Hinweis: brandenburg.de hat seine Internet-Seiten auf barrierefreien Zugriff optimiert und verwendet deshalb standardisiertes CSS (Stylesheets). Sollte Ihr Browser dieses nicht korrekt anzeigen, unterstützt er nicht die üblichen Webstandards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Brandenburgisches Vorschriftensystem (BRAVORS)

A | A | A |
Aktuelle Fassung

Erlass des Ministeriums des Innern über die Führung von Kriminalakten (Kriminalaktenerlass)


vom 13. Juli 2006
(ABl./06, [Nr. 33], S.560)

1 Grundsätze

Die Schutzbereiche der Polizeipräsidien des Landes Brandenburg und das Landeskriminalamt (LKA) führen zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten sowie zur Verfolgung von Straftaten (§ 1 Abs. 1 und 4 des Brandenburgischen Polizeigesetzes - BbgPolG) gemäß § 39 BbgPolG Kriminalakten (KA).

Grundvoraussetzung für das Anlegen und Führen einer KA ist demnach die einzelfallbezogene, auf Tatsachen beruhende Prognose, dass die Person auch künftig kriminalpolizeilich relevant in Erscheinung treten könnte (Wiederholungsgefahr) und daher das Vorhalten der KA zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Tatsachen in diesem Sinne können Art, Schwere und Ausmaß der Tat - insbesondere Verbrechen (§ 12 Abs. 1 des Strafgesetzbuches - StGB) -, Umstände der Tatvorbereitung und -ausführung, die hierbei zu Tage getretene kriminelle Energie oder auch sonst in der Persönlichkeit begründete besondere Verhaltensweisen und andere Besonderheiten sein.

1.1 KA sind Sammlungen im Sinne der Richtlinie für die Führung kriminalpolizeilicher personenbezogener Sammlungen (KpS-Richtlinie). Die KpS-Richtlinie gilt daher auch für KA, sofern dieser Erlass keine andere Regelung trifft.

1.2 KA sind grundsätzlich nur für den innerdienstlichen polizeilichen Gebrauch bestimmte Unterlagen über namentlich bekannte Personen, die als Verurteilte, Beschuldigte, Verdächtige oder Gesuchte kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten sind, sowie über vermisste Personen.

1.3 Die KA soll einen Überblick über den kriminellen Lebenslauf des kriminalpolizeilich in Erscheinung getretenen Betroffenen, sein Vorgehen bei der Vorbereitung und Ausführung von Straftaten sowie sein Verhalten danach und gegenüber Polizeibeamten vermitteln. Sie soll außerdem Personen- und Sachzusammenhänge offenbaren und damit die Möglichkeit geben,

  1. Gefahren abzuwehren,
  2. Straftaten zu verhüten,
  3. eine Person als tatverdächtig zu ermitteln oder auszuschließen,
  4. eine Person zu identifizieren,
  5. sich vor Ermittlungshandlungen über eine Person zu informieren, um Hinweise für das taktische Vorgehen, einschließlich der Eigensicherung, zu gewinnen.

2 Inhalt

2.1 Der Inhalt der KA bestimmt sich nach Nummer 3.3 der KpS-Richtlinien. Darüber hinaus werden folgende Unterlagen zur KA genommen:

  1. Personenblatt (BB Pol 1050),
  2. Unterlagen im Zusammenhang mit durchgeführten erkennungsdienstlichen Maßnahmen beziehungsweise Kopien dieser mit Hinweisen, wo die Originalunterlagen aufbewahrt werden,
  3. Personengebundene Hinweise (PHW) auf besondere Gefährlichkeit, Suchtkrankheiten, psychische Störungen oder andere persönliche Eigenschaften und Verhaltensweisen, die beim Einschreiten für die Eigensicherung und/oder zum Schutz des Betroffenen von Bedeutung sind gemäß Nummer 5.4 des Verfahrensverzeichnisses für den Kriminalaktennachweis des Landes Brandenburg,
  4. Unterlagen über personengebundene Hinweise und andere personengebundene Merkmale von polizeilichem Interesse,
  5. Hinweise über Namensänderung, Staatsangehörigkeitswechsel, Ausweisung, Aufenthaltsverbot, Versagung oder Entziehung von Pass oder Fahrerlaubnis, Bewährungszeiten, Führungsaufsicht, Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern und Entziehungsanstalten.

2.2 In die KA können außerdem folgende Unterlagen aufgenommen werden:

  1. Fahndungsunterlagen einschließlich Lichtbildern,
  2. Anklageschriften und Urteilsausfertigungen, wenn dies wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles geboten erscheint,
  3. Hinweise von Auskunftspersonen,
  4. Schriftproben,
  5. Hinweise über Erteilung, Versagung oder Entziehung von Berechtigungsscheinen (zum Beispiel waffen- oder sprengstoffrechtliche Erlaubnisse, Jagdschein oder Konzessionen, Führerscheine),
  6. Hinweise auf ein Berufsverbot oder auf eine Pflegschaft,
  7. Ersuchen anderer Dienststellen um Unterrichtung bei Eingang weiterer Nachrichten.

