Richtlinie des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung zur Bekämpfung der Bovinen Virusdiarrhoe/Mucosal Disease (BVD/MD) im Land Brandenburg
Die Leitlinien für den Schutz von Rinderbeständen vor einer Infektion mit dem Virus der Bovinen Virusdiarrhoe/Mucosal Disease (BVD/MD) und für die Sanierung infizierter Rinderbestände vom 26. Januar 1998 (BAnz. Nr. 26 S. 1474) beschreiben den Verfahrensweg für die Sanierung von Rinderbeständen auf freiwilliger Grundlage. In Anwendung dieser Leitlinien wird für das Land Brandenburg folgende Richtlinie durch das Ministerium für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung erlassen.
1. Einleitung
Bei der BVD/MD handelt es sich um eine Viruskrankheit, die besonders dadurch gekennzeichnet ist, dass persistent-virämische Tiere (Virämiker) eine zentrale Rolle bei der Verbreitung der Infektion innerhalb eines Bestandes und in andere Bestände einnehmen. Die Erkennung und Eliminierung solcher Rinder erfordert ein spezifisches diagnostisches Vorgehen.
Das Krankheitsbild kann vielseitig sein. Durchfall- und Atemwegserkrankungen bei Jungtieren, Schleimhautentzündungen, Kümmern, Missbildungen, Fruchtbarkeitsstörungen erheblichen Ausmaßes und Aborte sind die wichtigsten Erscheinungsformen. Es besteht eine verminderte Widerstandskraft gegen andere Infektionen.
In betroffenen Beständen muss mit einer Immunsuppression gerechnet werden, die auch den Effekt von Schutzimpfungen gegen andere Erkrankungen beeinträchtigen kann. Da hierbei insbesondere die Impfung gegen die Bovine-Herpesvirus-Infektion berührt ist, müssen Maßnahmen gegen die BVD/MD getroffen werden, um den Erfolg der BHV1-Sanierung im Land Brandenburg nicht zu gefährden.
Die BVD/MD ist eine meldepflichtige Tierseuche.
Ein nachhaltiger Erfolg setzt flächenhafte Bekämpfungsmaßnahmen voraus. Deshalb ist die Beteiligung möglichst vieler Rinderhalter am Sanierungsverfahren erforderlich, um die Brandenburger Rinderproduktion auf Dauer wettbewerbsfähig zu halten.
2. Wirtschaftliche Bedeutung
Wirtschaftliche Schäden entstehen durch direkte Tierverluste, sinkende Milchleistung in größerem Umfang, aber auch durch Minderleistungen infolge von Fruchtbarkeitsstörungen und verminderter Infektionsabwehr. Die BVD-Infektion in einem bisher freien Rinderbestand kann katastrophale Folgen haben. In der Folge eines Neuausbruches dieser Tierseuche können Verluste bis 300 DM je Kuh und Jahr eintreten. Ohne gezielte diagnostische Abklärung kann die Infektion auch längere Zeit unerkannt bleiben. Wegen ihrer großen Verbreitung hat die BVD/MD für die gesamte Rinderhaltung des Landes Brandenburg eine erhebliche wirtschaftliche Dimension. Von wirtschaftlicher Bedeutung ist auch die mögliche Beeinträchtigung der mit hohem finanziellen Aufwand betriebenen BHV1-Sanierung durch die BVD/MD.
3. Ausgangssituation im Land Brandenburg
Es ist davon auszugehen, dass 60 bis 80 % der Rinderbestände in Brandenburg durch das Virus der BVD/MD (BVDV) infiziert sind. Es besteht eine zunehmende Tendenz. In etwa 40 % aller Bestände wird die Existenz persistent-virämischer Rinder vermutet.
Da weitgehend Unkenntnis über die Situation im eigenen Bestand herrscht, ist es erforderlich, die Rinderhalter über die Möglichkeiten der Bekämpfung und Sanierung zu informieren und das Sanierungsverfahren vorzugeben.
Um den Rinderhaltern die Entscheidung über den Einstieg in das Verfahren zu erleichtern, wird ein stufenweises Vorgehen empfohlen.
4. Lösungsweg
- Aufklärung von Landwirten und Tierärzten über die Tierseuche BVD/MD durch Nutzung von Veranstaltungen, Versammlungen, Seminaren u. a. m.
- Statuserhebung in möglichst vielen Rinderhaltungen unter kostengünstiger Nutzung von Milch- und Blutproben, die im Rahmen der BHV1-Sanierungsmaßnahmen und anderer Bestandskontrollen ohnehin zur Verfügung stehen.
