Hinweis: brandenburg.de hat seine Internet-Seiten auf barrierefreien Zugriff optimiert und verwendet deshalb standardisiertes CSS (Stylesheets). Sollte Ihr Browser dieses nicht korrekt anzeigen, unterstützt er nicht die üblichen Webstandards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Brandenburgisches Vorschriftensystem (BRAVORS)

A | A | A |
Aktuelle Fassung

Bekanntmachung der Vereinbarung zwischen dem Land Brandenburg und der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg über die Seelsorge in Justizvollzugsanstalten


vom 25. Juni 1997
(ABl./97, [Nr. 29], S.618)

Die am 2. Dezember 1993 unterzeichnete Vereinbarung zwi­schen dem Land Brandenburg und der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg über die Seelsorge in Justizvollzugs­anstal­ten ist nach ihrem Artikel 11 am 22. Oktober 1993 in Kraft getreten. Die Vereinbarung wird nachstehend veröffentlicht.

Vereinbarung zwischen dem Land Bran­denburg und der Evan­gelischen Kirche in Berlin-Bran­denburg über die Seelsorge in Justizvollzugsanstal­ten

Artikel 1

(1) Die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten bildet einen Teil der den Kirchen obliegenden allgemeinen Seelsorge.

(2) Die evangelische Seelsorge in den Justizvollzugsan­stalten wird durch Pfarrer, Pfarrerinnen und andere kirchliche Mit­arbeiter und Mitarbeiterinnen - im folgen­den Gefängnisseelsor­ger genannt - im Haupt- oder Ne­benamt wahr­genommen.

(3) Die Freiheit der Verkündigung und das Beicht- und Seel­sorgegeheimnis werden gewährleistet.

Artikel 2

(1) Die Gefängnisseelsorger stehen im Dienst der Evan­geli­schen Kirche in Berlin-Brandenburg. Sie unterstehen der Dienst- und Disziplinaraufsicht der Kirche.

(2) Sie sind verpflichtet, bei der Ausübung ihres Dienstes die sie betreffenden Bestimmungen über den Strafvoll­zug und die Untersuchungshaft zu beachten.

(3) Die Gefängnisseelsorger arbeiten in ihrem Dienst mit den Vollzugs­bediensteten eigenverantwortlich zusam­men. Sie haben das Recht auf Teilnahme an den Dienst­besprechungen und Vollzugskonferenzen. Sie sind bei allen kirchliche Ver­anstaltungen berührenden Maßnah­men der Anstaltsleitung vorher zu hören.

Artikel 3

(1) Zu den Rechten der Gefängnisseelsorger gehören die In­anspruchnahme aller Einrichtungen und die Veran­lassung organisatorischer Maßnahmen, die geeignet und erforderlich sind, ihre Aufgaben gemäß Artikel 4 zu erfüllen.

(2) Sie haben Anspruch auf die Bereitstellung von Räu­men, die für die Ausübung des Dienstes notwendig sind (gottes­dienst­licher Raum und Dienstzimmer).

Die Planung, Einrichtung und Gestaltung von Gottes­dienst­räumen in Justiz­vollzugsanstalten erfolgt durch das Land im Einvernehmen mit der Kirche.

(3) Die Gefängnisseelsorger können im Einvernehmen mit dem Anstaltsleiter freiwillige Helfer, unterstützende Gruppen sowie andere Seelsorger und Seel­sorgehelfer für den Dienst in der Einrichtung hinzuziehen.

Artikel 4

Die Gefängnisseelsorger haben im wesentlichen folgen­de Aufgaben:

  • Regelmäßige Abhaltung von Gottesdien­sten
  • Abnahme der Beichte und Spendung der Sakramente
  • Durchführung von Amtshandlungen aus be­sonderem Anlaß (z. B. Trauungen)
  • Einzelseelsorge einschließlich der Zellenbesu­che und der Aussprache mit einzelnen Gefangenen
  • Angebote von Gruppenarbeit, Kursen und Unterweisungs­stunden
  • Durchführung von Besuchen und Begleitung bei Ausfüh­rung von Gefangenen in seelsor­gerlich begründeten Fällen
  • Besondere Krankenseelsorge bei Krankheits­fällen inner­halb der Justiz­vollzugsanstalt
  • Beratung und seelsorgerlicher Beistand auch für die Ange­hörigen der Gefangenen in Partnerschafts-, Ehe- und Familienangelegenheiten im Zusammenhang mit den sich aus der In­haftierung ergebenden Problemen
  • Mitwirkung bei der sozialen Hilfe für die Gefangenen und ihre Familien unter Beach­tung der Primärzuständigkeit des Sozialdien­stes
  • Bereitschaft zur Seelsorge an Mitarbeitern des Strafvoll­zuges, unbeschadet der Zuständigkeit des Gemeindepfar­rers
  • Mitwirkung bei der Aus-, Fort- und Weiterbil­dung der Mitarbeiter im Strafvollzug
  • Mitwirkung bei der Gewinnung und Betreu­ung ehrenamtli­cher Helfer sowie von Kontakt­gruppen im Vollzug
  • Mitwirkung bei der Öffentlichkeitsarbeit in Gesellschaft und Kirche.

