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Bauplanungsrechtliche Beurteilung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben (Einzelhandelserlass)


vom 15. August 1999
(ABl./99, [Nr. 41], S.974)

Außer Kraft getreten am 31. Dezember 2005
(ABl./99, [Nr. 41], S.974)

Inhaltsverzeichnis:

1. Allgemeines
1.1 Zweck des Erlasses
1.2 Adressaten
1.3 Anwendungsbereich

2. Die Regelungen des § 11 Abs. 3 BauNVO
2.1 Allgemeines
2.2 Begriffe
2.2.1 Einkaufszentren
2.2.2 Großflächige Einzelhandelsbetriebe
2.2.3 Sonstige großflächige Handelsbetriebe
2.2.4 Factory-Outlet-Center (FOC)
2.2.5 Geschoßfläche
2.2.6 Verkaufsfläche
2.2.7 Sortimente
2.2.8 Randsortimente
2.3 Landesplanerische oder städtebauliche Auswirkungen großflächiger Handelsbetriebe
2.3.1 Auswirkungen nach § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO
2.3.2 Vermutungsregel nach § 11 Abs. 3 Satz 3 und 4 BauNVO
2.3.3 Sonderfall Agglomeration
2.3.4 Sonderfall gemeinsame bzw. ergänzende Ansiedlung mit Vergnügungs- bzw. Freizeiteinrichtungen mit hoher Besucherfrequenz

3. Landes- und Regionalplanung
3.1 Erfordernisse der Raumordnung
3.2 Beurteilung in der Landesplanung
3.2.1 Ziele der Raumordnung
3.2.2 Grundsätze der Raumordnung
3.2.2.1 Übereinstimmung von MK- und SO-Gebieten mit der zentralörtlichen Gliederung
3.2.2.2 Kernbereiche der Brandenburger Zentren im engeren Verflechtungsraum
3.3 Landesplanerische Verfahren
3.3.1 Anfrage nach den Zielen der Raumordnung
3.3.2 Raumordnungsverfahren

4. Einzelhandelskonzepte
4.1 Gemeindliche Einzelhandelskoknzepte
4.2 Regionale Einzelhandelskonzepte

5. Kommunale Bauleitplanung
5.1 Darstellung im Flächennutzungsplan
5.2 Festsetzung im Bebauungsplan
5.2.1 Festsetzung „Kerngebiet“
5.2.2 Festsetzung „Sondergebiet“
5.2.3 Beschränkung des Einzelhandels in sonstigen Baugebieten
5.2.4 Beteiligung der benachbarten Gemeinden (§ 2 Abs. 2 BauGB)
5.2.5 Beteiligung der Träger öffentlicher Belange (§ 4 BauGB)
5.2.6 Planungserfordernis - Abwägungsgebot
5.2.7 UVP-Pflicht
5.3 Entschädigung bei Änderung oder Aufhebung einer zulässigen Nutzung

6. Baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall
6.1 Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Sinne von § 30 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB
6.2 Zulässigkeitsbeschränkung durch § 15 BauNVO
6.3 Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB)
6.3.1 Allgemeines
6.3.2 Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB
6.3.2.1 Aussetzung der Einfügungsregelung gemäß § 3 BbgBauGBDG
6.3.3 Zulässigkeit nach § 34 Abs. 2 BauGB
6.3.4 Mit einfachem Bebauungsplan/Textbebauungsplan
6.3.5 Gesicherte Erschließung
6.3.6 Überprüfung des unbeplanten Innenbereichs
6.4 Im Außenbereich
6.4.1 Allgemeines
6.4.2 Mit einfachem Bebauungsplan
6.5 Nutzungsänderung und Erweiterungen
6.6 Behandlung von Bauanträgen
6.6.1 Antragsunterlagen
6.6.2 Festschreibung in der Baugenehmigung
6.7 Vorlage von Bauanträgen bei der obersten Bauaufsichtsbehörde

7. Außerkrafttreten

8. Geltungsdauer

1. Allgemeines

1.1 Zweck des Erlasses

Der Einzelhandel nimmt traditionell im Städtebau und in der Stadtentwicklung eine hervorgehobene Stellung ein. Er hat besondere Bedeutung für

  • die Stadtstruktur (Belebung der Innenstädte und Nebenzentren sowie der Ortszentren),
  • den Verkehr (motorisierter Einkaufsverkehr, öffentlicher Personennahverkehr, Wirtschaftsverkehr, ruhender, Fuß- und Radverkehr),
  • die Stadtgestalt (öffentlicher Raum, Denkmalschutz, Maßstäblichkeit) und
  • die soziale Integration (Nahversorgung, Kommunikation).

Der Strukturwandel im stationären Einzelhandel (Konzentration/Filialisierung, Entstehung von Großstrukturen, Expansion der Fachmärkte, neue Vertriebsformen) hat in Verbindung mit der Verlagerung der Handelsstandorte aus den Zentren an die Peripherie zu neuen Anforderungen an den Städtebau geführt. Erforderlich ist die Integration des Handels in funktionaler, maßstäblicher und räumlicher Hinsicht, und zwar auf Ebene des Wohngebiets, des Ortsteils, der Gemeinde und der Region.

Eine besondere Bedeutung beim Strukturwandel des Handels haben großflächige Einzelhandelsvorhaben. Aus Sicht der Planung stellen sich mit diesen Betriebsformen besondere städtebauliche und regionale Integrationsprobleme, die vor allem auf deren Merkmale “Großmaßstäblichkeit, dezentrale Standorte und innenstadtrelevante Sortimentsstrukturen” zurückzuführen sind. Die Gefahr des Verlustes städtischer Funktionen, insbesondere für die Zentrenlagen, droht durch die Weiterentwicklung in die städtische Siedlungsstruktur nicht integrierter Handelszentren durch ergänzende Freizeit-, Kultur- und Gastronomieeinrichtungen zu neuartigen “Erlebnis-Welten”, sogenannten „Urban-Entertainment-Center“ (UEC).

Die Innenstädte und Ortszentren sind traditionell Standorte des Einzelhandels, der Kultur und der lokalen Identität. Sie dienen der örtlichen und überörtlichen Versorgung. Um dieses zu sichern und weiter zu entwickeln, hängt es wesentlich davon ab, daß sich die Standortentscheidung im Einzelhandel auch zukünftig an der Förderung der Innenentwicklung und der Stärkung historisch gewachsener Zentren orientieren.

Großflächige Einzelhandelsvorhaben sollten aufgrund ihrer erheblichen Auswirkungen auf die Stadtentwicklung, die lokalen und regionalen Versorgungsstrukturen und die Umwelt nur dann zugelassen werden, wenn sie

  • nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur lokalen und regionalen Versorgungsstruktur stehen, d. h., daß die geplanten Verkaufsflächen den vorhandenen Größen von Einwohnerzahl und Kaufkraft entsprechen und
  • an einem städtebaulich integrierten Standort und in integrierten städtebaulichen Strukturen entstehen, d. h., daß sie unter Beachtung der landesplanerisch festgelegten Zentrenhierarchie, insbesondere in Innenstädten, Neben-/Ortszentren und im Nahbereich von Haltepunkten des ÖPNV entstehen.

Die folgenden Ausführungen sollen als Planungs- und Entscheidungshilfen bei der Ansiedlung und Erweiterung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben sowie von Nutzungsänderungen für entsprechende Zwecke dienen. Sie gehen vom geltenden Recht aus und berücksichtigen die einschlägige Rechtsprechung. Sie sind ausschließlich auf städtebauliche und raumordnerische Ziele, insbesondere auf die Sicherung einer ausreichenden und ausgewogenen Versorgung mit Gütern aller Bedarfsstufen im Sinne der Daseinsvorsorge ausgerichtet (§ 1 Abs. 5 Baugesetzbuch - BauGB -). Sie verfolgen nicht das Ziel, auf den Wettbewerb der unterschiedlichen Unternehmen und Betriebsformen des Handels Einfluß zu nehmen.

1.2 Adressaten

Der vorliegende Erlaß soll den Trägern der Landes- und Regionalplanung, den Gemeinden als Trägern der Bauleitplanung und den Bauaufsichtsbehörden als Grundlage für die Beurteilung von Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben im Sinne von § 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO) dienen und für Investoren, Grundstückseigentümer und den Einzelhandel Orientierung bezüglich Planungs- und Investitionssicherheit geben.

1.3 Anwendungsbereich

Dieser Erlaß ist auf folgende Vorhaben anzuwenden:

  • Errichtung und Erweiterung von Einkaufszentren (Nummer. 2.2.1), großflächigen Einzelhandelsbetrieben (Nummer 2.2.2) und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben (Nummer 2.2.3) im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO
  • Errichtung und Erweiterung von Factory-Outlet-Centern (Nummer 2.2.4)
  • Erweiterung bestehender Einzelhandelsbetriebe zu großflächigen Einzelhandelsbetrieben
  • Umwandlung eines Großhandelsbetriebs (Nummer 2.2.3) ganz oder teilweise zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb (Nutzungsänderung, Nummer 5.4)
  • Änderung eines in der Baugenehmigung festgeschriebenen Warensortiments (Nutzungsänderung, Nummer 5.4)
  • Nutzungsänderungen von vorhandenen Gebäuden zu großflächigen Einzelhandelsbetrieben
  • Errichtung von mehreren jeweils nicht großflächigen Einzelhandelsbetrieben in räumlicher Nähe und zeitlichem Zusammenhang (Agglomeration, Nummer 2.3.3)
  • Gemeinsame bzw. ergänzende Ansieldung mit Vergnügungs- bzw. Freizeiteinrichtungen, die eine hohe Besucherfrequenz aufweisen (Nummer 2.3.4).

2. Die Regelungen des § 11 Abs. 3 BauNVO

1. Einkaufszentren,

2. großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können,

3. sonstige großflächige Handelsbetriebe, die im Hinblick auf den Verkauf an letzte Verbraucher und auf die Auswirkungen den in Nummer 2 bezeichneten Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind,

sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 und 3 sind insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in Satz 1 bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt. Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 sind bei Betrieben nach Satz 1 Nr. 2 und 3 in der Regel anzunehmen, wenn die Geschoßfläche 1200 m² überschreitet. Die Regel des Satzes 3 gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß Auswirkungen bereits bei weniger als 1200 m² Geschoßfläche vorliegen oder bei mehr als 1200 m² Geschoßfläche nicht vorliegen; dabei sind in bezug auf die in Satz 2 bezeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen.

2.1 Allgemeines

§ 11 Abs. 3 BauNVO enthält eine Sonderregelung für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben. Danach sind die vorgenannten Betriebe nur in Kerngebieten und in für solche Betriebe ausdrücklich ausgewiesenen Sondergebieten zulässig (Nummer 5).

§ 11 Abs. 3 BauNVO enthält keine unmittelbaren Vorgaben für die Ausweisung von Kern- und Sondergebieten. Die Festlegung von Anzahl, Lage und Größe der Kerngebiete und Sondergebiete in den Gemeinden erfolgt,

  • unter Beachtung landesplanerischer Ziele sowie unter Berücksichtigung der Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung (Nummer 3);
  • aufgrund von Einzelhandelskonzepten (Nummer 4);
  • aufgrund der vorbereitenden Bauleitplanung, der Ziele der Stadtentwicklungsplanung und städtebaulicher Konzepte der Gemeinden (Nummer 5).

2.2 Begriffe (Nicht abschließende Erläuterungen)

2.2.1 Einkaufszentren (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO)

Ein Einkaufszentrum ist eine räumliche Zusammenfassung von Einzelhandelsbetrieben verschiedener Art und Größe - zumeist in Kombination mit verschiedenartigen Dienstleistungsbetrieben -. In der Regel wird es sich um einen einheitlich geplanten, finanzierten, gebauten und verwalteten Gebäudekomplex handeln. Aus der für die Anwendung des § 11 Abs. 3 BauNVO maßgeblichen raumordnerischen und städtebaulichen Sicht - insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Versorgungsstruktur der Gemeinde - kann aber auch eine nicht von vornherein als solche geplante und organisierte Zusammenfassung von Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben ein Einkaufszentrum im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO darstellen. Ein solches “Zusammenwachsen” mehrerer Betriebe zu einem “Einkaufszentrum” setzt jedoch außer der erforderlichen räumlichen Konzentration weitergehend voraus, daß die einzelnen Betriebe aus der Sicht der Kunden als aufeinander bezogen, als durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung treten (organisatorische oder betriebliche Gemeinsamkeiten wie etwa gemeinsame Werbung oder verbindende Sammelbezeichnung, vergleiche BVerwG, Urteil v. 27.4.1990 - 4 C 16.87 -, BauR 1990, 573 = NVwZ 1990, 1074).

