8 S 1848/04 -, NVwZ-RR 2005, 685 f.). Die Sortimente müssen noch nicht in den Kommunen bestehen.
6.10.5 Festsetzungen/Bebauungsplan zum Schutz Zentraler Versorgungsbereiche (§ 9 Absatz 2a BauGB)
Die Regelung des § 34 Absatz 3 BauGB zur Sicherung Zentraler Versorgungsbereiche zeigt sich bei der Anwendung in der Praxis als teilweise eingeschränkt praktikabel. Mit § 9 Absatz 2a BauGB kann der gleiche Zweck in einem einfachen Bebauungsplan umgesetzt und verbindlich gemacht werden, der mit seinen konkreten Festsetzungen im Bauaufsichtsverfahren praktikabel angewandt werden kann. Die Schutzfunktion umfasst dabei sowohl bereits bestehende Zentrale Versorgungsbereiche als auch solche, die sich erst noch entwickeln sollen. Ermöglicht wird ein Bebauungsplan, mit dem in den nicht beplanten Innenbereichen zum Schutz Zentraler Versorgungsbereiche gezielt Bestimmungen über die Zulässigkeit bestimmter Arten von Nutzungen und damit insbesondere von großflächigen Einzelhandelsbetrieben getroffen werden können.
Nach § 9 Absatz 2a Satz 1 BauGB kann für die im Zusammenhang bebauten Ortsteile zur Erhaltung, Stärkung oder Verhinderung der Beeinträchtigung Zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse der verbrauchernahen Versorgung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Absatz 1 und 2 BauGB zulässigen baulichen und sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Der Regelungsinhalt ist an § 1 Absatz 5, 8 und 9 BauNVO angelehnt, erfordert aber nicht die Festsetzung eines Baugebietes.
Ein Bebauungsplan, der lediglich Festsetzungen nach § 9 Absatz 2a BauGB enthält, kann gemäß § 13 Absatz 1 BauGB auch im vereinfachten Verfahren aufgestellt werden, sofern die übrigen Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens (§ 13 Absatz 1 Nummer 1 und 2 BauGB) vorliegen. Bei Bebauungsplänen nach § 9 Absatz 2a BauGB ist ein Katastervermerk nicht zwingend erforderlich.
Die Erhaltung und Entwicklung Zentraler Versorgungsbereiche (siehe Nummer 2.11) soll im Interesse der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden erfolgen. In der Begründung zum Bebauungsplan ist darzulegen, in welcher Weise der Bebauungsplan der Erhaltung und Entwicklung Zentraler Versorgungsbereiche dient.
Für den Bebauungsplan nach § 9 Absatz 2a BauGB gelten die allgemein zu beachtenden Grundsätze des § 1 BauGB. Dazu hebt § 9 Absatz 2a Satz 2 hervor, dass insbesondere ein städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Absatz 6 Nummer 11 BauGB, das Aussagen über die vorhandenen und zu entwickelnden Zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält, zu berücksichtigen ist. Denn einem solchen Konzept kommt eine die Aufstellung des Bebauungsplans unterstützende Funktion zu, indem es nachvollziehbare Aussagen über die Zentralen Versorgungsbereiche enthält. Ein solches städtebauliches Entwicklungskonzept soll aber nicht Voraussetzung für die Aufstellung des Bebauungsplans sein, es wird jedoch empfohlen, dieses zumindest parallel zur Bebauungsplanaufstellung zu entwickeln.
Ebenfalls den allgemeinen Grundsätzen des § 1 BauGB entsprechend sollen nach § 9 Absatz 2a Satz 3 BauGB für Vorhaben, die den zu erhaltenden oder zu entwickelnden Zentralen Versorgungsbereichen dienen, die planungsrechtlichen Grundlagen nach § 30 oder § 34 BauGB vorhanden sein, oder die Schaffung der entsprechenden planungsrechtlichen Grundlagen soll konkret durch förmliche Einleitung des entsprechenden Bebauungsplanverfahrens beabsichtigt sein. Nicht erforderlich ist, dass die bauplanungsrechtlichen Grundlagen für alle nur denkbaren Vorhaben, die in den Zentralen Versorgungsbereichen errichtet werden könnten, bestehen oder geschaffen werden sollen.
6.11 Sonstiges
6.11.1 Beteiligung der benachbarten Gemeinden (§ 2 Absatz 2 BauGB)
Nach § 2 Absatz 2 Satz 1 BauGB sind die Bauleitpläne benachbarter Gemeinde aufeinander abzustimmen. § 2 Absatz 2 BauGB stellt gegenüber dem einfachen Abstimmungsbedürfnis nach § 1 Absatz 6 BauGB ein qualifiziertes Abstimmungsbedürfnis dar. Eine Abstimmungspflicht nach § 2 Absatz 2 ist begründet, wenn ein Abstimmungserfordernis besteht.
Dieses Abstimmungserfordernis besteht, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung der Nachbargemeinde in Betracht kommen. Ein derartiges Bedürfnis ergibt sich für Einzelhandelsvorhaben insbesondere aus § 11 Absatz 3 BauNVO. Der Vorschrift ist zu entnehmen, dass Einkaufszentren und sonstige großflächige Einzelhandels- und Handelsbetriebe unter den dort genannten Voraussetzungen regelmäßig geeignet sind, Nachbargemeinden in so gewichtiger Weise zu beeinträchtigen, dass sie ohne eine förmliche Planung, die dem Abstimmungsgebot des § 2 Absatz 2 BauGB gerecht wird, nicht zugelassen werden dürfen (BVerwG, Urteil vom 01.08.2002 - 4 C 5/01 -, NVwZ 2003, 86 (88)). Steht die Planung für ein derartiges Vorhaben in Frage, ist demnach eine Abstimmung nach § 2 Absatz 2 Satz 1 BauGB stets erforderlich. Die benachbarten Gemeinden können sich insbesondere auf Auswirkungen berufen, die in § 11 Absatz 3 Satz 2 BauNVO genannt sind. Die Pflicht zur Ermittlung des Abwägungsmaterials liegt allein bei der planenden Gemeinde. In der Regel wird sie hierzu Gutachten einholen müssen (siehe Anlage 2).