- Gezielte Untersuchungen zur Erkennung von persistent-virämischen Rindern aufgrund der Ergebnisse der Statuserhebung.
- Unverzügliches Entfernen der Virämiker aus dem Bestand.
- Zeitweilige Durchführung der Schutzimpfung unter Beachtung der Seuchensituation im Bestand und im Territorium.
- Schaffung und Sicherung der diagnostischen Kapazität in den Staatlichen Veterinär- und Lebensmitteluntersuchungsämtern.
- Einbeziehung der Tiergesundheits- und Tierseuchenbekämpfungsdienste in die Erarbeitung der Logistik und die fachliche Begleitung der Bekämpfungs- und Sanierungsmaßnahmen.
- Grundprinzip des freiwilligen Beitritts zum Sanierungsverfahren als ersten Schritt für eine spätere landesweite Sanierung zur Sicherung des Standortes der brandenburgischen Rinderproduktion.
- Vorrangige Einbeziehung von Rinderbeständen der oberen Zuchtebene, wie Besamungsstationen, ETR-Stationen und andere wertvolle Zuchtbestände.
- Schaffung von Rahmenbedingungen, durch die die finanzielle Belastung sanierungswilliger Betriebe gemindert wird.
- Nahziel ist die Schaffung BVDV-unverdächtiger Bestände, also Bestände, in denen sich zwar Rinder mit Antikörpern gegen die Erkrankung befinden, die aber frei von Virusträgern sind.
5. Diagnostische Untersuchungen
5.1 Statuserhebung
Sofern bei vorausgegangenen diagnostischen Untersuchungen nicht bereits BVD-Virus (BVDV) nachgewiesen wurde, wird folgendes Untersuchungsprogramm durchgeführt:
Stichprobenuntersuchung:
- Serologische Untersuchung von Blutproben weiblicher ungeimpfter Jungrinder im Alter von 9 bis 24 Monaten.
- Serologische Untersuchung von Blut- oder Milchproben bei milchgebenden, ungeimpften Rindern.
Probenzahl: 10 Blut- oder Milchproben je Stallabteilung
Poolmilchuntersuchung ist möglich.
Bewertung:
- Untersuchungsergebnis negativ:
Durchführung weiterer Untersuchungen zur Erreichung des Status „BVD/MD-frei” - Untersuchungsergebnis positiv:
Durchführung von Bestandsuntersuchungen zur Ermittlung persistent-virämischer Rinder
Empfehlung: Bei einem Anteil positiver Proben von weniger als 40 % Wiederholung der Stichprobenuntersuchung bei anderen Tieren.
5.2 Identifikation persistent-virämischer Rinder in BVDV-infizierten Beständen:
- Untersuchung aller Rinder ab 4 Monaten Lebensalter auf das Antigen des BVD-Virus (BVDV).
- Virologische Untersuchung aller Kälber, die zum Zeitpunkt der Bestandsuntersuchung jünger als 4 Monate waren und aller nachgeborenen Kälber ab 4. Lebensmonat für die Dauer eines Jahres.
- Bei Nachweis von Virusantigen Wiederholung der Untersuchung des Tieres im Abstand von 3 Wochen.
- Nachuntersuchung des jeweiligen Muttertieres im Falle des doppelten Virusantigennachweises bei Nachkommen.
Untersuchungsmaterial: Stabilisierte Blutproben (z. B. EDTA-Proben)
Untersuchungsmethode: Durchflusszytometrie, Antigen-ELISA
Bewertung:
- Untersuchungsergebnis negativ:
Bestand frei von Virämikern - Untersuchungsergebnis positiv:
Virusträger im Bestand ermittelt.
Ergebnis der Wiederholungsuntersuchung:
negativ: transient-virämisches Rind (kein Virämiker)
positiv: persistent-virämisches Rind (Virämiker).
Nach abgeschlossener Untersuchung muss für jedes Rind des Bestandes ein eindeutiges Ergebnis vorliegen.
Persistent-virämische Rinder sind unverzüglich der Schlachtung zuzuführen.
6. Impfung
Grundsatz:
Der Einsatz von BVD/MD-Impfstoffen ohne systematische Eliminierung persistent-virämischer Tiere ist abzulehnen, da eine Sanierung des Bestandes nicht erwartet werden kann und über eine lange Zeit hohe Kosten entstehen.
