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Brandenburgisches Vorschriftensystem (BRAVORS)

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Letzte gültige Fassung Anlagen (4) Änderungshistorie

ARCHIV

Gemeinsamer Erlass des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr und des Ministeriums des Innern zur Verhütung von Verkehrsunfällen durch Erkennen, Untersuchen und Beseitigen von örtlichen Unfallhäufungen


vom 28. Juli 2000
(ABl./00, [Nr. 40], S.773)

Außer Kraft getreten durch Verwaltungsvorschrift vom 16. Dezember 2009
(ABl./09, [Nr. 51], S.2606)

1. Grundsätze

Die ortsbezogene Auswertung von Straßenverkehrsunfällen - örtliche Unfalluntersuchung - ist eine wesentliche Voraussetzung für die Festlegung von Maßnahmen zur Verhinderung von Verkehrsunfällen und damit zur Erhöhung der Verkehrssicherheit.

Durch die örtliche Unfalluntersuchung sind frühzeitig auffällige Bereiche (Unfallhäufungsstellen, -linien und -gebiete) sowie mögliche Zusammenhänge zwischen typischen Verhaltensweisen von Verkehrsteilnehmern und den örtlichen Besonderheiten des Verkehrsraumes zu erkennen, die eine Häufung von Straßenverkehrsunfällen begünstigen. Dabei ist Unfällen mit schwerem Personenschaden besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Zur Beseitigung möglicher Ursachen kommen polizeiliche, verkehrsrechtliche und straßenbauliche Maßnahmen in Betracht.

Grundlage für die örtliche Unfalluntersuchung ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) zu § 44 StVO vom 24. November 1970 in der aktuellen Fassung. Die Bekämpfung von Straßenverkehrsunfällen gemäß der VwV-StVO zu § 44 StVO hat in enger Zusammenarbeit zwischen Polizei, Straßenverkehrs- und Straßenbaubehörde zu erfolgen.

2. Verkehrsunfallkommissionen

2.1. Landesunfallkommission

Der Landesunfallkommission (LUK) gehören Vertreter aus der obersten Straßenverkehrsbehörde und der obersten Straßenbaubehörde des Landes an. Das Ministerium des Innern wird durch einen Beauftragten für polizeiliche Verkehrsangelegenheiten vertreten. Weiteres ständiges Mitglied ist ein Vertreter des für den Rettungsdienst zuständigen Ministeriums.

Der Landesunfallkommission gehören externe Mitglieder an, die durch die ständigen Vertreter der obersten Landesbehörden einstimmig gewählt werden müssen.

Den Vorsitz führt die oberste Straßenverkehrsbehörde. Die LUK tagt mindestens zweimal jährlich.

2.2. Autobahnunfallkommissionen

Die Autobahnunfallkommissionen (AUK) sind besteht aus Vertretern des Brandenburgischen Autobahnamtes (BABA) und der Polizeipräsidien und ist entsprechend der Zuständigkeitsbereiche der Polizeipräsidien organisiert. Das BABA leitet als zuständige Straßenverkehrsbehörde für die Bundesautobahnen im Land Brandenburg die Arbeit der AUK.

Darüber hinaus werden in halbjährlichen gemeinsamen Zusammenkünften von Vertretern des BABA, der Polizeipräsidien sowie weiterer Behörden Probleme und Aufgaben des Gesamtnetzes der Bundesautobahnen im Land Brandenburg erörtert.

2.3. Örtliche Verkehrsunfallkommissionen

In den Landkreisen und kreisfreien Städten sind Verkehrsunfallkommissionen (VUK) gegründet worden. In den großen kreisangehörigen Städten können mit Zustimmung der obersten und der zuständigen unteren Verkehrsbehörde örtliche Verkehrsunfallkommissionen gebildet werden.
Mitglieder der Verkehrsunfallkommission sind Vertreter

  • der örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde,
  • der örtlich zuständigen Straßenbaubehörde,
  • der örtlich zuständigen Polizeibehörde.

Als Vertreter der o. g. Behörden in den Verkehrsunfallkommissionen sind nur Personen einzusetzen, die für diese Tätigkeit im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen entsprechend qualifiziert und entscheidungsbefugt sind. Entsprechend der Tagesordnung sind weitere Behörden oder Institutionen beratend in die Tätigkeit der Verkehrsunfallkommissionen einzubeziehen (Schulen, ÖPNV-Unternehmen, Behindertenvereine, Verkehrswachten, Jagdvereine usw.).