3 Ordnung des Inhalts der Kriminalakte

Der Inhalt der KA ist zu heften und wie folgt zu ordnen:

  • Personalblatt BB Pol 1050,
  • Lichtbild(er), soweit gegenständlich vorhanden, in einem Umschlag,
  • erkennungsdienstliche Unterlagen,
  • Auszug aus dem Bundeszentralregister,
  • andere Unterlagen, chronologisch abgelegt,
  • Nachweis gemäß Nummer 6 als letztes Blatt.

4 Registratur

4.1 KA sind fortlaufend zu nummerieren. Die Nummern ausgesonderter KA sind erst dann neu zu vergeben, wenn durch technische oder organisatorische Maßnahmen eine Doppelbelegung ausgeschlossen ist.

4.2 KA werden im Polizeilichen Auskunftssystem Straftaten des Landes Brandenburg (PASS), im Einzelfall im Krimi-nalaktennachweis des Bundes nachgewiesen und somit im Informationssystem der Polizei (INPOL-neu) dargestellt. Als Speicherungsbeleg dient der Vordruck “Merkblatt“ (BB Pol 1023) oder die PASS-Belege “PASS 01“ und „PASS 02“. Die Datenerfassung obliegt der kriminalaktenführenden Polizeidienststelle.

4.3 Die Erfassung erkennungsdienstlicher Unterlagen und Täterlichtbilder erfolgt im PASS und INPOL-neu durch die Dienststelle, welche die erkennungsdienstliche Maßnahme durchgeführt hat.

5 Führung

5.1 Über eine Person wird im Land Brandenburg jeweils nur eine KA geführt. Die KA führt der für den ständigen Wohnsitz der Person zuständige Schutzbereich beziehungsweise in den vorgesehenen Fällen das LKA. Der ständige Wohnsitz einer Person ist die Hauptwohnung gemäß § 16 Abs. 2 des Brandenburgischen Meldegesetzes (BbgMeldeG). Die Führung und Aufbewahrung der KA obliegt der Organisations-einheit, die durch Aufgabenzuweisung dazu bestimmt ist.

5.2 KA über Minderjährige sowie KA in Staatsschutzangelegenheiten sind besonders zu kennzeichnen. Sofern eine Person sowohl staatsschutzrelevant als auch sonstig kriminalpolizeilich relevant in Erscheinung getreten ist, wird die Staatsschutzrelevanz für die besondere Kennzeichnung der KA bestimmend.

5.3 Das LKA führt KA über Personen, die

  1. ohne festen Wohnsitz sind,
  2. ihren Aufenthaltsort ständig wechseln,
  3. als Bürger der Bundesrepublik Deutschland ihren ständigen Wohnsitz außerhalb des Landes Brandenburg haben,
  4. als Ausländer ohne Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland Straftaten verübt haben,
  5. sich zur Verbüßung von lebenslangen Freiheitsstrafen in Justizvollzugsanstalten befinden oder voraussichtlich lebenslang untergebracht sind (vgl. § 61 ff. StGB),
  6. im Land Brandenburg vermisst waren und ihren ständigen Wohnsitz außerhalb des Landes Brandenburg haben. Hiervon sind KA über vermisste Personen ausgenommen, die im Land Brandenburg zeitweilig oder dauerhaft in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder sonstigen Einrichtungen, die der Betreuung pflegebedürftiger oder behinderter Menschen oder der Heimerziehung dienen, aufgenommen wurden und soweit die Führung der KA im Schutzbereich zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist und
  7. Bürger der Bundesrepublik Deutschland mit Wohnsitz im Land Brandenburg sind und Straftaten begangen haben, deren Bearbeitung dem LKA im Rahmen seiner Zuständigkeit nach § 80 Abs. 4 und 5 BbgPolG obliegt, und der Inhalt der KA ein Schutzbedürfnis im Sinne der Nummer 9 des Gemeinsamen Runderlasses des Ministeriums der Justiz, des Ministeriums des Innern und des Ministeriums der Finanzen über die Zusammenarbeit bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität vom 8. Juli 1992 begründet.

Soweit dieses Schutzbedürfnis nicht gegeben ist, übersendet das LKA die zum Anlegen beziehungsweise zum Vervollständigen erforderlichen Unterlagen an den zur Führung der KA zuständigen Schutzbereich.

5.4 KA sind abzugeben

  1. bei Wohnsitzwechsel an den Schutzbereich, in dessen Bereich der neue ständige Wohnsitz im Land Brandenburg liegt; in Fällen nach Nummer 5.3 Buchstabe f Satz 2 ist analog zu verfahren, anstelle des ständigen Wohnsitzes tritt der Ort der jeweiligen Einrichtung, oder
  2. an das LKA, soweit die Voraussetzungen von Nummer 5.3 vorliegen.

