Öffentliches Auftragswesen - Sonderregelungen zugunsten von Unternehmen aus den neuen Bundesländern bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB)
vom 20. Dezember 1993
(ABl./94, [Nr. 01], S.10)
Im Einvernehmen mit dem Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr, dem Minister der Finanzen, dem Minister des Innern und dem Minister für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung -
Die mit Runderlaß vom 16. März 1993 (ABl. S. 598) in Kraft getretenen Ausnahmeregelungen zugunsten der neuen Bundesländer bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen waren bisher bis zum 31. Dezember 1993 befristet.
Die Verlängerung dieser befristeten Sonderregelungen um weitere zwei Jahre zur Weiterverfolgung des gesteckten Zieles, wonach die Bauinvestitionen weitgehend in die Wirtschaft der neuen Bundesländer fließen sollen, damit dort Arbeitsplätze erhalten bzw. geschaffen werden und insbesondere der Aufbau der handwerklich und mittelständisch strukturierten Bauwirtschaft gefördert wird, wurde jetzt beschlossen.
Diese Sonderregelungen basieren auf Erfahrungen der Vergabepraxis. Sie sind insofern Regelungen zur Vereinfachung des Verwaltungshandelns bei der Vergabe von Bauleistungen.
Grundsatz bleibt, daß die Verfahren nach den §§ 3, 3a und 3b VOB/A anzuwenden sind. Davon ausgehend sind unter Hinweis auf § 4 Nr. 2 und Nr. 3 VOB/A umfangreiche Bauleistungen möglichst in Lose aufzuteilen und nach Losen zu vergeben (Teillosvergabe) bzw. Bauleistungen verschiedener Handwerks- und Gewerbezweige in der Regel nach Fachgebieten oder Gewerbezweigen getrennt zu vergeben (Fachlosvergabe). Die Beachtung dieser Grundsätze ist von maßgebender Bedeutung, weil hierdurch eine vorrangige Unterstützung von Handwerk und mittelständischen Betrieben erfolgt. Ergänzend hierzu gelten für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1995 folgende Sonderregelungen:
1. Beschränkte Ausschreibung nach Öffentlichem Teilnahmewettbewerb
Über § 3 Nr. 3 VOB/A hinaus kann, wenn für die geforderte Leistung in den neuen Bundesländern ein Markt vorhanden und damit ein ausreichender Wettbewerb möglich ist und soweit der voraussichtliche Auftragswert 100.000 DM nicht übersteigt, anstelle der nach § 3 Nr. 2 VOB/A durchzuführenden Öffentlichen Ausschreibungen eine Beschränkte Ausschreibung nach Öffentlichem Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden. Aus den Teilnahmebewerbungen sind vorzugsweise geeignete Bewerber, die ihren Sitz in den neuen Bundesländern haben, zur Angebotsabgabe aufzufordern. Auf diese Bevorzugung ist in der Bekanntmachung der Beschränkten Ausschreibung hinzuweisen. § 8 Nr. 4 VOB/A ist zu beachten. In Übereinstimmung mit § 4 Nr. 3 VOB/A sind Bauleistungen verschiedener Handwerks- und Gewerbezweige in der Regel getrennt nach Fachlosen zu vergeben.
2. Freihändige Vergabe
Um den an öffentlichen Bauaufträgen interessierten Handwerkern und mittelständischen Unternehmen die Teilnahme an öffentlichen Aufträgen zu ermöglichen, kann über § 3 Nr. 4 VOB/A hinaus eine Freihändige Vergabe durchgeführt werden. soweit der voraussichtliche Auftragswert 25.000 DM nicht übersteigt und die Bauaufträge Handwerksbetrieben und baugewerblichen Kleinbetrieben zugute kommen sollen. Unter Beachtung des Wettbewerbsgrundsatzes sind in der Regel zwei bis drei Angebote aus den neuen Bundesländern einzuholen. Dabei soll auch bei ausreichender Zahl bekannter Bewerber neuen Bewerbern Gelegenheit zur erstmaligen Teilnahme am formlosen Wettbewerbsverfahren gegeben werden.
3. Nebenangebote/Verkürzung der Fristen
Nebenangebote sind grundsätzlich zuzulassen. Nur in begründeten Fällen können sie ausgeschlossen werden. Nebenangebote, die in technischer Hinsicht von der Leistungsbeschreibung des Auftraggebers abweichen, sind auch ohne gleichzeitige Abgabe eines Hauptangebotes zulässig. Sonstige Nebenangebote, z. B. mit der Forderung nach abweichenden Zahlungsbedingungen, Ausführungsfristen oder Preisvorbehalten, sind nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zuzulassen.
Auf die Möglichkeit, die Bewerbungs- und Angebotsfristen aus Gründen der Dringlichkeit auf eine Zeitspanne, die allerdings immer noch angemessen sein muß, zu verkürzen (§§ 18, 18a und 18b VOB/A), wird hingewiesen.
4. Berücksichtigung von Nachunternehmern/Bietergemeinschaften
Bei umfangreichen Bauleistungen, insbesondere wenn Bauleistungen verschiedener Handwerks- oder Gewerbezweige zusammen vergeben werden sollen, ist der Bieter zu verpflichten, Art und Umfang der Leistungen anzugeben, die er an Nachunternehmer zu vergeben beabsichtigt.
Dem Bieter ist aufzugeben, Nachunternehmerleistungen vorzugsweise an Unternehmen mit Sitz in den neuen Bundesländern zu vergeben. Soweit möglich, hat er mit dem Angebot deren Namen und Anschrift mitzuteilen.
Die Übertragung von Leistungen an Nachunternehmer aus den neuen Bundesländern oder der Nachweis des Bemühens darum kann bei der Wertung nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A mit herangezogen werden. Die Bewerber sind
- im Falle der Öffentlichen Ausschreibung und der Beschränkten Ausschreibung nach Öffentlichem Teilnahmewettbewerb in der Bekanntmachung und in der Aufforderung zur Angebotsabgabe,
- im Falle der Beschränkten Ausschreibung bzw. der Freihändigen Vergabe in der Aufforderung zur Angebotsabgabe,
hierauf hinzuweisen.
Entsprechend ist zu verfahren, wenn sich Unternehmer mit Sitz in den neuen Bundesländern an Bietergemeinschaften beteiligen.
5. Aufklärung des Angebotsinhaltes (§ 24 VOB/A)
Bei Ausschreibungen (förmlichen Verfahren) kann mit allen Bietern nur verhandelt werden, um sich über ihre technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst, etwaige Änderungsvorschläge und Nebenangebote, die geplante Art der Durchführung, etwaige Ursprungsorte oder Bezugsquellen von Stoffen und Bauteilen und um sich über die Angemessenheit der Preise, wenn nötig durch Einsicht in die vorzulegende Preisermittlungen (Urkalkulation), zu unterrichten.
Verhandlungen über Änderungen der Angebote oder Preise sind bei förmlichen Verfahren (Ausschreibungen) nur zulässig, wenn sie insbesondere bei Nebenangeboten oder bei Angeboten, bei denen die Leistung nicht abschließend nach § 9 Nr. 9 VOB/A beschrieben werden konnte, nötig sind, um unumgängliche technische Änderungen geringen Umfangs und sich daraus ergebende Änderungen der Preise zu vereinbaren.
6. Beschreibung der Leistungen nach TGL
Die Leistungsbeschreibung kann gegebenenfalls abweichend von den Regelungen der VOB auf der Basis der Technischen Güte- und Lieferbedingungen (TGL) erfolgen. Das kann z. B. dann der Fall sein, wenn das Bauordnungsrecht die weitere Anwendung von TGL-Bestimmungen technisch notwendig macht oder ihre Anwendung aus praktischen Erwägungen als zweckmäßig erscheinen läßt. In solchen Fällen sind die entsprechenden Bestimmungen als Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen zu vereinbaren.
7. Neue Bundesländer
Als Unternehmen mit Sitz in den neuen Bundesländern gelten Unternehmen mit Sitz in
- Brandenburg,
- Mecklenburg-Vorpommern,
- Sachsen,
- Sachsen-Anhalt,
- Thüringen sowie
- im Ostteil von Berlin.
8. Die kreisfreien Städte, die kreisangehörigen Gemeinden, die Ämter und die Landkreise haben gemäß § 29 Gemeindehaushaltsverordnung entsprechend zu verfahren.