Die planende Gemeinde hat bei der Aufstellung eines Bauleitplanes die der Gemeinde durch die Raumordnung zugewiesene Funktion zu beachten (§ 2 Absatz 2 Satz 2, 1. Alternative BauGB). Die raumordnerisch zugewiesene Funktion gilt nach Satz 2 als Bestandteil der Planungshoheit der Gemeinde. Die benachbarte Gemeinde kann sich demnach auf die ihr durch die Landesplanung zugewiesene Funktion berufen. Dazu reicht es aus, wenn die Nachbargemeinde eine bestehende raumordnerische Funktionszuweisung für sich geltend machen kann, mit der die Bauleitplanung der planenden Gemeinde in Widerspruch gerät.
Gemäß § 2 Absatz 2 Satz 2, 2. Alternative BauGB hat die planende Gemeinde Auswirkungen auf Zentrale Versorgungsbereiche der Gemeinde zu berücksichtigen. Zentrale Versorgungsbereiche ergeben sich insbesondere aus planerischen Festlegungen, namentlich aus Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen oder aus Festlegungen in den Raumordnungsplänen; sie können sich aber auch aus sonstigen planungsrechtlich nicht verbindlichen raumordnerischen und städtebaulichen Konzeptionen ergeben, nicht zuletzt auch aus nachvollziehbar eindeutigen tatsächlichen Verhältnissen. Zentrale Versorgungsbereiche im Sinne des § 2 Absatz 2 Satz 2 BauGB sind gekennzeichnet durch bauliche und sonstige Nutzungen, die Aufgaben der Versorgung der Bevölkerung im weiteren Sinne erfüllen, also die Unterbringung von Handelsbetrieben sowie Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung, der Kultur und für soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke. Die Zentralität ergibt sich aus der räumlichen Konzentration und der Funktionsbündelung und Agglomeration für einen bestimmten Einzugsbereich. Einkaufszentren haben stets Auswirkungen im Sinne von § 2 Absatz 2 Satz 2, 2. Alternative BauGB, da § 11 Absatz 3 BauNVO die Wertung zugrunde liegt, dass die in dieser Vorschrift bezeichneten Betriebe typischerweise ein Beeinträchtigungspotenzial aufweisen. Damit die in § 11 Absatz 3 BauNVO genannten Rechtsfolgen eintreten, bedarf es nicht eigens der Feststellung, welche nachteiligen Wirkungen konkret zu erwarten sind. Der Normgeber geht davon aus, dass sich die in § 11 Absatz 3 BauNVO bezeichneten Auswirkungen bei Einkaufszentren generell nicht ausschließen lassen. Eine Einzelfallprüfung erübrigt sich (BVerwG, Urteil vom 01.08.2002 - 4 C 5/01 -, NVwZ 2003, 86 (88)).
Der Kreis der Gemeinden im Sinne von § 2 Absatz 2 BauGB bemisst sich nach der Reichweite der Auswirkungen (BVerwG, Urteil vom 01.08.2002 - 4 C 5/01 -, NVwZ 2003, 86 (87)). Das bedeutet, dass die Gemeinden, die sich im Einzugsbereich eines Vorhabens befinden, zu den Gemeinden im Sinne von § 2 Absatz2 BauGB gehören. Dies gilt auch dann, wenn Gemeinden in einem anderen Bundesland oder, mit der Einschränkung der Grundsätze der Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit, in einem Nachbarstaat (§ 4a Absatz 5 BauGB) liegen. Für die (materielle) gemeindenachbarliche Abstimmungspflicht kommt es nicht auf ein unmittelbares Angrenzen der Gemeinden an (BVerwG, Beschluss vom 09.01.1995 - 4 NB 42.94 -, DÖV 1995, 820). Insbesondere bei sehr großen Einzelhandelsprojekten (zum Beispiel FOC) kann sich die Abstimmungspflicht unter Umständen auch auf das Gebiet mehrerer Kreise erstrecken. Die Nachbargemeinde kann sich unabhängig davon, welche planerischen Absichten sie für ihr Gebiet verfolgt oder bereits umgesetzt hat, gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf dem benachbarten Gemeindegebiet zur Wehr setzen.
Materiell verlangt § 2 Absatz 2 BauGB, dass die Bauleitplanung den Anforderungen einer gerechten Abwägung genügt. § 2 Absatz 2 BauGB beinhaltet im Vergleich zu den in § 1 Absatz 6 BauGB genannten Belangen einen „qualifizierten Abstimmungsbedarf“. Das hat zur Folge, dass eine Gemeinde, die ihre eigenen Vorstellungen selbst um den Preis von gewichtigen Auswirkungen für die Nachbargemeinde durchsetzen möchte, einem erhöhten Rechtfertigungszwang in Gestalt der Pflicht zur (formellen und materiellen) Abstimmung im Rahmen einer förmlichen Planung unterliegt. Die Missachtung eines solchermaßen begründeten Planungserfordernisses berührt zugleich den durch § 2 Absatz 2 BauGB erfassten Rechtskreis und verletzt dadurch die Nachbargemeinde in eigenen Rechten.
Ob die Belange der benachbarten Gemeinde berücksichtigt wurden, ist sowohl im Rahmen des Abwägungsvorgangs als auch beim Abwägungsergebnis zu prüfen. Beide müssen dem Gebot der gerechten Abwägung entsprechen. Das Gebot der gerechten Abwägung ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat (sogenannter Abwägungsausfall), wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt wurden (Abwägungsdefizit), wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt wurde (Abwägungsfehleinschätzung) oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung betroffenen Belangen in einer Weise vorgenommen wurde, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität) (BVerwG, Urteil vom 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BauR 1970, 31 ff.).
Inwieweit die planende Gemeinde im Einzelfall die Planungshoheit der Nachbargemeinde unverhältnismäßig (unzumutbar) zurückgedrängt hat und sich deshalb das Abwägungsergebnis in Form des Bauleitplans als fehlerhaft erweist, ist unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände zu beantworten. Insbesondere sind die folgenden Aspekte in die Beurteilung einzubeziehen:
- Größe des Einzelhandelsvorhabens,
- Relevanz des geplanten sowie nach dem Bebauungsplan zulässigen Sortiments für die Attraktivität der Innenstadt der Nachbargemeinde,
- Orientierung des beabsichtigten Einzelhandelsvorhabens auf den Einzugsbereich des Einzelhandels der Nachbargemeinde,
- Entfernung des Einzelhandelsvorhabens von der benachbarten Gemeinde,
- Erreichbarkeit des Einzelhandelsvorhabens vom Gebiet der benachbarten Gemeinde,
- Aufgabenzuweisung der planenden und der benachbarten Gemeinde im Rahmen der Raumordnung,
- Lage des Einzelhandelsvorhabens innerhalb oder außerhalb des Zentrums der planenden Gemeinde,
- Erforderlichkeit des Einzelhandelsvorhabens für die angemessene Versorgung der eigenen Bevölkerung der planenden Gemeinde,
- Abhängigkeit der wirtschaftlichen Existenz des Einzelhandelsvorhabens von der Kaufkraft der Einwohner in der Gemeinde und in deren Einzugsbereich,
- Kaufkraftabfluss aus der Nachbargemeinde.
6.11.2 Beteiligung der Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange (§ 4 BauGB)
Den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern kommt aufgrund ihrer Verpflichtung, das Gesamtinteresse der zugehörigen Gewerbetreibenden zu vertreten, im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange besondere Bedeutung zu.
Den Kammern obliegt es, auch die absatzwirtschaftlichen Aspekte vorzutragen und bei der Klärung von Zweifelsfragen mitzuwirken. Sie sind möglichst frühzeitig in das Planverfahren einzuschalten.
Bei Planungen im Zusammenhang mit Einzelhandelsnutzungen kann es fachlich geboten sein, außerhalb der förmlichen Beteiligung zusätzlich den Handelsverband Berlin-Brandenburg um Stellungnahme zu bitten.
Auch bei der Aufstellung von informellen Planungen, insbesondere bei kommunalen Einzelhandels- und Zentrenkonzepten, sollen die Gemeinsame Landesplanungsabteilung sowie die Regionalen Planungsstellen entsprechend der Regelung im Zielmitteilungserlass (Erlass zu den Anfragen nach den Zielen, Grundsätzen und sonstigen Erfordernissen der Raumordnung, Zielanpassung im Rahmen der Behördenbeteiligung und Auskunftspflicht über das Inkrafttreten eines Bauleitplanes vom 10.August 2005, ABl. S. 946) beteiligt werden, da diese informelle Planung Grundlage für die Bauleitplanung ist und gemäß § 1 Absatz 6 Nummer 11 BauGB zu berücksichtigen ist.
6.11.3 Umweltprüfung (§ 2 Absatz 4 BauGB)
Eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung ergibt sich aus § 2 Absatz 4 BauGB für alle Bauleitpläne mit Ausnahme der Bebauungspläne, die gemäß § 13 BauGB im vereinfachten Verfahren aufgestellt werden, und somit auch für Bebauungspläne mit Festsetzungen gemäß § 9 Absatz 2a BauGB. Auch für Bebauungspläne der Innenentwicklung gemäß § 13a Absatz 1 Nummer 1 BauGB ist keine Umweltprüfung durchzuführen. Für Bebauungspläne der Innenentwicklung gemäß § 13a Absatz 1 Nummer 2 BauGB (zulässige Grundfläche von 20 000 bis < 70 000 m2) ist eine Vorprüfung des Einzelfalls erforderlich.
Für die Bebauungspläne, die von § 2 Absatz 4 Satz 1 BauGB erfasst werden, wird für die Belange des Umweltschutzes nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 und § 1a BauGB eine Umweltprüfung durchgeführt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt werden und in einem Umweltbericht beschrieben und bewertet werden. Das Ergebnis der Umweltprüfung ist gemäß § 2 Absatz 4 Satz 4 BauGB in der Abwägung zu berücksichtigen. Unter Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange (§ 4 Absatz 1 Satz 1 BauGB) legt die Kommune für jeden Bauleitplan fest, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist (§ 2 Absatz 4 Satz 2 BauGB).
Der notwendige Inhalt des Umweltberichts, der gemäß § 2a Satz 3 BauGB einen gesonderten Teil der Begründung bildet, ergibt sich aus der Anlage 1 des Baugesetzbuchs (zu § 2 Absatz4 und §§ 2a und 4c BauGB). Demnach besteht der Umweltbericht aus einer Einleitung, einer Beschreibung und Bewertung der Umweltauswirkungen, die in der Umweltprüfung ermittelt wurden, und verschiedenen zusätzlichen Angaben.
Gemäß § 4c BauGB haben die Kommunen die erheblichen Umweltauswirkungen, die aufgrund der Durchführung der Bauleitpläne eintreten, zu überwachen, um insbesondere unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen frühzeitig zu ermitteln und in der Lage zu sein, gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen. Im Fokus dieses Verfahrens, das als sogenanntes Monitoring bezeichnet wird, sind insbesondere solche nachteiligen Umweltauswirkungen festzustellen, die bei Aufstellung des Bauleitplanes gerade nicht im Blickfeld waren. Stellen sich solche unvorhergesehenen negativen Auswirkungen eines Bauleitplanes heraus, so kann die Kommune hierauf durch eine Ergänzung, Änderung oder Aufhebung reagieren. Den Fachbehörden wird eine Verpflichtung auferlegt, die Kommunen darauf hinzuweisen, wenn sie Erkenntnisse insbesondere über unvorhergesehene Umweltauswirkungen haben (§ 4 Absatz 3 BauGB). Den Fachbehörden obliegt insofern eine „Bringschuld“/Unterrichtungspflicht gegenüber den Kommunen.
Zur Durchführung einer vorhabenbezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) siehe Nummer 9.
6.11.4 Baurecht auf Zeit
Gemäß § 9 Absatz 2 Satz 1 BauGB kann im Bebauungsplan in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig sind. Die Folgenutzung soll festgesetzt werden (§ 9 Absatz 2 Satz 2 BauGB).
Damit wird die Möglichkeit eröffnet, den unterschiedlichen städtebaulichen Situationen und Erfordernissen auch in der zeitlichen Perspektive flexibel Rechnung tragen zu können. Bei manchen Nutzungsarten gibt es immer kürzer werdende Nutzungszyklen einer Immobilie (insbesondere für Spezialimmobilien, zum Beispiel Music-Halls oder Multiplex-Kinos). Bei diesen kann ein Anwendungsfall des § 9 Absatz 2 Satz 1 BauGB gegeben sein. Gleiches gilt für bestimmte Zweckbauten, etwa großflächige Einzelhandelseinrichtungen. Das Baurecht auf Zeit bietet der planenden Gemeinde die Möglichkeit, für den Fall der Nutzungsaufgabe zu regeln, dass die Gemeinde umplanen kann, ohne Entschädigungsansprüche nach § 42 BauGB befürchten zu müssen. Weiterhin kann die Pflicht des Vorhabenträgers zum Rückbau und zur Rekultivierung begründet werden (vgl. Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs, Rn. 183 ff.1).