Empfehlung:
In Problembeständen nach der Bestandsuntersuchung und nach Entfernen der Virämiker aus dem Bestand Schutzimpfung für die Dauer von etwa 12 Monaten.
In Abhängigkeit von der Infektionsgefährdung und von der Immunitätslage des Bestandes kann eine Weiterführung der Impfung erforderlich sein.
Impfregime:
Grundimmunisierung weiblicher Rinder, insbesondere weiblicher Jungrinder, 8 bis 4 Wochen vor der Besamung/Bedeckung.
Beachte: Beim Einsatz von Lebendimpfstoffen besteht eine Gefährdung der tragenden Rinder durch ausgeschiedenes Impfvirus.
Tragende Rinder sollen nur mit inaktivierten Impfstoffen geimpft werden.
Im Übrigen erfolgen Impfungen nach den Empfehlungen des Herstellers.
7. Einstufung der Rinderbestände
7.1 BVDV-freier Bestand:
- Die Einstufung kann erfolgen, wenn die Untersuchungen gemäß Nummer 3.1. der Leitlinien vom 26. Januar 1998 ein negatives Ergebnis erbracht haben und die Bedingungen gemäß Nummer 3.3. der Leitlinien eingehalten wurden.
Die Einstufung erfolgt durch den zuständigen Amtstierarzt unter Verwendung einer Bescheinigung nach dem Muster der Anlage 1 der Leitlinien. - Aufrechterhaltung des Status:
Der Status wird aufrechterhalten, wenn zweimal im Jahr eine Stichprobe von 10 Tieren je Stallabteilung ab 9 Monaten Lebensalter mit negativem Ergebnis auf BVDV-Antikörper untersucht wird.
Alternative: In Mutterkuhbeständen kann die Untersuchung gemäß Nummer 3.2. der Leitlinien durch die jährliche Untersuchung aller abgesetzten Kälber ersetzt werden.
Anmerkung: Im Falle des überregionalen Handels mit Rindern sind die Bedingungen gemäß Nummer 3.2. der Leitlinien zu beachten. In einen BVDV-freien Rinderbestand dürfen nur Rinder aus BVDV-freien Beständen oder BVDV-freie Rinder aus BVDV-unverdächtigen Beständen eingestellt werden. - Aussetzen oder Widerruf des Status:
Ergeben die Untersuchungen gemäß Nummer 7.1 Buchstabe b ein für BVDV verdächtiges oder positives Ergebnis, ist der Status gegebenenfalls bis zur Abklärung der Befunde auszusetzen oder je nach der Zahl verdächtiger oder positiver Befunde durch den zuständigen Amtstierarzt zu widerrufen.
7.2 BVDV-unverdächtiger Bestand:
- Ein Bestand gilt als BVDV-unverdächtig, wenn die Untersuchungen gemäß Nummer 5.2 abgeschlossen sind und dabei ermittelte Virämiker aus dem Bestand entfernt worden sind.
Die Einstufung erfolgt durch den zuständigen Amtstierarzt unter Verwendung einer Bescheinigung nach dem Muster der Anlage 1 der Leitlinien. - Aufrechterhaltung des Status:
Der Status wird aufrechterhalten, wenn zweimal im Jahr eine Stichprobe von 10 ungeimpften Tieren je Stallabteilung im Alter von 9 bis 12 Monaten mit negativem Ergebnis auf BVDV-Antikörper untersucht wurde.
Anmerkung: Im Fall des überregionalen Handels mit Rindern sind die Bedingungen gemäß Nummer 4.3. der Leitlinien zu beachten. In einen BVDV-unverdächtigen Rinderbestand sollen nur Rinder aus BVDV-freien oder -unverdächtigen Beständen eingestellt werden. Rinder aus anderen Beständen sind im aufnehmenden Bestand auf BVDV-Antigen zu untersuchen und bis zur Vorlage des negativen Ergebnisses von anderen Rindern getrennt zu halten. - Aussetzen oder Widerruf des Status:
Ergeben die Untersuchungen gemäß Nummer 7.2 Buchstabe c ein für BVDV verdächtiges oder positives Ergebnis, ist der Status bis zur Abklärung der Befunde auszusetzen oder je nach der Zahl verdächtiger oder positiver Befunde durch den zuständigen Amtstierarzt zu widerrufen.
7.3 BVDV-freie und -unverdächtige Rinder
- Als BVDV-freie Rinder gelten:
- Rinder aus einem BVDV-freien Bestand
oder - Rinder aus anderen Beständen, die im Herkunftsbestand durch eine Blutuntersuchung mit negativem Ergebnis auf BVDV-Antigen und -Antikörper untersucht worden sind.