2.2.2 Großflächige Einzelhandelsbetriebe (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO)

Großflächige Einzelhandelsbetriebe sind in Abgrenzung zum sonstigen Handel planungsrechtlich eine eigenständige Nutzungsart.

Einzelhandelsbetriebe sind Betriebe, die ausschließlich oder überwiegend an letzte Verbraucher verkaufen. Zu ihnen zählen u. a. alle Kauf- und Warenhäuser, SB-Warenhäuser, SB-Kaufhäuser, Verbrauchermärkte sowie Fachmärkte. Dazu gehört auch der Direktverkauf an Endverbraucher, unabhängig davon, ob dieser am Standort des Fertigungsbetriebs oder in einem eigens dazu geschaffenen Zentrum (Factory-Outlet-Center) erfolgt; für letztgenannte vergleiche Begriffserläuterung Einkaufszentrum.

Die Großflächigkeit beginnt dort, wo üblicherweise die Größe der der wohnungsnahen Versorgung dienenden Einzelhandelsbetriebe (Nachbarschaftsläden) ihre Obergrenze findet. Diese Grenze liegt - unabhängig von regionalen und lokalen Verhältnissen - etwa bei 700 Verkaufsfläche (so das Bundesverwaltungsgericht für einen der wohnungsnahen Versorgung dienenden Lebensmittelmarkt, Urteil v. 22.5.1987 - 4C 19.85 -, BauR 1987, 528 = NVwZ 1987, 1076) (Nummer 2.3.2).

2.2.3 Sonstige großflächige Handelsbetriebe (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauNVO)

Sonstige großflächige Handelsbetriebe sind Betriebe, die in nicht unerheblichem Umfang (mehr als 10 % vom Gesamtumsatz) auch an letzte Verbraucher verkaufen und hinsichtlich ihrer Auswirkungen großflächigen Einzelhandelsbetrieben vergleichbar sind.

Betriebe mit reiner Großhandelsfunktion zählen nicht zu den sonstigen großflächigen Handelsbetrieben. Großhandel liegt vor, wenn an einen Gewerbetreibenden (Wiederverkäufer, gewerblicher Verbraucher/Freiberufler oder Großverbraucher/Behörde, Kantine) betrieblich verwendbare oder (betriebsfremde, aber) betrieblich verwertbare Waren abgesetzt werden.

Der Absatz von Waren an Gewerbetreibende zu deren privaten Verbrauch rechnet zur Einzelhandelstätigkeit. Die Rechtsprechung hat eine Toleranzgrenze von 10 % des Umsatzes des Großhandelsunternehmens für betriebsfremde Waren zur Deckung des privaten Lebensbedarfs zugestanden.

Ein Handelsunternehmen, welches für sich in Anspruch nimmt, einen reinen Großhandel zu betreiben, hat durch geeignete Maßnahmen für die Einhaltung dieser funktionalen Anforderungen zu sorgen (Anhaltspunkte für Maßnahmen bei Cash-and-Carry-Betrieben vergleiche BGH, Urteil v. 30.11.1989 - I ZR 55/87 -, NJW 1990, 1294).

2.2.4 Factory-Outlet-Center (FOC)

Ein Hersteller-Direktverkaufszentrum ist ein von einer Betreibergesellschaft errichtetes Einkaufszentrum (s. a. Nummern 2.2.1 und 2.2.2), in dem der Betreiber eine Vielzahl von Einzelgeschäften an Hersteller verpachtet, die dort von ihnen hergestellte Ware unter Ausschaltung des Groß- und Einzelhandels mit deutlichen Preisnachlässen direkt an die Kunden veräußern. Es handelt sich dabei überwiegend um Vorjahresware, Überschußware, Auslaufmodelle, Retouren, Restposten sowie 1b-Ware. Neben Bekleidung (ca. 70 % des Sortiments), Hausrat, Porzellan, Glaswaren, Schuhe, Lederwaren, Accessoires, Sportartikel, Bücher, Wäsche und Spielzeug finden auch weitere Produkte Eingang in die Angebotspalette dieser Verkaufszentren. Es handelt sich somit um typisch innenstadtrelevante Sortimente, der Erlaß findet daher im vollen Umfang Anwendung für FOC.

2.2.5 Geschoßfläche

Die Geschoßfläche eines Gebäudes ist die Summe der Flächen seiner Vollgeschosse einschließlich der Umfassungs- und Zwischenwände, Treppenhäuser sowie der etwa in die Verkehrsflächen vorgekragten oder sie überbauenden Gebäudeteile, jedoch ausschließlich der Nebenanlagen im Sinne von § 14 BauNVO, Balkone, Loggien, Terrassen sowie baulichen Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können (§ 20 BauNVO).

2.2.6 Verkaufsfläche

Die Verkaufsfläche umfaßt die Fläche, die dem Verkauf dient, einschließlich der Gänge und Treppen in den Verkaufsräumen, der Standflächen der Einrichtungsgegenstände, Kassenzonen sowie Auslage- und Ausstellungsflächen, soweit sie dem Kunden zugänglich sind. Ferner zählen dazu alle nicht in fest umbauten Räumen liegenden Verkaufsflächen (Freiflächen), soweit sie dauerhaft bzw. saisonal und nicht nur kurzfristig genutzt werden. In Fällen der „integrierten Lagerhaltung“ und des „Verkaufs ab Lager“ erfolgt keine Einzelabgrenzung von Lagerflächen, diese gelten daher auch als Verkaufsfläche. (Zum Begriff „Verkaufsstätte“ siehe auch § 2 Brandenburgische Verkaufsstätten-Bauverordnung - BbgVBauV - vom 21. Juli 1998, GVBl. II S. 524)

2.2.7 Sortimente

Als Sortiment wird die Gesamtheit der von dem Handelbetrieb angebotenen Warenarten (-sorten) verstanden. Zu dem Warenangebot gehört ein nach dem Charakter des Handelsbetriebs abgestuftes Sortiment an Dienstleistungen. Der typische Charakter des Betriebs wird von seinem Kernsortiment (z. B. Möbel; Nahrungsmittel, Getränke usw.; Kleineisenwaren, Werkzeuge, Bauartikel u. ä.) bestimmt. Das Randsortiment dient der Ergänzung des Angebots und muß sich dem Kernsortiment deutlich unterordnen. Die Sortimentsbreite ist die Vielfalt der angebotenen Warengruppen, die Sortimentstiefe wird durch die Auswahl innerhalb der Warengruppen charakterisiert.

Zentrenrelevante Sortimente zeichnen sich dadurch aus, daß sie z. B.

  • viele Innenstadtbesucher anziehen,
  • einen geringen Flächenanspruch im Verhältnis zur Wertschöpfung haben,
  • häufig im Zusammenhang mit anderen Innenstadtnutzungen nachgefragt werden und
  • überwiegend ohne Pkw transportiert werden können.

Bei zentrenrelevanten Sortimenten sind negative Auswirkungen auf die Zentrenstruktur, insbesondere auf die Innenstadtentwicklung zu erwarten, wenn sie überdimensioniert an nicht integrierten Standorten angesiedelt werden.

Nahversorgungsrelevante Sortimente sind vor allem die Waren des täglichen Bedarfs, insbesondere für die Grundversorgung mit Lebensmitteln.

Anlage Sortimentslisten:

Zentrenrelevant sind die in der Anlage Ziffer 1 Buchstabe A, genannten Sortimente. Die in Buchstabe B aufgeführten Sortimente sind nur zum Teil zentrenrelevant. Die Gemeinden können bei Vorliegen städtebaulicher Gründe die zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortimente noch differenzierter festsetzen.

Unter Ziffer II sind die nicht-zentrenrelevanten Sortimente genannt.

Die Festsetzung der in der Anlage aufgeführten Sortimente erfordert grundsätzlich eine Abwägung aller zentrenrelevanten Belange für das jeweilige Bebauungsplanverfahren, insofern ist die Sortimentsnennung nicht abschließend und auch nicht zwingend festzusetzen.

2.2.8 Randsortimente

Das Randsortiment steht in einer Wechselbeziehung zum Kernsortiment. Das Randsortiment tritt lediglich zum Kernsortiment hinzu und ergänzt dieses mit solchen Waren, die eine gewisse Beziehung und Verwandtschaft mit den Waren des Kernsortiments haben. Zugleich muß das Angebot des Randsortiments dem Kernsortiment in seinem Umfang und seiner Gewichtigkeit deutlich untergeordnet sein. Randsortimente sind damit nur solche Warengruppen, die einem bestimmten Kernsortiment als Hauptsortiment sachlich zugeordnet und hinsichtlich des Angebotsumfangs deutlich untergeordnete Nebensortimente sind. Nur unter Beachtung dieser Wechselbeziehung greift die Zulässigkeit eines durch bestimmte Branchenbezeichnungen gekennzeichneten Kernsortiments auch auf das der jeweiligen Branche zuordnende Randsortiment über (vergleiche OVG Münster, Urteil v. 22.7.1998 - 7a D 108/96.NE).

2.3 Landesplanerische oder städtebauliche Auswirkungen großflächiger Handelsbetriebe

Bei Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit einer Geschossfläche von mehr als 1.200 m² ist zu vermuten, daß sie nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung haben können.

Die Ziele der Raumordnung und Landesplanung ergeben sich aus dem Landesplanungsgesetz, dem Landesentwicklungsprogramm, dem Landesentwicklungsplan I, dem Landesentwicklungsplan engerer Verflechtungsraum und dem Landesentwicklungsplan Standortsicherung Flughafen sowie den einzelnen (Teil-) Regionalplänen (vergleiche Nummer 3).

Die städtebauliche Entwicklung und Ordnung bezieht sich auf die städtebaulichen Belange, die insbesondere in § 1 Abs. 5 BauGB genannt werden.

2.3.1 Auswirkungen nach § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO

Die in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauNVO genannten landesplanerischen oder städtebaulichen Auswirkungen werden in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO beispielhaft konkretisiert. Im Einzelfall können auch nicht ausdrücklich aufgeführte Auswirkungen von Bedeutung sein. Für die Anwendung von § 11 Abs. 3 BauNVO bedarf es nicht des konkreten Nachweises, daß Auswirkungen tatsächlich eintreten; es genügt vielmehr bereits die Möglichkeit des Eintretens solcher Auswirkungen.

§ 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO nennt beispielhaft folgende Auswirkungen:

  1. schädliche Umwelteinwirkungen
  2. auf die infrastrukturelle Ausstattung
  3. auf den Verkehr
  4. auf die Versorgung der Bevölkerung
  5. auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden
  6. auf das Orts- und Landschaftsbild und
  7. auf den Naturhaushalt.

zu a) Schädliche Umwelteinwirkungen sind insbesondere auf die Nachbarschaft einwirkende Immissionen durch einen stärkeren Zu- und Abfahrtsverkehr zu dem Vorhaben, z. B. die Zunahme von Lärm- oder Abgasbelastungen in Wohnstraßen. Auswirkungen im Sinne einer Störung sind auch schon dann anzunehmen, wenn die zu erwartenden Belastungen noch nicht die Schwelle der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG überschreiten. So kann die Zunahme des Lärms in einer ruhigen Wohnstraße nur um wenige dB (A) bereits eine “Auswirkung” sein. Zur Vermeidung derartiger Auswirkungen müssen verkehrsintensive Bereiche wie Zufahrten, Anlieferung, Kundenstellplätze so angeordnet sein, daß Störungen von Wohnbereichen weitgehend ausgeschlossen sind.

zu b) Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung liegen insbesondere vor, wenn die ordnungsgemäße verkehrliche Anbindung des Vorhabens nicht gewährleistet ist bzw. das vorhandene Verkehrsnetz nach seiner Konzeption und Leistungsfähigkeit nicht auf das Vorhaben ausgerichtet ist. Dies gilt vor allem dann, wenn Einrichtungen des ÖPNV fehlen oder unzureichend dimensioniert sind.

zu c) Auswirkungen auf den (Straßen-) Verkehr sind anzunehmen, wenn vorhandene Verkehrseinrichtungen durch den vom Vorhaben ausgehenden zusätzlichen Verkehr überlastet bzw. ihrer bestimmungsmäßigen Nutzung entzogen werden oder wenn Verkehrsbehinderungen auftreten. Dies ist z. B. der Fall, wenn Wohnstraßen wesentlich zusätzlich belastet und dadurch zu Durchgangsstraßen werden, Straßenquerschnitte nicht mehr ausreichen, Linksabbieger den Geradeausverkehr behindern oder sich an Verkehrsknoten Staus entwickeln können.

zu d) Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung können sich dadurch ergeben, daß durch die zu erwartende Kaufkraftbindung an einem Standort und dadurch bedingter Geschäftsaufgaben im Wohnbereich die ausreichende Nahversorgung, vor allem für nicht motorisierte Bevölkerungsgruppen, nicht mehr gewährleistet ist. Es ist davon auszugehen, daß die Nahversorgung für den kurzfristigen Bedarf insbesondere im Nahrungs- und Genußmittelbereich in der Regel noch in fußläufiger Entfernung möglich sein soll. Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Nahversorgung können sich aus einer Gegenüberstellung der - nur einmal umsetzbaren - Kaufkraft der Bevölkerung im Einzugsbereich des Betriebs und der vorhandenen Verkaufsfläche je Einwohner unter Berücksichtigung der Sortimentsverteilung und der Flächenproduktivität ergeben.

zu e) Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden sind insbesondere Auswirkungen auf das Stadtzentrum oder die Neben- und Grundversorgungszentren in den Stadtteilen oder das Ortszentrum einer Gemeinde. Solche Auswirkungen können sich beispielsweise ergeben, wenn durch ein Einzelhandelsgroßprojekt außerhalb dieser Zentren eine in der Innenstadt oder im Ortskern eingeleitete mit öffentlichen Mitteln geförderte städtebauliche Sanierungsmaßnahme nicht planmäßig fortgeführt werden kann, z. B. weil sich die vorgesehene Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben nicht mehr ermöglichen läßt, oder wenn durch starke Kaufkraftbindung außerhalb der Zentren das Niveau und die Vielfalt der Einzelhandelsgeschäfte in der Innenstadt oder im Ortskern absinken, weil es dort - auch wegen des höheren Mietpreisniveaus - zu Leerständen von Geschäften kommt. Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in anderen Gemeinden können sich ergeben, wenn der Einzugsbereich eines Einzelhandelsgroßprojektes den zentralörtlichen Versorgungsbereich der Ansiedlungsgemeinde wesentlich überschreitet und die Entwicklung und Versorgungsfunktion von Nachbargemeinden beeinträchtigt.

zu f) Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild können gegeben sein insbesondere bei einem nach Lage, Umfang und Größe aus dem Rahmen der näheren oder weiteren Umgebung fallenden oder in der Landschaft dominierenden Vorhaben. Maßgeblich ist, ob sich das Vorhaben in den gegebenen städtebaulichen und landschaftlichen Rahmen einfügt bzw. sich dem Landschaftsbild unterordnet oder ob es an einem exponierten Standort vorgesehen ist oder als Fremdkörper empfunden wird. Bei größeren Baumassen sind erhöhte Anforderungen an das Bauwerk auch hinsichtlich seines Maßstabs und der nicht zu bebauenden Freiflächen (insbesondere der Stellflächen) zu stellen.

zu g) Auswirkungen auf den Naturhaushalt können durch eine Beeinträchtigung des Ökosystems gegeben sein, z. B. Versiegelung von Freiflächen mit Stellflächen, Veränderung des Kleinklimas durch ausgedehnte Gebäude (zum Erfordernis der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung vergleiche Nummer 5.3.7).

2.3.2 Vermutungsregel nach § 11 Abs. 3 Satz 3 und 4 BauNVO

Nach § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO sind Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO in der Regel anzunehmen, wenn die Geschoßfläche des Betriebs 1200 m² überschreitet. Diese Vermutungsregel geht davon aus, daß die Verkaufsfläche erfahrungsgemäß in der Regel etwa 2/3 der Geschoßfläche beträgt und eine Verkaufsfläche oberhalb von 700 m² (BVerwG, Urteil v. 22.5.1987 - 4 C 19.85 -, DVBl. 1987, 1006) die in der Vorschrift genannten Auswirkungen haben kann.

Nach § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO gilt die - widerlegliche - Vermutung des Satzes 3 nicht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß Auswirkungen bereits bei weniger als 1200 m² Geschoßfläche vorliegen oder bei mehr als 1200 m² Geschoßfläche nicht vorliegen. § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO konkretisiert die Anhaltspunkte - d. h. städtebauliche und betriebliche Besonderheiten - für eine von der Regel des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO abweichende Beurteilung:

  • Gliederung und Größe der Gemeinde und ihrer Otsteile

    Dabei wird berücksichtigt, daß sich ein Einzelhandelsbetrieb mit 1200 m² Geschoßfläche in einer kleinen Gemeinde stärker auswirkt als ein Betrieb gleicher Größe in größeren Städten.
  • Sicherung der verbrauchernahen Versorgung

    Hier ist insbesondere die Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs zu berücksichtigen.
  • Warenangebot des Betriebs

    Hier ist wegen der unterschiedlichen Zentrenrelevanz einzelner Sortimente die Sortimentsstruktur von Bedeutung, z. B. ob es sich um Waren mit einem typischerweise großen Flächenbedarf und geringer Zentrenrelevanz wie Möbel handelt.

Bei Vorhaben mit mehr als 1200 m² Geschoßfläche ist im Sinne einer typisierenden Betrachtungsweise ohne besondere Prüfung von Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO auszugehen, wenn der Antragsteller nicht eine atypische Fallgestaltung geltend macht.

Eine vom Antragsteller nachzuweisende atypische Fallgestaltung, die die rechtliche Vermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO widerlegt, liegt somit nur vor, wenn aufgrund betrieblicher Besonderheiten oder der konkreten städtebaulichen Situation der beabsichtigte Betrieb nicht zu der Art der Betriebe gehört, die von der Vermutung erfaßt werden sollten (BVerwG, Urteil v. 3.2.1984 - 4 C 54.80 -, BVerwGE 68, 342, 345 f.).

Betriebliche Besonderheiten, die von der typischen Fallgestaltung abweichen können, sind insbesondere gegeben

  • bei einer Abweichung des Verhältnisses von Geschoßfläche zur Verkaufsfläche, d. h. wenn der Anteil der Verkaufsfläche wesentlich unter 2/3 der Geschoßfläche liegt,
  • wenn der Betrieb beschränkt ist auf ein schmales Warensortiment (z. B. Gartenbedarf),
  • bei Artikeln, die üblicherweise mit handwerklichen Dienstleistungen angeboten werden (z. B. Kfz-Handel mit Werkstatt),
  • bei Artikeln, die in einer gewissen Beziehung zu gewerblichen Nutzungen stehen (z. B. Baustoffhandel, Büromöbelhandel).

Abweichungen der konkreten städtebaulichen Situation von derjenigen, in der § 11 Abs. 3 BauNVO das Entstehen großflächiger Einzelhandelsbetriebe wegen deren Auswirkungen verhindert wissen will, können beispielsweise darin bestehen,

  • daß der Einzugsbereich des Betriebs im Warenangebot bisher unterversorgt war und innerhalb des Einzugsbereichs des Betriebs zentrale Versorgungsbereiche an anderen Standorten nicht vorgesehen sind oder
  • der Betrieb in zentraler und für die Wohnbevölkerung gut erreichbarer Lage (städtebaulich integriert) errichtet werden soll, jedoch nur, wenn ein etwa vorhandenes Zentrenkonzept oder die angestrebte Zentrenstruktur dadurch nicht gestört wird.

Generell gilt für alle atypischen Fallgestaltungen folgendes:

  • Ist bei einer atypischen Fallgestaltung die Vermutungsregel nicht anzuwenden, muß die Abschätzung möglicher Auswirkungen auf konkrete Untersuchungen gestützt werden.
  • Die atypische Fallgestaltung kann nicht losgelöst von der Größenordnung des Vorhabens beurteilt werden. Auch bei Vorhaben mit einem schmalen Warensortiment und nicht-zentrenrelevanten Kernsortimenten wie z. B. Möbelhäusern, Bau- und Heimwerkermärkten sowie Gartencentern können aufgrund der Größe des Vorhabens Auswirkungen auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich, auf das Orts- und Landschaftsbild oder auf den Naturhaushalt vorliegen. Außerdem sind bei solchen Vorhaben aufgrund der branchenüblichen zentren- und nahversorgungsrelevanten Randsortimente Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Ansiedlungsgemeinde oder in benachbarten Gemeinden möglich und daher auch zu prüfen. Zur Abgrenzung der Sortimente mit geringer Zentrenrelevanz und der zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortimente wird auf Nummer 2.2.6 und die Anlage hingewiesen.
  • Bei der Zulassung eines Vorhabens aufgrund einer atypischen Fallgestaltung wird es in der Regel erforderlich sein, die Sortimente im Bebauungsplan und gegebenenfalls in der Baugenehmigung festzuschreiben. Die zulässigen Sortimente sollten als Positivliste oder die unzulässigen Sortimente als Negativliste - gegebenenfalls flächenmäßig begrenzt - Bestandteil der Antragsunterlagen sein oder in der Baugenehmigung festgeschrieben werden.

Ferner besteht auch die Möglichkeit, die Sortimente zusätzlich zu den Festsetzungen im Bebauungsplan über vertragliche Vereinbarungen ergänzend und detailliert festzuschreiben. Dieses kann auch über einen städtebaulichen Vertrag nach § 11 BauGB oder einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 BauGB erfolgen. Entsprechende Sicherungsklauseln sollten zudem im jeweiligen Vertragswerk vorgesehen werden. Grundsätzlich ist dabei auf eine widerspruchsfreie Ergänzung zwischen Festsetzungen und Vertragsinhalt abzustellen, da sich eine aus dem Bebauungsplan ergebende Zulässigkeit eines Vorhabens in der Regel nicht durch Vertrag einschränken läßt.

2.3.3 Sonderfall Agglomeration

Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO können jedoch auch dadurch gegeben sein, daß mehrere kleinere Betriebe mit einer Größe von jeweils nicht wesentlich unter 1200 m² Geschoßfläche in räumlichem und zeitlichem Zusammenhang errichtet werden, zu vorhandenen Betrieben neue Betriebe unter 1200 m² hinzutreten oder vorhandene Betriebe entsprechend erweitert oder umgenutzt werden sollen. Solche als isolierte Einzelfälle gegebenenfalls für sich unbedenkliche Vorhaben müssen in ihrem Zusammenwirken gesehen werden und können durch eine derartige Agglomeration gemeinsam zu Vorhaben im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauNVO, wenn nicht sogar zu einem Einkaufszentrum werden (Nummer 2.2.1). Auf die Zulässigkeitsbeschränkung durch § 15 BauNVO wird hingewiesen (Nummer 6.2). Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO können insbesondere dann gegeben sein, wenn der hinzukommende Betrieb eine Funktionseinheit mit bereits vorhandenen bildet, also eine planmäßige, auf Dauer angelegte und gemeinschaftliche Teilnahme der betreffenden Betriebe am Wettbewerb vorliegt (z. B. bei der Benutzung gemeinsamer Betriebseinrichtungen (Zufahrt, Parkplatz)) und gleichzeitiger Abstimmung des Betriebsangebotes, d. h. das Angebot bestimmter Sortimente wird im Umfang ganz oder teilweise einzelnen Betrieben zugeordnet.

Durch die Aufstellung von Bebauungsplänen und die Beschränkung bzw. den Ausschluß weiterer Einzelhandelsbetriebe kann die Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben unterbunden werden.

2.3.4 Sonderfall gemeinsame bzw. ergänzende Ansiedlung mit Vergnügungs- bzw. Freizeiteinrichtungen mit hoher Besucherfrequenz

Aufgrund des großen Einzugsbereichs von Einkaufszentren (insbesondere FOC), großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächige Handelsbetrieben und der entsprechend hohen Besucherfrequenz besitzen diese Einzelhandelsformen eine hohe Attraktivität zur zusätzlichen Ansiedlung von Vergnügungs- und Freizeiteinrichtungen (z. B. Multiplex-Kinos, Spaßbäder). Dieses kann zum Entstehen sogenannter “Erlebnis-Welten” führen.