Entscheidet sich die Gemeinde, für ein großflächiges Einzelhandelsvorhaben vom Baurecht auf Zeit Gebrauch zu machen, so hat sie zu beachten, dass die jeweilige Bedingung oder Befristung im Bebauungsplan zu bestimmen und festzusetzen sind. Weiterhin ist darauf zu achten, dass die zeitliche Beschränkung auch in die Baugenehmigung aufgenommen wird. Dies kann durch eine Befristung oder Bedingung erreicht werden. Ein Einzelhandelsvorhaben, das auf Grundlage des Baurechts auf Zeit
im Sinne von § 9 Absatz 2 Satz 1 BauGB errichtet wurde, genießt nur bis zum Ablauf des Baurechts auf Zeit passiven Bestandsschutz: Das Baurecht auf Zeit führt demnach auch zu einem Bestandsschutz auf Zeit.
6.11.5 Entschädigung bei Änderung oder Aufhebung einer zulässigen Nutzung
Die Änderung von Bebauungsplänen kann zu Entschädigungsansprüchen nach §§ 42 ff. BauGB führen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die durch die Änderung ausgeschlossene Nutzung bisher zulässig war und durch die Aufhebung der zulässigen Nutzung eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des Grundstücks eintritt. Der Bebauungsplan muss formell und materiell rechtsgültig sein; nach § 30 BauGB muss die Erschließung rechtlich und tatsächlich gesichert sein. Entschädigungsansprüche gegen die Gemeinde könnten sich danach nur ergeben, wenn vor der Änderung des Bebauungsplans und damit dem Ausschluss von Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben im Sinne von § 11 Absatz 3 BauNVO eine den Erfordernissen des Zu- und Abgangsverkehrs dieser Einrichtungen entsprechende Erschließung gesichert war.
Von einer nicht nur unwesentlichen Wertminderung von Grundstücken ist nur dann auszugehen, wenn in dem Gebiet oder für bestimmte Flächen im Hinblick auf die Zulässigkeit dieser Anlagen bei vorhandener Erschließung bereits ein Verkehrswert entstanden ist, der erheblich über dem Verkehrswert vergleichbarer Gewerbegebiete und Industriegebiete liegt, in denen die Ansiedlung eines Einkaufszentrums, großflächigen Einzelhandelsbetriebes oder sonstigen großflächigen Handelsbetriebes im Sinne von § 11 Absatz 3 BauNVO nicht möglich ist. Auf die Gewinnerwartung des einzelnen Grundstückseigentümers und auf seine persönlichen Nutzungsvorstellungen kommt es nicht an.
Nach Ablauf der in § 42 Absatz 2 BauGB bezeichneten Frist von sieben Jahren ab Zulässigkeit kann ein Entschädigungsanspruch infolge Planänderung nach § 42 Absatz 3 BauGB nur noch für Eingriffe in die tatsächlich ausgeübte Nutzung des Grundstücks geltend gemacht werden.
7 Baurechtliche Zulässigkeit im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes im Sinne von § 30 Absatz 1 oder Absatz 2 BauGB
7.1 Zulässigkeit im Kerngebiet (§ 7 Absatz 2 Nummer 2 BauNVO)
In Kerngebieten sind gemäß § 7 Absatz 2 Nummer 2 BauNVO Einzelhandelsbetriebe allgemein zulässig. Dabei werden durch die Festsetzung eines Kerngebietes auch die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für die Ansiedlung von Einkaufszentren und großflächigen Einzelhandels- und Handelsbetrieben im Sinne von § 11 Absatz 3 Satz 1 BauNVO geschaffen.
7.2 Zulässigkeit im allgemeinen und reinen Wohngebiet (§ 3 Absatz 3 Nummer 1, § 4 Absatz 2 Nummer 2 BauNVO)
Durch die Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes in einem Bebauungsplan werden gemäß § 4 Absatz 2 Nummer 2 BauNVO solche Läden allgemein zugelassen, die der Versorgung des Gebiets dienen. Der Verordnungsgeber geht - typisierend - davon aus, dass Nichtwohnnutzungen, für die üblicherweise ein Bedarf in Wohnungsnähe besteht, in Gebieten, die vorwiegend dem Wohnen dienen, das Wohnen nicht unzumutbar stören, und lässt sie deshalb dort allgemein zu (BVerwG, Urteil vom 29.10.1998 - 4 C 9/97 -, NVwZ 1999, 417).
Daher kann ein Laden nur dann als der Versorgung des Gebiets dienend qualifiziert werden, wenn er sich dem Gebiet funktional zuordnen lässt. Hieran fehlt es jedenfalls dann, wenn der Laden nicht auch in einem ins Gewicht fallenden Umfang von den Bewohnern der Umgebung aufgesucht wird (BVerwG, Beschluss vom 18.01.1993 - 4 B 230/92 -, NVwZ-RR 1993, 455 (456)). Maßgeblich sind dabei objektive Kriterien, wie die Größe und sonstige Beschaffenheit der Anlage, die sich daraus ergebenden Erfordernisse einer wirtschaftlich tragfähigen Ausnutzung, die örtlichen Gegebenheiten und die typischen Verhaltensweisen in der Bevölkerung. Danach ist zu beurteilen, ob die Anlage absehbar nur oder zumindest in einem erheblichen Umfang von den Bewohnern des umliegenden Gebiets besucht wird oder ob ein darüber hinausgehender Besucherkreis zu erwarten ist, der zum Verlust des Gebietsbezugs führt (BVerwG, Urteil vom 29.10.1998 - 4 C 9/97 -, NVwZ 1999, 417 (418)).
Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der Prüfung der Voraussetzungen von § 4 Absatz 2 Nummer 2 BauNVO nicht etwa um eine Bedürfnisprüfung handelt. Die Zulässigkeit des Ladens hängt mithin nicht von dessen Erforderlichkeit für die Gebietsversorgung ab; es genügt vielmehr, wenn er zur Versorgung des Gebiets geeignet ist (BVerwG, Beschluss vom 31.05.1968 - 4 B 16/67 -, BRS 20, Nr. 22).