- Rinder aus einem BVDV-freien Bestand
- Als BVDV-unverdächtige Rinder gelten:
- Rinder aus einem BVDV-unverdächtigen Bestand
oder - Rinder aus anderen Beständen, die im Herkunftsbestand durch eine Blutuntersuchung mit negativem Ergebnis auf BVDV-Antigen untersucht worden sind. Das gilt nicht für trächtige Rinder.
- Rinder aus einem BVDV-unverdächtigen Bestand
8. Allgemeine Maßnahmen zum Schutz gegen die BVDV-Infektion
- Kontrollierter Handel mit Rindern mit Bescheinigung gemäß Anlage 1 oder 2 der Leitlinien
- Absonderung zugekaufter Rinder (Quarantäne)
- Treffen von Schutzmaßnahmen bei der Einstellung und Rückführung von Rindern nach Transporten, Tierschauen, Verkaufsveranstaltungen usw.
- Vermeidung von Kontakten zu Rindern infizierter Bestände oder solchen mit unbekanntem BVD/MD-Status
- Getrennte Haltung von Rindern und Schafen
- Abtrennung erkrankter Rinder und möglichst räumliche Abtrennung des Abkalbebereichs und des Kälberabteils
- Beschränkung des Personen- und Fahrzeugverkehrs
- Bereitstellung von Hygienekleidung für Betriebsfremde
- Trennung von Futter- und Dungfahrzeugen
- Hygienemaßnahmen bei Manipulationen am Tier (Besamung, Klauenpflege, Behandlung).
9. Überwachung, Kontrolle, Anleitung
Die BVD/MD wird gegenwärtig noch nicht mit staatlichen Mitteln bekämpft. Wegen ihrer Ausbreitungstendenz und wirtschaftlichen Bedeutung sind aber tierseuchenrechtliche Regelungen in absehbarer Zeit zu erwarten.
Das Sanierungsverfahren soll deshalb der Überwachung durch die Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter unterliegen, die die Dokumentation über die Sanierungsbetriebe führen, die auch die Einstufung der Betriebe vornehmen und die Durchführung der vorgegebenen Untersuchungsschritte kontrollieren.
Die Tiergesundheits-/Tierseuchenbekämpfungsdienste leiten auf Anforderung sanierungswillige Betriebe an, beraten fachlich und unterstützen sie bei der Erstellung der Logistik. Sie wirken bei der Fortbildung und Öffentlichkeitsarbeit mit. Das gilt auch für die Mitwirkung bei der Fortbildung praktizierender Tierärzte. Diese Fortbildung soll mindestens drei Stunden betragen und wird mit einem Fortbildungsnachweis abgeschlossen.
Das Landesamt für Ernährung und Landwirtschaft erstellt halbjährlich Situationsberichte und Analysen zum Fortgang der Sanierung.
10. Beitrittsverfahren
Nach Vorliegen des Ergebnisses der Statuserhebung entscheidet der Tierhalter, ob er sich dem freiwilligen Sanierungsverfahren anschließt. In diesem Fall erklärt er nach dem Muster der Anlage 1 gegenüber dem zuständigen Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt schriftlich seinen Beitritt und verpflichtet sich, die Bedingungen des Verfahrens auf der Grundlage eines betriebsspezifischen Sanierungsplanes nach dem Muster der Anlage 2 korrekt einzuhalten. Im Rahmen der Verpflichtung ist der Tierhalter für die in seinem Betrieb notwendigen Maßnahmen verantwortlich. Er beauftragt einen Tierarzt mit den notwendigen Probenentnahmen und der Durchführung von Impfungen. Der Tierhalter informiert den zuständigen Amtstierarzt über den von ihm beauftragten Tierarzt.
11. Kosten
Da einerseits hinsichtlich der Probengewinnung die Kombination mit der BHV1-Überwachung genutzt werden kann und andererseits überwiegend ein Stichprobenverfahren zur Anwendung kommt, sind relativ günstige Voraussetzungen in personeller und finanzieller Hinsicht gegeben. Deshalb entstehen für Probenahme, Einsendung und Transport in der Regel keine zusätzlichen Kosten. Kosten entstehen damit fast ausschließlich in den Untersuchungseinrichtungen.
Kostentragung: Die Kosten sind vom Tierhalter zu tragen, sofern sie nicht von anderen Kostenträgern übernommen werden.