Eine gemeinsame bzw. bei bestehenden Einzelhandelsbetrieben ergänzende Ansiedlung von Vergnügungs- und Freizeiteinrichtungen kann dazu führen, daß die bis dahin noch tragbaren Auswirkungen eines bestehenden, zulässigerweise errichteten Einzelhandelsbetriebes so verstärkt werden, daß es zu negativen Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO kommen kann, insbesondere die verkehrlichen Auswirkungen sind dabei zu beachten. Bei gemeinsamer Planung von Einzelhandel und Freizeiteinrichtungen ist daher schon im Rahmen des Planungsverfahrens zu belegen, daß keine negativen Auswirkungen zu erwarten sind.

Grundsätzlich ist auch bei der zusätzlichen Ansiedlung von großen Freizeitanlagen zu prüfen, ob für diese ein Raumordnungsverfahren durchzuführen ist (§ 1 Ziffer 15 der Verordnung zur § 6a Abs. 2 Raumordnungsgesetz - ROG -).

3. Landes- und Regionalplanung

3.1 Erfordernisse der Raumordnung

Das Raumordnungsrecht unterscheidet zwischen Zielen, Grundsätzen und sonstigen Erfordernissen der Raumordnung.

1. Ziele der Raumordnung sind nach § 3 Nr. 2 ROG verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums.

Ziele der Raumordnung lösen eine strikte Beachtenspflicht aus, die nicht durch planerische Abwägung oder Ermessensausübung überwunden werden kann. Diese Verpflichtung wird für die Bauleitplanung in § 1 Abs. 4 BauGB zu einer Anpassungspflicht konkretisiert. Die Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB besteht jedoch nur für die Ziele der Raumordnung, die auch für die Ebene der Bauleitplanung endabgewogen sind (z. B. Ziele der Regionalplanung und auch Ziele des Landesentwicklungsplans für den engeren Verflechtungsraum - LEPeV).

2. Grundsätze der Raumordnung sind nach § 3 Nr. 3 ROG allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen.

3. Sonstige Erfordernisse der Raumordnung sind nach § 3 Nr. 4 ROG in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung, Ergebnisse förmlicher landesplanerischer Verfahren, wie des Raumordnungsverfahrens und landesplanerische Stellungnahmen.

Grundsätze und sonstige Erfordernisse der Raumordnung begründen eine Berücksichtigungspflicht bei Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen.

3.2 Beurteilung in der Landesplanung

3.2.1 Ziele der Raumordnung

  1. § 4 Nr. 8 Satz 2 des Brandenburgischen Landesplanungsgesetzes (Artikel 2 des Gesetzes zu dem Landesplanungsvertrag vom 6. April 1995, GVBl. I S. 210) regelt ergänzend für den Bereich außerhalb des Geltungsbereichs des LEPeV, daß großflächige Einzelhandelsbetriebe vorrangig in Ober- und Mittelzentren zugelassen werden sollen.
  2. § 16 Abs. 6 des gemeinsamen Landesentwicklungsprogramms der Länder Berlin und Brandenburg vom 7. August 1997 (LEPro, GVBl. I 1998, S. 15):

    Diese Vorschrift enthält das grundlegende Ziel für die Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten. Danach sind Einrichtungen der privaten Versorgung von überörtlicher Bedeutung und großflächige Einzelhandelsbetriebe nur dort zuzulassen, wo deren Nutzung nach Art, Lage und Umfang der angestrebten zentralörtlichen Gliederung sowie der in diesem Rahmen zu sichernden Versorgung der Bevölkerung entsprechen. Der Anteil von Verkaufsflächen in großflächigen Einzelhandelszentren ist auf ein Maß zu begrenzen, das die wohnungsnahe Versorgung der Bevölkerung und die geplante Zentrenstruktur nicht gefährdet. Dabei ist auf siedlungsstrukturelle Verträglichkeit und städtebauliche Einbindung hinzuwirken.
  1. Ziel 1.0.8 des gemeinsamen Landesentwicklungsplanes für den engeren Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin (LEPeV) vom 2. März 1998 (GVBl.II S. 186):

Für den Bereich des engeren Verflechtungsraums wird festgelegt, daß die Ansiedlung weiterer großflächiger Einzelhandelsbetriebe außerhalb der Kernbereiche der Brandenburger Zentren im engeren Verflechtungsraum und der städtischen Zentren in Berlin nur zulässig ist, wenn Art und Umfang des geplanten Angebots zentrenverträglich sind und der räumliche Zusammenhang zum vorhandenen Siedlungsbereich gewahrt wird.

3.2.2 Grundsätze der Raumordnung

Bei der Ausweisung von Kerngebieten und Sondergebieten für Einzelhandelsgroßprojekte sind insbesondere noch folgende Vorschriften relevant:

  1. Entwicklung der räumlichen Struktur des Gesamtraumes, so daß insbesondere den Erfordernissen des Natur- und Umweltschutzes, der Infrastruktur, der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes, des Wohnens, der Kultur und der sozialen Belange sowie der Bevölkerungsentwicklung bestmöglich Rechnung getragen wird (§ 2 LEPro);
  2. Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere durch sparsame und schonende Inanspruchnahme der Naturgüter, eine möglichst geringe zusätzliche Versiegelung des Bodens sowie durch Erhalt oder Wiederherstellung der nachhaltigen Leistungsfähigkeit und des Gleichgewichtes des Naturhaushaltes (§ 14 LEPro);
  3. der Bedarf an zusätzlichen Einzelhandelsflächen ist gezielt als Kern zentrenbildender Funktionen zur Wiederbelebung bzw. Neuschaffung zentraler Lagen nutzbar zu machen;

Aktivierung vorrangig innerörtlicher Flächenpotentiale, Wiederherstellung bzw. Neuschaffung zentraler Lagen und Verstärkung der Anziehungskraft der Zentren durch Ergänzung mit Dienstleistungen, Wohnen und nicht störenden Gewerbe sowie Angeboten für Kultur, Freizeit und Erholung (§ 17 Abs. 5 LEPro).

Neben den vorgenannten Zielen und Grundsätzen enthalten auch die jeweiligen Regionalpläne weitere Ziele und Grundsätze zu Einzelhandelsgroßprojekten die entsprechend Eingang in die Bauleitplanung finden müssen.

3.2.2.1 Übereinstimmung von Kerngebieten und Sondergebieten mit der zentralörtlichen Gliederung

Die zentralörtliche Gliederung ist im LEP I vom 4. Juli 1995 (GVBl. II S. 474) dargestellt. Im Interesse der bestmöglichen Versorgung der Bevölkerung und der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilen des Landes ist eine Einstufung der Gemeinden in Oberzentren, Mittelzentren mit Teilfunktionen eines Oberzentrums, Mittelzentren und Mittelzentren in Funktionsergänzung erfolgt. Die Festlegung der zentralen Orte unterer Stufe (Grundzentren, Kleinzentren) obliegt der Regionalplanung.

Ein Kern- oder Sondergebiet für ein großflächiges Einzelhandelsvorhaben entspricht der zentralörtlichen Gliederung sowie der in diesem Rahmen zu sichernden Versorgung der Bevölkerung, wenn die Kaufkraftbindung der im Kern- oder Sondergebiet zu erwartenden Nutzung den Versorgungsbereich des Standorts, also vorwiegend der Ober- und Mittelzentren, nicht wesentlich überschreitet (Art und Umfang der Nutzung). Außerdem ist bei der Wahl des Standorts den siedlungsstrukturellen und städtebaulichen Erfordernissen Rechnung zu tragen. Ziel ist die Stärkung der Zentren durch ein ausgeglichenes Mischangebot von Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Kultur und vor allem auch moderner Dienstleistungs- und Gewerbestätten.

Im Geltungsbereich des LEPeV ist die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe innerhalb der Kernbereiche der Brandenburger Zentren zulässig (Lage der Nutzung). In den übrigen Bereichen kommen als Standort grundsätzlich nur Ober- und Mittelzentren in Betracht.

Ausnahmen:

Nur wenn die quantitative und qualitative verbrauchernahe Versorgung, insbesondere der nicht motorisierten Bevölkerung im Einzugsbereich der Einzelhandelseinrichtung nicht gefährdet ist und die o. g. landesplanerischen Erfordernisse beachtet bzw. berücksichtigt werden, kann die Ausweisung eines Sondergebiets abweichend vom Prinzip der zentralörtlichen Gliederung erfolgen. Voraussetzung ist, daß es sich um nicht-zentrenrelevante Sortimente handelt, die bereits im Entwurf des Bebauungsplans dargestellt sein müssen.

Ist zwar ein nicht-zentrenrelevantes Kernsortiment vorgesehen (z. B. bei einer beabsichtigten Nutzung als Fachmarkt für Möbel-, Bau- und Heimwerkerbedarf), aber auch ein darauf bezogenes zentren- und nahversorgungsrelevantes Sortiment, so ist eine Ausnahme für die Nutzung nur möglich, wenn das zentren- und nahversorgungsrelevante Sortiment für sich betrachtet der zentralörtlichen Gliederung entspricht. Insofern findet hinsichtlich des zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortiments eine gesonderte Prüfung statt, wobei auch Wechselwirkungen zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch bei Änderung oder Erweiterung einer bestehenden Nutzung. Überschreitet dabei das bisherige zentren- und nahversorgungsrelevante Sortiment den nach der zentralörtlichen Gliederung zulässigen Umfang, so ist eine Änderung oder Erweiterung der Nutzung nur möglich, wenn das zentren- und nahversorgungsrelevante Sortiment auf den zulässigen Umfang reduziert wird.

Eine Ausnahme von der Zuordnung zur zentralörtlichen Gliederung ist ausgeschlossen, wenn zentren- und nahversorgungsrelevante Sortimente beabsichtigt sind, die den Versorgungsbereich der Ansiedlungsgemeinde überschreiten und dadurch die Versorgungseinrichtungen der Nachbargemeinden, insbesondere ihrer zentralen Lagen bzw. Ortskerne gefährdet werden könnten.

Zu den Ausnahmen siehe auch Nummer 3.2.2.2.

Zentren- und nahversorgungsrelevante Sortimente sind in der Anlage Ziffer I, Buchstabe A und B aufgeführt.

3.2.2.2 Kernbereiche der Brandenburger Zentren im engeren Verflechtungsraum

Für den engeren Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin setzt die Übereinstimmung mit den landesplanerischen Erfordernissen (insbesondere Ziel 1.0.8 des LEPeV) voraus, daß weitere großflächige Einzelhandelsprojekte (damit auch FOC) nur innerhalb der Kernbereiche der Brandenburger Zentren anzusiedeln sind.

Der Begriff „Kernbereich“ ist dabei nicht identisch mit dem planungsrechtlichen Begriff „Kerngebiet“ (siehe unten).

Innerhalb des Kernbereichs befinden sich Standorte für großflächigen Einzelhandel, wenn sie in ausgewiesenen Kerngebieten bzw. im geschlossenen Siedlungsbereich des gewachsenen Hauptortes liegen.

Zentren im Brandenburger Teil des engeren Verflechtungsraumes sind gemäß Ziel 4.1.4 LEPeV: Nauen, Oranienburg, Bernau, Strausberg, Fürstenwalde, Königswusterhausen/Wildau, Ludwigsfelde und Potsdam. Sie entsprechen den zentralen Orten des LEP I und den Zentren der dezentralen Konzentration des LEPro.

Großflächige Einzelhandelsbetriebe unterliegen der landesplanerischen Zulässigkeitsvermutung, wenn sich der Standort im Kernbereich der Brandenburger Zentren befindet. Die Ausführungen zur Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit beziehen sich ausschließlich auf die Übereinstimmung mit landesplanerischen Anforderungen.

Darüber hinaus gibt es weitere Orte, die für die Einzelhandelsversorgung wichtig sind, obwohl sie nicht als Mittelzentrum eingestuft wurden. Für Vorhaben in diesen Zentren ist die Durchführung von Raumordnungsverfahren zu prüfen (Nummer 3.3.2).

Für alle übrigen großflächigen Einzelhandelsvorhaben an Standorten außerhalb der Kernbereiche Brandenburger Zentren gilt eine Unzulässigkeitsvermutung.

3.2.2.3 Ausnahmen bei nicht gegebener Zentrenbezogenheit

Ausnahmsweise kann eine landesplanerische Zulässigkeit gegeben sein, wenn

  • Art und Umfang des geplanten Angebots zentrenverträglich sind und
  • der räumliche Zusammenhang zum vorhandenen Siedlungsbereich gewahrt wird.