Die Aufgaben und Rechte der Gefängnisseelsorger aus dieser Vereinbarung erstrecken sich auch auf Inhaftierte, die keiner evangelischen Kirche angehören, jedoch seelsorgerliche Be­treuung durch einen evangelischen Gefängnis­seelsorger wün­schen.

Artikel 5

(1) Die Gefängnisseelsorger werden von der Kirche im Einver­nehmen mit dem Ministerium der Justiz des Lan­des berufen.

(2) Liegen Tatsachen vor, aus denen sich gegen die Person oder die Tätigkeit eines Gefängnisseelsorgers oder einer Ge­fängnisseelsorgerin schwerwiegende Be­denken gegen den weiteren Dienst ergeben und können diese nicht ein­vernehm­lich zwischen Land, Kirche und dem Gefängnisseelsorger/der Gefäng­nis­­seelsorgerin verändert werden, so kann das Land die Abberufung verlangen. Betroffene sind vor einer Entscheidung von der Kirche und vom Ministerium der Justiz zu hören.

Artikel 6

(1) Urlaubs- und Dienstbefreiung der Gefängnisseelsorger rich­ten sich nach dem Pfarrerdienstgesetz bzw. der kirchlichen Arbeitsvertragsordnung.

(2) Die Gefängnisseelsorger sind verpflichtet, ihren Dienst betreffende Weiter­bildungen wahrzunehmen. Sie haben das Recht, an kirchlichen Veranstaltungen, Kur­sen und Tagungen, die mit ihrem Dienst in Verbindung stehen, in ange­messenem Umfang ohne Anrechnung auf ihren Erholungsurlaub teilzunehmen.

(3) Die Vertretung bei Abwesenheit und die Urlaubsver­tre­tung regeln die Gefängnis­seelsorger nach Abstim­mung mit der Kirche im Einvernehmen mit dem An­staltsleiter. Die Krank­heits- und Vakanzvertretung regelt die Kirche im Einverneh­men mit dem Anstalts­leiter.

Artikel 7

(1) Das Land erstattet der Kirche bei hauptamtlichen Gefäng­nisseelsorgern die vollen, bei nebenamtlichen Gefängnisseel­sorgern die anteiligen Personalkosten und den Sachkosten­aufwand in Form einer Pauschale, die kostendeckend sein soll.

(2) Über die Zahl der einzurichtenden Stellen für Ge­fängnis­seelsorger, den jeweiligen Beschäftigungsumfang und die Höhe der Pauschalerstattung wird eine geson­derte Vereinba­rung geschlossen.

Artikel 8

(1) Die Kirche ist berechtigt, Visitationen bezüglich der Seel­sorge in den Justizvollzugsanstalten durchzuführen.

(2) Im Einverständnis mit dem Ministerium der Justiz beruft die Kirche mindestens einmal jährlich eine ge­meinsame Kon­ferenz der evangelischen Gefängnis­seel­sorger mit Vertretern der Kirche und des Ministeriums der Justiz über Fragen der Anstaltsseelsorge und des Justizvollzuges ein.

Artikel 9

(1) Zweifels- und Streitfragen sind zunächst zwischen dem Anstaltsleiter und den Gefängnisseelsorgern mit dem Ziel einer Klärung oder Einigung zu erörtern.

(2) Die Gefängnisseelsorger haben das Recht der Be­schwerde beim Ministerium der Justiz, wenn Schwierig­keiten in der Zusammenarbeit mit der Anstaltsleitung auftreten, die nicht anderweitig behoben werden können.

Das Ministerium der Justiz wird die Kirche über diese Be­schwerde alsbald unterrichten, wenn es sich nicht in der Lage sieht, der Beschwerde abzuhelfen.

(3) Das Ministerium der Justiz wird eine Beschwerde der Anstaltsleitung über die Tätigkeit eines Gefängnisseel­sorgers alsbald an die Kirche weiterleiten, wenn es diese für begründet hält.

Die Kirche bemüht sich, Beschwerden im Gespräch mit den Gefängnis­seelsorgern im Beisein eines Vertreters des Ministe­riums der Justiz zu klären. Das Ergebnis wird in einem Proto­koll festgehalten.

Artikel 10

Die Vertragsschließenden werden sich bemühen, eine etwa in Zukunft auftretende Meinungsverschiedenheit über die Aus­legung einer Bestimmung dieser Verein­barung einvernehmlich zu klären.

Artikel 11

(1) Diese Vereinbarung tritt am 22. Oktober 1993 in Kraft.

(2) Die Vereinbarung gilt zunächst für die Dauer von fünf Jahren. Sie verlängert sich stillschweigend jeweils um weitere fünf Jahre, wenn sie nicht zwölf Monate vor Ablauf der Frist gekündigt wird.

Berlin, den 2. November 1993                                                                Potsdam, den 2. Dezember 1993

Für die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg     Für den Ministerpräsidenten des Landes Branden­burg
Der Bischof                                                                                          Der Minister der Justiz

Dr. Martin Kruse                                                                                   Hans Otto Bräu­tigam