Die Vertreter der Brandenburgischen Straßenbauämter in den VUK sind in der Regel die zuständigen Verkehrssicherheitsbeauftragten. Mindestens einmal pro Jahr nimmt zusätzlich der Leiter des Straßen- bauamtes persönlich an der Sitzung der Verkehrsunfallkommissionen teil.

Die Federführung in der VUK obliegt jeweils der örtlich zuständigen Straßenverkehrsbehörde. Die Verkehrsunfallkommissionen sind durch den Leiter des Straßenverkehrsamtes zu leiten.

3. Aufgaben der Verkehrsunfallkommissionen

3.1. Landesunfallkommission

Die Aufgaben der Landesunfallkommission (LUK) umfassen insbesondere

  • Beobachtung der mittel- und langfristigen Entwicklung des Unfallgeschehens
  • Überprüfung der Arbeit der AUK und der örtlichen Unfallkommissionen
  • Verallgemeinerung von Maßnahmen örtlicher Unfallkommissionen, die sich als besonders wirksam herausgestellt haben
  • Mitwirkung bei der Behandlung der Rechtsvorschriften für den Straßenverkehr
  • Verkehrsversuche
  • Förderung der Fortbildung und des Erfahrungsaustausches.

Bei der Behandlung konkreter örtlicher Verkehrssicherheitsprobleme durch die LUK wirken die zuständigen Verkehrsunfallkommissionen mit.

3.2. Autobahn- und der örtlichen Verkehrsunfallkommissionen

Aufgabe der Autobahn- und örtlichen Verkehrsunfallkommissionen ist es, Vorschläge zur Entschärfung bzw. Beseitigung von unfallauffälligen Bereichen zu beraten, diese näher zu untersuchen sowie dazu geeignete Maßnahmen zur Beseitigung zu beschließen und auszuführen. Verbesserungsmaßnahmen sind auch dann vorzuschlagen, wenn in absehbarer Zeit eine völlige Umgestaltung der Örtlichkeit geplant ist.

Zur Klärung von geeigneten Verbesserungsmaßnahmen sind grundsätzlich Ortsbesichtigungen vorzusehen. Bei streckenbezogenen Unfallhäufungen sollte zusätzlich die Videobefahrung der Straßenbauämter zur Beurteilung eingesetzt werden.

Sitzungen der Verkehrsunfallkommissionen haben lageangepasst und in angemessener Zeitfolge mindestens vierteljährlich, die AUK mindestens halbjährlich, vor der Unfalltypen-Steckkarte der örtlich zuständigen Polizeidienststelle stattzufinden.

Die Sitzungen sind auf der Grundlage einer - anhand einzelner Unfallhäufungen orientierten - konkreten Tagesordnung (analog Anlage 1) durchzuführen.

Einladungen erfolgen durch die zuständigen Straßenverkehrsbehörden. Die Ergebnisse der Sitzungen sind zu protokollieren und den Kommissionsmitgliedern zuzuleiten.

4. Erkennen und Untersuchen von Unfallhäufungen

4.1. Führen von Unfalltypen-Steckkarten und Unfallblattsammlungen

Durch die Polizei sind Unfalltypen-Steckkarten (manuell oder elektronisch) zu führen und die dazugehörigen Unfallblattsammlungen anzulegen.

Es werden parallel mindestens zwei Arten von Unfalltypensteckkarten geführt:

  • In Mehrjahreskarten (3-JK) sind nur Verkehrsunfälle mit schwerem Personenschaden zu führen.
  • In der Einjahreskarte (1-JK) werden alle Unfälle gesteckt.

Als unfallauffällig gilt ein Bereich, wenn entweder 3 Verkehrsunfälle mit schwerem Personenschaden (tot, schwerverletzt oder 5 gleichartige Unfälle (gleicher Unfalltyp oder gleiche Unfallumstände) auftreten.

Die Prüfung, ob der Grenzwert erreicht worden ist, ist grundsätzlich bei jedem neuen Unfall zu leisten.

Als unfallauffällige Bereiche sind zu unterscheiden:

  • Unfallhäufungsstellen (UHS) an Knotenpunkten oder kurzen Streckenabschnitten, z. B. Kurven, Engstellen, Fußgängerquerungsstellen,
  • Unfallhäufungslinien (UHL), bei denen sich Unfälle auf einer Länge bis 1000 m häufen,
  • Unfallhäufungsgebiete (UHG); als Gebiete sind Innerorts-Bereiche definiert, die entsprechend VwV-StVO die Voraussetzung für Tempo-30-Zonen haben.