Das Erfordernis der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens und die Anforderungen aufgrund des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts bleiben hiervon unberührt.

Räumlicher Zusammenhang zum Siedlungsbereich

Die Frage, wann ein Standort sich im räumlichen Zusammenhang zum Siedlungsbereich befindet, ist nach folgenden Kriterien zu beurteilen:

  1. Zugehörigkeit des Vorhabens zum Innenbereich gemäß § 34 BauGB
  2. Zugehörigkeit des Vorhabens zum Außenbereich gemäß § 35 BauGB
  3. Räumliche und funktionale Verknüpfung bzw. Verknüpfbarkeit mit dem Kernbereich der Brandenburger Zentren im engeren Verflechtungsraum. Diese enge räumliche und funktionale Verknüpfung ist fallbezogen zu beurteilen.

Danach sind drei Fallgruppen der Zulässigkeit von Vorhaben bezogen auf den räumlichen Zusammenhang zum vorhandenen Siedlungsbereich zu unterscheiden.

1. Zulässigkeitsvermutung:

Kriterien A und C sind zu bejahen.

2. Prüfvorbehalt:

Kriterien B und C sind zu bejahen.
Kriterium A ist zu bejahen und Kriterium C ist zu verneinen.

Für diese Fallgruppe besteht regelmäßiger Prüfbedarf der Zulässigkeit.

3. Unzulässigkeitsvermutung:

Kriterium B ist zu bejahen und Kriterium C ist zu verneinen.

Art und Umfang des geplanten Angebots

Die Frage, wann bei Vorhaben im Außenbereich die Art des geplanten Angebots zentrenverträglich eingeschätzt werden kann, ist nach dem Anteil des zentrenrelevanten Sortiments am gesamten Warenangebot zu beurteilen. Bei den zentrenrelevanten Sortimenten ist regelmäßig davon auszugehen, daß ein Angebot dieser Sortimente bei nicht gegebener Zentrenbezogenheit des Standortes sich zentrenschädigend auswirkt. Die Zuordnung der Sortimentsstruktur erfolgt gemäß Anlage Ziffer I.

Von einer Zulässigkeitsvermutung nach der Art des Angebotes kann - unabhängig vom Planerfordernis - dann ausgegangen werden, wenn bei einem nicht-zentrenrelevanten Kernsortiment (Möbel-, Bau- und Gartenmärkte) das mitangebotene Randsortiment eine Größenordnung von 10 % der Bruttogeschossfläche bis zu maximal 1.200 m² Bruttogeschossfläche nicht überschritten wird.

Der zentrenverträgliche Umfang des Angebots bei Vorhaben im Außenbereich ist im Zusammenhang mit der Größe und Zentralität des Standortes zu beurteilen. Dabei ist zu prüfen, welcher Umfang des Angebots vertretbar ist, ohne daß das Angebot in den Einzugsgebieten anderer Zentren davon beeinträchtigt werden würde.

In einer Auswirkungsanalyse ist zur Ermittlung eines möglichen zusätzlichen Flächenbedarfes vom Investor bzw. von der Gemeinde die Verträglichkeit unter anderem hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung und der Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche (§ 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO) zu prüfen. Dabei sind insbesondere der Bestand bzw. die Planung von Einzelhandelsobjekten nach Branchen(-gruppen), nach Einwohner und Einwohnerentwicklung sowie nach Kaufkraft und Kaufkraftentwicklung zu berücksichtigen. Im Einzelfall sind Differenzierungen nach regionalen Besonderheiten (Versorgungsstrukturen, Zentralität u. a.) vorzunehmen.

3.3 Landesplanerische Verfahren

3.3.1. Anfrage nach den Zielen der Raumordnung

Auch bei der Planung von Kerngebieten und Sondergebieten im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO hat die Gemeinde nach Artikel 12 Landesplanungsvertrag bei der gemeinsamen Landesplanungsabteilung anzufragen, welche Ziele der Raumordnung für den Planbereich bestehen (vergleiche entsprechenden Erlaß des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung mit Regelungen, welche Unterlagen einzureichen sind). Mit der Zielanfrage sollte gleichzeitig der Antrag auf Prüfung der Notwendigkeit der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens gestellt werden (siehe Nummer 3.3.2).

Gemäß § 1 Abs. 4 BauGB sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Ziele der Raumordnung sind für die Bauleitplanung unmittelbar bindende Vorgaben und nicht Gegenstand der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB.

3.3.2 Raumordnungsverfahren

Großflächige Einzelhandelseinrichtungen im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO sind nach § 1 Nr. 19 der Raumordnungsverordnung vom 13. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2766), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. August 1997 (BGBl. I S. 2081, 2110) sowie nach Artikel 16 Abs. 1 Nr. 2 des Landesplanungsvertrages grundsätzlich einem Raumordnungsverfahren zu unterziehen, wenn sie im Einzelfall raumbedeutsam sind und überörtliche Bedeutung haben.

Durch das Raumordnungsverfahren wird festgestellt, ob raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen mit den Erfordernissen der Raumordnung übereinstimmen und wie diese unter den Gesichtspunkten der Raumordnung aufeinander abgestimmt oder durchgeführt werden können (Raumverträglichkeitsprüfung).

Als raumbedeutsam und von überörtlicher Bedeutung im Sinne der Raumordnungsverordnung gilt ein großflächiges Einzelhandelsprojekt, wenn

  • in Oberzentren und in Mittelzentren mit Teilfunktionen eines Oberzentrums 1.200 m2 Verkaufsfläche,
  • an anderen Standorten 700 m2 Verkaufsfläche überschritten werden.

Raumbedeutsame Maßnahmen sind außerdem

  • die systematische Erweiterung bestehender Einzelhandelsbetriebe zu großflächigen Einzelhandelsprojekten, die vorgenannte Kriterien erfüllen,
  • die Nutzungsänderung vorhandener baulicher Anlagen zu einem großflächigen Einzelhandelsprojekt, wenn zu erwarten ist, daß dadurch die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung beeinträchtigt wird.

Nach § 2 der Verordnung über die einheitliche Durchführung von Raumordnungsverfahren für den gemeinsamen Planungsraum Berlin-Brandenburg (Gemeinsame Raumordnungsverfahrensverordnung - GROVerfV, GVBl. II S. 82) vom 24. Januar 1996 entscheidet die gemeinsame Landesplanungsabteilung auf Antrag des Vorhabenträgers oder von Amts wegen innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Vorlage einer Projektbeschreibung mit Lageplan über die Notwendigkeit eines Raumordnungsverfahrens. Wesentliche Beurteilungskriterien sind Raumbedeutsamkeit, Überörtlichkeit, Projektbezogenheit, ernsthafte Realisierungsabsicht und Abstimmungsbedürftigkeit des Vorhabens. Die Unterlagen zum Raumordnungsverfahren sollten neben den Anforderungen aus den §§ 2 und 3 GROVerfV folgende Angaben enthalten:

  • zum Versorgungsbereich (Einwohner und Gemeinden im Versorgungsbereich),
  • zur Größe und Relationen im Versorgungsbereich (Geschoßfläche/Verkaufsfläche), zur Branche und zu den Sortimenten und ihren Größenordnungen der in dem Baugebiet vorgesehenen Vorhaben (Verkaufsfläche/Einwohner im Ort; Verkaufsfläche/Einwohner im Versorgungsgebiet),
  • zu abweichenden Regelungen zu zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortimenten,
  • zur räumlichen und funktionellen Einordnung der aufgrund der Planung beabsichtigten bzw. zulässigen Vorhaben in die eigene gemeindliche Siedlungsstruktur,
  • zu den möglichen Auswirkungen des Vorhabens auf die davon betroffenen Gemeinden, auch in benachbarten Ländern und Staaten,
  • gegebenenfalls zu den Inhalten eines Einzelhandelskonzeptes.

Das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens ist bei allen weiteren Entscheidungen über die Zulässigkeit des Vorhabens zu berücksichtigen.

Das bedeutet:

  • bei der Bauleitplanung ist es durch die Gemeinde nach § 4 Abs. 2 in Verbindung mit § 3 Nr. 4 ROG bei der Abwägung zu berücksichtigen,
  • bei der Genehmigung/Anzeige von Bauleitplänen ist zu überprüfen, ob eine sachgerechte Berücksichtigung in der Abwägung erfolgt ist.

Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 GROVerfV kann die gemeinsame Landesplanungsabteilung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens eine raumordnerische Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen.

4. Einzelhandelskonzepte

4.1. Gemeindliche Einzelhandelskonzepte

Bei der Steuerung der Einzelhandesentwicklung kommt den Gemeinden eine entscheidende Rolle zu. Mit der Aufstellung von gemeindlichen Einzelhandelskonzepten und der planungsrechtlichen Absicherung dieser Konzepte durch Bauleitpläne können die Gemeinden die Entwicklung ihrer Zentren und Nebenzentren unterstützen und für eine ausgewogene Versorgungsstruktur sorgen. Einzelhandelskonzepte schaffen einerseits eine Orientierungs- und Beurteilungsgrundlage für die Bauleitplanung und die Beurteilung von Vorhaben wie auch andererseits Planungs- und Investitionssicherheit für den Einzelhandel, Investoren und Grundstückseigentümer (siehe auch Nummer 4.2). Die im Rahmen der Erarbeitung der Einzelhandelskonzepte ermittelten Verkaufsflächenzahlen sind jedoch im allgemeinen nur (fortschreibungsbedürftige) Orientierungswerte, die für die Beurteilung eines Einzelstandortes in der Regel einer weiteren Untersetzung bedürfen. Die Einzelhandelskonzepte sollen insbesondere einen Überblick über vorhandene und potentielle Einzelhandelsstandorte und deren Entwicklungspotentiale geben und Aussagen zu den einzelhandelsspezifischen Qualitäten (z. B. besondere Sortimentsstruktur, Lagegunst, Synergien) und Quantitäten (z. B. Verkaufsflächengrößen, Erweiterungsmöglichkeiten) enthalten.

In den Einzelhandelskonzepten legen die Gemeinden ihre Entwicklungsziele für den Einzelhandel (angestrebte Einzelhandelsausstattung für die angemessene Versorgung der Bevölkerung) und die Standorte für die weitere Entwicklung des Einzelhandels (Zentrenstruktur wie Nahversorgungszentren, Neben- und Stadtteilzentren, Kerngebiete in der Innenstadt für die mittel- und oberzentrale Versorgung, Sondergebiete) fest.

Bei der Aufstellung der Einzelhandelskonzepte ist insbesondere eine Beteiligung der Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Organisationen des Einzelhandels sowie eine Abstimmung mit den betroffenen Nachbargemeinden im Sinne einer freiwilligen interkommunalen/regionalen Abstimmung zu empfehlen.

4.2 Interkommunale Einzelhandelskonzepte

In Regionen wo ein besonders starker Ansiedlungsdruck durch den Einzelhandel besteht - im Nahbereich zu Berlin aber auch im Umland von Oberzentren oder in besonders verkehrsgünstigen Lagen - kann es erforderlich sein, daß über die gemeindlichen Einzelhandelskonzepte hinaus auch regionale Einzelhandelskonzepte erarbeitet werden.

Hierdurch soll erreicht werden, daß zum einen eine Verschärfung einer schädlichen interkommunalen Konkurrenzsituation vermieden wird und zum anderen eine abgestimmte, raumverträgliche Steuerung der Einzelhandelsentwicklung gewährleistet wird. Unter Umständen kann solch ein interkommunal abgestimmtes Konzept auch zur Nutzung von Synergieeffekten beitragen.

Die Einzelhandelskonzepte sollten von den Gemeinden selbst oder in deren Auftrag erarbeitet werden.

Einzelhandelskonzepte können als Entscheidungshilfe für die Gemeinden dienen. Die Gemeinden können ihnen durch entsprechende Beschlüsse auch den Stellenwert einer informellen Planung geben. Dann wären diese gemäß § 1 Abs. 5 Nr. 10 BauGB bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen.