5.5 Wird festgestellt, dass entgegen Nummer 5.1 über eine Person bei mehreren Polizeidienststellen KA geführt werden, ist der ständige Wohnsitz zu ermitteln. Die danach zuständige Dienststelle fordert die aktenführende(n) Dienststelle(n) zur Abgabe der Akten auf. Die Unterlagen sind ohne Verzögerung abzugeben, entsprechende Berichtigungen in den Kriminalaktennachweisen des Landes und des Bundes sind unverzüglich vorzunehmen.

5.6 Werden KA von Personen, deren Wohnsitz in einem anderen Bundesland liegt, nach Nummer 5.3 angelegt oder an das LKA abgegeben, kann das LKA die für den Wohnsitz zuständige Polizeibehörde über den Inhalt der KA unterrichten.

5.7 KA sind unter der Aufsicht eines Kriminalbeamten zu führen. Häufiger Personalwechsel in der Kriminalaktenhaltung ist zu vermeiden.

6 Einsichtnahme, Auswertung, Übermittlung

6.1 Einsicht in beziehungsweise Auskunft aus der KA erhalten Polizeibeamte und Polizeiangestellte im Polizeivollzugsdienst. Jede Einsichtnahme/Auskunftserteilung ist nachzuweisen. Als Nachweis ist als letztes Blatt jeder KA eine Übersicht zu führen, die Name und Dienststelle des Auskunftsersuchenden, Namenszeichen des Auskunftserteilenden, Grund sowie Datum der Einsichtnahme zu enthalten hat.

6.2 KA müssen verfügbar sein. Sie können zur Auswertung für kurze Zeit gegen Empfangsbescheinigung an Polizeibeamte und Polizeiangestellte im Polizeivollzugsdienst ausgegeben werden. Entnahme und Verbleib der KA sind in einem in der Kriminalaktenhaltung zu führenden Verzeichnis zu dokumentieren (zur Übermittlung von Akteninhalten vgl. Nummer 4 der KpS-Richtlinie).

6.3 Die Übernahme von Inhalten aus der KA in eine Datei oder sonstige Sammlungen ist in der KA zu vermerken. Das gilt auch für die Entnahme von Lichtbildern.

7 Erkenntnisanfragen und -mitteilungen

7.1 Eine Erkenntnisanfrage ist ein Übermittlungsersuchen im Sinne der §§ 41 bis 44 BbgPolG. Sie muss die Zuständigkeit der anfragenden Stelle für die Aufgabe, zu deren rechtmäßiger Erfüllung die Daten benötigt werden, und den Anlass der Anfrage erkennen lassen.

7.2 Bei allgemein gehaltenen Anfragen ist eine Konkretisierung der benötigten Daten zu fordern. Telefonische Ersuchen dürfen nur beantwortet werden, wenn Identität und Berechtigung des Anrufers feststehen (vgl. Nummer 4.7 der KpS-Richtlinie).

7.3 Für die Übermittlung von Daten aus der KA an Polizeibehörden gilt § 42 BbgPolG.

7.4 Bei Datenübermittlungen zur Gefahrenabwehr an andere öffentliche Stellen sind die Regelungen des § 43 BbgPolG zu beachten.

8 Verwertung von Erkenntnissen in Ermittlungsakten

8.1 Erkenntnisse aus KA dürfen nicht unmittelbar in Ermittlungsvorgängen verwendet werden.

8.2 Beweiserhebliche Hinweise aus anderen Vorgängen, zum Beispiel Erkenntnisse aus Strafverfahren für den Nachweis von Haftgründen, die in der KA enthalten sind, dürfen für Zwecke des Strafverfahrens verwendet werden. Dabei ist auf die ursprüngliche Quelle und nicht auf die KA hinzuweisen.

9 Aufbewahrungsdauer

Die Dauer der Aufbewahrung von KA richtet sich nach Nummer 7 der Richtlinie des Ministeriums des Innern über die Führung kriminalpolizeilicher personenbezogener Sammlungen vom 13. Juli 2006 (ABl. S. 556) sowie nach Nummer 9 des Verfahrensverzeichnisses für den Kriminalaktennachweis des Landes Brandenburg.

10 Auskunft, Akteneinsicht

Das Recht auf Auskunft des Betroffenen über die zu seiner Person gespeicherten Daten richtet sich nach § 71 BbgPolG.

11 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Dieser Erlass tritt am Tage nach der Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig tritt der Erlass des Ministeriums des Innern über die Führung von Kriminalakten, Az.: IV/2.4.1- 6422, vom 4. April 1997 (ABl. S. 354) außer Kraft.