Das Führen von Sonderkarten sowie die Verfahrensweise liegt im Ermessen der Polizei und bleibt einer gesonderten Regelung des Innenministeriums vorbehalten.

4.2. Meldung von Unfallhäufungen durch die Polizei

Die Polizei hat der Straßenverkehrsbehörde und der Straßenbaubehörde mit Formblatt „Meldung einer Unfallhäufung“ (Anlage 2) das Ergebnis ihrer Voruntersuchung über

  • Auffälligkeiten/Gleichartigkeiten des Unfallgeschehens
  • Möglicherweise unfallbegünstigende Faktoren
  • in Frage kommende Verbesserungsmaßnahmen

mitzuteilen.

Der Meldung sind Unfalllisten und in der Regel ein Diagramm der Unfallhäufung beizufügen.
Die Ausführungen zur „Auswertung von Straßenverkehrsunfällen“ Teil 1 und 2, Hefte Nr. 12 und 13, herausgegeben vom ISK, sind zu beachten1).

Ereignen sich nach der Meldung weitere Unfälle, die für die Bewertung des Unfallgeschehens oder für die Entscheidung über Maßnahmen von Bedeutung sein können, ist eine Nachmeldung erforderlich. Hierzu ist ebenfalls ein Formblatt (gemäß Anlage 2) zu verwenden.

In den Unfalltypen-Steckkarten sind die voruntersuchten Unfallhäufungsstellen und die gemeldeten Unfallhäufungsstellen entsprechend zu kennzeichnen.

4.3 Erkennen von Unfallhäufungen mit Hilfe von BASTA

Mit dem „ Brandenburgischen Expertensystem zum Analysieren und Dokumentieren von unfallauffälligen Streckenabschnitten“ (BASTA) ist ein Computerprogramm geschaffen worden, das alle von der Polizei seit 1996 erfassten und an das Statistische Landesamt gemeldeten Unfälle enthält. Damit steht für die Analyse mit dem Programm BASTA zusätzlich zur Unfalltypensteckkarte ein vollständiger Unfalldatensatz zur Verfügung (Datum, Uhrzeit, Wochentag, Lichtverhältnisse, allgemeine Unfallursachen, Straßenverhältnisse, Witterungseinflüsse, Angaben zu den Beteiligten, Alter und Geschlecht, Verkehrsbelastungszahlen).

Das Auffinden unfallauffälliger Streckenabschnitte erfolgt bei dem System BASTA durch die Berechnung der „ vermeidbaren Unfallkostendichten“ (VUKD). Sie werden auch als Verkehrssicherheits-Potential` bezeichnet. Sie sind in BASTA rot gekennzeichnet.
Die Brandenburgischen Straßenbauämter sind verpflichtet, alle mit dem System BASTA ermittelten unfallauffälligen Streckenabschnitte unverzüglich den örtlich zuständigen Polizeidienststellen anzuzeigen. In den Sitzungen der Verkehrsunfallkommissionen sind die Vorschläge zum Beseitigen dieser Häufungsstellen zu unterbreiten bzw. zu beraten.

5. Beseitigen von unfallauffälligen Bereichen

Die Polizei, die Straßenverkehrsbehörde und die Straßenbaubehörde prüfen gemeinsam, welche Verbesserungsmaß nahmen in Frage kommen. Andere Stellen können bei Bedarf hinzugezogen werden.

Sind die unfallbegünstigenden Bedingungen aus der „Meldung über Unfallhäufung“ klar erkennbar und werden die von der Polizei vorgeschlagenen Verbesserungsmaßnahmen für zweckmäßig erachtet, so können weitere Untersuchungen entfallen. In allen anderen Fällen sind die noch offenen Fragen in den Verkehrsunfallkommissionen zu erörtern. Erforderlichenfalls sind zusätzliche Informationen, z. B. Geschwindigkeitsmessungen, Verkehrsbeobachtungen u. a. einzuholen bzw. Ortsbesichtigungen durchzuführen.