5. Kommunale Bauleitplanung

5.1 Darstellung im Flächennutzungsplan

Wegen der städtebaulichen Bedeutung von Vorhaben nach § 11 Abs. 3 BauNVO kann es im Flächennutzungsplan geboten sein, bereits Kerngebiete und nicht nur gemischte Bauflächen darzustellen. Die Darstellung von Kerngebieten muß im Hinblick auf mögliche Auswirkungen der in § 11 Abs. 3 BauNVO genannten Art behutsam erfolgen und sich auf die wirklichen Zentren entsprechend der Bedeutung des Wortes “Kern” beschränken.

Bei der Darstellung eines Sondergebiets nach § 11 Abs. 3 BauNVO sollte neben der erforderlichen Zweckbestimmung (z. B. ”Sondergebiet - Großflächige Einzelhandesbetriebe”) die Geschoßflächenzahl nach § 16 Abs. 1 BauNVO als wichtiges Kriterium angegeben werden, letztgenanntes kann im Einzelfall auch für Kerngebietsdarstellungen sinnvoll sein. Um Auswirkungen der zulässigen Vorhaben besser beurteilen zu können, ist - soweit bereits möglich - zusätzlich die Konkretisierung der Zweckbestimmung (z. B. Möbelmarkt) und die Darstellung der vorgesehenen Gesamtgeschoßfläche zu empfehlen.

5.2 Festsetzung im Bebauungsplan

5.2.1 Festsetzung “Kerngebiet”

Die Festsetzung eines Kerngebiets, das lediglich dazu dienen soll, anstelle eines an sich erforderlichen Sondergebiets Vorhaben nach § 11 Abs. 3 BauNVO aufzunehmen, ohne sonstige für das Kerngebiet typische Funktionen zu übernehmen, ist eine Umgehung der Vorschrift der §§ 7 und 11 Abs. 3 BauNVO und daher unzulässig. Bei Festsetzung von Kerngebieten außerhalb der vorhandenen Zentren oder Nebenzentren sowie in kleineren Gemeinden, insbesondere bei der Entwicklung des Kerngebiets aus einer gemischten Baufläche, ist zu prüfen, ob im Hinblick auf nicht voraussehbare Auswirkung im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO gegebenenfalls eine Einschränkung der Einzelhandelsnutzung auf eine bestimmte Größenordnung, z. B. durch entsprechende Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, vorgesehen werden muß.

5.2.2 Festsetzung “Sondergebiet”

Für Sondergebiete muß die Zweckbestimmung speziell festgesetzt werden. Während die Baunutzungsverordnung bei den übrigen Baugebieten (§§ 2 bis 9) die Zweckbestimmung des Gebiets und die zulässige Art der Nutzung selbst festlegt, müssen diese Regelungen bei Sondergebieten im Bebauungsplan getroffen werden. Dadurch ergibt sich ein größerer Spielraum, die zulässige Nutzung in den Festsetzungen zu konkretisieren. Neben der Angabe der Zweckbestimmung (SO-Gebiet für großflächige Einzelhandelsbetriebe) ist die Festsetzung zur Art der Nutzung (d. h. der einzeln aufzuführenden zulässigen Anlagen) unerläßlich. Danach sind insbesondere die Verkaufsfläche sowie das Sortiment nach Art und Umfang im einzelnen festzusetzen (Nummer 2.2.6). Wenn sich aus einer entsprechenden Begründung das städtebauliche Erfordernis ergibt, kann die höchstzulässige Verkaufsfläche als Gesamtverkaufsfläche des Sondergebiets oder Verkaufsfläche einzelner Handelsbetriebe oder Branchen ohne Bindung an vorgegebene Anlagentypen festgesetzt werden (vergleiche BVerwG, Urteil v. 27.4.1990 - 4 C 36.87 -, NVwZ1990, 1071 = BauR 1990, 569 = DVBl. 1990, 1108). Das Sondergebiet kann auch nach der Art der Betriebe, die sich nach dem Kernsortiment bestimmt, unterteilt werden. Eine derartige Sortimentbeschränkung bzw. Unterteilung kann aus städtebaulichen Gründen in Betracht kommen, wenn wegen einer Zentrenunverträglichkeit von großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit gemischtem Sortiment nur bestimmte Fachmärkte (wie Baumärkte, Möbelmärkte, Kfz-Handel mit Werkstatt, Gartencenter und ähnliches) vertretbar sind.

5.2.3 Beschränkung des Einzelhandels in sonstigen Baugebieten

Bei Festsetzung von Baugebieten, insbesondere von Mischgebieten und Gewerbegebieten, ist zu prüfen, ob im Hinblick auf eine unerwünschte Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben (Nummer 2.3.3) oder zum Schutz zentraler Versorgungsbereiche gegebenenfalls eine Einschränkung der Einzelhandelsnutzung vorgesehen werden muß. So können nach § 1 Abs. 9 und auch Abs. 5 BauNVO bei Vorliegen besonderer städtebaulicher Gründe bestimmte Arten an sich zulässiger Nutzungen und baulicher Anlagen ausgeschlossen bzw. eingeschränkt werden. Festsetzungen, die auf die Größe von Anlagen abstellen (hier: Verkaufsfläche von Handelsbetrieben), sind jedoch nur zulässig, wenn dadurch bestimmte Arten von baulichen oder sonstigen Anlagen (Anlagetypen) - gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Gemeinde - zutreffend gekennzeichnet werden (BVerwG, Urteil v. 22.5.1987 - 4 C 77.84-, BauR 1987, 524 = DVBl. 1987, 1004 = DÖV 1987, 1011). Weiterhin kann beispielsweise die Einzelhandelsnutzung in Gewerbegebieten völlig ausgeschlossen oder nur als Ausnahme (z. B. im Zusammenhang mit Kfz-Handel, handwerklichen Betrieben oder zur Versorgung des Gebietes) vorgesehen werden.

Beim Ausschluß von Einzelhandelsbetrieben bestimmter Branchen (z. B. Haushaltswaren, Lebensmittel, Parfümerie- und Drogeriewaren, Schuh- und Lederwaren) ist jedoch zu beachten, daß die Differenzierung den marktüblichen Gegebenheiten entspricht, d. h. der Ausschluß kann nur solche Branchen erfassen, die tatsächlich auch auf dem „Markt“ vorhanden und bekannt sind. Nur diese kann die Gemeinde festsetzen, andere kann sie nicht selbst definieren, dies gilt insbesondere für die Festsetzung von Branchenuntergruppen (vergleiche BVerwG, Beschluß v. 27.7.1998 - 4 BN 31.98 -, ZfBR 1998, 317).

5.2.4 Beteiligung der benachbarten Gemeinden (§ 2 Abs. 2 BauGB)

Wegen des häufig über die Gemeindegrenzen hinausgehenden Einzugsgebietes von Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO ist es erforderlich, bei den notwendigen Planverfahren auch die von den Auswirkungen betroffenen Gemeinden zu beteiligen. Dies gilt auch dann, wenn Gemeinden in einem anderen Bundesland oder in einem Nachbarstaat (§ 4a Abs. 1) liegen. Für die (materielle) gemeindenachbarliche Abstimmungspflicht kommt es nicht auf ein unmittelbares Angrenzen der Gemeinden an (BVerwG, Beschluß v. 9.1.1995 - 4 NB 42.94-, DÖV 1995, 820). Insbesondere bei sehr großen Einzelhandelsprojekten (z. B. FOC) kann sich die Abstimmungspflicht unter Umständen auch auf das Gebiet mehrerer Kreise erstrecken.

Einer gemeindenachbarlichen Abstimmung bedarf es bereits dann, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung der Nachbargemeinde in Betracht kommen. Voraussetzung ist - anders als für die rechtliche Betroffenheit einer Gemeinde durch eine Fachplanung - nicht, daß eine hinreichend bestimmte Planung der Nachbargemeinde nachhaltig gestört wird (BVwerG, Urteil v. 15.12.1989 - 4 C 36.86 -, BVerwGE 84, 209). Die Betroffenheit einer benachbarten Gemeinde ist allerdings von dieser begründet darzulegen, die bloße Behauptung der Betroffenheit ist nicht ausreichend. Die Nachbargemeinde hat substantiiert darzulegen, inwieweit sie die Gefahr sieht, daß aus den ursächlich wirtschaftlichen Auswirkungen eine unzumutbare Gefährdung der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung erwächst. Dies kann der Fall sein, wenn die Nahversorgung der (nichtmotorisierten) Bevölkerung mit Waren des kurzfristigen Bedarfs gefährdet ist oder die Innenstadt aufgrund drohender Verödung ihre urbanen Funktionen nicht mehr erfüllen kann (siehe auch OVG Frankfurt (Oder), Beschluß v. 15.12.1998 - 3 B 116/98 und OVG Koblenz, Beschluß v. 8.1.1999 - 8 B 12650/98, beide in NVwZ 1999, 434 ff.).

Durch die mangelnde Abstimmung wird die benachbarte Gemeinde in ihrer Planungshoheit und damit in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt.

5.2.5 Beteiligung der Träger öffentlicher Belange (§ 4 BauGB)

Den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern kommt aufgrund ihrer Verpflichtung, das Gesamtinteresse der zugehörigen Gewerbetreibenden zu vertreten, im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange besondere Bedeutung zu.

Den Kammern obliegt es, auch die absatzwirtschaftlichen Aspekte vorzutragen und bei der Klärung von Zweifelsfragen mitzuwirken. Sie sind möglichst frühzeitig in das Planverfahren einzuschalten.

Bei Planungen im Zusammenhang mit Einzelhandelsnutzungen kann es fachlich geboten sein, außerhalb der förmlichen Beteiligung zusätzlich die Einzelhandelsverbände um Stellungnahme zu bitten.

5.2.6 Planungserfordernis - Abwägungsgebot

Bei der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßbetrieben wird der Flächenbedarf der Vorhaben und das Koordinierungsbedürfnis der von den Planungen berührten öffentlichen und privaten Belange in der Regel eine förmliche Bauleitplanung erfordern (§ 1 Abs. 3 BauGB). Die Erforderlichkeit ergibt sich insbesondere im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB (vergleiche Nummer 6.3.2). Der Nachweis der Erforderlichkeit der Planung (§ 1 Abs. 3 BauGB) muß deren mögliche Auswirkungen im Sinn des § 11 Abs. 3 BauNVO, insbesondere auf die infrastrukturelle Ausstattung der vorhandenen Zentren und Nebenzentren sowohl der planenden als auch der Nachbargemeinden erkennen lassen.

Die Abwägung der öffentlichen und privaten Belange kann bei der Ansiedlung von Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und großflächigen Handelsbetrieben im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO unter Umständen fehlerhaft sein, wenn die Ansiedlung solcher Betriebe zu wesentlichen Beeinträchtigungen ausgewogener Strukturen führt oder nur einzelnen Bevölkerungsgruppen zugute kommt. Dies kann z. B. bei einer einseitigen Bevorzugung der Bevölkerungsgruppen, die sich des Individualverkehrs bedienen, der Fall sein.

5.2.7 UVP-Pflicht

Im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) wird durch § 2 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. der Anlage zu § 3 UVPG der Anwendungsbereich der UVP für Bebauungspläne bestimmt.

Zu den UVP-pflichtigen Bebauungsplänen gehören demnach auch die Bebauungspläne, die die Errichtung von Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO ermöglichen, wenn zugleich ein Wert von 5.000 m² Geschoßfläche überschritten wird (Nummer 18 der Anlage zu § 3 UVPG). Die Nummer 18 der Anlage zu § 3 UVPG enthält eine eigenständige Regelung zur UVP-Pflicht, die Bezugnahme auf § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO erfolgt ausschließlich, um die dort getroffenen Definitionen aufzugreifen. Damit gilt die Vermutungsregelung zu § 11 Abs. 3 Satz 2 bis 3 BauNVO nicht. Die UVP-Pflicht für das Bebauungsplanverfahren gilt daher unmittelbar, wenn die durch den Bebauungsplan neu festzusetzende Geschoßfläche für ein Vorhaben im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO den Schwellenwert von 5.000 m² überschreitet. Zur Durchführung einer UVP im Rahmen eines Raumordnungsverfahrens siehe Nummer 3.3.2.

5.3 Entschädigung bei Änderung oder Aufhebung einer zulässigen Nutzung

Die Änderung von Bebauungsplänen kann zu Entschädigungsansprüchen nach §§ 42 ff. BauGB führen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß die durch die Änderung ausgeschlossene Nutzung bisher zulässig war und durch die Aufhebung der zulässigen Nutzung eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des Grundstücks eintritt. Der Bebauungsplan muß formell und materiell rechtsgültig sein; nach § 30 BauGB muß die Erschließung rechtlich und tatsächlich gesichert sein. Entschädigungsansprüche gegen die Gemeinde könnten sich danach nur ergeben, wenn vor der Änderung des Bebauungsplans und damit dem Ausschluß von Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO eine den Erfordernissen des Zu- und Abgangsverkehrs dieser Einrichtungen entsprechende Erschließung gesichert war.