Entsprechend der Zweckbestimmung reiner Wohngebiete sind in diesen nach § 3 Absatz 2 BauNVO nur Wohngebäude allgemein zulässig. Ausnahmsweise können gemäß § 3 Absatz 3 Nummer 1 BauNVO Läden zugelassen werden, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebietes dienen. Im Vergleich zum allgemeinen Wohngebiet ist die Versorgungsfunktion hier also zusätzlich verengt.
7.3 Zulässigkeit im Dorfgebiet und Mischgebiet (§ 5 Absatz2 Nummer 5, § 6 Absatz 1 BauNVO)
Mischgebiete dienen nach der Zweckbestimmung des § 6 Absatz1 BauNVO unter anderem der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben. Daher sind hier selbst großflächige Einzelhandelsbetriebe zulässig, es sei denn, sie werden wegen ihrer besonderen städtebaulichen oder raumordnerischen Auswirkungen durch § 11 Absatz 3 Nummer 2 BauNVO Kern- beziehungsweise Sondergebieten zugewiesen. Überschreitet die Geschossfläche 1 200 m2, so kommt es darauf an, ob die Regelvermutung von § 11 Absatz 3 Satz 3 BauNVO widerlegt werden kann.
In Dorfgebieten erklärt § 5 Absatz 2 Nummer 5 BauNVO Einzelhandelsbetriebe für allgemein zulässig. Grenzen setzt jedoch (allgemein) der Gebietscharakter des Dorfgebiets. Danach sind im Dorfgebiet zwar Einzelhandelsbetriebe bis hin zum Supermarkt oder Kaufhaus zulässig. Große (kerngebietstypische) Waren- und Kaufhäuser sind gleichwohl regelmäßig unzulässig. Generell unzulässig sind auch im Dorfgebiet Einkaufszentren, Einzelhandels- und Handelsbetriebe im Sinne von § 11 Absatz 3 BauNVO.
7.4 Zulässigkeit im Gewerbe- und Industriegebiet (§ 8 Absatz 2 Nummer 1, § 9 Absatz 2 Nummer 1 BauNVO)
In Gewerbe- und Industriegebieten sind gemäß § 8 Absatz 2 Nummer 1 BauNVO und § 9 Absatz 2 Nummer 1 BauNVO Gewerbebetriebe aller Art zulässig. Der Begriff des Gewerbebetriebes ist dabei umfassend zu verstehen und schließt auch Einzelhandelsbetriebe und Läden ein. Ungeachtet der Frage der Eignung von Gewerbegebieten als nicht dem Wohnen zugeordnete Baugebiete als Standorte für die allgemeine Versorgung der Bevölkerung sind in Gewerbe- und Industriegebieten auch großflächige Einzelhandelsbetriebe zulässig, wenn sie mangels städtebaulicher oder raumordnerischer Auswirkungen nicht von § 11 Absatz 3 BauNVO erfasst werden (VGH Mannheim, Urteil vom 09.12.1981 - 5 S 1290/81 -, BauR 1982, 149).
7.5 Zulässigkeitsbeschränkung durch § 15 BauNVO
Vorhaben im Sinne des § 11 Absatz 3 BauNVO sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
Die durch § 15 BauNVO geschützte maßgebliche Umgebung auch außerhalb des Baugebiets reicht nur so weit, wie unmittelbare Wirkungen eines Vorhabens die Nutzung anderer Grundstücke in bebauungsrechtlicher Hinsicht beeinträchtigen können. Eine Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit der in der maßgeblichen Umgebung oder in einzelnen Stadtteilzentren ausgeübten Einzelhandelsnutzungen kann durch die Anwendung des § 15 BauNVO nicht verhindert werden. „Fernwirkungen“ finden im Rahmen des § 15 BauNVO keine Berücksichtigung.
Unzumutbare Belästigungen oder Störungen im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 2 BauNVO können jedoch beispielsweise darin bestehen, dass ein hohes Verkehrsaufkommen die öffentlichen Straßen in der maßgeblichen Umgebung ungewöhnlich belastet, so dass der Zu- und Auslieferungsverkehr anderer Grundstücke erheblich behindert wird oder Wohngrundstücke durch Immissionen stark beeinträchtigt werden.
Die Eigenart eines Baugebiets (§ 15 Absatz 1 Satz 1 BauNVO) lässt sich unmittelbar anhand der Festsetzungen des Bebauungsplans sowie aus der bereits vorhandenen und zugelassenen Bebauung feststellen. So kann sich zum Beispiel in den Festsetzungen von Verkehrsflächen, insbesondere der Dimensionierung der örtlichen Verkehrsflächen zur Erschließung des Baugebiets, eine besondere Prägung niederschlagen.
Kleinere Betriebe, die im Einzelnen zwar keine, in der Ansammlung mit anderen kleineren Betrieben aber Auswirkungen im Sinne von § 11 Absatz 3 BauNVO hervorrufen, können im Einzelfall nach § 15 Absatz 1 Satz 1 BauNVO unzulässig sein, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen, zum Beispiel wenn sich in einem Mischgebiet ein Einkaufszentrum oder ein Gebiet für Einzelhandelsgroßbetriebe entwickelt. In einem Mischgebiet allgemein zulässige Einzelhandelsbetriebe können im Einzelfall nach Anzahl und Umfang der Eigenart des Baugebiets widersprechen, weil im selben Gebiet bereits Einzelhandelsbetriebe zugelassen worden sind und das gebotene quantitative Mischungsverhältnis von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe durch die Zulassung eines weiteren Betriebes gestört würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.05.1988 - 4 C 34.86 -, BauR 1988, 440).
Die Eigenart eines Gewerbegebietes kann zum Beispiel beeinträchtigt sein, wenn ein oder mehrere Handelsbetriebe - also auch solche ohne Auswirkungen im Sinne von § 11 Absatz 3 BauNVO - ein deutliches Übergewicht in Bezug auf die übrigen Gewerbebetriebe einnehmen.
8 Baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben im Innen- und Außenbereich
8.1 Innerhalb in Zusammenhang bebauter Ortsteile (§ 34 BauGB)
Im unbeplanten Innenbereich steht mit § 34 BauGB ein sogenannter Planersatz - nicht jedoch ein Ersatzplan - zur Verfügung (BVerwG, Urteil vom 17.09.2003 - 4 C 14/01 -, NVwZ 2004, 220 (221)). Befindet sich der Standort eines künftigen Einzelhandelsgroßprojektes innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, für den kein qualifizierter Bebauungsplan Geltung beansprucht, so ist das Vorhaben gemäß § 34 Absatz 1 Satz 1 BauGB zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Zusätzlich müssen gemäß § 34 Absatz 1 Satz 2 BauGB die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben und darf das Ortsbild nicht beeinträchtigt werden.