Als Verbesserungsmaßnahmen können sowohl Sofort- als auch mittelfristige Maßnahmen in Betracht kommen. Sofortmaßnahmen können z. B. sein

  • gezielte polizeiliche Verkehrsüberwachung
  • Verkehrsbeschränkungen
  • Schutzplanken
  • Sichtverbesserung, z. B. durch Beschneiden/Beseitigung von Büschen oder Bäumen
  • Fahrbahnmarkierungen, Leiteinrichtungen und Beschilderung
  • Einfache bauliche Maß nahmen
  • Verbesserung der Wegweisung
  • Veränderung des Signalprogramms von Lichtzeichenanlagen.

Sofern Maßnahmen von verschiedenen Stellen zu veranlassen sind, muss die gegenseitige Abstimmung sichergestellt werden. Keinesfalls dürfen als notwendig erkannte längerfristige Maßnahmen unterbleiben, weil Sofortmaßnahmen ausgeführt werden, ebenso dürfen Sofortmaß nahmen nicht unterbleiben, weil auch längerfristige Maßnahmen ins Auge gefasst sind.

Über die Sitzungen der Verkehrsunfallkommissionen sind von der Straßenverkehrsbehörde - getrennt für die einzelnen unfallauffälligen Bereiche - Ergebnisprotokolle zu fertigen und den zuständigen Mitgliedern zuzuleiten. Die Ergebnisprotokolle sind zusammen mit den entsprechenden Meldungen und den dazugehörigen Unterlagen in einer gesonderten Unfallhäufungs-Akte abzulegen.
Die Straßenbaulastträger melden gemäß Anlage 3 die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen an die Straßenverkehrsbehörde und die Polizei.

6. Controlling

Controlling ist ein wesentliches Instrument zur Überprüfung und Dokumentation der durch die Unfallkommission beschlossenen Maßnahmen. Diese sind durch Wirksamkeitsuntersuchuungen (Vorher/Nachher-Vergleich) auf ihre Eignung zur Verbesserung der Verkehrssicherheit zu untersuchen. Die Verkehrsunfallkommissionen haben in ihren Sitzungen den Stand der Unfallentwicklung und die Wirksamkeit getroffener Maßnahmenregelmäßig zu überprüfen, um Schlüsse für das weitere Vorgehen ziehen zu können. Erforderlichenfalls ist auf eine zügige Durchführung vorgesehener Maßnahmen zu dringen. Wenn die beschlossene Maßnahme keine Abhilfe schafft, sind ergänzende Vorschläge zu beschließen.

Um eine Kontrolle der Wirksamkeit dieser Maßnahmen zu ermöglichen, markiert die Polizei diese Unfallhäufungen entsprechend auf der Unfalltypen-Steckkarte.

Jede Verkehrsunfallkommission erstellt einen Jahresbericht gemäß Anlage 4, der bis spätestens 31.01. des Folgejahres der Landesunfallkommission vorzulegen ist.

7. Öffentlichkeitsarbeit

Die Öffentlichkeit ist unter Nutzung der regionalen und überregionalen Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen) kontinuierlich mit den Zielen und Aufgaben sowie der Tätigkeit der Verkehrsunfallkommissionen bekannt zu machen.

Dazu ist insbesondere neben aktuellen Beiträgen zur Untersuchung und Beseitigung von Unfallhäufungen mindestens einmal jährlich eine Pressekonferenz bzw. ein Pressegespräch durchzuführen.

In diesen sollten anhand von Unfalltypen-Steckkarten vor allem

  • Bilanz über die Verkehrsunfallentwicklung im jeweiligen Verantwortungsbereich gezogen,
  • Erfolge und Handlungsbedarf bei der Beseitigung von Unfallhäufungen erläutert und
  • die Tätigkeit der Verkehrsunfallkommission im abgelaufenen Berichtszeitraum dargestellt

werden.

Die in den Verkehrsunfallkommissionen Mitwirkenden haben dazu eng zusammenzuarbeiten. Verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit ist die jeweils örtlich zuständige Straßenverkehrsbehörde.

8. Schlussbestimmungen

Der Gemeinsame Erlass des Ministeriums des Innern und des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr zur „ Verhütung von Verkehrsunfällen durch Erkennen, Untersuchen und Beseitigen von örtlichen Unfallhäufungen“ vom 09.03.1992 wird außer Kraft gesetzt. Gleichzeitig tritt dieser Erlass in Kraft. Er wird im Amtsblatt für das Land Brandenburg bekannt gemacht.


1) ISK, Institut für Straßenverkehr Köln, Ebertplatz 2, 50668 Köln

Anlagen