Von einer nicht nur unwesentlichen Wertminderung von Grundstücken ist nur dann auszugehen, wenn in dem Gebiet oder für bestimmte Flächen im Hinblick auf die Zulässigkeit dieser Anlagen bei vorhandener Erschließung bereits ein Verkehrswert entstanden ist, der erheblich über dem Verkehrswert vergleichbarer Gewerbegebiete und Industriegebiete liegt, in denen die Ansiedlung eines Einkaufszentrums, großflächigen Einzelhandelsbetriebes oder sonstigen großflächigen Handelsbetrieben im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO nicht möglich ist. Auf die Gewinnerwartung des einzelnen Grundstückseigentümers und auf seine persönlichen Nutzungsvorstellungen kommt es nicht an.

Nach Ablauf der in § 42 Abs. 2 BauGB bezeichneten Frist von sieben Jahren ab Zulässigkeit kann ein Entschädigungsanspruch infolge Planänderung nach § 42 Abs. 3 BauGB nur noch für Eingriffe in die tatsächlich ausgeübte Nutzung des Grundstücks geltend gemacht werden.

6. Baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall

6.1 Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Sinne von § 30 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB

Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Sinne von § 30 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB, der mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist (qualifizierter Bebauungsplan). § 15 BauNVO ist zu beachten (Nummer 6.2).

Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzung des qualifizierten Bebauungsplans nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan nach § 30 Abs. 3 BauGB), richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens im übrigen nach § 34 BauGB (Nummer 6.3) oder § 35 BauGB (Nummer 6.4). Soweit ein Baugebiet festgesetzt ist, ist § 15 BauNVO zu beachten (Nummer 6.2).

Die zulässige Art der baulichen Nutzung wird in den Bebauungsplänen durch die Baugebiete festgesetzt.

6.2 Zulässigkeitsbeschränkung durch § 15 BauNVO

§ 15 BauNVO ist in der im Baugenehmigungsverfahren gültigen Fassung der Baunutzungsverordnung anzuwenden.

Vorhaben im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO sind demnach im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

Die durch § 15 BauNVO geschützte maßgebliche Umgebung auch außerhalb des Baugebiets reicht nur so weit, wie unmittelbare Wirkungen eines Vorhabens die Nutzung anderer Grundstücke in bebauungsrechtlicher Hinsicht beeinträchtigen können. Eine Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit der in der maßgeblichen Umgebung oder in einzelnen Stadtteilzentren ausgeübten Einzelhandelsnutzungen kann durch die Anwendung des § 15 BauNVO nicht verhindert werden. “Fernwirkungen” finden im Rahmen des § 15 BauNVO keine Berücksichtigung.

Unzumutbare Belästigungen oder Störungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO können jedoch beispielsweise darin bestehen, daß ein hohes Verkehrsaufkommen die öffentlichen Straßen in der maßgeblichen Umgebung ungewöhnlich belastet, so daß der Zu- und Auslieferungsverkehr anderer Grundstücke erheblich behindert wird oder Wohngrundstücke durch Immissionen stark beeinträchtigt werden.

Die Eigenart eines Baugebiets (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO) läßt sich unmittelbar anhand der Festsetzungen des Bebauungsplans sowie aus der bereits vorhandenen und zugelassenen Bebauung feststellen. So kann sich z. B. in den Festsetzungen von Verkehrsflächen, insbesondere der Dimensionierung der örtlichen Verkehrsflächen zur Erschließung des Baugebiets, eine besondere Prägung niederschlagen.

Kleinere Betriebe, die im einzelnen zwar keine, in der Ansammlung mit anderen kleineren Betrieben aber Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO hervorrufen, können im Einzelfall nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig sein, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen, z. B. wenn sich in einem Mischgebiet ein Einkaufszentrum oder ein Gebiet für Einzelhandelsgroßbetriebe entwickelt. In einem Mischgebiet allgemein zulässige Einzelhandelsbetriebe können im Einzelfall nach Anzahl und Umfang der Eigenart des Baugebiets widersprechen, weil im selben Gebiet bereits Einzelhandelsbetriebe zugelassen worden sind und das gebotene quantitative Mischungsverhältnis von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe durch die Zulassung eines weiteren Betriebes gestört würde (vergleiche BVerwG, Urteil v. 4.5.1988 - 4 C 34. 86 -, 1988, 440).

Die Eigenart eines Gewerbegebietes kann z. B. beeinträchtigt sein, wenn ein oder mehrere Handelsbetriebe - also auch solche ohne Auswirkungen - ein deutliches Übergewicht in Bezug auf die übrigen Gewerbebetriebe einnehmen.

6.3 Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB)

6.3.1 Allgemeines

Die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO im unbeplanten Innenbereich ist unterschiedlich zu beurteilen, und zwar

  • bei einer näheren Umgebung, die uneinheitlich strukturiert und keinem Baugebiet der BauNVO vergleichbar ist, nur nach § 34 Abs. 1 BauGB (Nummer 6.3.2 und 6.3.2.1);
  • bei einer näheren Umgebung, die einem Baugebiet der BauNVO entspricht, hinsichtlich der Art der Nutzung nur nach § 34 Abs. 2 BauGB, hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche nach § 34 Abs. 1 BauGB (Nummer 6.3.3);
  • bei Vorliegen eines einfachen Bebauungsplans (§ 30 Abs. 3 BauGB) vorweg nach dessen Festsetzungen (Nummer 6.1), im übrigen nach § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB (Nummer 6.3.4).

Zulässigkeitsvoraussetzung für die Vorhaben in allen Bereichen ist die gesicherte Erschließung.

6.3.2 Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB (anwendbar ab 1.1.2005 siehe Nummer 6.3.2.1)

Bei der planungsrechtlichen Zulässigkeitsprüfung sind die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu berücksichtigen. Insbesondere wird hinsichtlich des Merkmals “Einfügen” auf die Urteile des BVerwG vom 26.5.1978 - 4 C 8.77 - (DVBl. 1978, 815 = BauR 1978, 276 = BayVBl. 1979, 152 = BVerwGE 55, 370) und vom 4.7.1980 - 4 C 101.77 - (ZfBR 1980, 246 = BauR 1980, 5 = NJW 1981, 139 = RdL 1981, 8 = 120 = DÖV 1980, 919 = BayVBl. 1981, 119) hingewiesen. Danach fügt sich ein Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und zu überbauender Grundstücksfläche nur ein, wenn es sich innerhalb des sich aus seiner näheren Umgebung ergebenden Rahmens hält. Im Rahmen hält sich nur eine Nutzung, die in der näheren Umgebung bereits vorhanden ist. Sind großflächige Einzelhandelsbetriebe dort noch nicht vorhanden, fällt ein derartiges Vorhaben aus dem Rahmen. Auch ein aus dem Rahmen fallendes Vorhaben kann sich dennoch einfügen, wenn es im Verhältnis zu seiner näheren Umgebung keine bewältigungsbedürftigen Spannungen erzeugt oder vorhandene Spannungen verstärkt. Großflächige Einzelhandelsbetriebe werden in der Regel Spannungen erzeugen oder vorhandene Spannungen verstärken. Eine Spannungsverstärkung ist z. B. auch darin zu sehen, daß der durch das Vorhaben bedingte stärkere Zu- und Abfahrtsverkehr bisher ruhigere Wohnstraßen durch Lärm und Abgase belastet - wobei schon eine Zunahme von wenigen Dezibel bedeutsam ist - oder daß das vorhandene Straßennetz überlastet wird, auch durch den ruhenden Verkehr der Kundenfahrzeuge.

Maßgeblich bei Anwendungen des § 34 Abs. 1 BauGB ist die Berücksichtigung nur der “näheren Umgebung”. Zu beachten ist, daß die nach § 11 Abs. 3 BauNVO zu berücksichtigenden landesplanerischen und städtebaulichen Auswirkungen (vergleiche Nummern 2.3 und 2.3.1) regelmäßig weit über die nähere Umgebung hinausreichen. Derartige “Fernwirkungen” bleiben jedoch bei der Beurteilung des Einfügens außer Betracht (vergleiche BVerwG, Urteil v. 3.2.1984 - 4 C 8.80 -, BauR 1984, 377).

6.3.2.1 Aussetzung der Einfügungsregelung gemäß § 3 BbgBauGBDG

Durch § 3 in Verbindung mit § 4 des Brandenburgischen Gesetzes zur Durchführung des Baugesetzbuches (BbgBauGBDG) ist geregelt worden, daß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bis einschließlich 31. Dezember 2004 für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Abs. 3 der BauNVO nicht anzuwenden ist. Dies bedeutet, daß für die Erlangung der Zulässigkeit dieser Vorhaben, wie im Außenbereich, grundsätzlich eine Planung erforderlich ist. Dadurch soll es den Gemeinden ermöglicht werden, durch Planung auf die innerstädtischen Standorte von Einkaufszentren, großflächigen Einzelhandelsbetrieben und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben im Interesse einer langfristig geordneten Stadtentwicklung besseren Einfluß zu nehmen.

6.3.3 Zulässigkeit nach § 34 Abs. 2 BauGB

In diesem Fall ist hinsichtlich der Beurteilung der Art der Nutzung die Baunutzungsverordnung (hier § 11 Abs. 3) unmittelbar anzuwenden. Ist die nähere Umgebung als Misch-, Gewerbe- oder Industriegebiet einzuordnen, ist daher ein Vorhaben, das die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 BauNVO erfüllt, unzulässig. Bei dieser Beurteilung sind auch die landesplanerischen und städtebaulichen Auswirkungen zu berücksichtigen, die räumlich über die nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgebliche nähere Umgebung hinausgehen (Fernwirkungen). Ein Vorhaben im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO ist nur zulässig in einem Gebiet, das als Kerngebiet oder Sondergebiet “großflächiger Einzelhandel” einzustufen ist. Hinsichtlich der Beurteilung des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche ist die Prüfung nach § 34 Abs. 1 BauGB erforderlich (Nummer 6.3.2).

6.3.4 Mit einfachem Bebauungsplan/Textbebauungsplan

Liegt ein einfacher Bebauungsplan (§ 30 Abs. 3 BauGB) beispielsweise in Form eines Textbebauungsplans vor, so sind Handelsbetriebe aller Art nur zulässig, wenn sie dessen Festsetzungen nicht widersprechen; insoweit gilt die Nummer 6.1 entsprechend. Im übrigen ist das Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB (Nummer 6.3.2) oder nach § 34 Abs. 2 BauGB (Nummer 6.3.3) zu beurteilen.

6.3.5 Gesicherte Erschließung

Zur gesicherten Erschließung gehören bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben insbesondere der verkehrsgerechte Anschluß an eine leistungsfähige Verkehrsstraße mit einwandfreien Grundstücksein- und -ausfahrten sowie gegebenenfalls zusätzliche Fahrstreifen innerhalb der öffentlichen Verkehrsfläche. Bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit sehr hohem Verkehrsaufkommen ist zu beachten, daß aufgrund der Verkehrsintensität die nur grundstücksbezogene als auch die nur gebietsbezogene Beurteilung der Erschließung nicht ausreichend sein kann. Ob die Erschließung gesichert ist, kann auch davon abhängig sein, inwieweit ein solches Vorhaben verkehrliche Ausbaumaßnahmen innerhalb oder außerhalb des B-Plans oder im nicht beplanten Innenbereich außerhalb der maßgebenden näheren Umgebung erforderlich macht.

Die Erschließung kann beispielsweise dann nicht als gesichert angesehen werden, wenn das Grundstück zwar an einer öffentlichen, für das zu erwartende Verkehrsaufkommen ausreichend dimensionierten Straße liegt, die weitere Anbindung - z. B. an einer 500 m entfernten Einmündung der Erschließungsstraße in das übrige Verkehrsnetz - für das Verkehrsaufkommen jedoch nicht ausreicht (BVerwG, Urteil v. 03.02.84 - 4 C 8.80 -).

Die Erschließung sollte mit den zuständigen Straßenbaubehörden abgestimmt werden.