8.1.1 Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung
Ein Einzelhandelsvorhaben fügt sich in der Regel in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es sich - in jeder Hinsicht- innerhalb des Rahmens der vorhandenen Umgebungsbebauung hält. Die nähere Umgebung erstreckt sich dabei nicht nur auf die unmittelbaren Nachbargrundstücke; berücksichtigt werden muss vielmehr die Umgebung insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt beziehungsweise doch beeinflusst (BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9/77 -, NJW 1978, 2564). Zu berücksichtigen ist dabei, dass auch das Rücksichtnahmegebot in dem Begriff des Einfügens aufgeht, das heißt, ein Vorhaben fügt sich - trotz Einhaltung des Rahmens - dann nicht ein, wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG, Urteil vom 23.05.1986 - 4 C 34/85 -, NVwZ 1987, 128 (129)).
Ein solcher Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann einen Abwehranspruch eines konkret und in unzumutbarer Weise betroffenen Nachbarn begründen. So kann etwa eine Nachbarklage gegen einen gemäß § 34 BauGB planungsrechtlich unzulässigen Getränkemarkt wegen der von dem Vorhaben verursachten Lärmbelästigungen, zu denen auch durch den Betrieb ausgelöste zusätzliche Verkehrsgeräusche gehören, begründet sein (BVerwG, Beschluss vom 20.01.1989 - 4 B 116/88 -, NVwZ 1989, 666). Eine Sonderregelung trifft § 34 Absatz 2 BauGB bezüglich des Merkmals der Art der baulichen Nutzung. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung, so beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre.
8.1.2 Keine schädlichen Auswirkungen auf Zentrale Versorgungsbereiche (§ 34 Absatz 3 BauGB)
Gemäß § 34 Absatz 3 BauGB dürfen von Vorhaben nach § 34 Absatz 1 oder 2 BauGB keine schädlichen Auswirkungen auf Zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein. Diese Regelung bezweckt, städtebaulich nachhaltige Auswirkungen auf Zentrale Versorgungsbereiche zu vermeiden, und zwar sowohl in der Gemeinde, in der das Vorhaben verwirklicht wird, als auch in den Nachbargemeinden. Das war aufgrund der alten Rechtslage nicht möglich. Sogenannte Fernwirkungen sind nunmehr im Sinne von § 34 Absatz 3 BauGB zu berücksichtigen. Erfasst werden insbesondere Vorhaben des großflächigen Einzelhandels, deren städtebauliche Auswirkungen über die nähere Umgebung hinausgehen. Zentrale Versorgungsbereiche ergeben sich insbesondere aus planerischen Festlegungen, namentlich aus Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen oder aus Festlegungen in den Raumordnungsplänen (siehe Nummer 4.2.2); sie können sich aber auch aus sonstigen planungsrechtlich nicht verbindlichen raumordnerischen und städtebaulichen Konzeptionen ergeben, nicht zuletzt auch aus nachvollziehbar eindeutigen tatsächlichen Verhältnissen (Begründung des Regierungsentwurfs zum Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG Bau - vom 17.12.2003, BT-Drs. 15/2250, S. 54). Zu berücksichtigen sind insbesondere auch gemeindliche Einzelhandelskonzepte (§ 1 Absatz 6 Nummer 11 BauGB).
Schädliche Auswirkungen auf Zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde im Sinne des § 34 Absatz 3 BauGB sind stets anzunehmen, wenn es sich um ein Vorhaben im Sinne von § 11 Absatz 3 BauNVO, wie Einkaufszentren oder großflächige Einzelhandelsbetriebe, handelt. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Wertung des § 11 Absatz 3 BauNVO. Handelt es sich dagegen nicht um Vorhaben, die von § 11 Absatz 3 BauNVO erfasst sind, so ist zu prüfen, ob schädliche Auswirkungen auf Zentrale Versorgungsbereiche von diesen Vorhaben zu erwarten sind. Zu beachten ist aber, dass die nach § 11 Absatz 3 Satz 4 BauNVO - widerlegliche - Vermutung des Satzes 3 nicht gilt, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Auswirkungen bereits bei weniger als 1 200 m2 Geschossfläche vorliegen oder bei mehr als 1 200 m2 Geschossfläche nicht vorliegen.
Die schädlichen Auswirkungen auf Zentrale Versorgungsbereiche können über den Kaufkraftabfluss in seinem konkreten städtebaulichen Kontext bewertet werden. Lediglich die Angabe zur Größe der Verkaufsfläche ist nicht ausreichend (VGH Bayern Urteil vom 13. Dezember 2011, Aktenzeichen 2 B 07.377).
Handelt es sich um ein Vorhaben, das nicht unter § 11 Absatz 3 BauNVO fällt, ist im Rahmen von § 34 Absatz 3 BauGB von der Genehmigungsbehörde zu prüfen, inwieweit Auswirkungen auf Zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten sind; auch nicht großflächige Einzelhandelsvorhaben können geeignet sein, negative Auswirkungen im Sinne von § 34 Absatz 3 BauGB zu verursachen (BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 - 4 C 2/08 -, BauR 2010, 736). Die Darlegungslast trifft insoweit die Genehmigungsbehörde. Der Antragsteller hat aber auch dann mit den Bauantragsunterlagen eigene Untersuchungen des Vorhabens vorzulegen. Schädliche Auswirkungen im Sinne von § 34 Absatz 3 BauGB sind bei Vorhaben anzunehmen, die nicht unter § 11 Absatz 3 BauNVO fallen, wenn das vorhandene oder geplante Zentrensystem der Gemeinde oder anderer Gemeinden so beeinträchtigt wird, dass es durch Kaufkraftabfluss zu Leerständen von Geschäften und somit zu einem Absinken des Versorgungsniveaus und der Vielfalt der Einzelhandelsgeschäfte in den Zentren kommt. Schädliche Auswirkungen sind darüber hinaus gegeben, wenn die öffentlich geförderte Aufwertung innerstädtischer Zentren nicht fortgeführt werden kann beziehungsweise der mit bereits vollzogenen Maßnahmen verfolgte Zweck nicht erreicht werden kann und deshalb der Bestand beziehungsweise die geplante Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben zur verbrauchernahen Versorgung gefährdet ist.
