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Brandenburgisches Vorschriftensystem (BRAVORS)

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Aktuelle Fassung

Runderlaß zur Errichtung von Wasserver- und Abwasserentsorgungsanlagen unter Berücksichtigung von kostensparenden technischen Lösungen (W 3-54 303)


vom 21. August 1994
(ABl., [Nr. 65], S.1370)

1. Situation und Zielstellung

Mit einem völlig unzureichenden Anschlußgrad an öffentliche Abwasserentsorgungsanlagen und starken Unterschieden zwischen städtischen und ländlichen Bereichen hat das Land Brandenburg als Erbe einen großen Nachholbedarf übernommen.

Weiterhin ist auch die in Brandenburg typische Siedlungsstruktur ein erschwerender Faktor bei Entwicklung der Wasserver- und Abwasserentsorgung. Insgesamt ist ein sorgfältiger Umgang mit der Ressource Wasser, verbunden mit hohen Investitionen in vorhandene, noch zu errichtende bzw. zu modernisierende Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen, erforderlich.

Zur Erreichung dieser Zielsetzungen und unter Berücksichtigung sozialer Belange ist es deshalb notwendig, daß diese Entwicklung nach einheitlichen Grundsätzen von den Behörden unterstützt wird. Der Runderlaß wendet sich im besonderen an die Wasserbehörden und das Landesumweltamt als Wasserwirtschaftsamt des Landes. Es ist ihre Aufgabe, durch eine fachliche Beratung auf eine kostensparende und sozialverträgliche Entwicklung der Infrastruktur einzuwirken, ohne in die kommunale Selbstverwaltung einzugreifen.

Die nachfolgenden Hinweise haben die Kostendämpfung für Wasser- und Abwasserinvestitionen zum Ziel und sind bei der Erteilung von wasserrechtlichen Erlaubnissen und bei der baufachlichen Prüfung von Fördervorhaben zu berücksichtigen.

2. Grundsätze

Der Bau von Wasserver- und Abwasserentsorgungsanlagen ist auf kostensparende Lösungen auszurichten. Dabei sollte beachtet werden:

  • Bei neu zu erschließenden oder erheblich zu erweiternden Systemen erfolgt der Bau von Leitungen über längere Zeiträume. Das trifft insbesondere bei zentralen Anlagen zu, mit denen mehrere Gemeinden erschlossen werden sollen. Der Wasserbedarf und der Abwasseranfall steigen somit nur langsam.
  • Die Berücksichtigung der Einwohnerentwicklung hat sich auf bestätigte Bebauungsgebiete mit Baugenehmigung zu beschränken.
  • Sofern Gewerbegebiete Berücksichtigung finden, ist ein realer Ansatz für den Abwasseranfall  dringend erforderlich.
  • Die Ver- und Entsorgung z. Z. noch unklarer und ungesicherter Ansiedlungen hat später Berücksichtigung zu finden.
  • Bei anfänglicher mobiler Entsorgung ist der Abwasseranfall geringer.
  • Kläranlagen sind stufenweise und schrittweise auszubauen.
  • Der Fremdwasserzuschlag ist auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken.
  • Grundprinzip soll sein:
  • Realisierung in sich voll funktionsfähiger Teilkapazitäten als Teil einer geplanten Endkapazität
    • durch z. B. straßenweisen Ausbau; für weiteren Ausbau nur Flächen vorhalten
    • durch z. B. technologische Umstellungen bei schrittweiser Steigerung der Belastungen
  • Die Erlaubnisse für die Wasserentnahmen und die Bedingungen für die Abwassereinleitungen sind dem stufen- und schrittweisen Ausbau der Anlagen anzupassen (§ 1 a WHG).
  • Sanierungsbescheide mit befristeten Ausnahmeregelungen zur Erreichung gesetzlich festgelegter Ziele können erteilt werden
    • bei Trinkwasseranlagen soweit keine Gesundheitsgefährdung vorliegt (zuständig MASGF)
    • bei Abwasseranlagen, ggf. mit zeitlich gestaffelten Überwachungswerten, z. B. Zurückstellung der N-Eliminierung, sofern die Erweiterung in einem zeitlich vertretbaren Rahmen gewährleistet ist.

3. Aspekte für die Bemessung von Anlagen und Netzen

3.1. Nutzung von Meßergebnissen bei vorhandenen Systemen

Bei der Bemessung von Anlagen und Netzen sind Aufzeichnungen in Betriebstagebüchern sowie sonstige Meß- und Analysenergebnisse zu berücksichtigen. Erforderlichenfalls sind Ergänzungsmessungen vorzunehmen.

