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Aktuelle Fassung

Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. April 2012 (2 C 15/10 und 2 C 4/11) zu den Anforderungen an die Billigkeitsentscheidung im Rahmen der Rückforderung von Dienstbezügen


vom 5. Dezember 2012
(ABl./12, [Nr. 51], S.2146)

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinen Urteilen vom 26. April 2012 (2 C 15/10 und 2 C 4/11) neue Grundsätze zur Billigkeitsentscheidung bei der Rückforderung von Bezügen gemäß § 12 des Bundesbesoldungsgesetzes in der am 31. August 2006 geltenden Fassung aufgestellt.

In dem Verfahren 2 C 15/10 war über die Rechtmäßigkeit eines Rückforderungsbescheids in Höhe von 2 688,00 Euro zu entscheiden. Die Rückforderung ergab sich aufgrund der fast 10jährigen Zahlung einer Wechselschichtzulage an einen Polizeioberkommissar ohne entsprechende Wechselschichttätigkeit. Die Personaldienststelle hatte der für die Besoldung zuständigen Stelle die Versetzung des Klägers zu einem Polizeiposten ohne Wechselschicht nicht angezeigt.

In dem Verfahren 2 C 4/11 befasste sich das Bundesverwaltungsgericht mit einem an einen Steueramtmann gerichteten Rückforderungsbescheid in Höhe von 6 416,92 Euro. Der Rückforderungsbescheid resultierte daraus, dass der Steueramtmann über Jahre weiterhin den vollen sogenannten Verheiratetenzuschlag erhielt, obwohl seine Ehefrau seit 1996 als Angestellte im öffentlichen Dienst beschäftigt war und somit ein Konkurrenzfall vorlag. Die zuständige Besoldungsstelle hatte die entsprechende Anweisung der Personalabteilung zur Reduzierung des Ortszuschlags nicht umgesetzt.

Das Bundesverwaltungsgericht trifft in seinen Urteilen vom 26. April 2012 im Wesentlichen folgende Aussagen:

  • Die Billigkeitsentscheidung bezweckt eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen. Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war.
  • Bei der Billigkeitsentscheidung ist in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesem Fall ist ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 Prozent des überzahlten Betrages im Regelfall angemessen. Der Beamte, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, muss besser stehen als der Beamte, der die Überzahlung allein zu verantworten hat.
  • Die Rechtsfehlerhaftigkeit der Billigkeitsentscheidung hat die Rechtswidrigkeit der Rückforderungsentscheidung zur Folge. Die Billigkeitsentscheidung ist zwingend vor der Rückforderung zu treffen. Sie ist notwendiger und untrennbarer Bestandteil der Rückforderungsentscheidung.

Die vorgenannten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts waren Gegenstand einer umfassenden Erörterung unter den für das Besoldungsrecht zuständigen Vertretern von Bund und Ländern in der Sitzung des Arbeitskreises für Besoldungsfragen im November 2012. Der Arbeitskreis für Besoldungsfragen vertritt die Auffassung, dass auch nach den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts eine einzelfallbezogene Billigkeitsentscheidung bei der Rückforderung von Bezügen vorzunehmen ist, mit dem Ergebnis, dass es je nach Sachverhalt auch zu anderen als 30prozentigen Abschlägen kommen kann. Ein genereller pauschaler 30prozentiger Abzug wird weder den Umständen des jeweiligen Einzelfalls gerecht noch entspricht er dem Wesen einer Billigkeitsentscheidung. Es verbleibe aber weiterhin bei der Verpflichtung der Beamtinnen und Beamten, selbst auf die Gesetzmäßigkeit der eigenen Besoldung zu achten.

Dieser Auffassung ist zu folgen.

Für eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls sprechen folgende Aspekte:

  • Das Bundesverwaltungsgericht wählt in seinen Entscheidungen selbst die Formulierung „in der Regel“ und „im Regelfall“, woraus sich schließen lässt, dass in anders gelagerten Fällen auch Abschläge in anderen Größenordnungen als 30 Prozent des überzahlten Betrags angemessen sein können.
  • In Rn. 18 der Entscheidung 2 C 4/11 bezieht sich das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich auf die Umstände des Einzelfalls. In Rn. 20 wird ausgeführt, dass bei Hinzutreten weiterer Umstände, etwa besonderer wirtschaftlicher Probleme, auch eine weiter gehende Ermäßigung des Rückforderungsbetrags in Betracht kommt.
  • Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden dafür ursächlich war (Rn. 19, Entscheidung 2 C 4/11).
  • Bei der im Rahmen der Billigkeitsentscheidung erfolgenden Ermessensausübung sind immanent im konkreten Einzelfall alle relevanten Gesichtspunkte zu berücksichtigen und abzuwägen. Die pauschale Anwendung der Urteile würde das Ermessen der rückfordernden Behörde, dessen Bedeutung das Bundesverwaltungsgericht gerade betont, einschränken.

Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Rückforderung von Dienstbezügen ist zu beachten und in jedem Fall eine einzelfallbezogene Billigkeitsentscheidung vorzunehmen. Entsprechendes gilt auch bei der Rückforderung von Versorgungsbezügen.