8.1.3 Keine Anwendung von § 34 Absatz 3a BauGB auf bestimmte Einzelhandelsbetriebe
Nach § 34 Absatz 3a BauGB kann im Einzelfall vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach § 34 Absatz 1 Satz 1 BauGB abgewichen werden, wenn die Abweichung
Nach § 34 Absatz 3a BauGB kann im Einzelfall vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach § 34 Absatz 1 Satz 1 BauGB abgewichen werden, wenn die Abweichung
- der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebes oder
- der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken
dient. Die Abweichung muss städtebaulich vertretbar und auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein.
Das den § 34 Absatz 3 BauGB prägende gesetzgeberische Motiv findet jedoch auch hier einen Niederschlag. Die Erleichterung des Absatzes 3a ist nicht anwendbar auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale gemeindliche Versorgungsbereiche haben können.
8.1.4 Zulässigkeit im Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans mit Festsetzungen zum Schutz Zentraler Versorgungsbereiche (§ 9 Absatz 2a BauGB)
Die Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben kann durch die Festsetzungen eines einfachen Bebauungsplans nach § 9 Absatz 2a BauGB eingeschränkt beziehungsweise ausgeschlossen sein. § 9 Absatz 2a BauGB soll den Gemeinden außerdem - flankierend zu § 34 Absatz 3 BauGB - die Möglichkeit eröffnen, Ansiedlungsvorhaben im unbeplanten Innenbereich zu steuern, die schädliche Auswirkungen auf Zentrale Versorgungsbereiche befürchten lassen (ausführlich dazu siehe Nummer 6.10.5).
8.1.5 Gesicherte Erschließung
Zur gesicherten Erschließung gehören bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben insbesondere der verkehrsgerechte Anschluss an eine leistungsfähige Verkehrsstraße mit einwandfreien Grundstücksein- und -ausfahrten sowie gegebenenfalls zusätzliche Fahrstreifen innerhalb der öffentlichen Verkehrsfläche. Bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit sehr hohem Verkehrsaufkommen ist zu beachten, dass aufgrund der Verkehrsintensität die nur grundstücksbezogene als auch die nur gebietsbezogene Beurteilung der Erschließung nicht ausreichend sein kann. Ob die Erschließung gesichert ist, kann auch davon abhängig sein, inwieweit ein solches Vorhaben verkehrliche Ausbaumaßnahmen innerhalb oder außerhalb des Bebauungsplans oder im nicht beplanten Innenbereich außerhalb der maßgebenden näheren Umgebung erforderlich macht.
Die Erschließung kann beispielsweise dann nicht als gesichert angesehen werden, wenn das Grundstück zwar an einer öffentlichen, für das zu erwartende Verkehrsaufkommen ausreichend dimensionierten Straße liegt, die weitere Anbindung - zum Beispiel an eine 500 m entfernte Einmündung der Erschließungsstraße in das übrige Verkehrsnetz - für das Verkehrsaufkommen jedoch nicht ausreicht (BVerwG, Urteil vom 03.02.1984 - 4 C 8.80 -, BauR 1984, 377).
Die Erschließung sollte mit den zuständigen Straßenbaubehörden abgestimmt werden.
8.2 Im Außenbereich
Liegt der vorgesehene Standort eines Einzelhandelsgroßvorhabens weder im Geltungsbereich eines (qualifizierten) Bebauungsplans noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, so handelt es sich um ein sogenanntes Außenbereichsvorhaben, welches gemäß § 35 Absatz 2 BauGB nur dann zulässig sein kann, wenn öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden. Einen solchen - ungeschriebenen - öffentlichen Belang bildet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch das Erfordernis einer förmlichen Planung (BVerwG, Urteil vom 01.08.2002 - 4 C 5/01 -, NVwZ 2003, 86). Das im Außenbereich zu verwirklichende Vorhaben kann - so das Bundesverwaltungsgericht - eine Konfliktlage mit so hoher Intensität für die berührten öffentlichen und privaten Belange auslösen, dass dies die in § 35 BauGB vorausgesetzte Entscheidungsfähigkeit der Baugenehmigungsbehörde übersteigt. Ein derartiges „Koordinierungsbedürfnis“ wird vielfach dann zu bejahen sein, wenn die durch das Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einen planerischen Ausgleich erfordern (Abwägung).
Ein solches Planungserfordernis kann sich insbesondere aus dem Eingreifen des § 2 Absatz 2 BauGB (interkommunales Abstimmungsgebot) ergeben (BVerwG, Urteil vom 01.08.2002 - 4 C 5/01 -, NVwZ 2003, 86). Besteht im Verhältnis benachbarter Gemeinden ein qualifizierter Abstimmungsbedarf im Sinne des § 2 Absatz 2 BauGB, so ist dies ein starkes Anzeichen dafür, dass die in § 35 Absatz 3 BauGB aufgeführten Zulassungsschranken nicht ausreichen, um ohne Abwägung im Rahmen einer förmlichen Planung eine Entscheidung über die Zulässigkeit des beabsichtigten Vorhabens treffen zu können. Auch hier gilt, dass der Abstimmungsbedarf im Sinne von § 2 Absatz 2 BauGB sich unmittelbar aus § 11 Absatz 3 BauNVO ergibt. Der Vorschrift ist zu entnehmen, dass eine Abstimmung nach § 2 Absatz 2 BauGB unumgänglich ist. Deshalb ist nicht das Ausmaß der tatsächlichen Auswirkungen auf die Nachbargemeinde zu ermitteln. Diese ist durch die Ansiedlung eines Einzelhandelsgroßprojektes im Außenbereich nicht erst in ihren Rechten betroffen, wenn ihre Belange im Rahmen der interkommunalen Abstimmung unverhältnismäßig zurückgedrängt wurden, sondern bereits dann, wenn sie sich im Einzugsbereich eines Vorhabens im Sinne von § 11 Absatz 3 BauNVO befindet.
8.3 Nutzungsänderung und Erweiterungen
Nutzungsänderungen und Erweiterungen sind genehmigungsbedürftig. Eine Nutzungsänderung liegt auch dann vor, wenn ein Großhandelsbetrieb ganz oder teilweise auf Einzelhandel umstellt. Der Bestandsschutz des Großhandels deckt nicht die Fortführung des Betriebes als (Teil-)Einzelhandel. Das Gleiche gilt, wenn ein in der Baugenehmigung festgeschriebenes Sortiment umgestellt beziehungsweise geändert wird oder wenn ein neues Sortiment hinzukommt.
Eine Erweiterung liegt bei einer Vergrößerung der Geschossfläche oder der Verkaufsfläche vor. Bei Erweiterungen sind für die Beurteilung der Zulässigkeit die Auswirkungen der gesamten Anlage zugrunde zu legen (BVerwG, Beschluss vom 15.02.1995 - 4 B 84/94 -, Juris). Ein selbstständiger Bauantrag zwingt nicht zu einer isolierten planungsrechtlichen Beurteilung des späteren Abschnitts.
Das Gleiche gilt, wenn anstelle eines größeren Handelsbetriebes mehrere kleine Handelsbetriebe von jeweils nicht wesentlich unter 1 200 m2 Geschossfläche in räumlicher Nähe und zeitlichem Zusammenhang beantragt werden. Besonderes Augenmerk ist auf eine etwaige Zusammenlegung derartiger Betriebe zu legen, weil dies gegebenenfalls eine Nutzungsänderung oder Erweiterung darstellt.
8.4 Behandlung von Bauanträgen
8.4.1 Antragsunterlagen
Antragsunterlagen für Einzelhandelsbetriebe und sonstige Handelsbetriebe müssen die Art des Betriebes (Einzelhandel, Großhandel), die Geschossfläche, die Verkaufsfläche und die vorgesehenen Sortimente, gegliedert nach der Größe der Verkaufsfläche, klar und eindeutig erkennen lassen. Liegen hierzu keine klaren Angaben vor, kann eine Baugenehmigung wegen Unmöglichkeit der Prüfung nach § 11 Absatz 3 BauNVO nicht erteilt werden. Bei Anträgen für Großhandelsbetriebe ist darzulegen, inwieweit durch geeignete organisatorische Maßnahmen sichergestellt wird, dass der Handel mit dem letzten Verbraucher weitestgehend unterbunden wird.
8.4.2 Festschreibung in der Baugenehmigung
In der Baugenehmigung sind die Betriebsarten (Einzel-, Großhandel), die Größe der Verkaufsfläche sowie Art und Umfang beziehungsweise die absolute Größe des Sortiments (nach m2 oder Anteil) festzuschreiben, wenn es sich aus entsprechenden Festsetzungen des Bebauungsplans oder in Anwendung von § 11 Absatz 3 BauNVO ergibt.
8.4.3 Prüfungsumfang
Bei einem Einzelhandelsvorhaben im Sinne von § 11 Absatz 3 BauNVO hat die Genehmigungsbehörde stets zu prüfen, ob diesem Vorhaben ein wirksamer Bebauungsplan zugrunde liegt. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, inwieweit es sich um einen abgestimmten Bebauungsplan im Sinne von § 2 Absatz 2 BauGB handelt, da die in § 2 Absatz 2 BauGB geschützten Gemeinden nicht nur das Recht haben, die Wirksamkeit des Bebauungsplans zu überprüfen, sondern darüber hinaus befugt sind, gegen die Baugenehmigung selbst vorzugehen. Zur Funktion von § 2 Absatz 2 BauGB siehe Nummer 6.11.1.
9 Vorhabenbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)
Vorhaben im Sinne von § 11 Absatz 3 Satz 1 BauNVO sind gemäß Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) ab einer bestimmten Größe UVP-pflichtig. In Anlage 1 unter dem Gliederungspunkt 18.6 ist bestimmt, dass Vorhaben im Sinne von § 11 Absatz 3 BauNVO ab einer Größe von 5 000 m2 stets einer vorhabenbezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssen. Bei einer Größe von 1 200 m2 bis weniger als 5 000 m2 ist gemäß § 3c Absatz 1 Satz 1 UVPG eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn dies die zuständige Behörde feststellt. Dazu hat die Genehmigungsbehörde bei Vorhaben zwischen 1 200 m2 und 5 000 m2 Geschossfläche zunächst gemäß § 3c UVPG zu prüfen, ob das Vorhaben aufgrund überschlägiger Prüfung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Heranzuziehen sind dazu die Kriterien, die in Anlage 2 des UVPG genannt sind. Für Einzelhandelsvorhaben ist besonders darauf zu achten, dass die Kriterien des Standorts des Vorhabens herangezogen werden. Das Ergebnis der Vorprüfung ist gemäß § 3a UVPG von der zuständigen Behörde festzustellen.
Ergibt sich eine Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung entweder unmittelbar aufgrund der Größe des Vorhabens von mehr als 5 000 m2 oder aufgrund einer gesonderten Feststellung, so hat die Behörde das in §§ 5 bis 14 UVPG vorgeschriebene Verfahren durchzuführen. Das Ergebnis dieses Verfahrens stellt die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen dar (§ 11 UVPG).
Überschneidungen zur Umweltprüfung im Rahmen der Bauleitplanung gemäß § 2 Absatz 4 BauGB sind zu vermeiden. § 17 Absatz 3 UVPG bestimmt dazu, dass die Prüfung im Rahmen des § 2 Absatz 4 BauGB grundsätzlich vorrangig ist. Wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung bereits in einem Aufstellungsverfahren für einen Bebauungsplan durchgeführt wurde, ist im nachfolgenden Zulassungsverfahren die Umweltverträglichkeitsprüfung auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen des Vorhabens zu beschränken (§ 17 Absatz 3 UVPG). Eine vorhabenbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung hat deshalb auch nach Durchführung einer Umweltprüfung im Rahmen des Bauleitplanverfahrens eine eigenständige Bedeutung, wenn zwischen Umweltprüfungen im Rahmen von § 2 Absatz 4 BauGB und der Erteilung der Baugenehmigung ein längerer Zeitraum liegt. Eine eigenständige Bedeutung hat die vorhabenbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung darüber hinaus, wenn das Vorhaben im Rahmen der Bauleitplanung nur in den Grundzügen geprüft wurde. In diesem Fall kann aufgrund der exakteren Angaben im Rahmen der Baugenehmigung genauer beurteilt werden, welche Auswirkungen mit dem Vorhaben verbunden sind.
1 http://www.bmvbs.de/Anlage/original_12334/Bericht-der-Expertenkommission.pdf