3.2. Anwendung des Misch- oder Trennsystems

Grundsätze:

  • Vorzugsweise Trennung von Schmutzwasser und Niederschlagswasser
  • Versickerung unverschmutzten bzw. gering verschmutzten Niederschlagswassers am Anfallort
  • Sofern eine Versickerung nicht möglich ist, Abführung des Niederschlagswassers auf kürzestem Wege in den Vorfluter
  • Nur stark verschmutztes Niederschlagswasser ins Schmutzwassernetz einleiten
  • Erweiterung vorhandener Mischwassersysteme unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze
  • Sofern Schmutzwasser in die Regenwasserkanalisation eingeleitet wird, sind diese Anschlüsse zu trennen und in die Schmutzwasserleitung einzubinden

3.3. Mobile Entsorgung

Für die Bemessung der Kläranlage sind auch die Abwässer zu berücksichtigen, die über eine mobile Entsorgung zugeführt werden.

Bei abflußlosen Gruben sind die Einwohner voll, bei Fäkalschlämmen aus Kleinkläranlagen die Einwohner nur anteilig (max. 0,50 EW) für die Bemessung anzusetzen.

3.4. Hinweise für die Bemessung nach Einwohnern (E)

Sofern möglich, ist der Bemessungsansatz nach Einwohnern im Plausibilitätsvergleich mit den Meßwerten oder zu messenden Werten gemäß 3.1. vorzunehmen.

Sofern kein gesicherter Einwohnerzuwachs z. B. aus größeren Wohnbaugebieten vorliegt, ist der Kapazitätsvorlauf maßvoll zu halten und darf 10 % des aktuellen Anschlußwertes nicht übersteigen. Kleingewerbe ist durch diesen Zuschlag von 10 % erfaßt. Die Berücksichtigung der Einwohner, deren Fäkalien mobil entsorgt werden, hat gemäß Pkt. 3.3. zu erfolgen, sofern nicht der Anschluß an die Kläranlage über die Schmutzwasserleitung in den nächsten 5 Jahren erfolgen wird.

3.5. Hinweise für die Bemessung nach Einwohnergleichwerten (EGW)

Bei vorhandenem Gewerbe ist von Meßwerten auszugehen. Sofern Produktionsumstellungen mit Auswirkungen auf den Wasserbedarf und den Abwasseranfall geplant sind, ist von den entsprechend korrigierten Werten auszugehen.

Gewerbe- und Industrieneuansiedlungen sind nur zu berücksichtigen, wenn

  • die Ansiedlung vertraglich gesichert ist,
  • konkrete branchengerechte Angaben zum Wasserbedarf, zur Abwassermenge, zu Abwasserinhaltsstoffen  und zu notwendigen Vorreinigungsanlagen vorliegen und
  • klare vertragliche finanzielle Regelungen der Investitionsbeteiligung sowie zu den später anfallenden Gebühren getroffen worden sind.

3.6. Abweichung von Regelwerken

Von der Anwendung der DVGW- und ATV-Regelwerke ist insbesondere in den Fällen abzusehen,

  • in denen mit nachgewiesenen Meßwerten (z. B. aus Versuchen) wirtschaftlichere Verfahren und Konstruktionen angewandt werden können,
  • in denen wiederverwendbare bewährte Verfahren ganz oder teilweise übernommen werden können oder
  • in denen im Regelwerk freigestellte Ausnahmen zur Anwendung kommen.

Ergebnisse, die bei der Überprüfung der ATV-Vorschriften bekannt werden, sind umgehend zu berücksichtigen.

3.7. Berücksichtigung eines Fremdwasseranteils

Fremdwasser ist von den Abwasseranlagen fernzuhalten. Das erfordert bei neu zu verlegenden Kanalisationen dichte Leitungen und Schächte sowie eine Schachtanordnung, die das Eindringen von Niederschlagswasser durch die Abdeckungen ausschließt.

Die Berücksichtigung eines Fremdwasseranteils entfällt in solchen Fällen.

Fremdwasser aus vorhandenen undichten und fehlgeschlossenen Leitungen ist durch Messungen nachzuweisen. Der Fremdwasseranteil muß in der Bemessung ausdrücklich begründet werden.

3.8. Schlammbehandlung

Bei der Schlammbehandlung ergeben sich folgende Kosteneinsparpotentiale:

  • Die Art der Schlammbeseitigung muß in der Phase der Vorplanung geklärt sein. Der Schlamm aus Abwasseranlagen ist vorzugsweise landwirtschaftlich zu nutzen. Als kostengünstigste Variante erweist sich dabei die Naßschlammverbringung.
  • Die Schlammbehandlung ist an die Anforderungen der künftigen Schlammverwertung und -beseitigung anzupassen.