6.3.6 Überprüfung des unbeplanten Innenbereichs

Die Gewährleistung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erfordert die laufende Beobachtung des Baugeschehens und gegebenenfalls notwendige Anpassungsmaßnahmen, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Können von einem Vorhaben zu erwartende Spannungen, die nicht die nähere Umgebung, sondern die Zuordnung von Nutzungen in einem größeren städtebaulich funktionalen Zusammenhang betreffen, wie er in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nummer 2 und Satz 2 BauNVO beschrieben ist, nur im Wege der Bauleitplanung ausgeglichen werden, ist ein Planerfordernis im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB und somit eine gesetzliche Planungspflicht der Gemeinde gegeben (vergleiche BVerwG, Urteil v. 3.2.1984 - 4 C 8.80 -, ZfBR 1984, 137 = BauR 1984, 377).

Zur Feststellung der gesetzlichen Planungspflicht haben die Gemeinden solche Gebiete innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ohne bauplanungsrechtliche Festsetzungen über Art und Maß der baulichen Nutzung, in denen die Möglichkeit der Ansiedlung von Vorhaben im Sinne von. § 11 Abs. 3 BauNVO mit Auswirkungen der in dieser Vorschrift bezeichneten Art gegeben ist, zu überprüfen. Diese Prüfung ist insbesondere in den Gebieten erforderlich, in denen aufgrund bestehenden Baurechts weitere Vorhaben zu bereits vorhandenen Vorhaben (im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO, auch mit geringerer Geschoßfläche als 1200 m²) hinzutreten können und dann im Zusammenwirken negative Auswirkungen auslösen können. Es wird darauf hingewiesen, daß bei dieser Prüfung gegebenenfalls eine Beteiligung der Kammern der gewerblichen Wirtschaft in Betracht kommt.

In vielen Fällen wird die Aufstellung eines einfachen Bebauungsplans im Sinne von § 30 Abs. 3 BauGB, der nur die Art der Nutzung festsetzt, ausreichen.

Bei der Aufstellung eines einfachen Bebauungsplans für einen bisher unbeplanten Innenbereich ist - auch zur Vermeidung eventueller Entschädigungsansprüche (Nummer 5.3) - zu prüfen, ob vorhandene großflächige Einzelhandelsbetriebe auf den Bestandsschutz verwiesen oder durch Festsetzungen nach § 1 Abs. 10 BauNVO planungsrechtlich gesichert werden sollen.

Die Gemeinden sollen die Möglichkeit der Veränderungssperre (§ 14 BauGB) bzw. der Zurückstellung von Baugesuchen (§ 15 BauGB) in Betracht ziehen.

6.4 Im Außenbereich

6.4.1 Allgemeines

Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO gehören nicht zu den nach § 35 Abs. 1 BauGB für den Außenbereich privilegierten Vorhaben. Es kann davon ausgegangen werden, daß sie wegen ihres Umfanges und wegen der wahrscheinlichen Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB im Außenbereich ohne Bebauungsplan unzulässig sind. Dies gilt auch, wenn und soweit in einem Flächennutzungsplan Bauflächen dargestellt sind, die durch Bebauungpläne als Kerngebiete oder als Sondergebiete im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO ausgewiesen werden könnten.

6.4.2 Mit einfachem Bebauungsplan

Bestehen im Außenbereich einfache (im Sinne des § 30 Abs. 3 BauGB nicht qualifizierte) Bebauungspläne mit Festsetzungen über Art und Maß der baulichen Nutzung, so sind Handelsbetriebe aller Art nur zulässig, wenn sie diesen Festsetzungen nicht widersprechen; insoweit gilt die Nummer 6.1 entsprechend. Darüber hinaus müssen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 BauGB vorliegen, d. h.öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB dürfen nicht beeinträchtigt werden, soweit sie nicht Gegenstand des einfachen Bebauungsplans sind. Insbesondere darf das Vorhaben Zielen der Raumordnung nicht widersprechen (vergleiche Nummer 3.2.1). Darüber hinaus muß die ausreichende Erschließung gesichert sein.

6.5 Nutzungsänderung und Erweiterungen

Nutzungsänderungen und Erweiterungen sind genehmigungsbedürftig. Für sie gelten die Nummern 6.1 bis 6.4, 6.6, 6.7 entsprechend.

Eine Nutzungsänderung liegt auch dann vor, wenn ein Großhandelsbetrieb ganz oder teilweise auf Einzelhandel umstellt (Nummer 2.2.3). Der Bestandsschutz des Großhandels deckt nicht die Fortführung des Betriebs als (Teil-) Einzelhandel. Das gleiche gilt, wenn ein in der Baugenehmigung festgeschriebenes Sortiment umgestellt bzw. geändert wird oder wenn ein neues Sortiment hinzukommt.

Eine Erweiterung liegt bei einer Vergrößerung der Geschoßfläche oder der Verkaufsfläche vor. Bei Erweiterungen sind für die Beurteilung der Zulässigkeit die Auswirkungen der gesamten Anlage zugrunde zu legen. Das gleiche gilt, wenn anstelle eines größeren Handelsbetriebs mehrere kleine Handelsbetriebe von jeweils nicht wesentlich unter 1200 m² Geschoßfläche in räumlicher Nähe und zeitlichem Zusammenhang beantragt werden. Besonderes Augenmerk ist auf eine etwaige Zusammenlegung derartiger Betriebe zu legen, weil dies gegebenenfalls eine Nutzungsänderung oder Erweiterung darstellt.

6.6 Behandlungen von Bauanträgen

6.6.1 Antragsunterlagen

Antragsunterlagen für Einzelhandelsbetriebe und sonstige Handelsbetriebe müssen die Art des Betriebs (Einzelhandel, Großhandel), die Geschoßfläche, die Verkaufsfläche (Nummer 2.2.5/2.2.6) und die vorgesehenen Sortimente (Nummer 2.2.7), gegliedert nach der Größe der Verkaufsfläche, klar und eindeutig erkennen lassen. Liegen hierzu keine klaren Angaben vor, kann eine Baugenehmigung wegen Unmöglichkeit der Prüfung nach § 11 Abs. 3 BauNVO nicht erteilt werden.

Bei Anträgen für Großhandelsbetriebe ist darzulegen, inwieweit durch geeignete organisatorische Maßnahmen sichergestellt wird, daß der Handel mit dem letzten Verbraucher weitestgehend unterbunden wird (Nummer 2.2.3).

6.6.2 Festschreibung in der Baugenehmigung

In der Baugenehmigung sind die Betriebsarten (Einzel-, Großhandel), die Größe der Verkaufsfläche sowie Art und Umfang bzw. die absolute Größe des Sortiments (nach m² oder Anteil) festzuschreiben, wenn es sich aus entsprechenden Festsetzungen des Bebauungsplans oder in Anwendung von § 11 Abs. 3 BauNVO ergibt.

6.7 Vorlage von Bauanträgen bei der obersten Bauaufsichtsbehörde

Ist beabsichtigt, Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe oder sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nummer 1 bis 3 BauNVO außerhalb von Kerngebieten oder Sondergebieten aufgrund vorhandenen Baurechts nach §§ 30 bis 35 BauGB zuzulassen, und zwar

  1. einzelne Vorhaben mit mehr als 1200m² Geschoßfläche oder 700 m² Verkaufsfläche,
  2. mehrere Einzelvorhaben von jeweils nicht wesentlich unter 1200 m² Geschoßfläche in räumlicher und zeitlicher Nähe,

so hat die Bauaufsichtsbehörde vor Erteilung der Baugenehmigung oder eines städtebaulichen Vorbescheides den vollständigen Antrag mit der Begründung der beabsichtigten Entscheidung der obersten Bauaufsichtsbehörde vorzulegen (vergleiche Runderlaß 24/03.98 des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr - MSWV - vom 05.11.1998).

7. Außerkrafttreten

Durch diesen Erlaß tritt der Runderlaß des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr vom 3. Dezember 1991 (ABl. 1992 S. 126) außer Kraft.

8. Geltungsdauer

Der Erlaß verliert am 31. Dezember 2005 seine Gültigkeit, sofern er nicht erneut in Kraft gesetzt wird.

Anlage

Die nachfolgenden Listen enthalten eine Aufstellung von zentrenrelevanten bzw. nicht-zentrenrelevanten Sortimenten. Die Listen folgen der Klassifizierung der Wirtschaftszweige (WZ) in der jeweils geltenden Fassung (derzeit WZ 93).

Hinweis: Diese Klassifizierung ist für statistische Zwecke geschaffen worden. Sie bietet jedoch den besten Bezugspunkt für die Einteilung von bestehenden Sortimenten. Allerdings sind einzelne Warengruppen dieser statistischen Einteilung in die Systematik relevanter Sortimente nicht einzuordnen. Deshalb sind die jeweils betroffenen Warengruppen als ausdrücklich zentrenrelevant oder nicht-zentrenrelevant gesondert benannt worden.

I.) Zentrenrelevante Sortimente

Unter Buchstabe A sind zentrenrelevante Sortimente aufgeführt. Unter Buchstabe B sind diejenigen Sortimente aufgeführt, die in ihrer Nennung in der Wirtschaftszweigklassifikation auch nicht-zentrenrelevante Sortimente enthalten.

A.

  • Krafträder, Teile und Zubehör (50.40.3)
  • Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren (52.11 und 52.2)
  • Apotheken, medizinische, orthopädische und kosmetische Artikel (52.3)
  • Textilien (52.41)
  • Bekleidung (52.42)
  • Schuhe und Lederwaren (52.43)
  • Beleuchtungsartikel (52.44.2)
  • Haushaltsgegenstände aus Metall und Kunststoff (52.44.3)
  • keramische Erzeugnisse und Glaswaren (52.44.4)
  • Heimtextilien und Teppiche (52.44.5)
  • Holz-, Kork- und Korbwaren (52.44.6)
  • elektrische Haushalts-, Rundfunk- und Fernsehgeräte sowie Musikinstrumente (52.45)
  • Bücher, Zeitschriften, Zeitungen, Schreibwaren und Bürobedarf (52.47)
  • Kunstgegenstände, Bilder, kunstgewerbliche Erzeugnisse, Briefmarken, Münzen und Geschenkartikel (52.48.2)
  • feinmechanische, Foto- und optische Erzeugnisse, Computer und Software (52.48.4)
  • Uhren, Edelmetallwaren und Schmuck (52.48.5)
  • Spielwaren (52.48.6)
  • Antiquitäten und Gebrauchtwaren (52.5)

B.

  • Blumen, Pflanzen, zoologischer Bedarf, lebende Tiere und Sämereien (52.48.3) ohne Pflanzen, Erde, Torf
  • Fahrräder, Fahrradteile und Zubehör, Sport- und Campingartikel (52.48.7) ohne Boote und Zubehör
  • Sonstiger Facheinzelhandel (52.48.9) ohne Büromöbel

II. Nicht-zentrenrelevante Sortimente für den Einzelhandel

Unter Buchstabe A sind nicht-zentrenrelevante Sortimente aufgeführt. Unter Buchstabe B sind diejenigen Sortimente aufgeführt, die in ihrer Nennung der Wirtschaftszweigklassifikation auch zentrenrelevante Sortimente enthalten. Die nicht-zentrenrelevanten Sortimente sind hier ebenfalls ausdrücklich erwähnt.

A.

  • Kraftwagen (50.10.3)
  • Kraftwagenteile und Zubehör (50.30.3)
  • Wohnmöbel (52.44.1)
  • Eisen-, Metall- und Kunststoffwaren (52.46.1) sowie aus der Unterklasse (51.15.4) Garagen, Gewächshäuser, Gerätehäuschen und Baubuden sowie die Unterklasse (51.53.7) Sanitärkeramik
  • Anstrichmittel (52.46.2)
  • Bau- und Heimwerkerbedarf (52.46.3)
  • Tapeten- und Bodenbelege (52.48.1)
  • Brennstoffe (52.48.8) sowie die Unterklasse (51.51.3) Mineralölerzeugnisse

B.

  • Blumen, Pflanzen, zoologischer Bedarf, lebende Tiere und Sämereien (52.48.3) nur Pflanzen, Blumenerde und Düngemittel
  • Fahrräder, Fahrradteile und Zubehör, Sport- und Campingartikel (52.48.7) nur Sport- und Freizeitboote und Zubehör
  • Sonstiger Facheinzelhandel (52.48.9) nur Büromöbel