Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen, des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung und des Ministeriums des Innern über das Zusammenwirken bei Vorkommnissen und Zwischenfällen mit radioaktiven Stoffen
vom 28. April 1995
(ABl./95, [Nr. 37], S.446)
Auf Grund des § 38 Abs. 4 des Brandschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. März 1994 (GVBI. I S. 65), der §§ 1 und 2 des Ordnungsbehördengesetzes vom 13. Dezember 1991 (GVBI. S. 636) sowie der Nr. 4, 5 und 8 der Verordnung über die Regelung der Zuständigkeiten auf den Gebieten des Immissions- und des Strahlenschutzes vom 26. August 1991 (GVBI. S. 396), in der Fassung vom 2. Januar 1995 (GVBI. II S. 166), erlassen der Minister des Innern, der Minister für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung und die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen folgende Verwaltungsvorschrift:
1. Geltungsbereich/Allgemeines
1.1 Die Festlegungen dieses Runderlasses gelten für die Einleitung von Bekämpfungsmaßnahmen bei Vorkommnissen, Unfällen und anderen Zwischenfallen mit radioaktiven Stoffen durch die zuständigen Dienststellen. Er regelt das Zusammenwirken aller beteiligten Dienststellen und Behörden.
1.2 Aus Zwischenfällen mit radioaktiven Stoffen können sich erhebliche Gefahren für die Bevölkerung, Einsatzkräfte und die Umwelt ergeben, da Radioaktivität mit menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbar ist. Bei unsachgemäßem Umgang kann sich diese Gefahr vergrößern.
1.3 Maßnahmen zur Gefahrenabwehr sind in erster Linie auf den Schutz von Menschen und Umwelt auszurichten. Strahlenschutzfachpersonal ist deshalb so früh wie möglich in das Geschehen einzubeziehen.
2. Zuständigkeiten
2.1 Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung ist für Umweltradioaktivität, kerntechnische Anlagen, den Umgang mit Kernbrennstoffen und die Verwahrung radioaktiver Abfälle bis zur Abgabe an ein Bundesendlager zuständig.
2.2 Für den Umgang, Verkehr und Beförderung von sonstigen radioaktiven Stoffen ist das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen zuständig.
2.3 Zuständig für die Gefahrenabwehr bei Vorkommnissen und Zwischenfällen mit radioaktiven Stoffen sind nach § 13 des Ordnungsbehördengesetzes die örtlichen Ordnungsbehörden. Dabei bleibt die Zuständigkeit der Kreisordnungsbehörde im Rahmen der Fachaufsicht unberührt.
3. Meldewege und Informationspflichten
3.1 Für das Zusammenwirken der Behörden bei Vorkommnissen und Zwischenfällen mit radioaktiven Stoffen ist das als Anlage 1 beigefügte Meldeschema verbindlich.
3.2 Die Leitstellen für Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz der Landkreise und kreisfreien Städte unterrichten unverzüglich den Zentralen Bereitschaftsdienst des Landesumweltamtes und gewährleisten die Unterrichtung der örtlichen Feuerwehr und Leitstellen der Polizeipräsidien.
3.3 Die Leitstellen der Polizeipräsidien oder die örtlich zuständigen Feuerwehren unterrichten sofort die Leitstelle für Brandschutz und Rettungsdienst sowie Katastrophenschutz, wenn Erstmeldungen bei ihnen auflaufen.
3.4 Die beteiligten Dienststellen und Behörden erstellen eigenverantwortlich untersetzende Meldewege für ihre Zuständigkeitsbereiche.
3.5 Die gemäß der Anlage 1 im Übrigen vorgesehenen Meldungen an Vorgesetzte oder andere Stellen sind möglichst zeitgleich durchzuführen.
3.6 Außerhalb der Normalarbeitszeit unterrichtet die Strahlenschutzbereitschaft (siehe Meldeschema Anlage 1) die Rufbereitschaft der Ämter für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (AAS) über Vorkommnisse im Sinne dieses Erlasses.
4. Vorkommnisse/Zwischenfälle
4.1 Als Vorkommnisse oder Zwischenfälle mit radioaktiven Stoffen sind insbesondere anzusehen:
- Verlust oder Unfall während der Beförderung,
- zufälliges Auffinden,
- Ereignisse in Betrieben mit nicht genehmigter Freisetzung von Radioaktivität in die Umwelt außerhalb des Strahlenschutzbereiches,
- Diebstahl, Unterschlagung, Raub,
- Drohungen,
- Anschläge,
- sonstiger illegaler Umgang (illegaler Handel, illegale Ein- und Ausfuhr u. a.).
4.2 Als Zwischenfall ist bereits das Vorliegen eines konkreten Verdachtes anzusehen.
5. Aufgaben der beteiligten zuständigen Behörden
Eine Aufstellung aller beteiligten und zuständigen Behörden ist der Anlage 2 zu entnehmen.
5.1 Aufgaben des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen
5.1.1 Sind die an einem Vorkommnis oder Zwischenfall (Fälle 4a bis 4g) beteiligten Materialien sonstige radioaktive Stoffe (ausgenommen Kernbrennstoffe), so sind das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen oder die Ämter für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik zuständig. Diese können das Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin oder andere Behörden zur messtechnischen Analyse und Auswertung hinzuziehen.
5.1.2 Im Fall des Vorliegens bzw. Umganges bzw. des Verdachtes illegalen Handelns (Nummer 4.1 Buchstabe g) werden das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen oder die Ämter für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik auf Anforderung tätig.
5.1.3 Zur Gewährleistung einer reibungslosen Weitergabe der Informationen sind in den Fällen der Nr. 4.1 in jedem Fall sowohl der Bereitschaftsdienst des Landesumweltamtes als auch die Rufbereitschaft des territorial zuständigen Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik unverzüglich zu informieren. Beide Behörden gewähren sich gegenseitig Amtshilfe.
5.2 Aufgaben des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung
5.2.1 Bei Verdacht, dass die an einem Vorkommnis bzw. Zwischenfall beteiligten Stoffe Kernbrennstoffe (Nummer 4. 1 Buchstabe a bis f) sind, ist das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung die originär zuständige Behörde und bedient sich gegebenenfalls der Amtshilfe weiterer Behörden.
5.2.2 Im Fall des Vorliegens oder Verdachtes eines illegalen Handels (Nummer 4 Buchstabe g) wird das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung auf Anforderung tätig.
5.2.3 Zur Gewährung einer reibungslosen Weitergabe der Informationen sind in den Fällen der Nummer 4.1 in jedem Fall sowohl der Bereitschaftsdienst des Landesumweltamtes als auch die Rufbereitschaft des territorial zuständigen Amtes für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik unverzüglich zu informieren. Beide Behörden gewähren sich gegenseitig Amtshilfe.
5.2.4 Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung steht grundsätzlich mit seiner Fachbehörde, dem Landesumweltamt, für alle unter Nummer 4 genannten Vorkommnisse und Zwischenfälle, insbesondere im Rahmen von Messaufgaben, der Organisation und der Sicherstellung oder Verwahrung von radioaktiven Stoffen, zur Verfügung.
5.3 Aufgaben der Polizei
Die Polizei nimmt die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben wahr. Das sind in diesem Zusammenhang im Wesentlichen:
5.3.1 Gefahrenabwehr [§ 1 des Vorschaltgesetzes zum Polizeigesetz des Landes Brandenburg vom 11. Dezember 1991 (GVBI. S. 636) in Verbindung mit § 1 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei vom 13. September 1990 (GBI. I Nr. 61 S. 1489), zuletzt geändert durch Artikel 4 Nr. 8 der Vereinbarung vom 18. September 1990 (BGBl. II S.1239,1243)], einschließlich unaufschiebbarer Sofortmaßnahmen (§ 1 des Vorschaltgesetzes zum Polizeigesetz des Landes Brandenburg in Verbindung mit § 2 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei) für die originär zuständigen Behörden,
5.3.2 Verfolgung von Taten nach dem Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 163 der Strafprozessordnung oder § 53 des Ordnungswidrigkeitengesetzes),
5.3.3 Im Zusammenhang mit den polizeilichen Maßnahmen gilt der Vorrang der Gefahrenabwehr.
5.4 Aufgaben der Feuerwehr
5.4.1 Sind radioaktive Stoffe in ein Unfallgeschehen mit einbezogen, trifft die zuständige Feuerwehr auf der Grundlage der Feuerwehrdienstvorschriften (FwDV) 9/1 "Strahlenschutz - Rahmenvorschriften" und FwDV 9/2 "Strahlenschutz - Einsatzgrundsätze" die erforderlichen Maßnahmen zur Rettung von Menschenleben unter Beachtung des Eigenschutzanspruchs.
5.4.2 Die Feuerwehr kann zur Sicherung des Eigenschutzanspruches Messungen durchführen. Aussagen über die Art der strahlenden Stoffe sind nicht möglich. Die Messungen müssen in jedem Fall durch Kontrollmessungen der Strahlenschutzfachbehörden bestätigt werden. Eine Aufstellung der Feuerwehren, die über die entsprechende Technik verfügen, ist der Anlage 3 zu entnehmen.
6. Maßnahmen
6.1 Im Falle widerstreitender Interessen von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung hat die Gefahrenabwehr (insbesondere Sicherung der radioaktiven Stoffe zur Vermeidung weiterer Strahlenexpositionen) Vorrang.
6.2 Alle beteiligten Behörden unterstützen sich nach den Grundsätzen der Amts- und Vollzugshilfe.
6.3 Die in den Landkreisen oder kreisfreien Städten zuständigen Behörden für die Gefahrenabwehr (Ordnungsämter, Ämter für Brand- und Katastrophenschutz sowie Rettungsdienst) haben die planerischen Vorbereitungen für Einsatzmaßnahmen entsprechend diesem Erlass zu treffen. In den Leitstellen für Brand- und Katastrophenschutz sowie Rettungsdienst sind vorbereitete Einsatzpläne zu hinterlegen.
6.4 Alle vorbereitenden und sicherstellenden Maßnahmen sind mit den beteiligten Dienststellen (Polizeidienststellen, Ämter für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik u. a.) abzustimmen.
6.5 Die zuerst eintreffenden Kräfte veranlassen unverzüglich die ausreichende Sicherung der Gefahrenstelle, insbesondere durch Absperren (Sofortmaßnahme).
6.6 Bis zur Festlegung der Absperrgrenze durch Dosisleistungsmessungen hat der Einsatzleiter der Feuerwehr als Sofortmaßnahmen einen Absperrbereich festzulegen. Dazu ist um die Unfall- oder Fundstelle herum ein Abstand von mindestens 25 m einzuhalten. Der Einsatzleiter der Feuerwehr kann entsprechend der vorgefundenen Lage auch andere Entscheidungen treffen.
6.7 Personen, die sich innerhalb des Absperrbereiches befinden und vermutlich kontaminiert wurden, sind vor dem Verlassen dieses Bereiches auf Kontamination zu untersuchen.
6.8 Mit dem Eintreffen vor Ort übernimmt die jeweils zuständige Behörde die Leitung bei der Untersuchung und Sicherstellung der radioaktiven Stoffe.
6.9 Die zuständige Strahlenschutzfachbehörde entscheidet oder empfiehlt im Falle der Amtshilfe, ob Kontaminationsmessungen oder Dekontaminationsmaßnahmen durchzuführen sind.
6.10 Die zuständige Behörde entscheidet nach Rücksprache mit der Strahlenschutzbehörde, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Sachverständigen, ob nach den Umständen des Einzelfalles die Katastrophenschutzbehörde informiert werden muss.
6.11 Über die Rückgabe des radioaktiven Stoffes an den Eigentümer oder die ordnungsgemäße Einziehung und Abgabe an die Landessammelstelle für radioaktive Abfälle oder eine sonstige geeignete Stelle entscheidet die mit der Leitung der Untersuchung des Zwischenfalles zuständige Behörde im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft.
7. Strahlenexposition
7.1 Für die im Zuge der Gefahrenabwehr tätigen Behörden sind die Festlegungen in vorhandenen Dienstvorschriften verbindlich. Über eingeleitete Einsatzmaßnahmen ist ein aktenkundiger Nachweis zu führen.
7.2 Bei Verdacht von Strahlenexpositionen leitet die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen ein, z. B. Inkorporationsmessungen, Hinzuziehung von ermächtigten Ärzten im Strahlenschutz (die gegebenenfalls die Einweisung zur stationären Behandlung veranlassen).
7.3 Eine Aufstellung von Spezialkliniken ist der Anlage 4 zu entnehmen.
8. Eigensicherung
Die Festlegungen folgender Dienstvorschriften zur Eigensicherung sind zu beachten:
- Leitfaden 450 "ABC-Wesen der Polizei",
- Leitfaden 371 "Eigensicherung im Polizeidienst",
- Feuerwehrdienstvorschrift (FwDV) 9/1 "Strahlenschutz-Rahmenvorschriften",
- Feuerwehrdienstvorschrift (FwDV) 9/2 "Strahlenschutz-Einsatzgrundsätze" .
Anlagen
- 1
- 2Anlage 1a - Zuständige Behörden 140.9 KB
- 3
- 4
- 5