    Der technische und finanzielle Aufwand ist auf das notwendige Minimum zu beschränken.
  • Schlammbehandlung und Belebungsverfahren sind technologisch voneinander abhängig. Wirtschaftliche Alternativberechnungen sind erforderlich.

Die Schlammbehandlung ist maßgebender Bestandteil in den Betrachtungen beim stufenweisen Ausbau von Kläranlagen.

Mobile Schlammentwässerungsanlagen sind vielfach eine kostengünstige Alternative zu stationären Anlagen.

3.9. Anwendung kostengünstiger Entsorgungslösungen

Kläranlagen:

  • Anwendung einfacher, wartungsarmer, technisch unkomplizierter Klärverfahren, insbesondere bei kleineren Anlagen (bis 1 000 EW), zum Beispiel
    • naturnahe Verfahren wie Abwasserteiche, Pflanzenkläranlagen,
    • belüftete Oxidationsteiche und -gräben,
    • Tauchkörperanlagen
  • Beschränkung des technischen Aufwandes für Fäkalienannahmestellen auf das notwendige Minimum
  • Anwendung kostengünstiger Schlammbehandlungsverfahren nach den Grundsätzen des Punktes 3.8.
  • Anwendung schlammstabilisierender Verfahren bei Kläranlagen von 1000 EW bis 25 000 EW zur Senkung des Aufwandes für die Schlammbehandlung
  • Einsatz von Schönungsteichen nur in besonders begründeten Fällen

Pumpwerke:

  • Minimierung des Bauaufwandes durch Anwendung von Schachtpumpwerken und Einsatz von Abwassertauchpumpen
  • Einsatz der Druckentwässerung bei dünner Besiedelung (Einzel-, Streubebauung) und/oder bei hohen Grundwasserständen
  • Wahl kostengünstiger Gründungsbauweisen (z. B. Absenkverfahren mit vorzugsweise vorgefertigten Elementen zur Einsparung der Grundwasserabsenkung)

Rohrleitungen:

  • Einsatz kostengünstiger Werkstoffe in der Kanalisation
  • Mindestdurchmesser DN 200 und ggf. geringer für Freispiegelleitungen
  • Einsparung von Kontrollschächten durch längere Kanalhaltungen bis 100 m bei Anschaffung entsprechender Kanalreinigungsgeräte
  • Kostensparende Bauweisen, z. B. durch Anwendung von Schachtfertigteilen

4. Wasserrechtliche Erlaubnis bei Abwassereinleitungen

Wasserrechtliche Erlaubnisse sind so zu erteilen, daß die begründeten Anforderungen des Gewässer- und Naturschutzes mit einem Minimum an Investitions- und Betriebskosten erfüllt werden können. Über die Mindestanforderungen der Rahmenabwasserverwaltungsvorschrift hinausgehende, mit Zusatzkosten verbundene Anforderungen bedürfen der Begründung.

Vor der Erteilung der Erlaubnis für Abwassereinleitungen ist zu prüfen, ob in wirtschaftlich zumutbarer Entfernung die Aufleitung der zu reinigenden Abwässer auf eine bereits vorhandene Kläranlage möglich ist. Der Auslastung vorhandener Anlagen ist der Vorrang vor dem Neubau einzuräumen.

5. Hinweise auf Verwaltungsvorschriften und einschlägige Veröffentlichungen

5.1. Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung zur Anwendung des § 34 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) bei Einleitung weitergehend gereinigter Abwässer in das Grundwasser vom 2. März 1993 im Amtsblatt für Brandenburg, S. 602

5.2. Hinweise über den Einsatz von Pflanzenbeeten für die biologische Reinigung häuslichen Abwassers in kommunalen Kläranlagen, Erlaß des MUNR vom 9. Februar 1993, Amtsblatt für Brandenburg, S. 475

5.3. Studie zu verfahrenstechnischen Konzepten bei stufenweisem Ausbau von kommunalen Abwasserreinigungsanlagen und betrieblichen Optimierungsmöglichkeiten, Broschüre des MUNR vom 15. September 1992

5.4. Abwasserbeseitigung im Land Brandenburg:

Tagungsbericht zum Symposium am 21. Oktober 1992, Studien und Tagungsberichte Band 2 des LUA Brandenburg

5.5. Einsatzmöglichkeiten von Kleinkläranlagen zur Abwasserreinigung, Veröffentlichung im Amtsblatt in Vorbereitung

Dieser Runderlaß tritt mit seiner Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft.